Wochenendserie mit Urteilen des AG Leipzig zum Letzten: AG Leipzig verurteilt erneut die Allianz Versicherungs AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 27.10.2015 – 114 C 4510/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

wir schließen unsere Wochendserie mit Urteilen des Amtsgerichts Leipzig mit dem nachfolgend dargestellten Urteil vom 27.10.2015 gegen die Allianz Versicherungs AG zunächst ab. Als Abschluss veröffentlichen wir noch ein souveränes Urteil der Leipziger Amtsrichterin N. aus der 114. Zivilprozessabteilung des AG Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Allianz Versicherung. Auch in diesem Urteil hat das erkennende Gericht mit Recht auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH DS 2007, 144 mit zustimmender Anm. Wortmann = NJW 2007, 1450 = ZfS 2007, 507 = VersR 2007, 560) hingewiesen. Lest selbst das Urteil des AG Leipzig und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag.
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 114 C 4510/15

Verkündet am: 27.10.2015

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Allianz Versicherungs-AG, An den Treptowers 3,12435 Berlin, v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht N.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2015 am 27.10.2015

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 152,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.12.2013 zu zahlen sowie 3,00 EUR Mahnkosten sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 54,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2015.

2.        Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Auf die Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Das Amtsgericht Leipzig ist sachlich gemäß §§ 23 ff GVG und örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.

II.

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht gemäß § 398 BGB gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in geltend gemachter Höhe gemäß §§ 823, 249 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG.

Am 05.08.2013 wurde das im damaligen Eigentum des Geschädigten … stehende
Kraftfahrzeug, Pkw Ford Focus mit dem amtlichen Kennzeichen … durch den Fahrer
eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs allein schuldhaft im Straßenverkehr beschädigt. Die vollständige Eintrittspflicht der Beklagten für die auf Seiten des Geschädigten aufgetretenen Schäden ist dem Grunde nach unstreitig.

Der Geschädigte beauftragte am 06.08.2013 die Klägerin mit der Begutachtung der Unfallschäden und der Erstellung eines entsprechenden Schadensgutachtens.

Der Geschädigte hat seine Schadensersatzforderungen auf Ersatz der Gutachterkosten am 06.08.2013 an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin hat für die Erstellung des Gutachtens eine Vergütung verlangt in Höhe von insgesamt 550,45 EUR. Die Beklagte hat das Honorar lediglich in Höhe von 397,46 EUR erstattet.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Der Geschädigte hat der Klägerin seine Ansprüche gegenüber der Beklagten auf Erstattung von Gutachterkosten aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall wirksam gemäß § 398 BGB abgetreten.

Die Abtretung vom 06.08.2013 beschränkt sich auf den Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten aus dem streitgegenständlichen Unfall, der vom Schadensdatum in der Abtretungsurkunde bezeichnet ist.

Aus der Urkunde ergibt sich darüber hinaus, der Name des Unfallgegners, die Haftpflichtversicherung sowie das amtliche Kennzeichen. Aus der Abtretungsurkunde ist daher der Umfang der von der Abtretung erfassten Forderung ersichtlich.

Zwar enthält die Abtretungserklärung keine Annahme der Klägerin. Mit der Erhebung der Klage hat die Klägerin jedoch konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie die Abtretung des Geschädigten an sie annimmt.

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB sind die Sachverständigenkosten dem Grunde nach erstattungsfähig, da sie mit dem Schaden unmittelbar verbunden sind. Die Begutachtung eines Fahrzeugs zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Versicherung sind erforderlich und zweckmäßig (BGB, Urteil vom 30.11.2004, Az: VI ZR 112/87 – zitiert nach juris).

Die Kosten können gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als der erforderliche Herstellungsaufwand beansprucht werden.

Die Berechnung der Sachverständigenkosten in der Relation zur Schadenshöhe ist nicht zu beanstanden (BGB, Urteil vom 23.01.2007, Az: VI ZR 67/06 – zitiert nach juris).

Der Geschädigte ist in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei, so dass er auch einen Gutachter seiner Wahl mit der Bewertung des Schadens beauftragen kann. Die Kosten eines Sachverständigen sind vom Schädiger zu erstatten, soweit sie vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint.

Die Sachverständigenkosten beliefen sich insgesamt auf 550,45 EUR, wovon die Beklagte einen Betrag gezahlt hat in Höhe von 397,46 EUR.

Im Streit steht daher ein Betrag in Höhe von 152,99 EUR.

Inwieweit der Geschädigte hatte erkennen können, dass – sowie die Beklagte behauptet – die vom Sachverständigen geltend gemachten Nebenkosten überhöht seien, ist nicht ersichtlich.

In diesem Zusammenhang kann es keinen Unterschied machen, ob der Sachverständige selbst aufgrund einer Abtretung die Forderung gegenüber der Versicherung geltend macht, oder der Geschädigte selbst.

Es bleibt dabei, dass es sich um originäre Ansprüche des Geschädigten handelt, die sich durch die an den Klägerin erfolgte Abtretung nicht ändern.

Der Einwand, wonach selbst ein wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten keine Unzweckmäßigkeit oder Unangemessenheit der Kosten des Sachverständigen feststellen kann, kann in diesem Fall auch die Klägerin aufgrund der Abtretung gegenüber der Beklagten geltend machen.

Hinzu kommt, dass der Schädiger bei einem Verkehrsunfall auch überhöhte Kosten eines gegebenenfalls unbrauchbaren Gutachtens zu erstatten hat. Der Unfallgeschädigte hat in der Regel keinerlei Vorstellungen davon, welche Kosten von Sachverständigen für die Fertigung ihrer Gutachten abgerechnet werden, geschweige denn von den berechneten Nebenkosten.

Die Beklagte hat daher die restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 152,99 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Die Nebenforderungen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB, die Kostenentscheidung aus § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert beträgt: 152,99 EUR

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu Wochenendserie mit Urteilen des AG Leipzig zum Letzten: AG Leipzig verurteilt erneut die Allianz Versicherungs AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 27.10.2015 – 114 C 4510/15 -.

  1. Franco D. sagt:

    Hi, Willi Wacker,
    es ist hier wie beim Fußball. Irgendwann glaubt man bessere Chanchen zu haben, wenn man einen Spieler austauscht (hier Versicherung, die ebenfalls rechtswidrig Schadenersatzansprüche kürzt). Vielleicht spekuliert man ja auch auf ein versicherungsfreundlicheres Dezernat beim AG Leipzig? Oder der Versicherungswechsel bedeutet nicht mehr und nicht weniger als Wachablösung zur provokativen Fortsetzung der Repressalien gegen ein Sachverständigenbüro. Schon mal nachgedacht über einen strafrechtlich relevanten Regulierungsboykott ?

    Franco D.

  2. Salvatorbruder sagt:

    Hallo, werte CH-Redaktion,
    die nachfolgende Urteilspassage behandelt zwar Selbstverständlichkeiten in der allein beurteilungsrelevanten schadenersatzrechtlichen Betrachtung, fehlt aber als Überlegung in vielen Urteilen rund um das erforderliche Honorar und vor allen Dingen ist die Nichtbeachtung in Urteilen festzustellen, die vom Schadenersatzgedanken nach § 249 BGB abdriften und einem anderen Zustand als dem nach dem Gesetz ganz bestimmten Zustand das Wort reden.

    „Hinzu kommt, dass der Schädiger bei einem Verkehrsunfall auch überhöhte Kosten eines gegebenenfalls unbrauchbaren Gutachtens zu erstatten hat.

    Der Unfallgeschädigte hat in der Regel keinerlei Vorstellungen davon, welche Kosten von Sachverständigen für die Fertigung ihrer Gutachten abgerechnet werden, geschweige denn von den berechneten Nebenkosten.“

    Wo finden sich solche Gedankengänge in den Kürzungsschreiben der das Gesetz verachtenden Versicherungen? Das sollte doch auch einer redlichen Richterschaft ins Auge springen und angesprochen werden.

    Salvatorbruder

  3. Luigi C. sagt:

    Guten Tag Franco,
    offenbar kämpft in Leipzig nicht mehr die HUK-Coburg, sondern jetzt die Allianz. Wie mir mitgeteilt wurde, werden die Prozessstrategien beim GDV gebündelt und jeder Versicherung verschiedene Aufgaben zugewiesen. Möglicherweise wollte man die HUK-Coburg aus der Schusslinie nehmen und dafür die Allianz an die Prozessfront schicken.

    Sicherlich vertraut man beim GDV auf Derzernatswechsel, um so eine günstige Rechtsprechung erreichen zu können.

    Wegen des von dir angesprochenen Boykotts sind die Verbraucherschutzverbände und die Verbände der freien Sachverständigen gefragt. Aber leider hört man von denen auch nichts.

    Luigi C.

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