Sachverständigenhonorar, UPE-Aufschläge, Verbringungskosten, Stundenverrechnungssätze

Aktuell erging ein sehr verbraucherfreundliches Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.06.08, Aktenzeichen I-1 U 246/07.

Im zu entscheidenden Fall hatte der beklagte Haftpflichtversicherer die Klageforderung nach Grund und Höhe in jeder Beziehung bestritten.

Das Urteil des OLG Düsseldorf beruht auf einer sauberen Rechtsrecherche und richtiger Rechtsanwendung. Es darf deshalb in den entscheidenden Passagen im folgenden wörtlich wiedergegeben werden:

a) Urteilsgründe VIII., Gutachterkosten:

„Der begründete Schadensersatzanspruch des Klägers umfasst auch die mit 800,33 € bezifferten Aufwendungen für die Erstellung des Schadensgutachtens nach Maßgabe der Rechnung des Kfz-Sachverständigen W. vom 27.12.2006 (Bl. 6 d. A.). Im Ergebnis bleiben die gegen diese Schadenspositionen vorgebrachten Einwendungen der Beklagten ohne Erfolg.

1. Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB, wenn – wie hier – eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Auflage, § 26, Rdnr. 3 mit Hinweis auf BGH NZV 2005, 39). Allein schon wegen der Höhe des Reparaturkostenaufwandes für den verunfallten PKW Opel Astra von fast 5.300,00 € netto steht die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Einholung eines Schadensgutachtens außer Zweifel.

2. Die Beklagten beanstanden, angesichts eines Fahrzeugschadens von 6.083,13 € (Reparaturschaden 5.283,13 € zzgl. Wertminderung 800,00 €) übersteige der klagegenständliche Gutachterkostenbetrag um mindestens kanpp 47% die Vergütungshöhe, die einschlägig wäre, wenn der Sachverständige W. seine Tätigkeit nach den Honorartabellen des Bundesverbandes der freien und unabhängigen Kfz-Sachverständigen e. V. (BVSK) abgerechnet hätte. Daraus leiten die Beklagten die Schlussfolgerung ab, mit der Rechnungsforderung aus der Kostenaufstellung W. vom 27.12.2006 seit die gemäß § 632 Abs. 2 BGB übliche Vergütung deutlich überschritten. Diese Darlegung muss sachlich zutreffen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Ersatzverpflichtung der Beklagten bezüglich der Aufwendungen für die Erstellung des Gutachtens geringer aufallen muss als der in der Rechnung vom 27.12.2006 ausgewiesene Gesamtbetrag von 800,33 €.

a) Diese Kostenaufstsellung lässt erkennen, das der wesentliche Teil der Gesamtforderung ein „Grundhonorar“ im Umfang von 545,00 € ausmacht, während es sich bei den übrigen Positionen (Fahrt-, Foto-, Porto-, Telefon- und Schreibkosten) um aufwandsbezogene Einzelbeträge handelt. Ein Kfz-Sachverständiger überschreitet nun aber dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung grundsätzlich nicht (BGH NJW 2007, 1450).

b) Rechnet man zu dem bezeichneten „Grundhonorar“ die aufwandsbezogenen Positionen sowie die gesetzliche Umsatzsteuer hinzu, macht die Honorarforderung des Sachverständigen W. einen Anteil von gut 13% des gesamten Fahrzeugschadens aus. Nach einem Gutachten des BVSK aus den neunziger Jahren soll die Honorarforderung eines Kfz-Sachverständigen, die fast 16% des Fahrzeugschadens ereicht, noch angemessen sein (vgl. AG Dortmann, SP 1995, 352). Unabhängig davon ist für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ohnehin nicht allein darauf abzustellen, ob die vom Sachverständigen ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet („Bagatellgrenze“) oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht (Eggert, Verkehrsrecht aktuelle 2007, 215).

c) Im Übrigen kommt es bei dem Fehlen einer Honorarvereinbarung zwischen dem Beschädigten und dem Sachverständigen nicht darauf an, ob von diesem die Vergütung nach „billigem Ermessen“ gemäß § 315 Abs. 1 BGB bestimmt werden könnte. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (BGH NjW 2007, 1450). Dabei ist für die Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuelle Erkenntnis- und Einflussnahmemöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne näheren Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH a a. O.). Von einer solchen Überteuerung mit der Konsequenz, dass das Maß des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Erforderlichen überschritten ist, kann hier jedoch nicht die Rede sein. Nach der freien Überzeugung des Senats (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bestehen im Ergebnis gegen die Höhe der klagegegenständlichen Honorarforderung des Sachverständigen W. keine durchgreifenden Bedenken.

d) Selbst wenn jedoch entsprechend der seitens der Beklagten vertretenen Ansicht die in Rede stehende Kostenrechnung vom 27.12.2006 überteuert wäre, ist folgendes zu berücksichtigen:

aa) Auch wenn das vereinbarte oder vom Sachverständigen einseitig festgesetzte Entgelt objektiv überhöht ist, ist es bei der gebotenen subjektiven Schadensbetrachtung regelmäßig als der „erforderliche“ Aufwand anzuerkennen (Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2007, 217). Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können dem Geschädigten gegenüber nur erhoben werden, wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung derart evident ist, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss (Greger, a. a. O., § 26, Randnr. 6 mit Hinweis auf OLG Hamm, DAR 1997, 275, 276; Roß, NZV 2001, 322). Der Geschädigte ist insbesondere nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen (Greger, a. a. O.). Hält der Ersatzpfichtige die Vergütung für überhöht, kann er vom Geschädigten analog § 255 BGB Abtretung seiner Abtretungsansprüche gegen den Sachverständigen verlangen (Greger, a. a. O. mit Hinweis auf OLG Naumburg, NZV 2006, 546, 548 sowie Grunsky, NZV 2000, 5). Es ist grundsätzlich allein Sache des Haftpflichtversicherers, sich mit dem Sachverständigen wegen dessen Rechnungsforderung auseinander zu setzen (Lemcke, a. a. O., Teil 3, Rdnr. 320).

bb) Nur bei einer ihm persönlich ohne weiteres erkennbaren Überteuerung muss sich der Geschädigte eine Kürzung gefallen lassen. Diesen Ausnahmetatbestand wird ein Versicherer schon deshalb kaum nachweisen können, weil der Geschädigte in der Regel nicht weiß und ohne weiteres auch nicht wissen kann, wie hoch das Honorar ausfällt (Eggert a. a. O., S. 217). Hier ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein Auswahlverschulden wegen der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen mit überhöhten Honorarsätzen anzulasten ist oder dass er eine Unüblichkeit der in Rechnung gestellten Vergütung gemäß § 632 ABs. 2 BGB hätte erkennen könenn. Dies umso weniger, als es sich bei dem ausgewählten Sachverständigen um einen öffentlich bestellten und vereidigten und von der …-GmbH zertifizierten Sachverständigen handelt.

b) UPE-Aufschläge und Verbringungskosten, Urteilsgründe unter VII.

Unbegründet ist darüber hinaus der erstinstanzliche Einwand der Beklagten, ihre Ersatzverpflichtung beziehe sich nicht auf den in dem Schadensgutachten des Kfz-Sachverständigen W. ausgewiesenen Aufschlag von 20% auf alle aufgeführten Ersatzteile nach Maßgabe einer „Preisliste gültig ab 01.11.2006“ (Bl 13 d. Ak.). Auch im Wege der fiktiven Schadensabrechnung hat der Kläger Anspruch auf den sog. UPE-Aufschlag in dem hier durch den Sachverständigen angegebenen Umfang.

1. Die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtensbasis ist geteilt (vgl. die Übersicht bei Eggert, Verkehrsrecht aktuelle 2007, 142, 144). Nach der wohl herrschenden Meinung können prozentuale Aufschläge auf Ersatzteilpreise auch bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind. Dann machen sie den erforderlichen Reparaturaufwand aus, der für die Behebung des Fahrzeugschadens erforderlich ist (Lemcke in van-Bühren, Anwaltshandbuch Verkehrsrecht, Teil 3, Rdnr. 92 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Eggert a. a. O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an (s. auch Senatsurteil vom 25.06.2001, 1 U 126/00, NZV 2002, 87 = DAR 2002, 68, das dem nicht entgegensteht). Ebenso Kammergericht Berliin, Urteil vom 10.09.2007, 22 U 224/06.

a) Ist ein Kfz bei einem Unfall beschädigt worden, so kann der Geschädigte von dem ersatzpflichtigen Schädiger statt der Herstellung durch diesen (§ 249 ABs. 1 BGB) den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag für eine von ihm selbst veranlasste Reparatur verlangen (§249 Abs. 2 BGB). Dieser Geldbetrag bemisst sich dann danach, was von dem Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeuges zweckmäßig und angemessen erscheint (BGH NJW 1989, 3009, Juris Rdnr. 9). Für das, was zur Schadensbeseitigung nach der letztgenannten Vorschrift erforderlich ist, ist ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen. Dafür kann das Schätzgutachten eines anerkannten Kfz-Sachverständigen über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten für das Gericht eine sachgerechte Grundlage sein, sofern -wie hier – das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemeühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH a. a. O.).

b) Allerdings wird vor allem für umfangreiche Fahrzeugschäden häufig erst die Reparaturkostenrechnung der Werkstatt eine zureichende Auskunft über den nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen Reparaturkostenaufwand geben. Die so belegten tatsächlichen Aufwendungen sind im Allgemeinen ein aussagekräftigeres Indiz für die Erforderlichkeit. Dies hindert den Tatrichter allerdings nicht, den geschuldeten Ersatzbetrag im Schätzweg nach § 287 ZPO auch ohne Reparaturrechnung festzustellen (BGH a. a. O., Juris Rdnr. 11).

c) Es ist senatsbekannt, dass die markengebundenen Kfz-Werkstätten im Großraum Düsseldorf den sog. UPE-Aufschlag für Ersatzteilpreise erheben. Es handelt sich dabei um branchenüblich erhobene Zuschläge, die aufgrund der Lagerhaltung von Originalersatzteilen auf die unverbindliche Preisempfehlung des Ersatzteilherstellers aufgeschlagen werden. Damit soll unter anderem der Aufwand abgegolten werden, der mit der ständigen Vorhaltung von Originalersatzteilen verbunden ist; deren ständige Verfügbarkeit verkürzt in der Regel die Reparaturdauer.

2. a) Dementsprechend wird in den Leitsätzen für Gutachten und andere Sachverständigenleistungen des Instituts für Sachverständigenwesen e. V., Köln, zu Ziffer 5.1.5 (sonstige Kosten) die Empfehlung gegeben, im Gutachten zu in der Werkstatt oder in einer Region anfallenden Ersatzteilpreisaufschlägen Stellung zu nehmen – und zwar im Rahmen eines Hinweises auf entsprechende Mehrkosten im Anschluss an die Kostenaufstellung im Gutachten. Dasselbe gilt für Verbringungskosten, sofern in einer Werkstatt, in die ein Fahrzeug verbracht werden soll, nicht sämtliche Arbeiten erledigt werden können oder beispielsweise in einer Region üblicherweise in Spezialwerkstätten lackiert wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass nach Eingang der Reparaturkostenrechnung Abweichungen zur Kalkulation des Sachverständigen festgestellt und interpretiert werden können.

b) Führt demnach ein öffentlich bestellter und vereidigter („anerkannter“) Kfz-Sachverständiger – wie hier – ein seinem Gutachten aus, dass in der Region bei einem entsprechenden Hersteller im Falle der Reparatur typischerweise UPE-Aufschläge erhoben werden, ist bei einer Abrechnung auf Gutachtensbasis eine Ersatzfähigkeit dieser Aufschläge gegeben. Die Gegenansicht liefe im Ergebnis auf die Konsequenz hinaus, dass die fraglichen Aufschläge nur im Falle ihrer tatsächlichen Berechnung nach der Fahrzeuginstandsetzung erstattungsfähig wären. Indes ist bei der fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis die tatsächliche Reparatur gerade nicht maßgeblich. Nichts anderes ergibt sich aus der Neufassung des § 249 Abs. 2 BGB durch das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften: durch diese Änderung sollte nicht die Zulässigkeit einer fiktiven Schadensabrechnung – einschließlich der die UPE-Aufschläge betreffenden – schlechthin beseitigt werden, sondern nur die Ersatzfähigkeit des Umsatzsteueranteils an dessen tatsächlichen Anfall geknüpft werden. Ansonsten hat sich nichts an der bis dahin bestehenden Rechtslage geändert, dass es dem Geschädigten freisteht, den für die Reparatur erforderlichen Geldbetrag nach § 249 Satz 2 BGB a. F. nicht für die Instandsetzung seines Fahrzeuges zu verwenden (BGH NJW 1989, 3009; Juris Rdnr. 12 mit weiteren Nachweisen).

3. Die obigen Ausführungen gelten mit entsprechend für die im Gutachten des Kfz-Sachverständigen W. mit einem Aufwand von 12 Arbeitswerten berücksichtigten Fahrzeugverbringungskosten, die somit ebenfalls von der Ersatzverpflichtung der Beklagten umfasst sind.

4. Die ersatzfähigen Fahrzeugschäden stellen sich im Ergebnis somit auf den gutachterlich angegebenen Gesamtbetrag von 5.283,13 € netto. Hinzu zu rechnen ist der – unstreitig – auf die merkantile Wertminderung entfallende Betrag von 800,00 €

Dieses Urteil stellt nun als drittes OLG-Urteil zu dem Thema Sachverständigenhonorar eine schöne Bereicherung der diesbezüglichen Urteilsliste dar.

Es sollte nun auch den AG restlos klar werden, dass im Schadensersatzprozess des Geschädigten auf Erstattung des Gutachterhonorars Einwendungen der beklagten Haftpflichtversicherung wie etwa, das verlangte Honorar sei nicht üblich oder nicht angemessen, eine Themaverfehlung darstellen.

Ich kann nur raten, dieses Urteil allen Klagen um restliches Gutachterhonorar im Original beizufügen und in einem Textbaustein auf die wesentlichen Aussagen dieses Urteils hinzuweisen.

Letztlich ist selbstverständlich klargestellt, dass der Geschädigte auch bei fiktiver Schadensabrechnung Anspruch auf Erstattung der Ersatzteilpreisaufschläge und der Verbringungskosten besitzt, welche die Werkstatt, in der er bei Reparaturabsicht instandgesetzt hätte, die Ersatzteilpreisaufschläge und, wenn diese Werkstatt selbst nicht über eine eigene Lackiererei verfügt, auch die Verbringungskosten verlangt hätte.

Auch dieses Thema sollte deshalb „durch“ sein.

Mitgeteilt von Peter Pan im August 2008

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