Das historische Urteil: Der VI. Zivilsenat des BGH entscheidet bei der fiktiven Schadensabrechnung zum Nutzungsausfall mit Urteil vom 23.3.1976 – VI ZR 41/74 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

das nachfolgend dargestellte Revisionsurteil des VI. Zivilsenates des BGH wird auch heute noch des öfteren zitiert, so dass wir uns entschlosasen haben, auch dieses „historische“ BGH-Urteil zur fiktiven Abrechnung und zum Nutzungsausfall zu veröffentlichen. Der vom Gericht angewendete § 249 Satz 2 BGB a.F. ist im Falle der fiktiven Abrechnung völlig korrekt. In den Entscheidungsgründen weist der Senat zu Recht auf das Prognoserisiko hin, das er aus BGHZ 63, 182 ff. zitiert. Lest selbst die BGH-Entscheidung und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VI ZR 41/74                                                                                                       Verkündet am:
.                                                                                                                         23. März 1976

in dem Rechtsstreit

Tatbestand:

Der Beklagte verschuldete einen Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Kägers beschädigt wurde. Dieser begehrt Ersatz seines Schadens. Er berechnet diesen Schaden anhand der von einem Sachverständigen berechneten Reparaturkosten, restlicher Wertminderung und Nutzungsausfall während der geschätzten Reparaturzeit sowie von Nebenkosten. Unstreitig hatte der Kläger das Unfallfahrzeug nicht reparieren lassen, es vielmehr unrepariert zu einem Anrechnungsbetrag von 1.500 DM beim Erwerb eines völlig neuen Wagens in Zahlung gegeben. Der Beklagte meint, nur dieser tatsächliche Verlauf und nicht eine fiktive Instandsetzung dürfe dem Schadensersatzanspruch zugrunde gelegt werden.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Die Revision des Beklagte hatte lediglich hinsichtlich des Nutzungsausfalls teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass eine Abrechnung des Schadens, würde sie auf der Grundlage der Anschaffung des Neuwagens vorgenommen, den streitigen Restanspruch nicht voll zu rechtfertigen vermöchte. Es folgt aber der Berechnung, die der Kläger auf der Unterstellung, also „fiktiv“ aufbaut, dass der Wagen repariert worden sei. Daher bringt es die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten in Ansatz unter Einschluss von Mehrwertsteuer, ferner den verbleibenden technischen und merkantilen Minderwert und auch eine Entschädigung für den der mutmaßlichen Reparaturdauer entsprechenden Nutzungsausfall in Höhe von 144 DM (16 Tage zu 9 DM). So gelangt es zu einem Betrag, der die Forderung des Klägers (1.700 DM) geringfügig übersteigt.

Die Revision wendet sich nicht gegen die Einzelheiten der Schadensberechnung, hält sie aber für im Ansatz verfehlt. Sie meint, der Geschädigte habe zwar nach § 249 S. 2 BGB die Wahl, welche Abrechnungsart er anwenden wolle, sobald er aber sein Wahlrecht ausgeübt habe – hier indem er sich für eine „Ersatzbeschaffung“ entschieden habe -, könne er nicht mehr auf der Grundlage von geschätzten Reparaturkosten abrechnen.

II.

Der Revisionsangriff bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht ist mit Recht der ersten Schadensberechnung des Kläger fast durchweg gefolgt.

1. Soweit der Geschädigte wie hier zulässigerweise den Weg des § 249 S. 2 BGB wählt, was im Kfz-Haftpflichtrecht die Regel darstellt, steht es ihm grundsätzlich frei, ob er den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag nach dessen Zahlung wirklich diesem Zweck zuführen oder anderweitig verwerten will. Das entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, sondern auch den Erwägungen des Gesetzgebers (zuletzt BGHZ 63, 182 [184] = NJW 1975, 160 unter Hinweis auf Prot. I 296, 297). Damit muss er den nach den Umständen zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag grundsätzlich auch dann in Anspruch nehmen können, wenn er von vorneherein nicht die Absicht hat, die der Berechnung seines Anspruchs zugrunde gelegte Wiederherstellung zu veranlassen, sondern sich anderweit behelfen oder die Entschädigungszahlung überhaupt einem sachfremden Zweck zuführen will; jede andere Beurteilung müsste den Grundsatz, dass der Betrag der Geldentschädigung zur freien Verfügung des Geschädigten steht, entwerten, wäre daher nicht mit ihm vereinbar. Deshalb kann der Wille des Geschädigten zur Reparatur (ein praktisch kaum nachprüfbarer innerer Tatbestand) nicht zur Voraussetzung für den Anspruch auf Zahlung des zur Instandsetzung erforderlichen Geldbetrags erhoben werden.

2. Ist das aber so, dann hält es der Senat für damit unvereinbar, dass der Geschädigte seinen Anspruch auf Zahlung des für die Instandsetzung erforderlichen Geldbetrags aus § 249 S. 2 BGB immer schon in dem Augenblick verlieren soll, in dem er sich in Nutzung der ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Dispositionsfreiheit die Instandsetzung des Fahrzeugs für eigene Rechnung durch anderweitige Verwertung desselben tatsächlich unmöglich gemacht hat, so dass sich sein Schadensersatzanspruch seit diesem Zeitpunkt nur noch nach § 251 BGB bestimmen könnte.

a)   Dem scheint freilich der in der Rechtsprechung ebenfalls seit langem gefestigte Grundsatz zu widersprechen, dass die Schadensentwicklung an sich bis zum Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist (BGH, NJW 1953, 337 und ständig). Denn man könnte aus ihm schließen, dass der Geschädigte, sobald er sich durch eine die Instandsetzung durch ihn selbst oder auf seine wirtschaftliche Veranlassung ausschließende Verfügung über die beschädigte Sache dieser Möglichkeit begeben hat, nur noch den Schaden geltend machen kann, den er aufgrund der dadurch geschaffenen Lage erleidet oder doch zu gewärtigen hat.

Diese Auffassung hat u. a. das frühere RG (JW 1937, 3223; HRR 1933, Nr. 1405) vertreten. Ihm folgend ist auch die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum der Auffassung, dass der Anspruch auf Wiederherstellungskosten nur so lange bestehe, als die Wiederherstellung der beschädigten Sache noch möglich sei (u. a. Larenz, SchuldR, 11. Aufl., § 28 I [unter nur teilw. zutr. Berufung auf Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl., 1928, § 249 BGB Anm. 3a, der die Einforderung des Wiederherstellungsbetrags nur dann für unzulässig hält, wenn die Wiederherstellung schon zuvor unmöglich geworden war]; Esser, SchuldR, 4. Aufl., § 41 II 3b; Erman-Sirp, 5. Aufl., § 249 Rdnr. 105; RGRK, 12. Aufl., § 249 Rdnr. 14; Frößler, NJW 1971, 457; mit Einschränkungen Kirchner, NJW 1971, 1541; Klimke, VersR 1974, 1063, jeweils m. Nachw.). Die Gegenmeinung wird im Schrifttum u. a. vertreten von Maase, NJW 1970, 2240; Hadding, JuS 1969, 411 f., vgl. allerdings auch Fußn. 31 a. E.; Thiele, AcP 167, 205; Palandt-Heinrichs, BGB, 35. Aufl., § 249 Anm. 2a, vgl. aber auch § 251 Anm. 3 B b cc; jetzt wohl auch Wussow, WI 1975, 158 f., entgegen UnfallhaftpflichtR, 12. Aufl., Rdnr. 1198.

Der BGH hat zu der Frage noch nicht ausdrücklich Stellung genommen (die Entscheidung LM § 251 BGB Nr. 11 betrifft einen Sonderfall). In der Rechtsprechung der Instanzgerichte sind die Meinungen geteilt. Für die zuerst dargestellte Meinung kann sich insbesondere ein Urteil des KG vom 27. 9. 1973 (VersR 1974, 576 [577]; dazu Klimke, VersR 1974,1063) auf wohl überwiegende Zustimmung berufen, wobei auf die dortige Zusammenstellung des Meinungsstands verwiesen werden kann; ebenso OLG München, VersR 1974,  677; OLG München, VersR 1975, 144; OLG Karlsruhe/Freiburg, NJW 1975, 1285; LG Frankfurt, VersR 1975, 190. Die gegenteilige Ansicht hatte, allerdings von einem vorn vorliegenden verschiedenen Fall ausgehend, zunächst wohl am ausführlichsten das LG Hamburg begründet (VersR 1964, 1175; vgl. ferner LG München, VersR 1974, 69, dazu Klimke, VersR 1974, 298; OLG Hamm, NJW 1975, 654). Modifizierte Stellungnahmen finden sich bei OLG Celle, VersR 1975, 264 [265]; OLG Düsseldorf VersR
1975,  429; LG München, VersR 1975, 1159: sie wollen die Abrechnung auf der Grundlage einer fiktiven, weil inzwischen für den Geschädigten unmöglich gewordenen Instandsetzung nicht grundsätzlich ausschließen, sondern jedenfalls dann zulassen, wenn sie keine höheren Aufwendungen verursacht. Differenzieren will schließlich auch ein Urteil, das der VI. Zivilsenat des Berufungsgerichts inzwischen erlassen hat (OLG Oldenburg, NJW 1974, 2130). Danach soll es bei dem Grundsatz bleiben, dass der Anspruch auf Reparaturkosten den Fortbestand der Möglichkeit einer Reparatur voraussetzt; diese sei aber nicht schon dadurch i. S. der §§ 249, 251 1 BGB unmöglich geworden, dass der Geschädigte selbst wegen der Veräußerung des Fahrzeugs zu ihr nicht mehr imstande sei.

b) Der bisher unverkennbar h. M., der Geschädigte könne die Instandsetzungskosten nur solange fordern, als er zur Instandsetzung der beschädigten Sache auch noch in der Lage sei, kann angesichts der eingangs dargelegten Dispositionsfreiheit des Geschädigten in Bezug auf den ihm zustehenden Instandsetzungsaufwand jedenfalls für eine wichtige und im Bereich der Kraftfahrzeugschäden weit überwiegende Fallgruppe nicht gefolgt werden (vgl. zu diesem Problem auch Schlechtriem, DAR 1975, 122ff.):

aa) Für den Anspruch auf Instandsetzungskosten wird zwar da kein Raum mehr sein, wo die Instandsetzung beim Geschädigten durch Naturereignisse (zufälliger Untergang der beschädigten Sache) unmöglich geworden oder durch eine bestimmte Marktentwicklung wirtschaftlich sinnlos geworden ist (zu letzterer Gruppe mag der von RG, JW 1937, 3223 entschiedene Fall gehören). Es erscheint aber unangemessen, diesen Anspruch dem Geschädigten auch dann zu versagen, wenn er sich der beschädigten und immer noch reparaturbedürftigen wie auch reparaturwürdigen Sache entäußert hat In diesen Fällen hat sich nämlich die durch die Zahlung auszugleichende Reparaturbedürftigkeit entweder unmittelbar im Vermögen des Geschädigten niedergeschlagen, weil etwa das Verkaufsentgelt entsprechend geringer ausgefallen ist, oder sie hat doch den wirtschaftlichen Erfolg der Transaktion, etwa den Wert des Unfallfahrzeugs als Geschenk, beeinträchtigt. Der Geschädigte, der solchermaßen über die beschädigte Sache verfügt hat, kann billigerweise nicht anders gestellt werden als der, der nach Erhalt des für die Instandsetzung erforderlichen Betrags die beschädigte Sache doch weiter ge- und verbraucht (vgl. BGHZ 35, 396 [398] = NJW 1961, 2253 – merkantiler Minderwert), mag er dazu möglicherweise auch von Anfang an entschlossen gewesen sein. Dabei kann es freilich nur auf die geschilderte wirtschaftliche Fortwirkung der Reparaturbedürftigkeit für den Geschädigten selbst ankommen. Dagegen erscheint es (entgegen OLG Oldenburg, NJW 1974, 2130) belanglos, inwieweit eine Instandsetzung der Sache noch in der Hand des zwischenzeitlichen Erwerbers möglich ist. Für den Geschädigten jedenfalls ist die sachliche Schadensentwicklung spätestens in dem Augenblick abgeschlossen, in dem er entäußert.

Nach allem wird in der Regel im Bereich der Kraftfahrzeugschäden der Geschädigte den Anspruch auf Ersatz der Instandsetzungskosten nicht schon dadurch verlieren, dass er sich die Instandsetzung durch Veräußerung des Unfallfahrzeugs unmöglich macht. Denn anders als etwa bei Grundstücken (vgl. den von RG, JW 1937, 3223 entschiedenen Fall) kommt für Kraftfahrzeuge gängigen Typs nur eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsart in Frage, nämlich ihr weiterer Einsatz als Verkehrsmittel nach Wiederherstellung ihrer Gebrauchsfähigkeit. Eine andere Verwertung ist bei an sich reparaturwürdigen Fahrzeugen nur in Sonderfällen (Sammlerstücke etc.) denkbar. Durch diese Betrachtungsweise wird der dem § 249 S. 2 BGB innewohnende Entschädigungsgrundsatz nicht verlassen, sondern nur in den wirtschaftlichen Bereich verlagert (vgl. auch BGHZ 30, 29 [31] = NJW 1959, 1078). Der in der Reparaturbedürftigkeit zum Ausdruck gekommenen Einbuße, die sich unmittelbar oder mittelbar im Vermögen des Geschädigten niedergeschlagen hat, steht die Zahlung der für die Reparatur erforderlichen Geldmittel gegenüber. Dass diese wegen der inzwischen erfolgten Veräußerung tatsächlich nicht mehr für eine Instandsetzung eingesetzt werden können, macht keinen rechtlich erheblichen Unterschied gegenüber dem Fall, dass der Geschädigte befugtermaßen von sich aus darauf verzichtet, die erhaltenen Mittel auch tatsächlich hierfür zu verwenden. Dadurch, dass der Vermögensstand des Geschädigten durch die Zahlung des Schädigers wiederhergestellt wird, ist die Beseitigung des Sachschadens abgeschlossen, ohne dass sich sagen ließe, dass insoweit eine unserem Haftungsrecht fremde Abstrahierung des Schadens einträte (so aber Carl, JW 1937, 3225 in seiner Anmerkung zu RG, JW 1937, 3223). Dem steht schon entgegen, dass der zur Herstellung erforderliche Aufwand als Grundlage des Schadensersatzes nach ständiger Rechtsprechung des BGH nach der besonderen Lage des Geschädigten, daher auch subjektivbezogen bemessen wird (dazu s. unten).

bb) Diese vom Senat vertretene Auffassung führt zu keiner unbilligen Benachteiligung des Schädigers. Der Grundsatz, dass für die Bemessung des Schadensersatzes der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist, dient in erster Linie dem Schutz des Gläubigers dagegen, dass eine zögerliche Ersatzleistung des Schuldner inzwischen nicht nur zusätzliche Schäden verursacht, sondern unter Umständen auch die Wiederherstellung verteuert (vgl. etwa Soergel-Reimer-Schmidt, BGB, 10. Aufl., §§ 249 bis 253 Rdnr. 92 m. Nachw.). Der Schuldner dagegen ist gehalten, die beeinträchtigte Vermögenslage des Gläubigers alsbald dadurch auszugleichen, dass er den Restwert der beschädigten Sache durch Wiederherstellung oder – wie dies in der Praxis der Kfz-Haftung die Regel ist – durch Zahlung des erforderlichen Betrages ergänzt. Er hat z. B. kein Recht darauf, abzuwarten, ob sich nicht die Wiederherstellung durch eine spätere Entwicklung billiger gestalten oder aus besonderen Gründen erübrigen werde. Dass ihm solche Entwicklungen gegebenenfalls trotzdem zugute kommen können, entspricht nur dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit und verliert dadurch an Bedeutung, dass der dem Schuldner daraus erwachsende Vorteil in der Regel durch die Ersatzpflicht für Verzugsschäden mindestens teilweise aufgezehrt zu werden pflegt (vgl. BGH, NJW 1953, 337).

3. Anders wäre es vielleicht, wo sich dadurch dem Geschädigten die Möglichkeit eröffnete, seine derzeitige Forderung fiktiver Reparaturkosten im Zuge einer künftigen Entwicklung spekulativ zu erweitern, ohne dass der Anlass dem Verhalten des Schuldner zugerechnet werden könnte. Ein solcher Fall ist hier nicht festgestellt. Es liegt auch nahe, dem dadurch zu begegnen, dass sich der Geschädigte an seiner Entscheidung für die Abrechnung „auf Reparaturbasis“ künftig ebenso festhalten lassen muss, wie an seiner Wahl der Geldentschädigung überhaupt (vgl. RG, JW 1937, 1145; LG Duisburg, NJW 1948, 224; das Urteil des BGH, NJW 1953, 337, das dem Gläubiger bis zur letzten mündlichen Verhandlung den Übergang zu einer anderen Berechnungsart gestatten will, mag in dem hier vorliegenden Zusammenhang einer Ergänzung bedürftig sein). Damit wird die Erheblichkeit einer weiteren Schadensentwicklung – soweit die Umstände bekannt sind – ebenso abgeschnitten, wie wenn die Parteien sich auf einen Ausgleich alsbald gütlich geneigt hätten. Wie der Geschädigte mit dem ihm neben dem Schadensersatzanspruch ohnedies zustehenden Restwert verfährt, „geht den Schädiger nichts an“ (Hadding, JuS 1969, 411; Thiele, AcP 167, 195), und es erübrigen sich zu kaum durchführbaren Abgrenzungen zwingende Spekulationen darüber, ob er etwa mit der gewählten Art der Abwicklung „einen gewinnbringenden Vorteil erstrebt hat“ (Kirchner, NJW 1971, 1544) oder ob die spätere, besonders günstige Verwertung nur auf „außergewöhnliche Anstrengungen zurückging“ (LG München, VersR 1975, 1159).

Auch im Übrigen sind Unbilligkeiten für den Ersatzschuldner nicht zu befürchten. Soweit der Gläubiger nur fiktive Reparaturkosten meist anhand eines Gutachtens darlegt, ist er für die Richtigkeit des daraus zu entnehmenden „erforderlichen“ Betrags beweispflichtig (Senat, NJW 1974, 34 = VersR 1974, 90, 92), und es mag regelmäßig eine kritische Prüfung durch das Gericht angezeigt sein (insoweit zutr, Klimke, VersR 1974, 299). Im vorliegenden Falle sind indessen Bedenken in dieser Hinsicht nicht geltend gemacht.

Ferner besteht dann, wenn der Gläubiger den Kraftwagen nicht hat reparieren lassen, auch kein Anlass dafür, den Umfang der „erforderlichen“ Aufwendungen aus seiner besonderen Lage heraus gegebenenfalls billigerweise großzügig zu bemessen (a. A. wohl OLG Oldenburg, NJW 1974, 2130). Damit wird dem Gläubiger jedenfalls die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sonst unter Umständen gebotene zusätzliche Belastung mit dem „Prognoserisiko“ erspart (vgl. BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160; BGH, VersR 1976, 389). Vor allem aber werden fiktive Reparaturkosten immer nur dann anzuerkennen sein, wenn sie in strengem Sinne wirtschaftlich erscheinen. Eine auch nur geringfügige Überschreitung des Zeitwerts des Fahrzeugs, wie sie sonst unter Umständen hingenommen werden kann (vgl. Senat, NJW 1972, 1800 = VersR 1972, 1024; dazu Rezension von Medicus, JuS 1973, 211) erscheint hier ausgeschlossen, da die sie rechtfertigenden Billigkeitsgesichtspunkte auf seiten des Gläubigers nicht vorstellbar sind.

Schließlich sprechen weder die Lebenserfahrung noch die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle dafür, dass sich bei Kraftfahrzeugen marktgängigen Typs der Aufwand für eine wirtschaftlich gerechtfertigte Reparatur regelmäßig weit von demjenigen entfernt, der sich bei Erwerb eines gleichwertigen Gebrauchtwagens unter Verrechnung des Werts oder Erlöses des Unfallwagens ergibt. Auch die letztere Schadensabwicklung hat der BGH als eine solche nach § 249 S. 2 gewertet (Senat, NJW 1972, 1800 = VersR 1972, 1024; krit. insofern allerdings Medicus, JuS 1973, 211). Kauft aber, wie dies in der Praxis überwiegend der Fall ist und wie dies auch im hier zu entscheidenden Fall gewesen war, der Geschädigte einen Neuwagen, auf dessen Gestellung er dem Schädiger gegenüber über keinen Anspruch hat (§ 249 S. 2 BGB), dann liegt dieser wirtschaftliche Entschluss trotz entsprechender Verrechnung mit dem Schädiger wenigstens zu einem erheblichen Teil außerhalb des Bereichs der Schadensabwicklung. Er trägt seine zusätzlichen Aufwendungen und Risiken wie auch mögliche Vorteile für den Geschädigten in sich, die alle in seinem eigenen wirtschaftlichen Dispositionsbereich liegen. Der Schädiger hat gewiss keinen Anspruch darauf, dass sich der Geschädigte zu einem solchen Entschluss durchringt; er kann gegebenenfalls aber auch nicht ohne weiteres verlangen, dass ihm eine dadurch erst ermöglichte besonders günstige Schadensabwicklung zugute kommt (so auch Wusow, WI 1975, 158 f.). Das muss hier in noch höherem Maße gelten als da, wo der in seiner Gesundheit Geschädigte seine beeinträchtigte Arbeitskraft in gewinnbringender, aber in anderer, durch Kapitaleinsatz und zusätzliche wirtschaftliche Risiken geprägten Weise verwerten kann (vgl. Senat, NJW 1974, 602 = VersR 1974, 142). Insbesondere muss eine erst durch die Anschaffung eines Neuwagens erkaufte günstigere Verwertungsmöglichkeit für den Unfallwagen dem Schädiger nicht zugute kommen.

4. Die grundsätzliche Freiheit des Geschädigten, sich auch dann noch für die Forderung von Reparaturkosten zu entscheiden, wenn eine Reparatur nicht mehr in Frage kommt, enthebt ihn freilich nicht der Pflicht, unter mehreren vom Erfolg her gleichwertigen Mitteln der Schadensbeseitigung sich für dasjenige zu entscheiden, das einen deutlich geringeren Aufwand mit sich bringt. Dabei ist die Auswahl nicht abstrakt, sondern unter denjenigen Wegen der Schadensbehebung zu treffen, die sich dem Geschädigten in seiner besonderen Lage anbieten. Die Pflicht zur Auswahl des wirtschaftlichsten Wegs ergibt sich allerdings nicht, wie dies vereinfachend mitunter gesagt wird, aus der Vorschrift des § 254 11 BGB; denn es geht nicht um die Eindämmung des Schadens selbst, sondern um die Frage, welcher Aufwand nach den Umständen billigerweise (§ 242 BGB) als für seine Behebung erforderlich anerkannt werden darf (vgl. BGHZ 61, 346, 348, 351 = NJW 1974, 34 m. Nachw.). Dem Geschädigten, dem zufällig ein dem noch unbeschädigten Unfallfahrzeug nahezu entsprechendes Gebrauchtfahrzeug sehr vorteilhaft angeboten wird, mag es daher dem Schädiger gegenüber obliegen, dieses zu erwerben und nur den um den Erlös des beschädigten Fahrzeugs geminderten Aufwand als Ersatzanspruch in Rechnung zu stellen. Umgekehrt kann das Gebot der Wirtschaftlichkeit möglicherweise auch dazu führen, dass demjenigen, der einen dem alten Fahrzeug entsprechenden Gebrauchtwagen tatsächlich erworben und seinen Schaden so behoben hat, die fiktive Berechnung von deutlich unwirtschaftlicheren Reparaturkosten unter diesem Gesichtspunkt zu versagen ist. Derlei trifft hier nicht zu. Vielmehr hat der Kläger mit erheblichem, dem Beklagten gegenüber nicht erstattungsfähigem Mehraufwand ein ganz neues Fahrzeug erworben. Dass ein solches Geschäft an sich schon über die eigentliche Schadensbeseitigung hinausgreift und deshalb nicht unmittelbar einen Maßstab für das für diese Erforderliche abzugeben vermag, ist oben schon ausgeführt.

III.

Nicht zu folgen vermag der Senat dem Berufungsgericht allerdings insoweit, als es dem Kläger auch den Nutzungsausfall von täglich 9 DM für 16 Tage zubilligt, nämlich für den Zeitraum, den nach dem Gutachten des Sachverständigen die Reparatur in Anspruch genommen haben würde. Tatsächlich hat der Kläger nur 4 Tage einen Kraftwagen entbehrt. Dann aber kann auch nur dieser tatsächliche Ausfall zugrunde gelegt werden.

1. Zwar ist auch der durch die Instandsetzung bedingte Nutzungsausfall nach der Rechtsprechung des Senats ein ggf. nach § 249 S. 2 BGB zu ersetzender Schaden. Er ist aber nicht notwendiger Teil des am Kraftfahrzeug in Natur eingetretenen Schadens, der begrifflich – unbeschadet möglicher späterer Änderungen bei der Berechnung des Geldersatzes – alsbald festliegt (OLG Oldenburg, NJW 1974, 2130 f.; Hadding, JuS 1969, 411). Vielmehr handelt es sich uni einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er hängt davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte und konnte, ggf. auch durch Überlassung an Dritte (vgl. etwa Senat, NJW 1974, 34 = VersR 1974, 171 m. Nachw.). Nur davon, wie sich der Nutzungsbedarf des Geschädigten im Einzelfall während der Entbehrung tatsächlich gestaltet hat, hängt es auch ab, ob dieser sich im Zweifel mit dem inzwischen in der Praxis eingespielten Pauschalbetrag begnügen muss oder ob er einen höheren Aufwand für Mietwagen oder Taxen beanspruchen kann.

Für all das fehlt jedoch jeder Ansatz, wo wie hier vom fünften Tage nach dem Unfall an eine Nutzungsentbehrung für den Geschädigten nicht eingetreten ist. Allenfalls ließe sich die Auffassung vertreten, dass sich die während der notwendigen Reparatur ausfallende Kapitalnutzung bezüglich des Restwertes im Zweifel in dem für das Unfallfahrzeug erzielbaren Erlös – schon nicht notwendig in seinem Wert etwa als Geschenk – niederschlagen wird. Solche Auswirkungen sind aber so entfernt und auch so schwer bestimmbar, dass es gerechtfertigt erscheint, den Geschädigten insoweit im Rahmen der ihm hier vom Gesetz bewusst eingeräumten Dispositionsfreiheit auch den „bösen Topfen“ hinnehmen zu lassen. Das gilt jedenfalls, soweit er sich – wie hier aufgrund seines Entschlusses insgesamt nicht schlechter stellt, als er stehen würde, wenn er das Fahrzeug hätte instand setzen lassen und zusätzlich die dann ihm zustehende Nutzungsentschädigung in Anspruch genommen hätte.

2. Das wirkt sich hier wie folgt aus: Nach der im Übrigen rechtsfehlerfreien Berechnung des Berufungsgerichts hatte der Kläger insgesamt 1.759,93 DM fordern können, also einen Betrag, der den verfolgten Anspruch von 1.700 DM noch überstieg. Dieser Betrag ist zu vermindern um Nutzungsentschädigung von 9 DM für 12 Tage, also 108 DM. Hinsichtlich der Differenz zu 1.700 DM hat die Revision Erfolg.

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