AG Halle (Saale) verurteilt HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse zur Zahlung restlicher, erfüllungshalber abgetretener Sachverständigenkosten mit umfangreichem Urteil vom 16.3.2016 – 106 C 3363/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

von Otterndorf an der Elbe geht es weiter nach Halle an der Saale. Nachfolgend stellen wir Euch heute hier auch noch ein umfangreiches Urteil des Amtsgerichts aus Halle an der Saale zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. In diesem Fall war es wieder die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., die rechtswidrig die berechneten Sachverständigenkosten nach eigenem Gustus kürzte. Das erkennende Gericht in Halle hat der HUK-COBURG jedoch zu Recht ins Versicherungsbuch geschrieben, dass es so nicht geht. Immerhin umfasst das Urteil 12 Seiten. Das ist eine interessante Lektüre. Bis auf die Kürzung der Mahnkosten ein positives Urteil. Jeder Brancheninsider weiß, dass Mahnkosten mit 2,50 € betriebswirtschaftlich nicht darstellbar sind. Daran erkennt man z.B. die Praxisfremde der Richter. Trotzdem handelt es sich hier im konkreten Fall  um einen Richter, der schadensersatzrechtlich fest im Sattel sitzt. Lest selbst das Urteil des AG Halle an der Saale und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht
Halle (Saale)

106 C 3363/13                                                                                   Verkündet am 16.03.2016

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Firma …

Klägerin

gegen

HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96450 Coburg

Beklagte

hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 17.02.2016 durch den Richter am Amtsgericht F. für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 137,66 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 132,16 € seit dem 04.12.2011 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5,- € seit dem 10.01.2012 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 12.11.2013 bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Gebührenstreitwert für das Verfahren wird auf 132,16 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus abgetretenem Recht für Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger betreibt ein KFZ-Sachverständigenbüro und fertigte ein Schadensgutachten zur Feststellung der Schadenshöhe in dem Schadensfall von Frau I. S., die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung Besitzerin des PKW war, an. Er nahm das Auto in Morl in Augenschein. Die Beklagte ist die KFZ-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners. In dem vom Kläger vorformulierten Beauftragungsformular für das Gutachten findet sich folgende Formulierung:

„Zur Sicherung des Anspruches des oben genannten Gutachtenbüros auf Bezahlung der Gutachtenkosten trete ich gleichzeitig den Teil meines Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft in Höhe der Gutachtenkosten an oben genanntes Gutachtenbüro ab.“
„Wir das Sachverständigenbüro SOFORT bestätigen diesen Auftrag und nehmen die Abtretung durch Unterschrift an.“

Der Kläger stellte in dem Gutachten voraussichtliche Reparaturkosten i.H.v. 1.234,68 € brutto fest. Er rechnete für die Gutachtenerstellung mit Rechnung vom 21.10.2011 folgende Positionen ab:

Position
Gutachtenerstellung                                    259,95 €    259,95 €
1. Fotosatz                            6 Fotos              2,33 €      13,98 €
2. Fotosatz – Kopie              6  Fotos              1,98 €      11,88 €
Porto/Telefon                                                20,95 €      20,95 €
Schreibkosten                     15 Seiten             3,16 €      47,40 €
Schreibgebühren – Kopie   15 Seiten              1,43 €      21,45 €
Fahrtkosten                          5 km                   1,04 €        5,20 €
Summe netto                                                                380,81 €
Umsatzsteuer                                                                 72,35 €
Bruttobetrag                                                                 453,16 €

Der Kläger ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt.
Er legte gegenüber der Beklagten unter Vorlage der Abtretungserklärung die vorstehende Rechnung.
Die Beklagte zahlte hierauf am 15.11.2011 an den Kläger einen Betrag von 321,00 €. Hinsichtlich ihrer Begründung für den erfolgten Rechnungsabzug wird auf Anlage K 3 zur Klageschrift Bezug genommen.

Am 23.11.2011 mahnte der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages von 132,16 € unter Fristsetzung auf den 03.12.2011 an.

Unter dem 21.12.2011 mit Zahlungsfrist bis zum 09.01.2012, mahnte der Kläger den vorstehenden Betrag nochmals an, wobei er hier zusätzlich eine Mahngebühr i.H.v. 12,00 € gegenüber der Beklagten geltend machte.
Mit der Klage verfolgt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages weiter; darüber hinaus verlangt er von der Beklagten die Zahlung einer Mahnpauschale in Höhe von 7,50 € für die Mahnungen vom 21.12.2011 und vom 04.01.2012.

Der Kläger behauptet, die Frau I. S. sei zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des beschädigten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … gewesen.
Die Zeugin habe das Gutachten auch abgenommen.
Das Gutachten sei inklusive Fotosatz an die Beklagte versandt worden, während eine zweite Ausfertigung inklusive Fotos an die Geschädigte gesandt worden sei.

Der Kläger beantragt,

1.   die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 132,16 € zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz au 132,16€ seit dem 04.12.2011 zuzahlen.

2.    Die Beklagte zu verurteilen an den Kläger Mahnkosten i.H.v. 7,50€ zgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 132,16 € seit dem 10.01.2012 zu zahlen.

3.    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtkosten Zinsen i.H.v. 11,75 Prozent über dem Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

•     Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass Frau I. S. Eigentümerin des verunfallten PKW gewesen sei.
•     Hinsichtlich des Abtretungsvertrages fehle es an einer Annahme durch den Kläger.
•    Das Gutachten als werkvertragliches Produkt, sei nicht abgenommen worden.
•    Das Gutachten sei der Beklagten digital übersandt worden.
•    Eine Übersendung des Gutachtens an Frau S. sei nicht erfolgt.
•    Die abgerechneten Leistungen entsprächen nicht der üblichen ortsüblichen Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB.
•    Die Nebenforderungen erreichten fast 50 % des Grundhonorars.
•    Die Erstellung eines zweiten Fotosatzes werde mit Nichtwissen bestritten. Die berechneten Preise für die digital erstellten Lichtbilder seien wucherisch übersetzt. Nach der BVSK Honorarbefragung von 2011 werde dort für den 2. Fotosatz ein Betrag von 1,80 € berechnet.
•    Die Positionen Schreibkosten und Schreibgebühren Kopie stellten Doppelberechnungen der gleichen Leistung dar.
•    Das übersandte Gutachten habe nur 13 statt 15 Seiten umfasst.
•    Die Position Porto/Telefon erscheine angesichts der digitalen Kommunikation des Klägers übersetzt.
•    Der Anfall von Fahrtkosten werde bestritten.

Der Kläger zahlte am 12.11.2013 einen Auslagenvorschuss in Höhe von 105,– € bei der Gerichtskasse ein.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet, und nur zu einem geringen Teil -hinsichtlich der Mahnkostenpauschale- unbegründet.

Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus §§ 23, 71 GVG, die örtliche Zuständigkeit aus § 17 ZPO.

Beide in dem Verfahren auftretenden Bevollmächtigte verfügen über die insoweit notwendige Prozessvollmacht. Die Prozessvollmacht des klägerischen Bevollmächtigten ist mit Schriftsatz vom 03.07.2015 durch den Kläger selbst zur Akte gereicht worden. Hinsichtlich der im Termin auftretenden Rechtsanwältin Rüge hat der Kläger deren Bevollmächtigung nicht bestritten.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 132,16 € aus § 7 StVG, § 398 BGB.

Der Kläger ist aktiv legitimiert.
Die Abtretung des Schadensersatzanspruches für die Gutachten kosten an den Kläger ist
wirksam, insbesondere genügt sie den Bestimmtheits- und Bestimmbarkeitsanforderungen.

Für die Wirksamkeit muss eine Abtretungserklärung in der Weise bestimmt sein, dass ihre Zugehörigkeit zum Vermögen des Zedenten oder Zessionars sowie Art und Umfang der gewollten Übertragung so wie die Person des Schuldners aus ihr hervorgehen (Erman/Westermann, BGB, § 398 Rn. 10; BGH, Urteil vom 16. März 1995 – IX ZR 72/94, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Februar 1995 -18 U 137/94, juris). Der abzutretende Schadensersatzanspruch in Höhe der Gutachtenkosten ist als Teil des Gesamtschadensersatzanspruches gegen den Unfallgegner und dessen Versicherung klar bezeichnet und auf die Gutachtenkosten begrenzt (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006 – 4 U 49/05, juris). Die Beklagte konnte aus der ihr zugesandten Rechnung des Klägers, auch einen eindeutig bestimmten Betrag ersehen, so dass für sie keine Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe der Forderung bestanden. Ihr lag ausweislich ihrer Klageerwiderung sowohl die Abtretungserklärung, die das Gutachtenunternehmen als Gläubiger bezeichnet, als auch die Rechnung i.H.v. 453,16 € vor.

Einer förmlichen Annahmeerklärung des Klägers hinsichtlich des Abtretungsvertrages bedurfte es vorliegend nicht.

Zwar hat der Kläger in seinem Auftragsformular die Annahme der Abtretungserklärung der Zeugin S. von der Unterschrift durch einen Vertretungsberechtigten des Gutachtenbüros abhängig gemacht. Es kann allerdings dahinstehen, dass eine Unterschrift des Klägers unter dem Abtretungsformular fehlt, da die Annahmeerklärung des Klägers vorliegend darin zu sehen ist, dass er das Gutachten nebst Abtretungserklärung gegenüber der beklagten Versicherung vorlegte. Des Zugangs der Annahmeerklärung an Frau S. bedurfte es nicht.

Der Kläger kann sich hinsichtlich der Eigentümerstellung auf die Vermutung des § 1006 BGB berufen; diese hat die Beklagte nicht erschüttern können.

Da Frau S. zum streitigen Zeitpunkt Besitzerin des PKW war, kann sich der Kläger zu Recht auf die Vermutung der Eigentümerstellung aus § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB berufen. Denn nach § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB wird vermutet, dass der Besitzer auch Eigentümer der Sache ist und der Besitzer wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof auch von der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Besitzerwerbs freigestellt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 – IX ZR 55/02, BGHZ 156, 31 Off).

Frau S. war zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags und somit zum Zeitpunkt der Abtretung Besitzerin des PKW. Insofern hätte die Beklagte darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Zeugin S. nicht Eigentümerin des PKW war. Hierzu hat die Beklagte nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, sondern vielmehr das Eigentum der Zeugin pauschal bestritten. Ein solches bloßes Bestreiten reicht nicht aus, um die Vermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zu erschüttern. Es ist vorliegend auch nicht erkennbar, dass der Beklagten eine Erschütterung der Vermutung des § 1006 BGB nicht möglich wäre. Denn die Beklagte hat jederzeit die Möglichkeit, die Angaben zu den Eigentums- und Besitzverhältnissen am Fahrzeug bei dem Anspruchsteller (hinsichtlich des Sachschadens) oder auch beim Kläger abzufragen. So sie dies unterlässt, geht dies zu ihren Lasten.

Hinzukommt, dass die Beklagte unstreitig einen Großteil der Sachverständigenkosten bereits reguliert hat, so dass ihr nunmehriges Bestreiten angesichts der Ausführungen in dem Schreiben vom 30.11.2011 in welchem darauf hingewiesen wird, dass der Abzug erfolge, weil man das Gesprächsergebnis BVSK 2009 – HUK Coburg 2009 – für die Regulierung eines Unfalls, welcher sich im November 2011 ereignet hat (!) -rechtsmißbräuchlich erscheint.

Das Gericht hat daher von der zunächst angeordneten Zeugenvernehmung abgesehen.

Eine solche Teilzahlung ohne Abgabe weiterer Erklärungen kann zwar nach ständiger Rechtsprechung nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewertet werden, ein pauschales Bestreiten der Eigentümerstellung der Geschädigten bei überwiegend erfolgter Zahlung der Beklagten muss aber als prozessual unbeachtlich angesehen werden (vgl. LG Halle, Urteil vom 12. November 2014 – 2 S 82/14; LG Arnsberg, Urteil vom 03. Juni 2014 – 3 S 58/14, juris). Im Fall der teilweisen vorgerichtlichen Schadensregulierung durch die Beklagte hätte sie unter Darlegung tatsächlicher Anhaltspunkte substantiiert vortragen müssen, warum sie jetzt Zweifel an der Eigentümerstellung der Zeugin S. hat. Dies hat sie nicht getan.

Die Ausführungen der Beklagten zum Werkvertragsrecht haben keinen Erfolg. Es handelt sich bei dem streitgegenständlichen Anspruch um einen abgetretenen Schadensersatzanspruch und gerade nicht um einen Anspruch aus Werkvertrag. Insofern ist nicht § 632 Abs. 2 BGB Prüfungsmaßstab, sondern allein die Erforderlichkeit des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

Auch greift der Einwand der Beklagten, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil die Zeugin S. die Gutachtenerstellung des Klägers nicht abgenommen habe, nicht durch, da es sich hierbei um ein Werk handelt, bei den die Abnahme auf Grund der Beschaffenheit gemäß § 640 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen ist.

Die Rechnung des Klägers ist insgesamt nicht zu beanstanden und noch im Rahmen der erforderlichen Kosten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Das Gericht hat im unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung eine Schadensschätzung vorzunehmen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung nerforderlichen,, Betrags im Sinne von § 249 BGB (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, juris).

Ein Anspruch auf die Zahlung der Restforderung würde dann nicht vorliegen, wenn die Geschädigte ihre Schadensminderungspflicht verletzt hätte, d.h. sie ein Auswahlverschulden träfe oder sie eine offensichtlich überhöhte Forderung nicht beanstandet hätte. Dies ist hier nicht der Fall. Bei Beauftragung eines Kraftfahrzeugsachverständigen darf sich ein Verkehrsunfallgeschädigter grundsätzlich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, juris, Rn. 7; LG Naumburg , Urteil vom 20. Januar 2006, 4 U 49/05, juris). Ein auffälliges Missverhältnis von den in Rechnung gestellten Gutachtenkosten zur erbrachten Leistung oder eine offensichtlich überhöhte oder unübliche Abrechnung ist nicht feststellbar, so dass hier weder eine zusätzliche Aufklärungspflicht bestand, noch die Geschädigte die Kosten als überhöht hätte zurückweisen müssen.

Insoweit ist festzustellen, dass allein der Rechnungsbetrag in Höhe von 453,16 € auf Seiten des Geschädigten nicht Verdachtspunkte für das Vorliegen einer Honorarüberhöhung begründen musste. Denn es ist davon auszugehen, dass den meisten bei einem Verkehrsunfall geschädigten Personen die Einzelheiten zu der Höhe des Sachverständigenhonorars nicht bekannt sein dürften. Weder aufgrund der Schadenshöhe von ca. 1.200,– € brutto, noch aufgrund des genannten Betrages hätte es sich vorliegend aufdrängen müssen, dass das verlangte Honorar nicht angemessen sein könnte. Vielmehr bewegt sich der Betrag in einem Bereich, der auch von anderen Kfz.-Sachverständigen in Ansatz gebracht wird.

Denn die von der Beklagten bestrittenen Nebenkosten liegen sämtlich noch in der Spanne der Ergebnisse der BVSK-Befragung aus 2011, die als Bemessungsgrenze für die Bestimmung der Erforderlichkeit der abgerechneten Nebenkosten herangezogen werden können. Diese BVSK-Ergebnisse müssen jedoch nicht alleinige Grundlage der Bestimmung der Erforderlichkeit sein (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, juris, Rn. 9; LG Halle, Urteil vom 12.11.2014 – 2 S 82/14). Die von der Beklagten herangezogene Befragung aus 2009 kann für einen Unfall, der sich am 20.10.2011 ereignet hat, dagegen nicht herangezogen werden. Heranzuziehen sind hier die Ergebnisse der Befragung von 2011. Selbst wenn die Befragung nach dem Unfall im Oktober 2011 stattgefunden hat, so spiegelt sie gerade den von Sachverständigen im Jahr 2011 abgerechneten Kostendurchschnitt wider.

.                                      abgerechnete Kosten          BVSK-Umfrageergebnis
.                                             pro Stück
1. Fotosatz                              2,33 €                               2,00 –   3,30 €
2. Fotosatz                              1,98 €                               0,75 –   2,65 €
Porto/Telefon                      pauschal 20,95€                    7,50 – 25,00 €
Schreibkosten                          3,16 €                               2,00 –   4,00 €
Schreibgebühren Kopie            1,43 €                               0,30 –   1,50 €
Fahrtkosten                              1,04 €                               0,60 –   2,20 €

Zwar besteht, sofern der KFZ-Haftpflichtversicherung wirksam in den Schutzbereich des zwischen dem Sachverständigen und der Geschädigten abgeschlossenen Vertrages über die Gutachtenerstellung einbezogen ist, regelmäßig die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches bei Pflichtverletzung aus vertraglichem oder vorvertraglichem Schuldverhältnis durch den Sachverständigen, den auch die Haftpflichtversicherung geltend machen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 – VI ZR 205/08, juris mit Verweis auf weitere Rechtsprechung). Ob vorliegend ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Beklagten vorliegt, kann jedoch dahinstehen. Ein Schadensersatzanspruch würde hier nur bei einer Pflichtverletzung des Klägers, z.B. der deutlich überhöhten Abrechnung bzw. der fehlende Hinweis vor der Gutachtenerstellung auf eine nicht den üblichen Honorarsätzen entsprechende Rechnung, vorliegen. Wie dargestellt, liegen die Honorarsätze des Klägers inkl. der Nebenkostenpositionen bereits innerhalb der Honorarbefragung von 2011 und befinden somit nicht außerhalb des Erforderlichen im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die berechneten Positionen auch angefallen sind. Der Zeuge M. hat hierzu glaubhaft und nachvollziehbar erklärt, dass das klägerische Büro im Jahr 2011 noch 2 Fotosätze erstellt habe, nämlich einen Fotosatz für die Auftraggeberin und einen Fotosatz für die beklagte Versicherung. Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass der Zeuge als beim Kläger angestellte Person ein erhebliches Eigeninteresse an einer für den Kläger günstigen Aussage haben dürfte, ist nicht erkennbar, dass seine Aussage unwahr ist. Hierfür spricht auch, dass die Beklagte die Angaben zu der Fotoübersendung nicht substantiiert in der Weise bestritten hat, dass ihr die Fotosätze per Mail übersandt worden seien.
Hinsichtlich der Position „Schreibkosten“ hat der Zeuge M. diese als die Kosten bezeichnet, welche dafür anfallen, dass das als Maske vorliegende Gutachten angepasst wird.

Hinsichtlich der Position „Schreibgebühren-Kopie“ soll es sich um die Kosten für das Verbrauchsmaterial und die Archivierungskosten, sowie die Kosten für die Erstellung einer Kopie des Gutachtens handeln.

Das Gericht verkennt nicht, dass diese feinsinnigen Unterscheidungen für einen Laien nur noch schwer nachvollziehbar sind, allerdings ist nicht erkennbar, dass diese Kostenpositionen nicht angefallen wären. Die „Position Schreibgebühren – Kopie“ betrifft, wie man aus der Bezeichnung ableiten kann, ersichtlich die Kopiekosten für das Kopieren und, von den Zeugen belegte Archivieren des Gutachtens. Dass das Gutachten nur 13 Seiten hat, aber 15 Seiten berechnet werden hat der Zeuge M. glaubhaft damit erklärt, dass die Gutachten aus einem Gutachtenteil und zwei Vorblättern (Deckblatt und Inhaltsverzeichnis) bestehen. Dass dem nicht so wäre hat die Beklagte weder im Vorfeld der Beweisaufnahme noch danach substantiiert z. B. durch Vorlage eines ihr übermittelten Gutachtens mit differierenden Seitenzahlen, bestritten. Mithin ist das Gericht auch insoweit davon überzeugt, dass vorliegend Kopiekosten in Höhe von 1,43 € pro Seite (netto) angefallen sind.

In Abgrenzung zu diesen Kosten handelt es sich dann bei den sog. Schreibkosten um die Kosten, die in Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens anfallen.

Das Porto- und Telefonkosten anfallen, ergibt sich auch aus der Natur der Sache, da die Gutachten zum damaligen Zeitpunkt noch an die Versicherungen verschickt wurden, und seitens des Sachverständigen auch telefoniert wird; zwar ist das, wie sich in verschiedenen Verfahren ergeben hat, im Optimalfall nicht der Geschädigte (welcher sich ohnehin für nichts interessiert, da er in dem Glauben lebt, ohnehin weder jemals Mietwagenkosten, noch Sachverständigenkosten bezahlen zu müssen), der Kläger muss aber zumindest mit der Reparaturwerkstatt telefonieren. Zwar handelt es sich bei der berechneten Pauschale im Optimalfall um ein fürstliches Entgelt für diese Tätigkeit, andererseits sind in der Pauschale aber auch die Kosten für das Bereitstellen der Telefonanlage, die Kosten des Telefonanbieters, Briefmarken und Schreibmaterial enthalten so dass eine auf der Hand liegende Sittenwidrigkeit nicht festgestellt werden kann.

Hinsichtlich der Fahrtkosten und deren Ansatz hat der Zeuge M. glaubhaft ausgeführt, dass diese auf Seiten des Klägers über „Google“ ermittelt werden, und dies auch im vorliegenden Fall so erfolgt sei. Der Kläger hat unwidersprochen in dem von ihm gefertigten Schriftsatz vom 16.05.2014 vorgetragen, dass die Fahrtkosten für die Hin- und Rückfahrt zum Besichtigungsort in Morl entstanden seien.

Mithin ist die Beklagte verpflichtet, den noch offenen Betrag in Höhe von 132,16 € noch an den Kläger zu entrichten.

Da die Beklagte auf die Mahnung vom 23.11.2011 unter Fristsetzung auf den 03.12.2011 nicht gezahlt hat, geriet sie ab dem 04.12.2011 in Schuldnerverzug (§§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 288 BGB). Ab diesem Zeitpunkt schuldet die die Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Für die weiteren Mahnschreiben kann der Kläger (wie andere Gläubiger auch) einen Betrag in Höhe von 2,50 € pro Mahnung verlangen, so dass die Beklagte hinsichtlich des Klageantrages zu 2.) lediglich die Zahlung von 5,- € nebst Verzugszinsen ab dem Verstreichen der in der 2. Mahnung gesetzten Zahlungsfrist schuldet.

Der gestellte Feststellungsantrag ist begründet.

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Verzinsungspflicht in der genannten Höhe auf die von ihm im Laufe des Prozesses bezahlten Gerichtskosten seit Einzahlung bei der Gerichtskasse bis zu dem für die Verzinsung gemäß § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt.

Diese Zinskosten sollen ihm durch eine Kreditaufnahme entstanden sein. Auch wenn verschiedene Gerichte ohne weitere Begründung einen Zinsanspruch annehmen, so hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu noch nicht abschließend geäußert. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch wird zwar neben einem prozessualen nicht von vorne-herein ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil v. 18. Mai 1966 – Ib ZR 73/64, BGHZ 45, 251, 256f; BGH, Urteil v. 15. Oktober 1969 -1 ZR 3/68, BGHZ 52, 393, 396; BGH, Urteil v. 12. Dezember 2006 – VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458), doch erfordert ein Antrag auf dieser Grundlage, dass die Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage für Kostenerstattung erfüllt sind. Da es sich um die Verzinsung der eingeklagten Geldforderung an sich handelt, scheiden § 288 Abs. 1 und 2 BGB als Rechtsgrundlage für die Verzinsung aus, denn der Kläger begehrt die Verzugszinsen gerade nicht auf die verzugsauslösende Geldschuld, sondern für die Aufwendungen, die er zur gerichtlichen Durchsetzung seiner Geldforderung getätigt hat (OLG Karlsruhe, Urteil v. 10. Juli 2012 – 8 U 66/11, juris, Rn. 50). Ein fälliger Anspruch auf Zahlung der Gerichtskosten gegen die Beklagte besteht daher aus diesem Gesichtspunkt nicht.
Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich hier aber aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 und 2, 288 Abs. 4 BGB in Höhe der konkreten Aufwendung z. B. durch Kreditaufnahme oder Kontoüberziehung in Höhe der Gerichtskosten oder in dem Verlust einer Zinsanlagemöglichkeit für den als Gerichtskosten eingezahlten Geldbetrag liegen. Der Kläger muss dann den Nachweis einer Verzugslage sowie den eingetretenen Schaden darlegen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 10. Juli 2012 – 8 U 66/11, juris, Rn. 49). Der Kläger hat diesen Schaden durch Vorlage des Kreditvertrages für den von ihm beanspruchten Kontokorrentkredit aus welchem sich ein Zinssatz von 11,75 € ergibt und des Kontoauszuges vom 30.07.2014 belegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 und 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus 708 Abs. 1 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert war entsprechend dem Klageantrag zu 1.) festzusetzen, da vorliegend auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme geklagt wurde (§§ 40, 43, 48 Abs. 1, 63 GKG), und die Klageanträge zu 2.) und 3.) Nebenforderungen betreffen.

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  1. Iven Hanske sagt:

    Ohne BVSK hätte ich mich mehr über dieses Urteil gefreut, somal auch das sinnlose Bestreiten der Grundlagen viel zu viel Beachtung gefunden hat. § 242 BGB und das Anerkenntnis nach Teilzahlung hätte es einfacher gemacht bzw. machen müssen. Jedoch dass der Richter die Archivkosten und die Gerichtskostenverzinsung richtig bewertet ist Klasse.

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