LG Saarbrücken verurteilt in der Berufungsinstanz HUK-Coburg (13 S 108/08 vom 29.08.2008)

Das LG Saarbrücken hat durch die 13. Zivilkammer – 13 S 108/08 – am 29.08.2008 das Urteil des AG Saarbrücken vom 15.05.2008 (5 C 105/06) abgeändert und die Beklagte, die HUK-Coburg, verurteilt, an den Kläger restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 471,60 € nebst Zinsen sowie eine restliche Geschäftsgebühr in Höhe von 42,78 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger beansprucht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 12.11.2007 in Saarbrücken ereignet hat. Die Einstandspflicht der mit der HUK-Coburg verklagten Fahrzeughalterin sowie der Zweitbeklagten als Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs ist dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht im Streit. Gegenstand der Klage waren zuletzt restliche Sachverständigenkosten, die der Kläger zur Schadensermittlung an seinem verunfallten Fahrzeug aufgewendet hat sowie restliche vorgerichtliche Anwaltsgebühren.

Der von dem Kläger beauftragte SV R. berechnete für sein Gutachten vom 21.11.2007 ein Honorar in Höhe von 874,39 €. Dem legte er seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde, ausweislich derer sich seine Vergütung aus einer Grundvergütung und diverser anderer Kosten für Post- und Telekommunikationsleistungen, Fotos, EDV-Abruf u. a. zusammensetzt. Die an dem im Gutachten ausgewiesenen Reparaturkostennettoaufwand nebst Wertminderung ausgerichtete Grundvergütung belief sich auf 366,00 € netto, die Nebenkosten insgesamt auf 368,78 Euro. Hierauf zahlte die Zweitbeklagte einen Betrag von 402,70 Euro. Ein weiteres Honorar in Höhe von 259,54 € für eine ergänzende Stellungnahme wurde von der Zweitbeklagten ausgeglichen, so dass insgesamt noch ein Betrag von 471,60 € im Streite war. Daneben verlangte der Kläger restliche vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von zuletzt noch 43,12 €, die aus einem Geschäftswert von 3.775,43 € berechnet sind und auf die die Zweitbeklagte bislang einen Betrag von 173,26 € gezahlt hatte. Die mit der Klage ursprünglich noch begehrten restlichen Reparaturkosten, Wertminderungsschaden und Auslagenpauschale sind inzwischen ausgeglichen worden.

Die Beklagten haben die Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten mit der Begründung verweigert, die Gutachterkosten seien nicht angemessen und nicht üblich und überschritten somit den „erforderlichen“ Aufwand zur Schadensbeseitigung nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der Kläger habe im Übrigen mit der Vereinbarung des streitgegenständlichen Honorars gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil dieses – beispielsweise 18,00 € Pauschalhonorar für eine Stadtfahrt, 2,60 € für einen Fotosatz oder 18,00 € Pauschalkosten für Porto, Telefon – selbst für einen Laien erkennbar überhöht sei.

Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15.05.2008 in Höhe von 71,66 € restlicher Sachverständigenkosten stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Amtsgericht führt dabei aus, dass die zwischen dem Kläger und dem SV R. getroffene Honorarvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB unwirksam sei und der Auftraggeber über die Höhe des Honorars getäuscht worden sei. Zwar sei das Grundhonorar von 366,00 € nicht zu beanstanden, das sich am oberen Rand des Honorarkorridors bewege. Die Nebenkosten beliefen sich auf 100% des Grundhonorars und seien damit überhöht.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein in I. Instanz gebrachtes Vorbringen weiter. Er verweist dabei auf die Rechtsprechung der Berufungskammer des LG Saarbrücken.
Die Berufung ist ganz überwiegend begründet. Das amtsgerichtliche Urteil beruht auf einem Rechtsfehler zulasten des Klägers, dem der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz restlicher SV-Kosten in Höhe von weiteren 399,94 € sowie restlicher Anwaltskosten in Höhe von 24,78 € zusteht.

Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit. Wie der Erstrichter zu Recht festgestellt hat, kann der Geschädigte die Aufwendungen für ein SV-Gutachten ersetzt verlangen, die zu einer zweckentsprechenden Rechtverfolgung notwendig waren, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Die SV-Kosten sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der sich die Kammer angeschlossen hat, vom Schädiger zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung das Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (BGH NJW-RR 1989, 953; BGH VersR 2005, 380; VersR 2007, 560; Urteil der Kammer des LG Saarbrücken vom 22.09.2006 – 13A S 12/06 -; DAR 2007, 270 sowie Urteil LG Saarbrücken vom 23.05.2008 – 13 S 20/08 -, jew. m.w.N). Ob und in welchem Umfang Herstellungskosten und damit auch Sachverständigenkosten erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie Aufwendungen darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH VersR 2007, 560 m.w.N). Der Geschädigte ist dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH VersR 2007, 560 m.w.N.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 132, 373, 376 m.w.N.). Aus dem Grundanliegen des § 249 BGB, den Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, folgt für die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, dass eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Elinflussmöglichkeilen sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist (vgl. BGHZ 132, 373, 376, 377; BGHZ 163, 362, 365 jew. m.w.N.; vgl. auch Urteil des LG Saarbrücken vom 22.09.2006 aaO m.w.N.).

Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen SV ausfindig zu machen. Weil es jedoch im Gegensatz etwa zu dem Bereich des Mietwagengeschäfts bei SV-Gutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, mithin an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt (vgl. Roß NZV 2001 321, 322 f.; Hörl NZV 2003, 305, 309 f. jew. m.w.N.), wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden SV-Kosten ausgehen dürfen. Erst wenn für Ihn als Laie erkennbar ist, dass der SV sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden bei der Auswahl des SV zur Last fällt oder er offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet, kann er nach ständiger Rechtsprechung der Kammer des LG Saarbrücken vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (Urteile der Kammer vom 22.09.2006 sowie vom 23.05.2008; OLG Düsseldorf NJW Spezial 2008, 458; OLG Hamm NZV 2001, 433; OLG Hamm DAR 1997, 275; OLG Nürnberg OLGR 2002, 471). Demgegenüber ist der Ersatzpflichtlge nicht rechtlos gestellt. Hält er die Vergütung für überhöht, kann er von dem Geschädigten in entsprechender Anwendung des § 255 BGB die Abtretung seiner Rückforderungsansprüche gegen den SV verlangen und sich mit diesem wegen dessen Rechnungsforderung auseinandersetzen (vgl. OLG Düsseldorf aaO; OLG Naumburg, NZV 2006, 546, 548; Grunsky NZV 2000, 5; jew. m.w,N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der restlichen streitgegenständlichen SV-Kosten zu. Das an den SV gezahlte Honorar hält sich im Bereich des zur Wiederherstellung Erforderlichen. Es ist insbesondere nicht erkennbar willkürlich festgesetzt oder überhöht.

Der Umstand, dass sich die Abrechnung an der Schadenshöhe orientiert und ohne Rücksicht auf den Zeitaufwand erfolgt ist, ist unbedenklich. Eine solche an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars trägt nämlich dem Umstand Rechnung, dass das Honorar des SV als Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist (BGH VersR 2007, 560; LG Saarbrücken Urteil vom 22.09.2006, aaO, LG Saarbrücken Urteil vom 23.05.2008, 13 S 20/08, jew. m.w.N.).

Auch die Höhe der Abrechnung war für den Geschädigten nicht erkennbar überhöht. Gegen eine erkennbar überhöhte Forderung spricht im Streitfall bereits, dass sich die Honorarforderung des Sachverständigen innerhalb des Preiskorridors bewegt hat, den die auch vom Erstgericht herangezogene BVSK-Honorarbefragung ermittelt hat. Die Grundvergütung liegt an der oberen Grenze, die Nebenkosten bewegen sich im mittleren bis oberen Bereichs des Honorarbereichs.

Soweit die Beklagte geltend macht, über 100 Sachverständigenbüros im Saarland würden die Schadensbegutachtung auf einer niedrigeren Bemessungsgrundlage als der des SV R. berechnen, ist schon nicht hinreichend deutlich, ob sich dies nicht lediglich auf die Abrechnung der SV im Verhältnis zur Beklagten bezieht, was das Beweisangebot nahe legen würde. Ein solches Abrechnungsverhalten wäre indes schon kein hinreichendes Indiz, von einer erkennbar überhöhten Berechnung des SV im Streitfall auszugehen. Ob SV gegenüber der Zweitbeklagten, also der HUK-Coburg, und möglicherweise auch anderen Haftpflichtversicherern gegenüber niedrigere Honorarforderungen geltend machen, enthält gerade keinen zwingenden Hinweis darauf, dass KFZ-Sachverständige in der Region bei einer Beauftragung von privaten Kunden die gleichen niedrigen Sätze anlegen. Auch bleibt offen, ob SV auch gegenüber denjenigen Versicherern, die die Höhe der Gutachterkosten nicht zu ermäßigen versuchen, niedrigere Sachverständigenkosten in Rechnung stellen. Ungeachtet dessen würde auch der Umstand, dass eine solche Zahl von SV im Saarland allgemein auf niedrigerer Basis abrechnen würde, die fehlende Erkennbarkeit einer überhöhten Abrechnung für den Geschädigten nicht in Frage stellen.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger im Streitfall eine ausdrückliche Honorarvereinbarung auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des SV R. abgeschlossen hat. Dies spricht nicht für die Annahme einer erkennbar überhöhten Gebühr. Insgesamt hat der Geschädigte keine Veranlassung, an der Angemessenheit der Kosten des Sachverständigen R. zu zweifeln.

Die Beklagte kann auch gegen die Höhe der Abrechnung auch nicht mit Erfolg einwenden, die Nebenkosten seien erkennbar überhöht, weil sie genauso hoch wie das bereits an der oberen Grenze der BVSK-Befragung liegende Grundhonorar sind. Da die Nebenkosten im Gegensatz zur Grundvergütung unabhängig von der Schadenshöhe erhoben werden, können diese umso eher das Grundhonorar erreichen, je niedriger dieses ist. Eine willkürliche oder erkennbare Überhöhung lässt sich hieraus nicht herleiten.

Einer detaillierten Überprüfung der Nebenkosten, wie dies das AG Saarbrücken dies im Einzelfall vorgenommen hat, bedurfte es nach alledem nicht. Die geltend gemachten Nebenkosten sind weder der Art noch der Höhe nach so ungewöhnlich, dass Hinweise auf eine fehlende Erforderlichkeit gegeben sind. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, ist eine Preiskontrolle, wie sie das Amtsgericht für die einzelne Positionen vorgenommen hat, nicht mehr erforderlich und auch nicht zulässig (vgl. BGH VersR 2007, 560, m.w.N.)

Weiterhin kann der Kläger auch die Zahlung von weiteren 42,78 € verlangen. Als Schadensersatz ist von den Beklagten auch die Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten zu leisten, wobei der Ersatzpflicht der Geschäftswert zugrunde zu legen ist, der der berechtigten Schadensersatzforderung, vorliegend 3.775,43 €, entspricht.

Hinsichtlich der Differenz von 43,12 € war die Berufung jedoch zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da der Sache keine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Mit diesem Urteil hat die Berufungskammer dem Amtsrichter eindeutig vorgeschrieben, dass in Zukunft eine Preiskontrolle unzulässig ist.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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5 Antworten zu LG Saarbrücken verurteilt in der Berufungsinstanz HUK-Coburg (13 S 108/08 vom 29.08.2008)

  1. Friedhelm S sagt:

    Wieder einmal hat das Landgericht Saarbrücken als Berufungsgericht das unsinnige Urteil der 5. Zivilabteilung des AG Saarbrücken aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Deutlicher kann der Hinweis an den Amtsrichter doch nicht sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte mit dem AG Saarbrücken-Urteil immer wieder argumentiert. Es kann also nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass das Urteil des AG Saarbrücken, von der Beklagten angegeben, durch das LG Saarbrücken aufgehoben worden ist.
    Mit freundl. Grüssen
    Friedhelm S.

  2. downunder sagt:

    wie dick muss eine betonmauer eigentlich sein,damit die nicht immer und immerwieder dagegenrennen?
    mittlerweile sind die doch völlig völlg schmerzfrei,oder?

  3. virus sagt:

    Dawnunder – ich verrate dir ein Geheimnis – es gibt Verwandte von mir, die leben auf so bunten Scheinen. Wenn du in Besitz unendlich vieler dieser Scheine bist, dann merkst du nicht mehr, dass es weh tut und schon gar nicht merkst du, dass du anderen weh tust.

    Schönen Abend!

    Virus

  4. Siegfried Sturm sagt:

    Hi Mr. Downunder,
    vielleicht bekommen die günstig von der Pharma-Industrie
    Sc hmerzmittel. Damit lassen sich dann die Blessuren leichter ertragen, die man bei dem ständigen Rennen gegen die Betonwand erleidet.

  5. Hunter sagt:

    Hierzu gibt es aber noch eine andere Theorie.

    Nach den Zeiten des „kalten Krieges“ wurden einige Atombunker-Tester nicht mehr gebraucht und haben möglicherweise bei der HUK ein neues Plätzchen gefunden. Wer früher mit dem Schädel Atombunker getestet hat (zur psychologischen Erforschung des Lagerkollers), der fühlt keinen Schmerz – und spart sich auch die Medikamente.

    Deshalb gibt es auch künftig zu dem einen oder anderen (lächerlichen) Urteil bestimmt immer wieder zu berichten.

    Der gute Willi hat auf alle Fälle weiterhin stets Munition im Rohr – auch ohne kalten Krieg.

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