LG Frankenthal verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 17.10.2008 (3 O 217/08) hat das LG Frankenthal (Pfalz) die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 561,78 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht erachtet die Schwacke-Liste als geeignete Schätzungsgrundlage gem. § 287 ZPO und lehnt andere Erhebungen ab.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist überwiegend begründet.

Dem Grunde nach – dies ist unstreitig – kann die Klägerin von den Beklagten sämtli­chen ihr durch den verfahrensgegenständlichen Unfall entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Der Anspruch folgt aus den Grundsätzen der unerlaubten Handlung im Sin­ne d. §§ 823 ff. BGB sowie aus Gefährdungshaftung gem. §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, hin­sichtlich der Beklagten zu 2.) jeweils in Verbindung mit § 3 Nr. 1 PflVersG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Her­stellungsaufwand den Ersatz derjenigen Kosten verlangen, die ein verständiger, wirt­schaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmä­ßig und notwendig halten darf.

Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Zur Ermittlung der ansetzbaren Kosten darf nicht allein auf solche Tarife abgestellt werden, die speziell Unfallgeschädigten angeboten werden (sog. „Unfallersatztarife“), vielmehr ist auf den Normaltarif im Selbstzahlerge­schäft abzustellen. Auch höhere Unfallersatztarife können allerdings in Ausnahmefäl­len ersatzfähig sein (vgl. zum Ganzen etwa BGH NJW 2006, 2106 ff.).

Maßgeblich für die Ersatzfähigkeit ist nicht, wie die Klägerin bzw. das Mietwagenunternehmen den ihrer Berechnung zugrundegelegten Tarif bezeichnet. Maßgeblich ist auch nicht, wie und aufgrund welcher Überlegungen der Mietwagenunternehmer den Preis kalkuliert hat. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Mietwagenkosten im Rah­men der anzustellenden Vergleichsbetrachtung im Rahmen derjenigen Preise halten, die auf dem örtlich relevanten Markt nicht nur von Unfallgeschädigten üblicherweise verlangt werden. Diese Frage kann das nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung besonders freigestellte Gericht auch auf Grundlage des „Schwackemietpreisspiegels“ für das Jahr 2006 beantworten.

Zwar darf die Schadenshöhe nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachli­cher Erwägungen festgesetzt werden. Wesentliche die Entscheidung bedingende Tat­sachen dürfen nicht außer Acht bleiben. § 287 ZPO rechtfertigt es nicht, dass das Ge­richt in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichtet. Doch ist es nicht Aufgabe des Gerichts, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage – und als solche wurde der Schwackemietpreisspiegelvon der Rechtsprechung in der Vergangenheit aner­kannt – nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemes­sung sind nur dann erhebilch, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwen­dung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH v. 11.03.2008, VI ZR 164/07 = NJW 2008, 1519 ff.). Das Gericht war aufgrund der im vorliegenden Fall nur allgemeinen und nicht auf den konkreten Fall, d. h. etwa die Situation im Raum betreffenden Einwendungen der Beklagten – die von der Fa. Schwacke befragten Vermieter hätten im Vergleich zu den Vorjahren generell überhöhte Angaben gemacht, da sie inzwischen gemerkt hätten, dass die „Schwackeliste“ als Schätzgrundlage he­rangezogen werde – nicht verpflichtet, die Methode der Erfassung der einzelnen Miet­preise und die Ermittlung des gewichteten Mittels im „Schwacke-Mietpreisspiegel“ 2006 zu klären. Im Übrigen setzte der von Beklagtenseite behauptete Effekt – um sich bundesweit auszuwirken – eine stillschweigende Verschwörung der gewerblichen Au­tovermieter voraus. Genauso wäre allerdings auch eine „stillschweigende Verschwö­rung“ dahingehend denkbar, dass niedrigere als die tatsächlichen Tarife angegeben würden, da ja – einen kollektiven Willen, von dem scheinbar die Beklagten ausgehen, unterstellt – die Autovermieter eines Postleitzahlengebiets ein Interesse daran haben könnten, im Schwackemietpreisspiegel als im Vergleich zu anderen Gebieten mög­lichst günstig zu erscheinen, um so Kunden anzulocken. Wenn die Tarife der „Schwa­ckeliste 2006“ deutlich höher als diejenigen der Vorauflage ausfallen, so ist darauf hin­zuweisen, dass Preisentwicklungen auf verschiedenen Umständen beruhen können.

Die Klägerin hat den Ersatzwagen in X angemietet, zum Vergleich sind somit auch die Normalpreise des Bezirks X heranzuziehen. Bei X handelt es sich um den Unfallort, Geschäftssitz der Klägerin ist hingegen Y. Die Anmietung in Y ist jedoch nicht zu beanstanden, da infolge des Unfalls auch der Bedarf für das Ersatzfahrzeug in Y aufgetreten ist.

Dem Schwackemietpreisspiegel 2006 kann entnommen werden, dass im Postleitzahlengebiet …  sich der Wochenmietpreis für ein Fahrzeug der Fahrzeugklasse 4 im Normaltarif auf 525 € („Modus“) bzw. 484 € („arithmetisches Mittel“) beläuft; bei einem dreitägigen Zeitraum ist von 315 € bzw. 269 €, bei tageweiser Ab­rechnung von 105 € bzw. 91 € auszugehen. Die Berechnungsvariante „Modus“ ent­spricht dem sog. gewichteten Mittel der Vorauflage der Schwackeliste. Auf dieses soll auch vorliegend abgestellt werden, da das bloße arithmetische Mittel eines Erhe­bungsergebnisses von zufälligen Verzerrungen – die durch einen vereinzelten außer­gewöhnlich hoch oder niedrig ansetzenden Anbieter hervorgerufen werden können – nicht frei ist. Auf die Frage, ob die Berechnung des ersatzfähigen Normaltarifs vorlie­gend auf der Basis Wochenpauschale + Dreitagespauschale bzw. Dreitagespauschale + 7 x Tagespauschale oder aber 10 x Tagespauschale zu erfolgen hat, kommt es im hier zu entscheidenden Fall nicht an. Nach der ersten Berechnungsvariante kommt man zu einem Normaltarif für 10 Tage in Höhe von 840 €, in den beiden anderen Vari­anten auf jeweils 1.050 €.

Der in vorliegendem Fall abgerechnete Tagestarif von 89 €, mithin insgesamt 890 € liegt – je nach Ausgangspunkt – um lediglich gut 5 % über bzw. 20 % unter dem ge­wichteten Normaltarif.

Er ist somit nicht zu beanstanden und als ersatzfähiger Schaden in Ansatz zu bringen. Auch die beklagtenseits vorgelegten günstigeren Internetangebote der Firmen A und B sind nicht geeignet, einen Verstoß der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht zu begründen. Diese Angebote beziehen sich nämlich auf den Au­gust bzw. September 2008 und nicht auf den verfahrensgegenständlichen Zeitraum. Dass dieselben Tarife der Klägerin – auch unter der Prämisse, dass die Anmietdauer nicht von vornherein klar war – zum fraglichen Zeitpunkt ohne weiteres zur Verfügung gestanden hätten, ist nicht dargetan.

Auch ist nicht ersichtlich, weshalb die im zehntägigen Zeitraum enthaltenen Wochen­endtage nicht ersatzfähig sein sollten. Zum einen handelt es sich bei der Verfügbarkeit eines Fahrzeugs – ohne dass dieses an einem konkreten Tag bewegt wird – um eine Position, der Vermögenswert zukommt; d. h. es ist umgekehrt betrachtet schon in der Nichtverfügbarkeit ein Schaden zu sehen. Bei der Klägerin handelt es sich offensicht­lich um ein mittelständisches Transportunternehmen. Eine Nutzung des Fahrzeugs auch an Wochenenden ist nicht ausgeschlossen, zumal es sich nicht um ein Fahrzeug von einer Größe handelte, das dem Sonn- und Feiertagsfahrverbot unterläge.

Nicht zu ersetzen ist jedoch der Rechnungsposten „Zubringen/Abholung“ über 45 €. Es ist nicht dargelegt, was damit eigentlich gemeint ist. Eventuell hat sich die Klägerin den Mietwagen von der C.- Autovermietung an ihren Geschäftssitz nachbringen lassen. Dann wäre jedoch unklar, weshalb die Anmietung nicht gleich im Bezirk Y erfolgt ist. Wie oben dargelegt, kann die Klägerin berechtigterweise ein Ersatzfahrzeug in X anmieten, da dort der Schaden entstanden und somit der Bedarf für ein Ersatzfahrzeug aufgetreten ist. Zu diesem ihr günstigen Umstand setzt sie sich jedoch dann in Widerspruch, wenn sie das Fahrzeug nicht selbst aus  X mitnimmt, sondern es sich offensichtlich nach liefern lässt. Eventuell wären dennoch Rückbringungskosten von Y nach X als in Ansatz zu bringender Schaden anzusehen, da jedoch unklar ist, wie sich die Pauschale über 45 € aufgliedert, war der gesamte Rech­nungsposten außer Betracht zu lassen.

Da die Klägerin durch die Möglichkeit der Nutzung eines Fremdfahrzeugs eigene Auf­wendungen erspart hat, ist zudem der Abzug eines Pauschalbetrages von 10 % der Mietwagenkosten, d. h. 89 €, gerechtfertigt (vgl. OLG Hamm, VersR 2001,206).

Hinsichtlich der verbliebenen Hauptforderung war daher ein Betrag in Höhe von 561,78 € zuzusprechen, über 134 € war die Klage abzuweisen.

Verzugszinsen waren – nach Ablauf der bis 19.4.2008 gesetzten Zahlungsfrist – in gesetzlicher Höhe ab dem 20.4.2008 zuzusprechen, und zwar zunächst in Höhe des auf die Hauptforderung berechtigterweise geforderten Betrags von 5.381,60 € (5.515,60 € abzgl. der abzuweisenden 134 €), sodann jeweils gestaffelt entsprechend der Teilzahlungen der Beklagten. Der Übersichtlichkeit halber wurden die Zeiträume in der Tenorierung abweichend vom Klageantrag zusammengezogen, was jedoch nicht dazu führte, dass mehr zugesprochen worden wäre, als beantragt. Hinsichtlich der Zinsmehrforderung bzw. des einen Tag zu früh angesetzten Zinslaufbeginns hatte ebenfalls eine Klageabweisung im Übrigen zu erfolgen.

Des weiteren waren vorgerichtliche Rechtsberatungskosten in Höhe von 1,3 Gebühren aus einem Gegenstandswert von 5.381,60 € im Sinne des RVG – mithin 439,40 € zzgl. Auslagenpauschale in Höhe von 20 € – zu ersetzen. Nach insoweit am 4.6.2008 erfolg­ter Teilzahlung über 215,39 € nebst Pauschale verblieb ein noch zuzusprechender Betrag in Höhe von 224,01 €. Die Zuvielforderung über 134 € führte nicht zu einem Sprung in der Gebührentabelle. Da hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsberatungskosten ein Verzugseintritt der Beklagtenseite nicht substantiiert dargetan wurde, waren lediglich Rechtshängigkeitszinsen ab dem 29.5.2008 – wiederum gestaffelt entsprechend dem Zahlungseingang – zuzusprechen.

Über die Kosten des Rechtsstreits war – auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils – einheitlich entsprechend §§ 91 a, 92 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO zu entscheiden. Soweit der Rechtsstreit hinsichtlich des weit überwiegenden Teils der ursprünglichen Klageforderung übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, war zu berücksichtigen, dass die Beklagten die Forderung insoweit nach Verzugseintritt ak­zeptiert und bezahlt haben. Die Beklagten haben sich insoweit freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben. Soweit hinsichtlich des streitig verbliebenen Restbetrags noch eine Klageabweisung über 134 € erfolgte, handelte es sich um eine im Vergleich zur Gesamtsumme verhältnismäßig geringfügige Mehrforderung, durch die auch keine zusätzlichen Kosten entstanden sind. Den Beklagten waren somit gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu LG Frankenthal verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

  1. virus sagt:

    Der BAV hat hier:

    http://www.bav.de/aktuelles/oeffentlich/710-huk-schliesst-vereinbarung-mit-opel.html

    eine Vereinbarung für die Anmietung von Leihwagen zwischen HUK Coburg und Opel eingestellt.

    Insoweit der Versicherer Haftpflichtgeschädigte auf entsprechende Firmen verweist, dürfte dies aufgrund des BGH Urteils VI ZR 53/09 irrelevant sein. Geschädigte müssen sich nicht auf mit Anbietern ausgehandelte Preise verweisen lassen.

  2. Schwarzkittel sagt:

    @ virus:

    Logisch bis zu Ende gedacht (eigentlich).

    Nur ist bei Inanspruchnahme eins Mietwagens wohl selten eine fiktive Abrechnung möglich, sondern eigentlich immer eine konkrete, denn der Geschädigte muß entweder Ersatzbeschaffung oder Reparatur nachweisen.

    Die Anwendung dürfe also nur in dem Fall gelingen, in dem der Geschädigte den PKW-Schaden fiktiv mit Instandsetzungsnachweis abrechnet und in der Ausfallzeit einen Mietwagen nimmt. (ist aber eher selten…).

    Man könnte das Pferd aber auch anders aufzäumen:

    Lieber Versicherer, freiwillig zahlst du der Fa. X diesen Mietwagenpreis, also zahl mir mindestens dasselbe und nicht deine noch niedrigeren Tableau-Werte.

    Grüße aus der Suhle

    Schwarzkittel

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