AG Berlin-Mitte verurteilt HDI Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (111 C 3089/08 vom 19.05.2009)

Mit Urteil vom 19.05.2009 (111 C 3089/08) hat das Amtsgericht Berlin-Mitte die HDI Direkt Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 201,54 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Fraunhofer Tabelle – mit eingehender Kritik hieran – ab.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist begründet.

Die Beklagte, die dem Grunde nach unstreitig für die Schäden aus dem Unfall vom xx.xx.2007 haftet, ist verpflichtet, auch restliche Mietwagenkosten von 201,54 EUR zu erstatten, nachdem sie bereits 378,06 EUR gezahlt hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin für das Anmieten des Ersatzfahrzeuges insgesamt 579,60 EUR brutto gezahlt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 12.11.2007  verwiesen.

Die Mietwagenkosten sind in dieser Höhe gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Denn unter Be­rücksichtigung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 wären unstreitig im Postleitzahlengebiet 146 727,00 EUR (477,00 EUR Wochenpreis + 82,00 EUR Zusatztag + 168,00 EUR Kaskoversiche­rung) zu zahlen gewesen.

Der Schwacke-Mietpreisspiegel ist eine geeignete Grundlage zur Schätzung der Schadenhöhe. Dem Tatrichter steht es im Rahmen des durch § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens frei, ob er zur Bestimmung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten auf den Schwacke-Mietpreisspiegel aus dem Jahr 2003 oder aus dem Jahr 2006 zurückgreift; Bedenken gegen eine Schätzgrundlage muss nicht durch Beweiserhebung nachgegangen werden, wenn eine andere geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung steht (BGH – Urteil vom 14.10.2008; VI ZR 308/07; Versicherungsrecht 2008,1706).

Zwar ist es dem Tatrichter nicht verwehrt, sich den Bedenken, die gegen die Anwendung der Schwacke-Liste insbesondere aus der Versicherungswirtschaft und von ihr nahe stehenden An­wälten vorgebracht werden, anzuschließen. Das Gericht sieht dazu jedoch auch unter Berücksich­tigung des „Marktpreisspiegel Mietwagen 2008″ des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Or­ganisation keinen Anlass. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme dieses Insti­tuts  zu den Angriffen gegen die Erhebung der Werte. Das Fraunhofer In­stitut räumt insbesondere ein, dass nur 10.000 von ca. 85.000 Einzelwerten durch eine Telefoner­hebung ermittelt wurden.

Die restlichen Werte wurden durch die Interneterhebung „bewusst“ nur mit 6 großen Anbietern durchgeführt, während die telefonische Erhebung alle Autovermieter betraf, die über öffentliche Verzeichnisse ermittelt wurden. Schon dies zeigt, dass die Ergebnisse der Fraunhofer-Studie ver­zerrt sind. Man muss kein Statistiker sein um zu erkennen, dass die vielfach höheren Marktpreise kleinerer Anbieter vor Ort bei dieser „wissenschaftlichen Methode“ ihr statistisches Gewicht verlie­ren, weil sie durch günstigere Werte großer überregionaler Anbieter, die überproportional in die Gesamtstichprobe einfließen, verdrängt werden. Dies kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Tarife der großen Anbieter über das Internet auch verbindlich buchbar waren. Was das ver­bindliche Buchen mit einer ordnungsgemäßen statistischen Erhebung von Marktpreisen zu tun haben soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Entscheidend ist allein, zu welchen Preisen Mietwa­gen am Markt angeboten werden, mögen diese auch im Einzelfall nicht buchbar sein, da der Ver­mieter bereits ausgelastet ist. Schon diese „Methodik“ entwertet die Fraunhofer-Studie.

Dies kann auch nicht dadurch gerettet werden, dass angeblich kleine und mittlere Anbieter bei der telefonischen Erhebung leicht übergewichtet sind. Dies erinnert stark an das Motto: „Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selber gefälscht habe“. Wenn weniger als ein Achtel der Einzelwerte durch eine Telefonumfrage erhoben wird, lässt sich das Gesamtergebnis auch nicht mehr dadurch „geradebiegen“, dass eine bestimmte Gruppe von Anbietern in diesem ein Achtel übergewichtet wird.

Angesichts des Umfangs und der Bedeutung der Sache sei hier nur noch auf die Rechtfertigung des Fraunhofer Instituts zu den genutzten Postleitzahlenbereichen eingegangen. Diese Unterglie­derung soll bewusst erfolgt sein, um statistisch relevante Aussagen treffen zu können. Der Schwacke-Mietpreisspiegel nach dreistelligen Postleitzahlen kranke häufig an einer zu geringen Anzahl von Werten, um statistisch relevante Ergebnisse darzustellen. Bei der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO bei der Ermittlung von Mietwagenpreisen geht es jedoch nicht in erster Linie um statistisch relevante Ergebnisse, sondern um die Ermittlung von Preisspannen regionaler Anbieter. Die Beschränkung auf zweistellige Postleitzahlenbereiche lässt sich auch nicht dadurch retten, dass das Fraunhofer Institut meint, seine Untersuchung habe gezeigt, dass nur eine geringe Preisabhängigkeit von der Region vorhanden ist. Dies lässt sich aus der gerichtlichen Praxis zum einen nicht bestätigen. Zum anderen sind auch geringe regionale Preisabweichungen in Zeiten relevant, in denen Haftpflichtversicherer dazu neigen, mit Geschädigten um sprichwörtlich „jeden Groschen“ zu streiten – seien es Fotos für 2,50 EUR, Winterreifen im November! -, um damit die Gerichte zu beschäftigen.

Die Voraussetzungen für das Zulassen der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor, da die Schadenschätzung ureigenste Aufgabe des Tatrichters ist. Die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels ist höchstrichterlich geklärt.

Soweit – deutlich – das AG Berlin-Mitte

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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