OLG München zur Verwendung der Fraunhofer Tabelle (10 U 2539/08 vom 25.07.2008)

Auch das OLG München hat sich in einer Entscheidung vom 25.07.2008 (10 U 2539/08) für die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ausgesprochen:

Die diesbezügliche Begründung lautet:

……

b)  Die geltend gemachtem Mietwagenkosten in Höhe von 1.213,30 EUR für 18 Tage Anmietdauer vom 03.03.2006 bis 18.03.2006 sind nur zum Teil gerechtfertigt.

(1)   Der Senat geht zwar auf Grund des Unfalles am Freitag Nachmittag und der daher erst am darauffolgenden Montag möglichen Beauftragung eines Sachverständigen sowie der Gutachtenserstattung am 09.03 nach Besichtigung am 07.03., der ausweislich der Reparaturrechnung der Fa. Be. erfolgten Fertigstellung am 20.03.2006 schon wegen der dazwischen liegenden Wochenenden und der auch nach dem Gutachten erforderlichen Reparaturdauer von 6 Werktagen nicht von einem Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht im Zusammenhang mit der Schadensbehebung aus, zumal wegen der Entfernung der Reparaturwerkstätte vom Wohnort des Klägers mit einem Abholen des Pkw am 20.03. nicht mehr zu rechnen war.

(2)   Vorliegend erfolgte die Anmietung ausweislich der Mietwagenrechnung zu einem sogenannten „Unfallersatztarif“. Der Geschädigte hat unter dem Gesichtspunkt der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen (BGHZ 132, 373 [375 f.]; 155, 1[4 f.]; NJW 1985, 2637 = VersR 1985, 1090; 1985, 2639).

Nach BGH NJW 2006, 1726 (1727) „verstößt der Geschädigte bei Anmietung eines Kraftfahrzeugs zu einem Unfallersatztarif, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, nur dann nicht gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlaßt und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind‘ (vgl. auch Senat, Urt. v. 28.07.2006 – 10 U 2237/06 = DAR 2006, 692). Es sind die nach einem so genannten „Unfallersatztarif“ geschuldeten Kosten grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als sie tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde. Deshalb kommt es darauf an, ob und inwieweit der geltend gemachte „Unfallersatztarif“ nach seiner Struktur als „erforderlicher“ Aufwand zur Schadensbeseitigung angesehen werden kann. Dies kann nur insoweit der Fall sein, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Anknüpfungspunkt für diese Prüfung kann nur ein „Normaltarif“ sein, also regelmäßig ein Tarif, der für Selbstzahler Anwendung findet und daher unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird. Eine Erhöhung des sich bei Anknüpfung an einen „Normaltarif“ ergebenden Betrags ist nur gerechtfertigt, soweit sie nach den vorstehenden Ausführungen unfallbedingt ist.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, ob der Aufschlag auf einen günstigeren „Normaltarif“ wegen konkreter unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieters objektiv zur Wiederherstellung erforderlich war i.S.d. § 249 BGB, trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts der Geschädigte, da es sich um Voraussetzungen für die Höhe seines Schadensersatzanspruchs handelt (vgl. etwa Baumgärtel/Strieder, Hdb. der Beweislast im PrivatR I, 2. Aufl., § 249 Rn. 1).

Für einen gegenüber einem Normaltarif gerechtfertigten höheren Preis sind vorliegend keine Gründe genannt.

(3)   Nach dem „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (http://mietwagen), welcher an Hand einer der realen Anmietsituation nahekommenden Befragung aufgestellt wurde, weil die befragten Firmen anders als etwa bei der Erstellung der Schwacke-Liste nicht wussten, dass ihre Antworten zur Grundlage einer Marktuntersuchung über die Höhe der Mietwagentarife gemacht wurden, ergibt sich für den hier maßgeblichen Postleitzahlenbereich für einen Kleinwagen (Haftungsbefreiung mit Selbstbeteiligung) bei einer Anmietdauer von 7 Tagen ein Mittelwert von 31,07 EUR/tgl., bei einer Anmietdauer von 3 Tagen ein solcher von 45,61 EUR/tgl. und bei einer Anmietdauer von 1 Tag ein Mittelwert von 50,28 EUR. Für 18 Tage errechnet sich daher im Mittelwert ein erstattungsfähiger Betrag von 622,09 EUR (vgl. S. 90 der vorgenannten Studie). Zwar sind die Durchschnittspreise dieser Studie niedriger als nach der Schwacke-Liste inklusive Vollkaskowerten. Da die Preise der Schwacke-Liste auf Grund einer Selbstauskunft der Mietwagenvermieter in Kenntnis, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden, erfolgten, während das Ergebnis des Preisspiegels des Fraunhofer-Instituts auf einer anonymen Befragung im Rahmen eines typischen Anmietszenarios beruht, legt der Senat die Preise zu Grunde, wie sie sich nach der Studie des Fraunhofer-Instituts ergeben.spiegel.iao.fraunhofer.de/

(4)   Dass dem Kläger der Normaltarif nicht zugänglich gewesen wäre, ist nicht vorgetragen. Bei der Zugänglichkeit des Normaltarifs handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung. Kann der Geschädigte nach § 249 BGB grundsätzlich nur den zur Herstellung „erforderlichen“ Betrag ersetzt verlangen, so gilt dies erst recht für die ausnahmsweise Ersatzfähigkeit an sich nicht erforderlicher Aufwendungen wegen der Nichtzugänglichkeit eines „Normaltarifs“. Der Geschädigte hat deshalb darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.

Auch dieses Urteil – in Teilen – der Vollständigkeit halber.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu OLG München zur Verwendung der Fraunhofer Tabelle (10 U 2539/08 vom 25.07.2008)

  1. Brabec, Michael sagt:

    Der einzige mir mögliche Kommentar ist ein Verweis auf zeitlich später ergangene LG-Entscheidungen aus dem OLG-Bezirk München:
    LG Landshut 29.10.2008 13 S 1251/08
    LG Landshut 29.10.2008 13 S 1230/08

    Tenor: wenige Nennungen in riesigem Gebiet mit niedrigsten Preisen, das ist keine Alternative zu Schwacke
    M. Brabec

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