AG Bonn urteilt in einem Fall der fiktiven Abrechnung gegen die HUK-COBURG und spricht dem Geschädigten die fiktiven UPE-Aufschläge zu mit Urteil vom 11.9.2015 – 104 C 447/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachdem wir gestern – kurzfristig – die Enscheidung des BVerfG zu § 287 ZPO veröffentlicht hatten, stellen wir Euch heute morgen ein Urteil aus Bonn zur fiktiven Schadensabrechnung sowie zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG vor. Die HUK-COBURG meinte doch allen Ernstes, dass die von dem Sachverständigen in seinem Schadensgutachten aufgeführten Ersatzteilpreisaufschläge (UPE-Aufschläge) nur dann zu ersetzen seien, wenn sie auch anfielen. Dabei vergißt die HUK-COBURG, dass sie auch die fiktiven Reparaturkosten ersetzt hat, obwohl diese nicht angefallen waren. Das deutsche Schadensersatzrecht ist eben kein Kostenersatzrecht. Wir halten daher die nachfolgend dargestellte Entscheidung für eine ordentliche Entscheidung, allerdings mit einem Mangel, nämlich den Ausflug zum BVSK und die zitierten werkvertraglichen BGH-Urteile.  Im Schadensersatzprozess sind werkvertragliche Gesichtspunkte fehl am Platze. Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

104 C 447/14

Amtsgericht Bonn

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn … ,

Klägers,

gegen

1.          Frau … ,
2.          die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg,

Beklagten,

hat das Amtsgericht Bonn
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 11.09.2015
durch die Richterin am Amtsgericht Z.

für Recht erkannt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 189,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 VVG einen weiteren Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 189,98 Euro (112,37 Euro Sachverständigenkosten und 77,61 Euro UPE-Zuschläge).

I.  Der Kläger ist aktivlegitimiert. Er hat seine Eigentümerstellung substantiiert durch Vorlage der Rechnung der … GmbH sowie den Überweisungsbeleg dargelegt. Die Beklagten haben die Aktivlegitimation nicht weiter substantiiert bestritten.

II.  Die volle Haftung der Beklagten für die dem Kläger durch das Unfallgeschehen vom 13.10.2014 in Bonn entstandenen Schäden ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.

1. Der Schädiger muss nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB an den Geschädigten den zur Wiederherstellung der Sache erforderlichen Geldbetrag zahlen. Hierzu zählen grundsätzlich auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, die dem Geschädigten dadurch entstehen, dass er zur Ermittlung des ihm entstandenen Schadens einen Sachverständigen Dritten beauftragt, sofern die Begutachtung für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig ist (stdg. Rspr., vgl. BGH Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, NJW 2007, S. 1450; BGH Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03, NZV 2005 S. 139; BGH Urteil vom einen 20.11.1988 – X ZR 112/87, NJW-RR 1989, 953 unter B. m.w. N.). Daran bestehen hier keine Zweifel.

Zu ersetzen ist allerdings nur der erforderliche Geldbetrag, das heißt die Aufwendungen, die ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Bei der Beurteilung welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, muss Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten und insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten genommen werden (BGH NJW 2005, 3131). Der Einwand der Überhöhung des Sachverständigenhonorars führt nur dann zu einer Kürzung des Anspruchs des Geschädigten, wenn für diesen als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen oder dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, 4 U 49/05, NJW-RR 2006, 1029 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, 1 U 246/07; LG Saarbrücken, Urteil vom 29.08.2008, 13 S 108/08; LG Bonn, Urteil vom 28.09. 2011 – 5 S 148/11). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, schlagen sich jedoch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung – relevanten beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13). Eine Kürzung des Honorars allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes ist daher nicht möglich. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH a.a.O.). Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht nicht (BGH a.a.O.).

Die von dem Kläger getroffene Auswahl des Sachverständigen im vorliegenden Fall hat nicht gegen die zuvor genannten Grundsätze verstoßen.

a)   Eine willkürliche Honorarfestsetzung durch den Sachverständigen war für den Kläger dabei nicht ersichtlich. Auch liegt kein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung vor. Der Sachverständige ist grundsätzlich berechtigt, für das Gutachten unter anderem eine pauschale Grundgebühr zu berechnen (BGH VersR 2007, 560; BGH NJW-RR 2007, 123; BGH NJW 2006, 2472). Schadensgutachten dienen in der Regel dazu, die Realisierung von Schadensersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages wird dabei als Erfolg geschuldet. Hierfür haftet der Sachverständige dem Auftraggeber. Deshalb trägt eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist (BGH NJW 2006, 2472).

Die von dem Sachverständigen unter dem 17.10.2014 berechnete Vergütung in Höhe von 509,16 Euro netto bei einem Reparaturaufwand von 3.235,57 Euro brutto liegt zwar über den Werten der BVSK-Tabelle HB I – III, deren Maximal-Wert bei 468,00 Euro netto liegt. Der in der BVSK-Tabelle angegebene Maximal-Wert liegt indes bei 645,00 Euro. Bereits deshalb musste der Kläger nicht erkennen, dass eine willkürliche Festsetzung der Höhe der Vergütung vorliegt. Darüber hinaus kommt eine Kürzung der Sachverständigenvergütung allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13).

b)   Ein Auswahlverschulden fällt dem Kläger ebenfalls nicht zu Last. Der Geschädigte ist nicht zu einer Marktforschung verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden (BGH, Urteil vom 23. 01.2007, VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, 1 U 246/07). Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urt. v. 11.02.2014 a.a. O.). Die Gegenmeinung berücksichtigt insofern nicht, dass es dem Geschädigten bei Sachverständigengutachten mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht möglich sein dürfte, vor der Auftragserteilung die Angemessenheit einer Vergütung zu beurteilen.

c)    Auch die übrigen Rechnungsposten begegnen keinen Bedenken. Die Nebenkosten können grundsätzlich neben der pauschalierten Grundvergütung geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; Urteil vom 04.04.2006 – XI ZR 122/05, NJW, 2006, 2472; LG Bonn, Urteil vom 28.09.2011 – 5 S 148/11). Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit weiterer Einzelposition ist zwar, dass gerade die Nebenforderung von dem pauschalen Grundhonorar nicht erfasst werden und im vorliegenden Schadenfall auch tatsächlich angefallen sind.

An der Erstattungsfähigkeit der Telefon-, Port-, Schreib- und Nebenkosten bestehen keine Bedenken, da Kosten in Höhe von 27,00 Euro jedenfalls nicht unverhältnismäßig sind und innerhalb der Sätze der BSVK – Honorarbefragung liegen.

Das Gericht hat auch keine Bedenken gegen die gesonderte Abrechnung von Lichtbildern, da z.B. nach dem JVEG bei der Abrechnung von Leistungen von Sachverständigen diese Positionen auch zugrunde liegen. Tatsächlich dürften bei Fotos die Druckkosten die Kosten eines Schwarzweißdruckes übersteigen, es fallen erhöhter Aufwand durch Speicherung und Aufbewahrung an. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige einzelne Fotos und nicht Seiten berechnet. Hinsichtlich der Fotokosten bewegt sich die Rechnung des Sachverständigen sogar noch unterhalb des Rahmens der BSVK Honorarbefragung. Der Sachverständige hat 16 Lichtbilder gefertigt. Pro Lichtbild ergeben sich für den originalen Fotosatz geltend gemachte Kosten von 1,78 Euro. Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der Sachverständige ebenfalls Lichtbilder des Kilometerstandes oder der Fahrzeugidentitätsnummer fertigt. Dies gehört zu einem vollständigen Gutachten dazu. Ebenfalls begegnet es keinen Bedenken, dass der Sachverständige Kopien der Fotos in Rechnung gestellt hat. Der Sachverständige hat zwei Exemplare seines Gutachtens, einmal für den Kläger und einmal für die Beklagte, erstellt.

Ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht vorgetragen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Sachverständigentarif ohne weiteres zugänglich war.

Der Kläger hat auch subtantiiert, durch Vorlage eines entsprechenden Kontoauszuges, dargelegt, dass er die Sachverständigenkosten beglichen hat.

2.   Der Kläger hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf weitere Reparaturkosten für UPE-Zuschläge in Höhe von 77,61 Euro.

Die von dem Kläger geltend gemachten UPE-Zuschläge sind ersatzfähig. Prozentuale Aufschläge auf Ersatzteilpreise können auch bei fiktiver Abrechnung
verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind (OLG Hamm, Urteil vom
30.10.2012 -I-; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2012 – I-1 U 108/11).

Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass UPE-Zuschläge im hiesigen Gerichtsbezirk ortsüblich sind. Der Sachverständige ist zu der Feststellung gelangt, dass sämtliche markengebundenen Vertragswerkstätten in Bonn einen Ersatzteilaufschlag erheben. Die Ersatzteilpreisaufschläge auf den unverbindlichen Ersatzteilpreis des Herstellers bewegen sich zwischen 8 und 20%.

Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Der Sachverständige hat seine Feststellungen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt. Dabei ist er von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt.

Grundsätzlich kann der Kläger danach UPE-Zuschläge auch bei fiktiver Abrechnung geltend machen. Dem steht auch nicht entgegen, dass vorliegend die UPE-Zuschläge am oberen Ende der Ortsüblichkeit liegen. Der Kläger muss sich insoweit nun nicht auf eine andere Werkstatt verweisen lassen.

3.   Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: 189,98 Euro

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Bonn urteilt in einem Fall der fiktiven Abrechnung gegen die HUK-COBURG und spricht dem Geschädigten die fiktiven UPE-Aufschläge zu mit Urteil vom 11.9.2015 – 104 C 447/14 -.

  1. Nico sagt:

    Schön, „mein“ Urteil auch hier zu sehen!

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