Interessantes Berufungsurteil des LG Saarbrücken gegen HUK-Coburg (11 S 130/07 vom 21.02.2008)

Das LG Saarbrücken hat mit Berufungsurteil vom 21.02.2008 – 11 S 130/07 – das erstinstanzliche Urteil des AG Saarbrücken (5 C 435/07) kassiert und auf die Berufung der Geschädigten hin ihr die restlichen Sachverständigenkosten im Wege der Freistellung zugesprochen.

Das LG Saarbrücken hat der beklagten Haftpflichtversicherung (HUK-Coburg) die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie auch des Berufungsverfahrens auferlegt. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Aus den Gründen:

I.
Die Klägerin nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung auf Freistellung von Sachverständigenkosten in Anspruch. Im Streite sind noch 81,83 €. Die Haftung aus dem Verkehrsunfall vom 29.01.2007 ist unstreitig.

Das Amtsgerichts Saarbrücken hat mit Urteil vom 21.6.2007 – 5 C 43 5/07 – bis auf einen Betrag in Höhe von 1,51 € die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Rechnung des SV sei unangemessen überhöht. Die Forderung einer überhöhten Vergütung führe zu einer Verneinung der Erstattungsfähigkeit, wenn die Überhöhung für den Geschädigten wie hier vor der Zahlung an den SV erkennbar sei.

Hiergegen richtete sich die – erfolgreiche – Berufung der Klägerin. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen weiter. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, da das Amtsgericht die Berufung zugelassen hat.

In der Sache hat das Rechtsmittel der Klägerin auch Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung des AG Saarbrücken beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen insoweit eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Entgegen der Auffassung des AG kann die Klägerin im Wege des Schadensersatzes Freistellung von der Honorarforderung des SV in Höhe der noch offenen 81,83 € verlangen.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Berufungskammer (vgl. Urteil vom 17.11.2005, 11 S 70/05), die in Einklang steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 23.1.2007, VI ZR 67/06), ist für die Frage der Erstattungsfähigkeit der SV-Kosten einzig und allein maßgeblich, dass das berechnete SV-Honorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB angesehen werden kann.

Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages zu befriedigen und nicht etwa vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten. Der tatsächliche Aufwand wird freilich bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO oft ein Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sein. Indes ist der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Betrag identisch. Insbesondere deshalb kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten (z. B. einer überhöhten Honorarforderung des SV) abhängig gemacht werden (vgl. BGH a. a.0.).

Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. BGH a. a. 0.).

Nichts anderes aber macht das Amtsgericht hier, wenn es die Höhe der vom SV berechneten Nebenkosten wie Schreibgebühren, Kopien etc. sowie Fahrt- und Telefonkosten für überhöht hält. Diese Preiskontrolle ist dem Amtsgericht verboten. Zwar kann der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kostenerstattung verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, aber auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH a. a. O.).

Solange für den Geschädigten daher als Laie nicht erkennbar ist, dass der SV sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung also in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er grobe und offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Vergütungsberechnung missachtet oder gar verursacht hat, kann der Geschädigte vom Schädiger Ausgleich gezahlter Aufwendungen oder Freistellung verlangen (vgl. Geigel-Rixecker, Der Haftpflichtprozess,  24. Auflage, Kapitel 3 Rdnr. 113 m. w. N.).

Nach Auffassung der Kammer kann und darf der Streit um die Angemessenheit des Sachverständigenhonorars nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Der Schädiger kann den Sachverständigen, dessen Vertrag mit dem Geschädigten Schutzwirkungen auch für ihn hat, auf Herausgabe des für unbillig gehaltenen Honorars in Anspruch nehmen (vgl. Geigel-Rixecker, a. a. 0.).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so lässt sich ganz eindeutig feststellen, dass die Klägerin den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat.

Für die Berufungskammer steht ganz außer Frage, dass die Klägerin bei der Überprüfung der Sachverständigenrechnung solch diffizile Überlegungen, wie sie das Amtsgericht vorgenommen hat, nicht anstellen muss. Wie soll ein Laie wissen, welche Kosten das Grundhonorar eines SV abdecken sollen, welche Kosten als Nebenkosten in Betracht kommen und in welcher Höhe diese gegebenenfalls gerechtfertigt sind, wenn schon die Experten sich in diesen Fragen nicht einig sind, wie gerade die im vorliegenden Prozess vertretenen unterschiedlichen Auffassungen der Parteien dies anschaulich belegen. Unter diesen Umständen ist es der Klägerin auch nicht zuzumuten, sich auf einen Rechtsstreit mit dem Sachverständigen einzulassen.

Unter Abänderung des angefochtenen Urteils war daher der Klage in vollem Umfange stattzugeben.

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Hier noch die aufgehobene Entscheidung des Amtsgerichts:

Geschäftsnummer:

5 C 435/07

AMTSGERICHT SAARBRÜCKEN

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

– Beklagte –

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat das Amtsgericht Saarbrücken ohne mündliche Verhandlung am 21.06.2007 durch den Richter am Amtsgericht … für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Sachverständigenkosten der Firma … GmbH aus der Rechnung vom 05.02.2007 aufgrund des Verkehrsunfalls vom 29.01.2007 in Höhe von 1,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.05.2007 freizustellen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 160 € festgesetzt.

5. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 29.01.2007 in Saarbrücken ereignete. Unstreitig ist, dass die Beklagte dem Grunde nach voll haftet. Streitig sind nur noch die Sachverständigenkosten.

Die Klägerin ließ ein Schadensgutachten vom Sachverständigenbüro … erstellen, für dessen Inhalt auf Blatt 18 ff. d.A. verwiesen wird. Der Sachverständige berechnete dafür einen Betrag von 355,57 € (Blatt 17 d.A.). Die Beklagte leistete vorgerichtlich eine Teilzahlung von 195,60 €. Nach Zustellung der Klage zahlte sie weitere 78,14 €. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin hat bestimmt, dass die Teilzahlungen der Beklagten zuerst auf die Nebenkosten aus der Sachverständigenrechnung verrechnet werden sollen.

Die Klägerin hat die Rechnung des Sachverständigen noch nicht gezahlt, soweit die Beklagte nicht geleistet hat.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von Sachverständigenkosten der Firma … GmbH aus der Rechnung vom 05.02.2007 aufgrund des Verkehrsunfalls vom 29.01.2007 in Höhe von 81,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.02.2007 freizustellen sowie die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von einem anwaltlichen Gebührenschaden in Höhe von 23,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, eine angemessene Vergütung des Sachverständigen belaufe sich auf den gezahlten Betrag von 273,74 €, weshalb die Beklagte nicht mehr schulde.

Für den Sach- und Streitstand im übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Hinweisbeschluss des Gerichts vom 08.05.2007 (Blatt 36 f. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Saarbrücken ergibt sich aus § 20 StVG, weil der Unfallort im Bezirk des Gerichts liegt.

Die Klage ist jedoch nicht in vollem Umfang begründet, weil die Rechnung des Sachverständigen unangemessen überhöht ist. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von Sachverständigenkosten in Höhe restlicher 1,51 € aus den §§7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG, 249 Abs. 2 BGB. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist unstreitig. Zu den ersatzfahigen Kosten gehören auch diejenigen für ein Sachverständigengutachten, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 249, Rdnr. 40). Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf, dabei ist auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450).

Der Geschädigte kann Erstattung der üblichen und angemessenen Sachverständigenkosten verlangen § 632 Abs. 2 BGB, wenn der Sachverständige eine fällige Rechnung erteilt hat und eine Vergütung nicht vereinbart wurde sowie eine Taxe nicht besteht. Für die Fälligkeit ist unerheblich, ob die Rechnung prüffähig ist. Fehlende Prüffähigkeit begründet lediglich ein Zurückbehaltungsrecht (LG Mannheim, Urteil vom 30.6.2006, Az.: 1 S 2/06). Fälligkeit setzt voraus, dass die Berechnungsbasis, also z.B. die Schadenshöhe, in der Rechnung angegeben ist. Die Angabe ist jederzeit nachholbar. Das Bestehen einer üblichen Vergütung setzt voraus, dass am Ort der Leistung des Sachverständigen nach allgemeiner Auffassung in zahlreichen Einzelfällen für nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistungen gleiche Vergütungen gezahlt werden (BGH, NJW 2001, 151; Palandt/Sprau, 63. Aufl., § 632, Rdnr. 15). Regelmäßig ist die übliche Vergütung nicht auf einen festen Betrag festgelegt, sondern bewegt sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite (BGH, Urteil vom 4.4.2006, NJW 2006, 2472; VersR 2006, 1131).

Die übliche Vergütung ist grundsätzlich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen. Erst wenn dies nicht möglich ist, kommt es in Betracht, dass der Sachverständige die Vergütung einseitig nach billigem Ermessen festlegt, §§ 315,316 BGB.

Die Vergütung des Sachverständigen darf sich an der Schadenshöhe orientieren (LG Saarbrücken, Urteil vom 25.09.2003, Az.: 2 S 219/02; Saarl. OLG, Urteil vom 22.07.2003, Az.: 3 U 438/02-46-; so nunmehr auch der BGH, Urteil vom 4.4.2006, NJW 2006, 2472; VersR 2006, 1131), Der BGH führt aus, dass für die Berechnung der Vergütung der Gegenstand und die Schwierigkeit der Werkleistung sowie insbesondere die von den Vertragsparteien verfolgten Interessen maßgebend sind. Das Gutachten dient normalerweise dazu, einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen, stellt also den wirtschaftlichen Wert der Forderungen des Geschädigten fest. Deshalb überschreitet ein Sachverständiger bei Routinegutachten den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung seines Honorars grundsätzlich nicht, wenn er dieses an der Schadenshöhe orientiert und es in der Höhe angemessen ist.

Die Forderung einer überhöhten, unangemessenen Vergütung führt aber dann zur zumindest teilweisen Verneinung der Erstattungsfähigkeit, wenn die Überhöhung für den Geschädigten vor der Zahlung an den Sachverständigen erkennbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Geschädigte auf Bedenken gegen die Höhe der in Rechnung gestellten Positionen hingewiesen oder ihm dies sonst bekannt wird. Dann ist die Rechnung des Sachverständigen voll auf Üblichkeit und Angemessenheit überprüfbar, denn der Geschädigte, der in seinem Schadensersatzprozess nicht das volle Sachverständigenhonorar zugesprochen erhält, kann dem Sachverständigen dies entgegenhalten. Er muss selbst nicht mehr an den Sachverständigen zahlen als eine übliche und angemessene Vergütung. Er bedarf in diesem Fall nicht des Schutzes und eine rein schadensrechtliche Betrachtung ist bei dieser Fallkonstellation nicht angebracht. Diese greift nur dann ein, wenn eine Vergütung bereits bei der Auftragserteilung vereinbart wurde oder wenn der Geschädigte das Sachverständigenhonorar bereits gezahlt hat. Wenn es dann überhöht ist, der Geschädigte dies jedoch nicht erkennen konnte, hat er grundsätzlich Anspruch auf volle Erstattung. So lag es regelmäßig in den vom erkennenden Gericht positiv entschiedenen Fällen, denen weit überwiegend eine Honorarvereinbarung des Sachverständigen mit seinem Auftraggeber zu Grunde lag.

Auch der BGH weist in seinem Urteil vom 23.01.2007 (a.a.O.) daraufhin, dass der Geschädigte durchaus das Risiko trägt, dass sich die Vergütung des von ihm ausgewählten Sachverständigen in einem Rechtsstreit als zu hoch erweist, obwohl der Geschädigte keine Marktforschung betreiben muss, um einen besonders kostengünstigen Sachverständigen zu finden. Dieses Urteil des BGH enthält keinerlei Aussage, dass die Vergütung des Sachverständigen unabhängig von der jeweiligen Fallgestaltung immer in voller Höhe erstattungsfähig wäre. Dem Urteil lag ein Fall zu Grunde, wo der Sachverständige mit dem Geschädigten eine Honorarvereinbarung getroffen hatte. Für diesen Fall führt der BGH aus, dass rechtliche Mängel der Honorarvereinbarung, zum Beispiel eine überhöhte Honorarforderung oder gar eine Unwirksamkeit nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, keinen Einfluss auf die Erstattungsfähigkeit haben. Bei fehlender Honorarvereinbarung soll unerheblich sein, welche Vergütung der Sachverständige gemäß § 315 Abs.l BGB bestimmen könnte, was sich aber nach den Urteilsgründen nur auf den Fall bezieht, das die Sachverständigenkosten vom Geschädigten bereits gezahlt sind. In diesen beiden Fällen (Honorarvereinbarung oder bereits erfolgte Zahlung) bleibt es also bei der rein schadensrechtlichen Betrachtung.

Weiter weist der BGH daraufhin, dass der Geschädigte jedoch nur denjenigen Aufwand erstattet verlangen kann, der vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen zweckmäßig und angemessen zur Schadensbehebung erscheint. Dabei ist insbesondere die spezielle Situation des Geschädigten, das heißt seine Erkenntnismöglichkeiten zu berücksichtigen. Aus dieser Urteilspassage lässt sich nach Auffassung des Gerichts klar der Schluss ziehen, dass der Geschädigte, der das Sachverständigenhonorar weder vereinbart noch gezahlt hat und Kenntnis davon erhält, dass das vom Sachverständigen verlangte Honorar unangemessen hoch sein kann, nur einen Erstattungsanspruch in Höhe des angemessenen Honorars haben kann. Ansonsten würde er gegen seine Pflicht verstoßen, den Schaden gering zu halten, weil das Sachverständigenhonorar den erforderlichen Herstellungsaufwand überschreiten würde. Letzteres kann das erkennende Gericht nach den Ausführungen des BGH am Ende seines Urteils entweder mit sachverständiger Hilfe oder in geeigneten Fällen durch Schätzung gemäß § 287 ZPO feststellen.

Ob die Vergütung üblich und angemessen ist, ermittelt das Gericht zunächst anhand der Honorarbefragung 20005/2006 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. -BVSK (LG Mannheim, a.a.O.). Der zu berücksichtigende Schaden setzt sich aus den Nettoreparaturkosten zuzüglich einer eventuellen Wertminderung zusammen, beziehungsweise ist im Totalschadenfall der Wiederbeschaffungswert brutto maßgebend. Sofern sich das Grundhonorar innerhalb des dort ermittelten Honorarkorridors HB III hält, innerhalb dessen 40% bis 60% der befragten Sachverständigen abrechnen, kann seine Höhe grundsätzlich nicht beanstandet werden.

Das Grundhonorar muss alle Bürounkosten, die Arbeitsleistung des Sachverständigen und seinen Gewinn abdecken. Dazu gehören zunächst die festen Kosten für Büroräume, Fahrzeuge (Anschaffungskosten, Versicherung, Steuern, Inspektionen), Personal, EDV-Ausstattung, Kommunikationsgeräte und Fotoausrüstung.

Nebenkosten können nur noch in eingeschränktem Umfang zusätzlich berechnet werden. Wegen der Angemessenheit ist ein Vergleich mit dem Grundhonorar notwendig. Wenn die Nebenkosten einen Betrag von 50-60% des Grundhonorars erreichen, wie dies nach Kenntnis des Gerichts aus einer Vielzahl gleichgelagerter Rechtsstreite um die Vergütung von Sachverständigen der Fall ist, ist dies nicht mehr angemessen, sondern intransparent. Dann werden wesentliche Kosten in den Nebenkosten versteckt, um das Grundhonorar geringer zu halten. Auch ein Vergleich mit der Honorarbefragung des BVSK führt dann zu falschen Ergebnissen, weil die hohen Kosten gerade dadurch zustande kommen, dass einige Sachverständige praktisch alle möglichen Nebenkostenpositionen ausschöpfen, andere dagegen nicht oder mit teilweise deutlich geringeren Sätzen abrechnen. Auch dies ist dem Gericht aufgrund seiner SpezialZuständigkeit für Verkehrsunfälle bekannt. Jedenfalls kann das Gericht nicht feststellen, dass die Berechnung aller möglichen Nebenkostenpositionen mit Pauschalbeträgen, die nach der Honorarbefragung des BVSK am oberen Rand des Honorarkorridors HB III liegen, üblich ist. Im letzten Absatz der Vorbemerkungen zur BVSK Honorarbefragung 2005/2006 wird ausgeführt, dass das Grundhonorar tendenziell etwas geringer erhoben wird, wenn sehr detailliert Nebenkosten aufgeführt werden.

Die Preise für die Nebenkosten können pauschal berechnet werden. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass nur Verbrauchskosten zusätzlich abgerechnet werden können, da die Grundkosten durch das Grundhonorar abgedeckt werden müssen. Das Wesen einer Pauschale ist es definitionsgemäß, den durchschnittlich zu erwartenden Aufwand abzugelten, nicht jedoch den maximal denkbaren Aufwand. Eine Pauschale soll nur insoweit eine Erleichterung gewähren, als es sich um geringe Beträge handelt, deren konkreter Nachweis im Einzelfall unverhältnismäßig aufwändig wäre. Wenn tatsächlich bei einer Position außergewöhnlich hohe Kosten entstehen, kann auf den konkreten Nachweis zurückgegriffen werden. Deshalb muss die Höhe der pauschal abrechenbaren Beträge den tatsächlichen Kosten aagepasst werden.

Das Gericht hat auch wegen der gesonderten Berechnung der EDV-Abrufgebühr Bedenken.

Schreibkosten können nicht mehr gesondert berechnet werden, weil sie so gering sind, dass sie praktisch nicht ins Gewicht fallen. Als Verbrauchskosten fallen hier nur Druckertinte oder Toner an. Im Juniheft 2006 der Stiftung Warentest, Seiten 32 ff., wurden 14 Tintenstrahldrucker getestet und dabei auch die Druckkosten pro Textseite DIN A4 schwarz ermittelt. Diese liegen im Durchschnitt aller 14 Drucker bei 6,32 ct/Seite. Die Kosten für ein Blatt Papier können praktisch vernachlässigt werden. Jedenfalls ist sicher kein höherer Betrag als lOct/Seite als Aufwandsersatz gerechtfertigt. Bei durchschnittlichen Gutachten fallen also einschließlich der 2. oder sogar 3. Ausfertigung allenfalls 30 bis 40 Seiten an, also 3,– bis 4,– €. Die gesonderte Berechnung wäre unverhältnismäßig, so dass diese Kosten gar nicht mehr gesondert abgerechnet werden können.

Im selben Test wurde der durchschnittliche Preis für eine Seite DIN A4 farbige Grafik mit 21,21 ct/Seite ermittelt, so dass hier ein Ersatz von 25 ct/Seite anzusetzen wäre. Allerdings werden farbige Grafiken in den hier zu beurteilenden Gutachten regelmäßig nicht abgedruckt.

Der durchschnittliche Preis für ein digitales Farbfoto in der Größe DIN A 4 wurde in dem Test mit 140 ct ermittelt. Regelmäßig werden auf eine DIN A4 Seite 2 Fotos gedruckt, so dass sich ein Preis von 70 ct pro Foto ergibt. Noch angemessen wäre ein Ersatzbetrag von 90 ct pro Foto. Dies gilt dann auch für einen 2. Fotosatz, da insoweit dieselben Kosten anfallen. Die Entwicklungskosten in einem Labor sind jedenfalls nicht höher, auch wenn noch das Filmmaterial berücksichtigt wird, was gerichtsbekannt ist.

Für Laserdrucker ergibt sich aus Heft Juli 2005 der Stiftung Warentest, Seiten 34 ff., dass deren Kosten sowohl beim Drucken von Text als auch bei Grafik und Fotos deutlich unter denen von Tintenstrahldruckern liegen.

Fotokopien des Gutachtens dürften im Zeitalter der EDV kaum noch anfallen, da weitere Ausfertigungen problemlos und mit der gleichen Qualität ausgedruckt werden können. Auch diese Kosten sind daher wie die Schreibkosten nicht mehr gesondert erstattungsfähig. Lediglich wenn aus anderen Gründen Kopien gefertigt werden müssen, können diese mit dem Satz von 0,50 ct/Kopie abgerechnet werden, wobei das Gericht sich insoweit an Ziff. 7000 W RVG orientiert.

Als Fahrtkosten können die konkret gefahrenen Kilometer mit 30 ct/Kilometer abgerechnet werden. Für die reinen Verbrauchskosten ist dieser Betrag, der den steuerlich zu berücksichtigenden Kosten und Ziff. 7003 W RVG entspricht, angemessen und ausreichend. Das Gericht akzeptiert Entfernungen bis zu 50 km einfache Wegstrecke. Dadurch ist jeder Geschädigte in der Lage, einen Sachverständigen seiner Wahl und seines Vertrauens zu finden und zu beauftragen.

EDV- Abrufkosten können nur dann gesondert berechnet werden, wenn für den konkreten Fall bezifferbare und nachweisbare Kosten entstanden. Sonst sind sie mit dem Grundhonorar abgegolten.

Kosten für Porto und Telefon/Telefax können insgesamt pauschal geltend gemacht werden, – wobei dem Gericht ein Betrag von 10,- € angemessen und ausreichend erscheint.

Die Rechnung ist hinsichtlich der Mengenangaben bei den Nebenkosten voll überprüfbar, weil es dabei nicht um die generelle Höhe des Sachverständigenhonorars geht, sondern um den erforderlichen konkreten Aufwand an Fotos, Fahrtkosten und Kopien.

Bei Reparaturkosten von rund 900 € berechnete der Sachverständige ein Grundhonorar von 209 €. Der Honorarkorridor, den 40 bis 60% der befragten Sachverständigen bei dieser Schadenshöhe einhalten, liegt zwischen 190 € und 223 €. Anhaltspunkte für eine Überhöhung des Grundhonorars liegen also nicht vor.

Als Nebenkosten werden Fahrtkosten, Fotokosten, Schreibgebühren und Telefongebühren/Porto geltend gemacht. Diese belaufen sich insgesamt auf 89,80 € netto, also 43% des Grundhonorars. Daraus folgt bereits, dass die Nebenkosten in nicht angemessener Höhe abgerechnet werden. Das Grundhonorar ist im vorliegenden Fall trotz der umfangreichen Berechnung von Nebenkosten nicht geringer und die Nebenkosten werden mit Ausnahme der Fotokosten pauschal ohne Angaben der jeweiligen Menge abgerechnet. Dies ist auch nicht hinreichend nachvollziehbar. Konkrete Sätze, die anerkennungsfähig sind, lassen sich hier nicht angeben, weil es sich immer um eine Entscheidung im Einzelfall handelt.

Entsprechend den vorstehenden Ausführungen entfallen die Schreibgebühren. Die Fahrtkosten sind für 20 km mit 0,30 € pro Kilometer zu berechnen, also 6 €. Die Besichtigung erfolgte ausweislich des Gutachtens in Saarbrücken und der Sachverständige hat seinen Sitz in Riegelsberg. Damit schätzt das Gericht, dass mindestens 20 km Fahrstrecke zu berücksichtigen sind. Die Fotokosten für 7 Fotos sind mit 0,90 € pro Foto zu berechnen, also 6,30 €. Ferner erkennt das Gericht eine Pauschale von 10 € für Porto, Telefon und Telefax an. Insgesamt sind damit Nebenkosten von 21,30 € angefallen. Zusammen mit dem Grundhonorar ergibt sich ein Nettohonorar von 231,30 €. Zuzüglich der Umsatzsteuer in Höhe von 16% (= 43,95 €) errechnet sich ein Bruttohonorar von 275,25 €. In Höhe des überschießenden Betrages von 80,32 € ist die Rechnung des Sachverständigen unangemessen überhöht.

Nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Teilzahlungen verbleibt lediglich noch ein Restbetrag von 1,51 €.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Höhe der Vergütung ist nicht erforderlich, denn das Gericht ist berechtigt, gemäß § 287 ZPO eine Schätzung vorzunehmen. Das Gericht hat in den vorstehenden Ausführungen ausführlich dargelegt, auf welcher Grundlage die Schätzung erfolgte. Es handelt sich dabei um allgemein zugängliche Quellen und darüber hinaus ist keine besondere Sachkunde erforderlich. Die vom Gericht angesetzten Pauschalbeträge repräsentieren den notwendigen Aufwand in angemessener Höhe. Nur bei den Kosten für Porto, Telefon und Telefax hat das Gericht die Höhe der Pauschale lediglich geschätzt, wobei allerdings zu bedenken ist, dass insbesondere die Telefonkosten in den letzten Jahren permanent sinken.

Der Freistellungsanspruch hinsichtlich der anwaltlichen Geschäftsgebühr ist nicht schlüssig dargelegt. Die Geschäftsgebühr entsteht aus dem gesamten Geschäftswert, der der vorgerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwaltes zu Grunde lag. Dieser Betrag kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in voller Höhe geltend gemacht werden.

Eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr erfolgt erst im Kostenfestsetzungsverfahren. Die Geschäftsgebühr nebst Anrechnung kann nicht gesondert lediglich aus dem gerichtlichen Streitwert berechnet werden. Wenn nur die Sachverständigenkosten streitig sind, werden regelmäßig auch vorgerichtlich schon Zahlungen auf die Geschäftsgebühr geleistet, die abzusetzen wären.

Die Klägerin kann die Teilzahlungen der Beklagten nicht auf die Nebenkosten der Sachverständigenrechnung gemäß § 367 BGB verrechnen. Bei diesen Nebenkosten handelt es sich nicht um Zinsen und Kosten im Sinne des § 367 BGB. Kosten sind nur solche Aufwendungen, die zur Durchsetzung des Anspruchs anfallen (Palandt/Grüneberg, 65. Aufl., § 367, Rdnr. 4).

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, allerdings erst ab Rechtshängigkeit im streitigen Verfahren, da vorher die Rechnung mangels Angabe der Berechnungsgrundlage (die erst in der Anspruchsbegründung mitgeteilt wurde) nicht fällig war, §§ 288, 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 91a, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt haben, trägt die Beklagte nach dem Sach- und Streitstand sowie billigem Ermessen die Kosten, weil die Klage insoweit zulässig und begründet war. Das Gericht hat die Berufung zugelassen, weil mit diesem Urteil die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten teilweise geändert wird und dies grundsätzliche Bedeutung hat. Ferner erfordert eine einheitliche Rechtsprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts, § 511 Abs. 4 ZPO.

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2 Antworten zu Interessantes Berufungsurteil des LG Saarbrücken gegen HUK-Coburg (11 S 130/07 vom 21.02.2008)

  1. Andreas sagt:

    Dem richtigen Urteil ist nichts hinzuzufügen. Genau so ist die ideale Lösung.

    Grüße

    Andreas

  2. downunder sagt:

    hallo andreas,hallo willi
    das urteil ist in einem wesentlichen punkt falsch!
    nach einem völlig richtigen BGH-urteil aus den frühen 80`ern
    liegt der klassische fall des §250 BGB vor.
    danach wandelt sich der freistellungsanspruch in einen geldanspruch um,wenn der schuldner die verlangte freistellung ernsthaft und endgültig verweigert;der gläubiger klagt dann auf zahlung,nicht auf freistellung!!!!
    hier hat die HUK-Coburg die freistellung des unfallopfers von den gutachterkosten durch regulierungsverweigerung endgültig verweigert,wie auch sonst immer!!!!!
    es war deshalb FALSCH,hier auf freistellung zu klagen!!!!
    deshalb hätte das landgericht saarbrücken den kläger auf die unbegründetheit seiner geltendgemachten freistellung hinweisen müssen gem.§139 ZPO!!!!
    der klägeranwalt hätte–auch er kannte,wie das landgericht, die BGH-rechtsprechung zu §250BGB offensichtlich nicht– dann die klage von freistellung auf zahlung umstellen müssen!!!!!
    wenn man weiss,wie schwierig es sein kann,ein lediglich auf freistellung lautendes urteil zu vollstrecken,dann erst sucht man die höchstrichterliche rechtsprechung zu §250BGB!
    solche vermeidbaren fehler sind höchst bedauerlich,denn der irre textbaustein des huk-anwalts M aus K erfährt dadurch wiedermal eine scheinberechtigung,und das wollen wir doch alle vermeiden,oder?
    ansonsten ist das urteil in jeder beziehung richtig!
    didgeridoos,play loud

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