LG Lüneburg weist Berufung der Allianz Versicherung gegen Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten zurück

Mit Urteil vom 07.06.2006 (2 S 5/06) hat das LG Lüneburg die Berufung der Allianz Versicherungs AG gegen das Urteil des AG Winsen/Luhe vom 06.12.2005 (20 C1087/05), mit dem diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.507,74 € zzgl. Zinsen verurteilt wurde, zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht die restlichen Mietwagenkosten in vollem Umfang nebst Zinsen zugesprochen.

An der Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches bestehen im Hinblick auf die erfolgte Abtre­tung der Forderung an Erfüllungsstatt keine Bedenken.

Zutreffend hat das Amtsgericht der Klägerin gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.507,74 € gemäß §§ 7 StVG, 3 Nr. 1 PflVersG, 249 u. 398 BGB zu­erkannt. Dem Grunde nach ist das Bestehen des Schadensersatzanspruches unstreitig, die Parteien streiten um die Höhe des Anspruchs. Insoweit kann die Klägerin gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB von der Beklagten als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten verlangen. Dabei sind diejenigen Aufwendungen als erforderlich anzusehen, die ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Geschädigten gemacht hätte.

Kann ein Geschädigter die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen, so ist er unter dem Gesichts­punkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Allerdings ist dabei stets zu berücksichtigen, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukom­men soll. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist auf seine spezielle Situation, insbesondere auf seine individuellen Er­kenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise ge­rade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH VersR 2005, 241, 381, 663).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze muss die Beklagte der Klägerin auch die streitgegenständlichen restlichen Mietwagenkosten ersetzen. Dass die geltend gemachten Mietwagenkosten erforderlich i. S. v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind, muss der Geschädigte dartun und beweisen. Unstreitig hat die Zedentin bei der Klägerin das Mietfahr­zeug nicht zu einem Normaltarif angemietet, sondern zum so ge­nannten Unfallersatztarif. Unstreitig übersteigen die Sätze des Unfallersatztarifs die des normalen Pauschaltarifs. Der Geschädigte ist darlegungs- und ggf. beweisbelastet für die Berechtigung dieser Er­höhung gegenüber dem Normaltarif (BGH NJW2005, 1934). Gelingt dem Geschädigten der Nachweis, dass die Erhöhung des Unfaller­satztarifs gegenüber dem Normaltarif gerechtfertigt sei, nicht, ergibt die Überprüfung vielmehr, dass der Unfallersatztarif auch mit Rück­sicht auf die konkrete Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung erforderlich war, so kann der Geschädigte oder dessen Rechtsnachfolger im Hinblick auf die gebotene subjektbe­zogene Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne Weiteres zugänglich war. Auch insoweit trifft den Geschädigten die Darle­gungs- und Beweislast dafür, dass es ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren An­strengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt nicht möglich war, einen wesentlich günstigeren Tarif zu errei­chen (BGH a. a. O.). Es hängt also die Begründetheit des Anspruchs auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten davon ab, ob der Unfaller­satztarif mit seiner erhöhten Tariflage wirtschaftlich gerechtfertigt war oder ob dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif unter zumut­baren Bedingungen zugänglich war.

Vor diesem Hintergrund kann – obwohl der Bundesgerichtshof eine zweistufige Prüfung aufzeigt – dahinstehen, ob die tarifliche Erhöhung des Unfallersatztarifs gegenüber dem Normaltarif im vorliegenden Fall wirtschaftlich gerechtfertigt war. Denn die Klägerin hat – insoweit von der Beklagten nicht bestritten – nachgewiesen, dass ihr ein güns­tigerer Normaltarif nicht ohne Weiteres zugänglich war. Die Klägerin hat bereits in ihrem erstinstanzlichen Vortrag substantiiert dargetan, dass der Geschädigten in dem konkreten Fall die Anmietung zum Normaltarif nicht ohne Weiteres möglich gewesen sei, da die Kläge­rin, wie alle anderen Autovermieter auch, günstige Pauschaltarife nur unter den Voraussetzungen anböte, dass der Mieter Mietpreisvoraus­zahlung und Sicherheit leiste, seine Kreditkarte zum Zwecke einer Bonitätsprüfung belasten lasse und verbindlich einen Rückgabetermin und eine Kilometerleistung benenne. Die Klägerin hat weiter vorge­tragen, der Ehemann der Geschädigten habe eine Mietpreisvoraus­zahlung und Sicherheit nicht leisten wollen oder können, er habe eine Kreditkarte zum Zwecke der Bonitätsprüfung nicht belasten lassen können, weil er keine besessen habe und er habe auch weder zur Mietdauer noch zur Kilometerleistung verbindliche Angaben machen können, da die Dauer der Reparatur von Unwägbarkeiten abhänge (Bl. 32 d. A.). Diesen Vortrag hat die Beklagte nur teilweise rechtzeitig bestritten. Insbesondere die Behauptung der Klägerin, eine Kredit­karte sei überhaupt nicht vorhanden gewesen, ist nicht bestritten worden. Erstinstanzlich hat die Beklagte diese Behauptung nicht in Abrede gestellt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem inzwi­schen nachgereichten Schriftsatz vom 26.09.2005, welcher rechtzeitig an das Amtsgericht Winsen/Luhe gefaxt worden sein soll. In die­sem Schriftsatz ist nur mit Nichtwissen bestritten worden, dass die Geschädigte weder eine Mietpreisvorauszahlung noch Sicherheiten habe entrichten wollen oder können und dass die Vermietung des Kraftfahrzeuges teurer sein solle, weil der Mieter nicht bereit sei, von vornherein den gesamten Mietzins zu entrichten und die Dauer des Mietvertrages nicht von vornherein feststehe. Die Frage der Kredit­karte ist in diesem Schriftsatz sowie in den anderen erstinstanzlich eingereichten Schriftsätzen auf Seiten der Beklagten nicht angespro­chen worden. Insoweit irrt die Beklagte, wenn sie in der Berufungsbe­gründung ausführt, es sei streitig, dass die Geschädigte ihre Kredit­karte nicht zwecks Bonitätsprüfung habe belasten lassen wollen. Auch in der Berufungsbegründung ist mit Nichtwissen lediglich bestritten worden, dass bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zum Normaltarif stets eine Kaution hinterlegt werden müsse oder eine Vorauszahlung vorgenommen werden müsse und dass die Geschä­digte nicht dazu in der Lage gewesen sei bzw. willens gewesen sei, eine EC-Karte zur Kautionsstellung einzusetzen. Damit ist einer Vor­aussetzung für die Anmietung eines Mietwagens zum günstigen Pau­schaltarif unstreitig nicht gegeben. Insoweit war auch ein richterlicher Hinweis an die Beklagte, dass das Fehlen der Kreditkarte unstreitig sei, nicht erforderlich. Bereits in der Replik hat die Klägerin erstin­stanzlich das Vorhandensein der Kreditkarte problematisiert. Beide Parteien haben im Laufe des Rechtsstreits umfangreich aktuelle Rechtsprechung zur Frage des Unfallersatztarifs zitiert und vorgelegt. Ersichtlich sind beide Parteien mit der rechtlichen Problematik ver­traut. Damit hat die Klägerin nachgewiesen, dass der Geschädigten ein günstigerer Normaltarif nicht ohne Weiteres zugänglich war. Mit Rücksicht auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung kann die Klägerin daher den restlichen Betrag der Mietwagenkosten verlangen. Auf die Frage, ob der Unfallersatztarif der Klägerin betriebswirtschaft­lich gerechtfertigt war oder nicht, kommt es nicht mehr an. Dieser Frage braucht aus prozessökonomischen Gründen nicht mehr nach gegangen zu werden.

Aus den genannten Gründen kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin habe eine Pflicht zum Vergleich verschiedener Angebote verletzt und sich für den teureren Unfaller­satztarif entschieden, obwohl sie gewusst habe, dass es günstigere Tarife gebe. Hierauf muss sich die Geschädigte nicht verweisen las­sen, wenn – unstreitig – die günstigeren Tarife in ihrer speziellen Situation für sie nicht ohne Weiteres zugänglich waren.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klä­gerin hätte sie selbst vor Abschluss des Mietvertrages informieren müssen und klären müssen, ob nicht die Beklagte eine Kostenzusage gegenüber der Klägerin abgeben könne. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend die Frage aufgeworfen, ob angesichts der Dringlichkeit der Anmietung, die aus der zurückgelegten Kilometerzahl und dem Um­stand folge, dass das Fahrzeug noch am Unfalltage angemietet wor­den sei, überhaupt eine Erkundigungspflicht bestanden habe. Je­denfalls aber hat die Beklagte auch nicht substantiiert dargetan, dass es ihr im konkreten Fall gelungen wäre, unverzüglich eine von der Klägerin akzeptierte Kostenübernahme mit der Folge zu erklären, dass diese auf eine Bonitätsprüfung im Hinblick auf mögliche künftige Schadensersatzansprüche verzichtet.

Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf beru­fen, der Ehemann der Geschädigten hätte zum Zwecke der Sicher­heitsleistung oder Vorauszahlung des Mietzinses zumindest seine EC-Karte einsetzen müssen. Auch wenn auf diese Weise der Miet­zins im Voraus gezahlt worden wäre, selbst wenn eine Kaution ge­leistet worden wäre, hätte dies noch nicht automatisch bedeutet, dass seitens der Autovermietung auf die Belastung einer Kreditkarte ver­zichtet worden wäre. Dies jedenfalls hat die Beklagte so nicht vorge­tragen.

Der Anspruch besteht auch der Höhe nach. Insoweit kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein höherer Abzug von 10 % ersparter Eigenkosten vorzunehmen sei. Auf Mietwagenkosten ist ein Abschlag von 3 % vorzunehmen.

Soweit das LG Lüneburg.

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