AG Landau i. d. Pfalz – Zweigstelle Bad Bergzabern – verurteilt mit Urteil vom 17.6.2015 – 1 C 98/15 – den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG zur Zahlung des restlichen Schadensersatzes in Form der Sachverständigenkosten, nachdem die HUK-COBURG dazu nicht in der Lage war.

Hallo verehrte Leserinnen und Leser des Captain-Huk-Blogs,

hier geben wir Euch ein Urteil aus Bad Bergzabern zu den Sachverständigenkosten gegen den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG bekannt. Was die HUK-COBURG als regulierungspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung nicht an Schadensersatz nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall leisten wollte oder konnte, muss nun der Schädiger selbst leisten. Seine HUK-COBURG läßt ihn im Stich. Eine schöne Versicherung, die ihren Versicherungsnehmer vor den Kadi zerren lässt? Lest aber selbst das Urteil des AG Landau Zweigstelle Bad Bergzabern. Wir meinen, dass in der Pfalz durchaus ordentliche Urteile zum Schadensersatz gesprochen werden. Bei dem hier vorliegenden Urteil handelt es sich um ein umfangreiches, aber schadensersatzrechtlich korrektes Urteil. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Aktenzeichen:
1 C 98/15

Amtsgericht
Landau in der Pfalz
Zweigstelle Bad Bergzabern

IM NAMEN DES VOLKES

Endurteil

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Beklagte

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Landau in der Pfalz, Zweigstelle Bad Bergzabern durch die Richterin am Amtsgericht L. am 17.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.03.2015 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung in Höhe von 82,54 € beanspruchen. Der Anspruch ergibt sich aus § 71 StVG.

Die Klägerin kann Schadensersatzansprüche betreffend die Gutachterkosten aus dem Unfall 21.11.14 in Dahn gegen die Beklagte, bei welcher es sich um die Halterin des unfallverursachenden Fahrzeugs handelt, verlangen.

Die Haftung der Beklagten aus dem stattgehabten Verkehrsunfall steht außer Streit. Unstreitig hat die Beklagte grundsätzlich auch Schadensersatz für entstandene Sachverständigenkosten als Kosten notwendiger Rechtsverfolgung im Sinne des § 294 BGB zu leisten. Diesbezüglich hat ihre Haftpflichtversicherung bereits vorgerichtlich 520,– € gezahlt.

Die Klägerin kann weitere 82,54 € verlangen.

Die Beklagte vermag mit ihren Kürzungen in der Schadenshöhe nicht durchdringen.

Gemäß § 249 BGB kann ein Geschädigter von dem Schädiger nur Ersatz derjenigen Sachverständigenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Fahrzeughalter in seiner Lage för zweckmäßig und notwendig halten darf. Hierbei kann der Geschädigte auch Ausgleich der Kosten verlangen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen zur Feststellung des Schadenshergangs, vor allem aber zur Schädenshöhe entstehen (vgl. BGH NJW 74, 34). Die grundsätzliche Befugnis der Klägerin, einen Gutachtensauftrag zu erteilen, steht nicht in Streit.

Soweit die Beklagte Rechnungsposten beanstanden, halten ihre Kürzungen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Kosten sind als erforderlich im Sinne des § 249 BGB anzusehen.

Die Beklagte hat bereits nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit die Sachverständigenkosten zu hoch sein sollen. Insbesondere hat sie nicht dargetan, welche Kosten entstanden wären, wenn etwa nach Zeitaufwand abgerechnet worden wäre. Soweit sie selbst einen ihrer Auffassung nach erforderlichen Betrag errechnet und vorgerichtlich gezahlt hat, hat sie keinen Vortrag dazu gehalten, wie sich dieser zusammensetzen soll. Dadurch, dass der Sachverständige eine an der Schadenshöhe orientierte Pauschalierung des Grundhonorars vornimmt, werden die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung nicht überschritten. Die richtige Bestimmung der Schadenshöhe schuldet der Sachverständige als Erfolg, sodass die Orientierung der Vergütung an dieser als zulässig erachtet wird (BGH NJW-RR 2007, 56).

Das Gericht verkennt nicht, dass es zunächst Sache der Klägerseite ist, zur Schadenshöhe vorzutragen. Der Darlegungslast zur Schadenshöhe wird aber bereits durch Vorlage einer Rechnung des beauftragten Sachverständigen Genüge getan, (vgl. BGH VI ZR 225/13, Urteil vom 11.02.14, www.juris.de).

Zur Schadensschätzung nach § 287 ZPO und Bestimmung dessen, was erforderlich im Sinne des § 249 BGB ist, kann die tatsächliche Rechnungshöhe als wesentliches Indiz herangezogen werden, wobei allerdings die tatsächlich erforderlichen Kosten und nicht die rechtlich geschuldeten maßgeblich sind (BGH, aaO).

Der Bundesgerichtshof sieht ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten dann, wenn Rechnung und Preisvereinbarung übereinstimmen und auch die Preisvereinbarung nicht erkennbar über den üblichen Preisen liegt. In hiesigem Verfahren hat die Klägerin zu einer Preisvereinbarung keinen Vortrag gehalten, sodass ein Vergleich nicht gezogen werden kann.

Daraufkommt es aber auch nicht an. Vorstehende Erwägungen zur Deckungsgleichheit zwischen Rechnung und Vereinbarung bedeuten nämlich, dass der Wissensstand und die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nicht erst bei der Frage, ob dieser gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat, eine Rolle spielen, sondern bereits bei der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 II S.1 BGB. Es ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Einfluss-und Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen.

Selbst wenn also überhaupt keine Preisvereinbarung getroffen war, hätte der Geschädigte, um die Erforderlichkeit abzulehnen, erkennen müssen, dass der von ihm gewählte Sachverständige Honorare verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen.

Das Sachverständigengrundhonorar in Höhe von 506,34 € netto beträgt im Verhältnis zum festgestellten Schaden in Höhe der Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung 22% und steht demnach schon von daher dazu nicht erkennbar außer Verhältnis.

Darüber hinaus liegt der Preiskorridor für das Grundhonorar laut der BVSK-Befragung 2013 (Preiskorridor V) bei einer Nettoschadenshöhe bis 2.500 € zwischen 377,00 € bis 411,00 €. Die verlangten Gutachterkosten in Höhe von 401,00 € netto liegen innerhalb des Korridors.

Der Auffassung der Beklagten, mit dem Grundhonorar seien ohne weiteres Nebenkosten abgegolten, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Aus der Sicht des objektiven Dritten in der Rolle des Auftraggebers ist ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung (und eine solche ist hier weder dargelegt noch sonst ersichtlich) nicht davon auszugehen, dass mit dem Grundhonorar ohne Weiteres auch automatisch alle Auslagen abdeckt sind. Derartiges ergibt sich vor allem nicht aus dem Gesetz, insbesondere gibt es für Sachverständige auch keine entsprechende Berufsordnung, aus der sich eine derartige Regelung ergeben könnte. Das JVEG ist insoweit weder direkt noch analog anwendbar, wobei zudem selbst nach dem JVEG Nebenkosten separat berechnet werden können. Davon abgesehen ist der freie Sachverständige grundsätzlich nicht gezwungen, so abzurechnen wie der gerichtlich bestellte. Auch gibt es sonst keine Regelungen, die eine besondere Abrechnung vorschreiben. Dass die hier gesondert berechneten Auslagen im Grundhonorar enthalten sind, ergibt sich im Übrigen auch nicht aus irgendeiner anderen berufsständischen Ordnung anderer freier Berufe, so z.B. auch nicht aus dem RVG, im Gegenteil, sind Auslagen anderen Berufsordnungen zufolge vielmehr ebenfalls separat abrechenbar. Insoweit hat auch der BGH in seiner Entscheidung vom 04.04.06, X ZR 80/05 selbst für das Werkvertragsrecht ausdrücklich festgestellt, dass die Honorarbemessung auch in der Weise erfolgen kann, dass der Sachverständige neben einem Grundhonorar für seine eigentliche Sachverständigentätigkeit Nebenkosten wie Schreibkosten und Kosten für Porti, Telefon, Fotografien, und Fahrten bei der Bemessung seines Gesamthonorars berücksichtigen darf, und zwar sogar in Form von Pauschalen, und dass eine solche Bestimmung des Gesamthonorars auch nicht zu beanstanden sei.

Schreibgebühren sind ebenso wie die Porto- und Telefonkosten separat abrechenbar. Das Grundhonorar vergütet den arbeitstechnischen Aufwand bzw. die Arbeitszeit und die Verwertung der besonderen vorhandenen Kenntnisse des Sachverständigen und der ermittelten Erkenntnisse. Es ist dem Sachverständigen zuzugestehen, die reinen Schreibkosten oder andere Auslagen daneben zu verlangen.

Für den objektiven Dritten in der Rolle der Klägerin wäre ex-ante nicht erkennbar, dass die Nebenkosten zwingend im Grundhonorar enthalten sein müssen, selbst wenn dies objektiv der Fall wäre.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass neben obiger Argumente betreffend die fehlende gesetzliche Grundlage auch die Honorarbefragung des BVSK Nebenkosten ausweist. Dass die Abrechnung von Nebenkosten neben dem Grundhonorar in Zweifel gezogen werden soll, kann nicht ernsthaft verlangt werden. Wenn schon die Honorarbefragung der BVSK, die ein objektiver Dritter in der Lage der geschädigten Klägerin gar nicht kennen muss, Grund- und Nebenkosten gesondert ausweist, stellt sich die Frage, wie er oder sie auf die Idee hätte kommen sollen, dass diese Art der Abrechnung fehlerhaft sei.

Die Honorarforderung des Sachverständigen liegt darüber hinaus, was die Nebenkosten angeht, im Preiskorridors V der Honorarbefragung 2013 der BVSK.

Der Sachverständige … hat mit Zahlungsaufstellung vom 27.11.14 für 20 Lichtbilder 39,60 € netto, Schreibgebühren für 10 Seiten in Höhe von 21,10 € netto, Fahrtkosten von 29,44 € und Porto- und Telefonkosten in Höhe von pauschal 15,20 € berechnet.

Bei den Fotokosten liegt der Korridor zwischen 2,21 € und 2,55 € pro Foto und zwischen 1,32 € und 1,67 € je Foto für den 2. Satz. Die vom Gutachter in Ansatz gebrachten Kosten liegen unterhalb des Bereichs. Soweit die Beklagte meint, die Anzahl der Lichtbilder sei nicht vonnöten gewesen, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Lichtbilder geben durch verschiedene Blickwinkel eine dreidimensionale Vorstellung vom Fahrzeug und dokumentleren insbesondere durch die Ablichtung von Kilometerstand Fahrzeugnummer die Arbeitsweise des Sachverständigen. Die Lichtbilder ermöglichen die Identifizierung des Fahrzeugs und lassen nachvollziehbar erscheinen, dass und welches Fahrzeug der Sachverständige begutachtet hat. Dass der Schaden aus verschiedenen Perspektiven abgelichtet wurde, ist nicht zu beanstanden.

Die Schreibgebühren liegen unterhalb des Korridors 2,45 € bis 2,86 € je Seite.

Die Beklagte trägt selbst vor, der Sachverständige habe das Gutachten der Klägerin und dem Klägervertreter übermittelt, Kopiekosten hat er offensichtlich nicht abgerechnet, Kosten für den 2. Satz Fotos sind erstattungsfähig.

Die Porto- und Telefonkosten von 15,20 € liegen im Korridor von 14,48 € bis 18,17 €. Auf die Behauptung der Beklagten, diese seien nicht angefallen, kommt es nicht an, da diese Kosten als Pauschale abgerechnet werden, Dass die Klägerin von einer Überhöhung hätte ausgehen müssen, erschließt sich nicht.

Die Fahrtkosten von 0,92 € je Kilometer liegen im Korridor von 0,92 € bis 1,16 €. Die Klägerin hat durch das Gutachten dargelegt, dass das Auto in Lustadt besichtigt wurde. Das Büro des Sachverständigen befindet sich in Landau. Da das Auto laut Gutachten in bedingt fahrfähigem Zustand und durch die festgestellten Schäden in der Verkehrssicherheit beeinflusst war, liegt es in der Natur der Sache, dass sich der Sachverständige von seinem Büro zum Begutachtungsort begab und wieder zum Büro zurückkehrte.

Der Vortrag der Beklagtenseite, die Klägerin hatte einen Sachverständigen in der Nähe ihres Wohnortes beauftragen sollen, verkennt, dass das Fahrzeug in der Werkstatt in Lustadt befindlich war. Ein Sachverständiger in der Nähe des Wohnortes Ruppertsweiler hätte nach Lustadt eine weitere Wegstrecke zurücklegen müssen als der beauftragte Sachverständige aus Landau.

Da sich die Kosten des Sachverständigen nicht als unverhältnismäßig darstellen und sich im bzw. weit überwiegend sogar unterhalb des Korridors der BVSK-Honorarbefragung bewegen, hatte die Klägerin keinerlei Veranlassung einen günstigeren Sachverständigen mit der Begutachtung zu beauftragen.

Darüber hinaus lässt sich ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 II S.1 Fall 2 BGB nicht feststellen. Die Klägerin hat keine Maßnahmen unterlassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte.

Ein Mitverschuiden der Klägerin könnte dann angenommen werden, wenn diese ein Auswahlverschulden trifft, sie mit dem Sachverständigen – im kollusiven Zusammenwirken – ein offensichtlich überhöhtes Honorar vereinbart hat, sie offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet oder ihr die Unangemessenheit der Vergütung bzw. ein offenkundiges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung bzw. eine willkürliche Festsetzung des Honorars bei Auftragserteilung auch für ihn als Laien offensichtlich ins Auge hätte springen müssen (BVerfG, Beschl. v. 28.11.07, 1 BvR 1655/05).

Vorgenannte Anhaltspunkte für ein Mitverschulden lassen sich nicht feststellen. Weder ergeben sich aus dem Honorar Anhaltspunkte für ein Verschulden, noch bestehen offensichtliche Unrichtigkeiten des Gutachtens.

Die Klage war daher in der Hauptsache nebst Zinsen zuzusprechen.

Betreffend die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war der Klage der Erfolg zu versagen. Die Beklagte hat vorgebracht, der Klägerin seien bereits vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 334,75 € aus einem Gegenstandswert bis 3.000,– € erstattet worden. Dem Einwand der Erfüllung hat die Klägerin substantiiert nichts entgegengesetzt, sondern auf die Kosten des Mahnverfahrens verwiesen. Die Kosten des Mahnverfahrens sind indes Kosten des gerichtlichen Verfahrens und nicht unabhängig von der von Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidung zu tenorieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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