Die Frage nach einer Schadenminderungspflicht des Anspruchstellers stellt sich im Haftpflicht-Schadensersatz-Prozess grundsätzlich nicht

… allein auf § 249 BGB ist seitens des Gerichts abzustellen:

§ 249
Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Richter/innen sind unabhängig in ihrer Entscheidung. Leider mangelt es Urteilen immer wieder an einer korrekten Umsetzung  gesetzlicher Bestimmungen.

Ich habe dieser Tage ein Urteil zur Kenntnis genommen, in dem der Richter u. a. in der Urteilsbegründung ausführt, dass der Geschädigte gegen die/seine Schadenminderungspflicht verstoßen habe, weil er den ihm empfohlenen Sachverständigen, der  10 km weiter entfernt sein Büro auf dem Lande unterhält und nicht einen möglicherweise – auch Versicherer unabhängigen – Sachverständigen in der näher gelegen Stadt, beauftragt hatte. Die Mehrkilometer  seien daher vom Haftpflichtversicherer nicht zu erstatten.

Der Richter verkannte völlig, dass es sich bei der Schadenminderungspflicht (Obliegenheiten) allein um eine Pflicht des Versicherungsnehmers  gegenüber seines Versicherers handelt.

Versicherung – Definition und Erklärung Schadenminderungspflicht

Bei jedem Schaden ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, so zu handeln, als wenn er für den angefallenen Schaden nicht versichert wäre und alle Kosten von Ihm zu tragen sind. Das gilt für einen bereits geschehenen Schaden, sowie für einen Schaden der noch bevorsteht. Eine zeitliche Einschränkung dieser Verpflichtung (Obliegenheit) gibt es solange der Schaden verhindert oder gemindert werden kann nicht. Das gilt auch dann, wenn schon eine Schadenregulierung durch den Versicherer erfolgte.

Weiterhin besteht für den Versicherungsnehmer die Pflicht, sich vom Versicherer Weisungen zur Schadensminimierung und Verhinderung von Folgeschäden einzuholen. Diesen Weisungen sind im zumutbaren Rahmen zu befolgen.

Hat der Versicherungsnehmer grob fahrlässig gegen die Schaden Abwendungs- und Minderungspflicht verstoßen, so wird nur der Schadenanteil reguliert, der entstanden wäre, wenn der Versicherungsnehmer sich gemäß den Obliegenheiten verhalten hätte.

Bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Schaden Abwendungs- u. Minderungspflicht, verliert der Versicherungsnehmer den gesamten Regulierungsanspruch.

Quelle: Versicherungskexicon.de

Würde man der Begründung des Gerichts – rein theoretisch – weitergehend folgen, ist aus Sicht des freiberuflich tätigen Sachverständigen  Art. 12, Satz 1 Grundgesetz zu betrachten:

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

Tatsächlich hätte der Richter  dem hier tätigen Sachverständigen somit immer dann ein Berufsverbot auferlegt, wenn zwischen dem  Besichtigungs/Wohnort des Auftraggebers und dem Unternehmenssitz ein weiterer Sachverständiger ansässig wäre.

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17 Antworten zu Die Frage nach einer Schadenminderungspflicht des Anspruchstellers stellt sich im Haftpflicht-Schadensersatz-Prozess grundsätzlich nicht

  1. F-W Wortmann sagt:

    @ virus 27.10.2012

    Virus,
    wer hat Ihnen denn so einen Blödsinn erzählt, dass „es sich bei der Schadenminderungspflicht (Obliegenheiten) allein um eine Pflicht des Versicherungsnehmers gegenüber seines Versicherers handelt“. Die Schadengeringhaltungspflicht, im § 254 BGB normiert, gilt ganz allgemein. Sie ist eine Vorschrift, die gegen Jedermann und für Jedermann gilt. Ich empfehle, die Kommentierung im Standardkommentar zum BGB, dem „ollen Palandt“ in der neuesten 71. Auflage 2012 zu lesen.
    Derart unjuristische Beiträge sollten in Zukunft unterbleiben, denn der Leser zweifelt an der Kompetänz der Autoren.

    Die andere Frage ist, ob ein einmal eingetretener Schaden gemindert werden kann. Ein einmal eingetretenener Schaden kann sicherlich nicht rückgängig gemacht werden, so dass der Primärschaden auch nicht mehr gemindert werden kann. Was aber gering gehalten werden kann, sind die Folgeschäden, die sich aus dem Primärschaden ergeben, z. B. Mietwagenkosten, die vom Geschädigten beeinflusst werden können.

    Nur da, wo die Schäden und deren Beseitigung vom Geschädigten beeinflusst werden können, da unterleigt unstreitig der Geschädigte der Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254 II BGB. Die Darlegungs- und Beweislastpflicht im Rahmen des § 254 BGB trägt aber der Schädiger, wenn er behauptet, der Geschädigte habe seiner Schadensgeringhaltungspflicht nicht genügt.

    Sicherlich hat der Geschädigte auch gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung im Haftpflichtfall eine Schadensgeringhaltungspflicht. Der Geschädigte verletzt z.B. seine Geringhaltungspflicht, weil er die Beseitigung des Schadens beeinflussen kann, wenn er in Hamburg wohnt und zur Erstellung eines normalen Routine- Unfallschadengutachtens in Hamburg einen Sachverständigen aus München beauftragt, der dann Fahrtkosten von 1.400 Km verursacht. Schon allein dieses Beispiel zeigt, dass der Geschädigte im Rahmen des wirtschaftlich Vernünftigen zu handeln hat.

    Es könnten noch mehr Beispiele für die Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht beim Geschädigten aufgezählt werden. Aber bei den Beispielen soll es (zunächst) verbleiben.

  2. joachim otting sagt:

    ….uiiiiii, das ist aber virös! Da geht es mächtig durcheinander.

    Die zitierte Definition der Schadenminderungspflicht stammt aus einem Zusammenhang, in dem es um das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer geht. Sie träfe also auf Kaskoschäden zu.

    Mit den Haftpflichtschadenfällen befasst sich diese Definition nicht, was aber nicht bedeutet, dass es dort keine gäbe.

    Für Haftpflichtschadenfälle ergeben sich die Pflichten des Geschädigten (ja, er hat welche!!!) aus § 254, insbesondere aus dessen Abs. 2 BGB.

    Das mit dem Berufsverbot klingt ja originell, ist aber fern jeder Realität. Wenn es dem Geschädigten wert ist, einen weiter entfernten Sachverständigen zu beauftragen, kann er das tun. Im Zweifel muss er dann nur einen Teil der Fahrtkosten selbst tragen. Oder es ist dem Sachverständigen wert, diesen Kunden zu bedienen. Dann kann er auf einen Teil seiner Fahrtkosten verzichten.

    Einig sind wir, dass das Gericht bei zehn Mehrkilometern im ländlichen Raum etwas kleinlich war. Das hätte man auch großzügier sehen können.

    Aber wenn die Verweiswerkstatt zehn Kilomter weiter weg ist als die Markenwerkstatt, sind die Geschädigtenvertreter auch immer kleinlich und rufen „Unzumutbar!“.

    So flexibel sind die Ansichten, und der Rechtsstaat geht dabei nicht unter.

  3. virus sagt:

    @ Otting

    Für Haftpflichtschadenfälle ergeben sich die Pflichten des Geschädigten (ja, er hat welche!!!) aus § 254, insbesondere aus dessen Abs. 2 BGB.

    § 254
    Mitverschulden

    (1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

    (2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

    Zu Satz 1) Ein Mitverschulden des Geschädigten, welches ihm die Pflicht auferlegt, den vertraglichen Vereinbarungen gegenüber seinem Haftpflichtversicherer nachzukommen, damit dieser – ohne für den (zum größten Teil) Schuld tragenden, (Schaden mindernde da unnötige) Nachfolgekosten zu vermeiden, liegt nicht vor.

    Der Geschädigte ist alleiniger Anspruchsinhaber auf 100%igen Schadensersatz.

    Zu Satz 2)

    Dies gilt auch dann: „… dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste,…“

    Aus Sicht eines normal verständigen Bürgers. Dass er sich eines Sachverständigen seiner Wahl bedient, mit der Folge, dass der Schädiger mit Fahrtkosten von 35 Euro „belasten“ wird, ist tägliches Brot jedes Kfz.-Versicherers.

    § 254 Mitverschulden ist also außen vor, komme ich daher auf die „Schadenminderungspflicht“ zurück.

    Einfaches verständliches Beispiel aus Sicht des Schädigers. Den Schaden der Höhe nach, den er am Fahrzeug des Geschädigten verursacht hat, den kann er – im Nachhinein – nicht mehr mindern. Gering halten kann er die Folgekosten, indem er gegenüber seinem Versicherer die sich aus dem Haftpflichtvertrag ergebenen Pflichten nachkommt. Sodass der Haftpflichtversicherer in der Lage ist, dem Geschädigten seinen Anspruch – zeitnah – auszuzahlen bzw. eine Deckungszusage zu erteilen.

    Jetzt der Blickwinkel des Geschädigten: Dieser lässt sich zwei drei Wochen Zeit mit der Fahrzeugreparatur, weil er gerade das Fahrzeug nicht braucht. Ginge er jetzt her, die ihm so entgangene Möglichkeit der Fahrzeug-Nutzung beim Schädiger geltend zu machen, dann wäre nach § 249 BGB dieser Anspruch nicht vom Schädiger zu bedienen. Der freie Wille des Geschädigten ist nicht dem Schädiger anzulasten.

    Es stellt sich also im Schadensersatzrecht nach § 249 BGB immer nur die Frage nach der Berechtigung des im Einzelfall geltend gemachten Schadensersatzanspruches und nicht die Frage, nach einer vom Geschädigten – unmöglich – herbeizuführenden Minderung der nachweislich – z. B. durch ein Kfz.-Schadengutachten, erstellt vom Sachverständigen, dem der Geschädigte durch dessen Beauftragung sein Vertrauen ausgesprochen hat– erforderlichen Schädigerleistung.

  4. joachim otting sagt:

    @ virus

    Nun, jetzt sind wir uns ja zunächst einmal einig, dass es auch im Haftpflichtschaden eine Schadenminderungspflicht (oder, wie F.W.W. es exakter benennt: eine Schadengeringhaltungspflicht) gibt.

    Die ist aber der zweite Schritt, davor kommt der erste: Die Erforderlichleit nach § 249 BGB. Und da lautet die Frage: Ist es erforderlich, einen Sachverständigen von „weiter her“ zu beauftragen oder hätte man auch einen vor der Haustür gefunden?

    Dass das Gericht hier kleinlich war, habe ich ja schon zum Ausdruck gebracht. Wortmanns Hamburg – München – Beispiel ist überzeichnet, zeigt aber, worum es – § 249 BGB! – geht.

    Aber auch unter dem Gesichtspunkt des § 254 II BGB gäbe es für den Versicherer einen Ansatzpunkt, nämlich die von Ihnen in Ihrem Beitrag nicht bearbeiteten Worte „oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern“.

    Wie dem auch sei, das Gericht war kleinkariert in der Bewertung, aber dogmatisch passt das.

    Der entscheidende Unterschied ziwschen § 249 und § 254 BGB liegt in der Vortrags- und Beweislast. Die Erforderlichkeit (also warum gerade der 10 km entfernte) muss der Geschädigte vortragen und beweisen. Hat er dazu vorgetragen?

    Den Verstoß gegen § 254 BGB muss der Versicherer vortragen und beweisen (siehe zum Beispiel Leitsatz 2 der VW – Entscheidung).

    Aber das hat Wortmann ja schon ganz richtig beschrieben.

    Vielleicht kann Wortmann, wenn er ihn mal trifft, das auch Willi Wacker sagen, der hier jüngst (Donnerstag, 18.10.2012 um 17:49 zu AG Halle) mit folgender Fehleinschätzung an den Start ging: „Wird der Geschädigte im Rahmen der Geringhaltungspflicht gem. § 254 II BGB auf eine kostengünstigere und mühelos erreichbare Werkstatt verwiesen, muss er darlegen und beweisen, dass gerade diese Werkstatt vom Qualitätsstandard nicht der Markenfachwerkstatt entspricht. Er ist also im Rahmen des § 254 II BGB darlegungs- und beweispflichtig.“ Wenn Herr Wortmann Herrn Wacker mal sagt, dass der Geschädigte im Rahmen des 254 II BGB zwar gelegentlich eine nur sekundäre Vortragslast, aber niemals ein Beweislast hat….

  5. RA Schepers sagt:

    …oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern.

    Jura ist mehr, als sich aus einem Paragraphen einen Halbsatz herauszusuchen und nach Belieben zu interpretieren…

  6. Mister L sagt:

    Sehr geehrter Herr Otting.

    Die Sichtweise zwischen Geschädigten und Sachverständigen bzw. Geschädigten und Reparaturwerkstatt bezüglich der jeweiligen Entfernungen, sollte anders be(tr)achtet werden.

    Die Entfernung vom Sachverständigen zum Kunden fährt dieser nur einmal. Anschließend begibt er sich zu seinem nächsten Kunden, den er entfernungsmäßig von dem vorherigen berechnet.

    Der Geschädigte muss aber die Strecke zur Werkstatt 4 x (und das ohne Entschädigung für Zeit- und Kostenaufwand) zurücklegen.
    Nämlich sein beschädigtes Fahrzeug dorthin verbringen und wieder zu sich zurück. Nach der Fertigstellung der Reparatur abermals zur Werkstatt, um sein Fahrzeug abzuholen, und wieder zurück.

  7. Rüdiger sagt:

    Etwas wesentliches vermisse ich immer mehr bei der Diskussion um die Gutachterbeauftragung nebst Entfernung.

    Wie steht es eigentlich mit dem Recht des Geschädigten bezüglich Beauftragung des Gutachters seiner Wahl aufgrund des besonderen Vertrauens? Ich nehme doch nicht irgend einen versicherungsverseuchten SSHler am Ort, wenn ich ein paar Kilometer weiter einen erfahrenen und unabhängigen Fachmann bekommen kann? Seit wann hat der Schädiger nun das Recht, einen Geschädigten auf einen Gutachter zu verweisen, der nicht das Vertrauen des Geschädigten besitzt? Genau das jedoch ist der Schluss, wenn man Fahrtkosten im Schadensersatzprozess kürzt. Der Geschädigte muss (in bestimmten Grenzen) das Recht haben, auch einen weiter entfernten Sachverständigen zu beauftragen. Ein 10 km Radius ist nicht nur kleinlich, sondern vollkommen lächerlich. Nicht nur im ländlichen Gebiet. Wie groß ist den momentan die Entfernung zwischen wirklich unabhängigen Gutachtern, wenn man berücksichtigt, dass über 90% aller Kfz-Sachverständigen heutzutage nicht mehr unabhängig sind?
    Was sich einige Gerichte zum Thema Nebenkosten und insbesodere zu den Fahrtkosten oder Gutachterverweisung inzwischen erlauben ist, mit Verlaub, unter aller Sau.

    Davon abgesehen ist die Diskussion um irgendwelche Fahrtkosten oder andere Nebenkosten im Schadensersatzprozess sowieso völlig neben der Sache.

    Die Strategie von HUK & Co (Vermischung von Werkvertragsrecht und Schadensersatzrecht) scheint Früchte zu tragen?

  8. virus sagt:

    @ Otting

    „Nun, jetzt sind wir uns ja zunächst einmal einig, dass es auch im Haftpflichtschaden eine Schadenminderungspflicht … gibt.“

    Nee, wir sind uns nicht einig. Der „§ 254 Mitverschulden“ ist für den hier im Raum stehenden, geltend gemachten Schadensersatzanspruch unbeachtlich.

    Was dem Richter sehr wohl bewusst war.
    In der Urteilsbegründung heißt es u. a. nämlich: „Dem Geschädigten ist es nicht zuzumuten vor Beauftragung eines Sachverständigen zunächst Kostenvoranschläge einzuholen und Preise zu vergleichen, zumal es kaum möglich sein dürfte vor Begutachtung die Angemessenheit (????) einer Sachverständigenvergütung zuverlässig beurteilen zu können (OLG Naumburg, a.a.O.)“.

    Nach BVSK (?????) kommt der Richter sodann zu dem Ergebnis, dass nur 30 Euro, ich erinnere daran, die Gutachterrechnung weist Fahrtkosten von 35 Euro aus, als Schadensersatzleisung erstattungswürdig sind. Das Gericht war also nicht wie Sie meinen kleinlich, es hat nach meiner festen Überzeugung schlicht und ergreifend (wider besserem Wissens (siehe oben)) Unrecht unter Verweis auf einer hier nicht existenten Schadensminderungspflicht für den Geschädigten nach § 254 Abs. 2 BGB gesprochen. Dies auch noch vor dem Hintergrund, dass der BGH festgestellt hat, dass das Gericht im Schadensersatzrecht nicht berechtigt ist, einzelne Positionen der Sachverständigen-Honorarrechnung einer Überprüfung zu unterziehen.

    Aus Sicht des Sachverständigen

    Die Wahrung seiner Unabhängigkeit gegenüber Auftraggeber und Schadenregulierer ist oberstes Gebot. Diese Unabhängigkeit kann nur gewährleisten, wer als Dienstleister keinen finanziellen Zwängen unterliegt. Die eigene Honorartabelle dient hier als Grundlage. Diese und nur diese ist zur Berechnung seines Grundhonorars und der Nebenkosten heranzuziehen, selbstredend unmanipuliert von oder zugunsten der hinter dem Schädiger stehenden Haftpflichtversicherung.

    BVSK. Niemand würde erwarten bzw. auf die Idee kommen, wer einen Unternehmer fragt, was seine Dienstleistung kosten würde, dass dieser Preise nennt, die nach der Preisliste der Konkurrenz kalkuliert wurden.

    Der unabhängige Kfz.-Schadengutachter als ein Hellsehen, der mit dieser Fähigkeit sein Honorar nach dem eventuell anzurufenden Gericht mit genau dem einen bestimmten Richter/in auszurichten vermag, der/die bis zur Formulierung seiner/ihrer Urteilsbegründung selbst nicht weiß, wie er entscheidet, ist mir bisher noch nicht begegnet.

    Also noch mal.
    Ja, Richter sind unabhängig. Ja, und sie sind allein dem Gesetz verpflichtet. Nur Richter/innen die sich dies immer wieder vor Augen halten, gewähren den Recht suchenden ein hohes Maß an Gerechtigkeit.

  9. RA Schepers sagt:

    @ virus

    Bei Ihrem ersten Posting war § 254 BGB ausschließlich auf das Verhältnis VN – Versicherung anzuwenden, nicht aber auf das Verhältnis Geschädigter – Schädiger.

    Bei Ihrem zweiten Posting schließen Sie § 254 BGB Mitverschulden aus und betrachten die Schadenminderungspflicht, wobei sie diese für § 249 BGB generell ausschließen.

    In Ihrem dritten Posting stellen Sie fest, daß § 254 Mitverschulden für den hier im Raum stehenden, geltend gemachten Schadensersatzanspruch unbeachtlich ist.

    Nochmals: Jura ist mehr, als sich aus einem Paragraphen einen Halbsatz herauszusuchen und nach Belieben zu interpretieren…

    Die §§ 249 ff. BGB beschreiben das System des Schadensersatzes. In diesem treffen auch den Geschädigten Obliegenheiten/Pflichten. Er kann Schadenersatz nach § 249 BGB verlangen, aber nur das, was erforderlich ist. Und selbst, wenn das, was er als Schadenersatz verlangt, erforderlich ist, kann dies u.U. dennoch nach § 254 BGB gekürzt werden.

    Es kann erforderlich sein, einen qualifizierten Sachverständigen einzuschalten (-> Ersatzpflicht nach § 249 BGB), gleichzeitig kann eine dem Geschädigten anzulastende Schadenerhöhung vorliegen, wenn er einen Sachverständigen in einer großen Entfernung beauftragt, und dadurch besonders hohe Fahrtkosten anfallen (§ 254 BGB Schadengeringhaltungspflicht).

    Wo die Grenze des § 254 BGB überschritten ist (10 km, 100 km, 1.000 km), ist eine Wertungsfrage.

    Ob dieser Aspekt im Rahmen des § 254 BGB oder im Rahmen des § 249 BGB zu berücksichtigen ist, ist eine dogmatische Frage. Beides läßt sich begründen (vgl. Mietwagenproblematik).

    Recht ist ein mehrdimensionales Wesen, das sich weiterentwickelt, einem ständigen Wandel unterworfen ist und durch Gesetze beschrieben wird. Gesetze sind mehr als die Aneinanderreihung von Paragraphen und Paragraphen sind mehr als Buchstaben auf einem Blatt Papier.

  10. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Virus,

    es kommt nicht auf die Sicht des Sachverständigen an. Entscheidend ist die ex-ante-Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung. Allerdings hat der Geschädigte im Rahmen der Beauftragung die Schadensgeringhaltungspflicht. Im übrigen, und da hat Otting recht, ist das Honorar des Sachverständigen, wir befinden uns im Schadensersatzprozess, im Rahmen des Erforderlichen gemäß § 249 BGB zu messen. Und da kann die Prüfung des Richters kleinlich sein, wie der Fall zeigt.

    Sie sollten sich schon auf die Kompetenz von Otting verlassen. Denn schon der BGH hat in dem Grundsatzurteil zu den Sachverständigenkosten entschieden, dass sich auch die SV-Kosten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen i.S.d. § 249 BGB halten müssen. Und im Rahmen des Erforderlichen ist dann auch das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Vgl. BGH VI ZR 67/06 vom 23.1.2007. Da Richter eben unabhängig sind, kommt es eben zu solchen kleinlichen Entscheidungen. Der entscheidende Richter hat ja auch Recht, wenn er entscheidet, dass der Geschädigte (und auf den kommt es an!!) nicht verpflichtet ist, Kostenvoranschläge einzuholen. Aber gleichwohl muss er das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten, bzw. darf keinen übertrieben teuren (mein Beispiel Hamburg-München war bewußt überzeichnet!) SV beauftragen, weil er bei den Folgeschäden verpflichtet ist, den Schaden im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren gering zu halten.

    Dafür aber den Richter an den Pranger stellen, ist verfehlt.

  11. LUMIX sagt:

    @F-W Wortmann
    Montag, 29.10.2012 um 13:26

    Hallo, F.W. Wortmann,

    wenn ich auch mit Ihnen in der grundsätzlichen Betrachung einverstanden bin, so gebe ich allerdings zu bedenken, dass der Begriff des „Wirtschaftlichkeitsgebotes“ sehr dehnbar ist.

    Der Geschädigte, der einen wirklich unabhängigen, berufserfahrenen und qualifizierten Kfz.-Sachverstä#ndigen sucht, findet einen solchen nicht gleich um die nächste Ecke, vielleicht noch nicht einmal in seiner Heimatstadt. Er muss dafür evtl. auch schon einmal 20-40 km fahren, um einen solchen Sachverständigen zu finden. Verstößt er dann gegen das „Wirtschaftlichkeitsgebot“ ?

    Wer allerdings einen Kfz.-Saschverständigen aus dem tiefen Sauerland nach Essen zur Unfallschadenbegutachtung beordert, mag vielleicht doch noch ganz andere Gründe haben.

    Deshalb meine konkrete Frage: Wann greift das Wirtschaftlichkeitsgebot? Schließlich schickt ja sogar ein namhafter Versicherer einen Sachverständigen von Düsseldorf nach Hamm, um einen Winschutzscheibenschaden zu begutachten. Wird hier vielleicht mit zweierlei Maß gemessen ?

    Mit freundlichen Grüßen

    LUMIX

  12. Netzfundstück sagt:

    Schadenminderungspflicht

    Die Schadenminderungspflicht ist eine der wichtigsten Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Schadensfall. Der Versicherungsnehmer hat alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um den Schaden zu begrenzen.

    Bei der Schadenminderungspflicht handelt es sich um eine Pflicht des Versicherungsnehmers gegenüber seines Versicherungsunternehmens. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von den Obliegenheiten des Versicherten, die sich aus dem bestehenden Versicherungsvertrag ergeben. Grundsätzlich ist jeder Versicherungsnehmer verpflichtet einen Schaden, der als Versicherungsfall gilt, möglichst gering zu halten oder, wenn möglich, ganz zu verhindern.

    Für den Versicherten bedeutet die Schadenminderungspflicht, dass er im Falle eines Schadens, alles in die Wege leiten muss, um diesen Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen bzw. zu verhindern. Die Versicherungsgesellschaft übernimmt die Kosten der Maßnahmen, die für die Minderung oder Verhinderung des Schadens anfallen, wenn diese nicht die Höhe der Gesamtkosten des Schadens übersteigen. Den Anweisungen des Versicherungsunternehmens ist im Schadensfall Folge zu leisten. Kommt ein Versicherungsnehmer seinen Obliegenheiten bzw. der Schadenminderungspflicht nicht nach, so kann das Versicherungsunternehmen die Schadensregulierung ablehnen. Für den Versicherten bedeutet dies, dass er die entstandenen Kosten eines Schadens selbst übernehmen muss.

    Fundstelle: http://www.versicherungsarchiv.de/versicherungsvergleich/schadenminderungspflicht/

    Obliegenheiten

    Von Obliegenheiten spricht man bei einem Versicherungsvertrag und benennt damit die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers.

    Beispielsweise hat der Kunde einer privaten Krankenversicherung die Pflicht die Beiträge zu zahlen (Beitragspflicht), und bei Antragsstellung die Obliegenheit, die Gesundheitsfragen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten.

    Festgehalten sind die Obliegenheiten sowohl im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) als auch in den Versicherungsbedingungen.

    Man unterscheidet zwischen den Obliegenheiten vor Vertragsabschluss (Anzeigepflicht), nach dem Vertragsabschluss und vor dem Versicherungsfall und nach Vertragsabschluss und nach Eintritt des Versicherungsfalls.

    Zwar kann der Krankenversicherer diese Obliegenheiten nicht einklagen, allerdings kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Leistungen verwehren, wenn dieser die Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt.

    Fundstelle: http://www.versicherungguenstig.com/krankenversicherung/obliegenheiten.html

  13. joachim otting sagt:

    @ Netzfundstück

    Das hat alles nichts mit der hier diskutierten Frage zu tun.

    Versicherungsrecht („Mein Versicherer und ich“) ist etwas grundsätzlich anderes als Schadenersatzrecht („Dein Versicherer und ich“).

    @ LUMIX

    Wenn man gute Gründe hat, warum der SV von weiter her kam, muss man dazu vortragen. Dann kann das „erforderlich“ sein und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen.

    Wertungen sind aber immer dehnbar. Das liegt in deren Natur. Und deshalb werden wir nie eine Rechtsprechung mit mathematischer Exaktheit haben.

    Dass der Versicherer selbst einen Gutachter auf Fernreisen schickt, ist kein Maßstab. Denn da wird keinem Dritten ins Portemonnaie gegriffen.

    Und nun ist für mich hier „Ende der Debatte“.

    Der einzige Grund, warum ich in diesem Thread überhaupt in die Tasten gegriffen habe: Ich stelle mir immer vor, dass hier über die Nabelschaubeteiligten hinaus tatsächlich jemand hineinschaut. Wenn der dann unwidersprochen liest, das Schadenersatzrecht kenne keine Schadenminderungspflicht, wird mir Angst und Bange. Rechtliche Desinformation bin ich eher von Versicherern gewohnt.

  14. F-W Wortmann sagt:

    @ Otting

    Auch ich habe als erster übrigens nur deshalb eingegriffen, weil schon die Überschrift keine juristische Kenntnis widerspiegelte und Funsdtücke aus irgendwelchen Netzen uns hier in diesem Thema nicht weiterhelfen. Bei derartigen unqualifizierten Beiträgen wird mir auch Angst und Bange wegen des möglichen Nachmacheffektes. Aber das wars jetzt von mir. Zu Netzfundstück nehme ich schon nicht mehr Stellung.

  15. virus sagt:

    @ Otting

    „Wenn man gute Gründe hat, warum der SV von weiter her kam, muss man dazu vortragen. Dann kann das “erforderlich” sein und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen.“

    ….. und wenn der Richter keinen noch so guten Grund gelten lassen will, was dann?

    „Versicherungsrecht (“Mein Versicherer und ich”) ist etwas grundsätzlich anderes als Schadenersatzrecht (“Dein Versicherer und ich”).“

    … ich gratuliere zu dieser Erkenntnis.

    „Dass der Versicherer selbst einen Gutachter auf Fernreisen schickt, ist kein Maßstab. Denn da wird keinem Dritten ins Portemonnaie gegriffen.“

    …. wird kein Pflicht-Versicherter zur Kasse gebeten, wenn die Einnahmen aus der Versicherungsprämie die Kosten für derartige vermeidbare Schadenaufwendungen nicht decken?

    Aber zurück zu § 254 BGB – Mitverschulden, Satz 1 mit Schuld am Zustandekommen des Unfalls. Satz 2 … oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. „Den Schaden“ nicht aber die Geltendmachung des Schadens. Macht der Geschädigte den Schaden beim Schädiger geltend, beruft er sich u.a. auf seine Dispositionsfreiheit, indem er den Sachverständigen seines Vertrauens beauftragt. Er vertraut also darauf, dass der von ihm gewählte Dienstleister alle Leistungen erbringt, die den Schädiger in die Lage versetzen – ohne das beschädigte Gut selbst in Augenschein zu nehmen, den zum Kollisionszeitpunkt entstandenen Schaden nach § 249 BGB zu regulieren. Die Gestaltung des Gutachtens, wie viel Lichtbilder er dort einfügt, ob er eine Wertminderung für gegeben hält usw. obliegt sodann einzig dem Sachverständigen. Ebenso welche Positionen er wie in Rechnung stellt. Der Auftraggeber (als auch der Schädiger) hat darauf keinen Einfluss – Einfluss zu nehmen.
    Meint der Schädiger nun, Positionen aus der Honorarrechnung nicht begleichen zu müssen, kann somit mitnichten daraus ein Verstoß auf eine wie auch immer geartete Schadenminderungspflicht – Mitverschulden – des Geschädigten nach § 254 BGB seitens des Gerichts hergeleitet werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Virus

  16. Mister L sagt:

    @ joachim otting

    „Dass der Versicherer selbst einen Gutachter auf Fernreisen schickt, ist kein Maßstab. Denn da wird keinem Dritten ins Portemonnaie gegriffen.“

    Das glauben Sie nicht wirklich, oder???

    Auch diese Kosten finden sich kalkulatorisch in den Versicherungsprämien wieder. Und wer wer zahlt diese?!

  17. DerHukflüsterer sagt:

    @ Netzfundstück
    „Die Schadenminderungspflicht ist eine der wichtigsten Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Schadensfall. Der Versicherungsnehmer hat alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um den Schaden zu begrenzen.“

    Die beste Schadenbegrenzung eines VN ist entweder keinen Schaden zu verursachen, oder den Schaden aus eigener Tasche zu bezahlen, nur dann ist man seiner Schadenminderungspflicht nachgekommen. LOL LOL

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