AG Erding verurteilt die AXA-Versicherung AG zur Zahlung der Mietwagenkosten nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel mit Urteil vom 10.6.2016 – 5 C 2919/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute stellen wir Euch noch ein Mietwagenkostenurteil gegen die AXA-Versicherung vor. In diesem Fall musste das Amtsgericht Erding über die von der AXA-Versicherung gekürzten Mietwagenkosten entscheiden. Da die AXA-Versicherung gegen die berechneten Mietwagenkosten anführte, dass diese überhöht seien, weil die Preise nach Fraunhofer und aus Internetangeboten weit geringer seien. Dabei verkennt die AXA-Versicherung, dass die zwei von ihr vorgelegten Angebote nicht zeitlich und räumlich der Anmietzeit gleichgesetzt werden konnten. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten als Gläubiger ist sofort nach dem Unfall fällig (vgl. BGH VI ZB 22/08). Die AXA-Versicherung hätte daher noch am Unfallort dem Geschädigten sofort ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen müssen, da der Geschädigte das Fahrzeug dringend benötigte und die Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes Sache des Schädigers im Sinne des § 249 I BGB ist. Da die Beklagte dazu nicht in der Lage war, konnte der Geschädigte selbst einen geeigneten regionalen Mietwagenunternehmer beauftragen. Mit dem Ersatzfahrzeug ist die sofortige Nutzungsmöglichkeit wiederhergestellt worden. Einfluss auf die Preise und die Länge der Anmietzeit konnte der Geschädigte nicht nehmen, da ihm zum Zeitpunkt der Anmietung die Dauer der Reparatur oder der Ersatzbeschaffung nicht bekannt sein konnten. Er war daher berechtigt, quasi im Auftrag und im Interesse des Schädigers den vormaligen Zustand hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeit wiederherzustellen. Insoweit war auch der Mietwagenunternehmer Erfüllungsgehilfe des Schädigers, um den vormaligen Zustand wiederherzustellen. Der BGH hat in BGHZ 63, 182 ff. bereits entschieden, dass die Werkstatt auch Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist, wobei dieser folgerichtig das Werkstatt- und Prognoserisiko trägt. Auch der Sachverständige ist Erfüllungsgehilfe des Schädigers (OLG Naumburg DS 2006, 283 ff = NZV 2006, 546, 548). Dementsprechend hat der Geschädigte Anspruch auf den berechneten Mietwagenkostenbetrag. Bei der Mietwagenrechnung handelt es sich um eine Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung, die über § 249 I BGB auszugleichen ist. Der Schädiger ist dabei nicht rechtlos, weil ihm der Vorteilsausgleich verbleibt. Da der Schadensbetrag durch die Rechnung dargelegt und bewiesen ist, hätte es einer Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO nicht bedurft. Aber immerhin hat das Gericht die Mietwagenkosten nach Schwacke geschätzt. Aber man erkennt leicht, wohin die Schätzung durch den besonders freigestellten Tatrichter, beginnend mit den BGH-Urteilen zu den Mietwagenkosten, geführt hat. Es handelt sich – unseres Erachtens – um einen Holzweg. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Erding

Az.: 5 C 2919/15

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

AXA Versicherung AG

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Erding durch die Richterin am Amtsgericht … am 10.06.2016 auf
Grund des Sachstands vom 25.05.2016 folgendes

Endurteil

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.119,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.05.2015 zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.119,64 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Parteien streiten um Ersatz restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall.
Der PKW Opel Astra des Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall am 01.04.2015 in Dorfen beschädigt, der durch das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug … verursacht wurde. Bei dem Unfall entstand am Fahrzeug des Klägers ein Totalschaden. Für den entstandenen Schaden hat die Beklagte einzustehen.

Der Kläger mietete am  Unfalltag einen  Mietwagen der gleichen Fahrzeugklasse bis zum 27.04.2015, für das ihm 3.491,88 € in Rechnung gestellt wurden. Auf die Ablichtung der Rechnung und des Mietvertrages, K2, K6, wird Bezug genommen. Auf die Zeit bis zum Erwerb eines Ersatzfahrzeugs von 22 Tagen entfielen dabei 2.853,79 € netto. Davon nahm der Kläger einen Abzug in Höhe von 4% für ersparte Aufwendungen vor.

Die Beklagte beglich von der danach noch bestehenden Forderung einen Betrag in Höhe von 1.620 € und zahlte im Übrigen nicht. Eine entsprechende Frist bis zum 12.05.2015 ließ die Beklagte verstreichen.

Der Kläger behauptet, dass die Kosten als arithmetisches Mittel der Schwacke-Liste 2014 für ein Fahrzeug der Klasse 5 wirtschaftlich und ersatzfähig seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.119,64 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2016 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die geltend gemachten Mietwagenkosten entsprächen nicht dem zu ersetzenden Normaltarif. Der Schwacke-Mietpreisspiegel sei keine taugliche Schätzgrundlage, da durch die Fraunhofer-Befragung und zwei Vergleichsangebote, Anlagen B1, B2, B3, konkrete Tatsachen gegen die Eignung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage sprächen. Konkret seien auch Winterreifenkosten und eine Vollkaskoversicherung mit dem Grundmietpreis abgegolten und Verbringungskosten nicht erforderlich. Die Beklagte meint zudem, die Eigenersparnis sei mit 10% in Abzug zu bringen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.

Die Parteien haben sich mit der schriftlichen Entscheidung gemäß § 128 II ZPO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger kann die angefallenen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges vollumfänglich als Schaden ersetzt verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07, NJW 2009, 58 m.w.N). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Der Kläger hat hier jedoch – unbestritten – dargelegt, dass die Anmietung für ihn eilig gewesen sei, da er insbesondere am nächsten Tag wieder zur Arbeit habe fahren müssen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Erholung von Vergleichsangeboten hat sich vorliegend zur Überzeugung des Gerichts auch deshalb nicht zu Lasten der Beklagten ausgewirkt, weil sich der vom Kläger geforderte Betrag noch im Rahmen der Mietwagenkosten bewegt, die sich unter Zugrundelegung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2014 für ein vergleichbares Fahrzeug mit Winterbereifung und Versicherung im maßgeblichen Postleitzahlengebiet 844 ergeben. Der Kläger begehrt mithin keinen Schadensersatz auf Basis eines möglicherweise überhöhten Unfallersatztarifes, sondern innerhalb eines durchschnittlichen Normaltarifes. Die vom Kläger geforderten Mietwagenkosten fallen nach Auffassung des Gerichts vor diesem Hintergrund noch nicht aus dem Rahmen des Üblichen und sind von der Beklagten zu ersetzen, ohne dass es auf die Erfüllung einer Erkundigungspflicht ankäme (vgl. König) in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43.Auflage 2015, § 12 StVG, Rn. 35 a.E. unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 07.05.1996 – VI ZR 138/95, NZV 1996, 357). Abzüglich des bereits regulierten Betrages besteht damit noch ein Anspruch auf die restliche eingeklagte Summe in Höhe von 1.119,64 €.

Das Gericht hat keine Bedenken, die Schwacke-Mietpreisliste als Grundlage seiner Schätzung zur Ermittlung einer durchschnittlich erforderlichen Schadenshöhe anzuwenden. Diese Vorgehensweise entspricht der in ständiger Praxis am Amtsgericht Erding bewährten Schätzmethode, (vgl. AG Erding, Urteil vom 17.07.2012, 5 C 133/12, Urteil vom 24.09.2014, Az. 4 C 896/14, Urteil vom 01.10.2014, Az. 7 C 1415/14, Urteil vom 09.09.2015, 4 C 1234/15). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im maßgebenden Postleitzahlengebiet ermitteln kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 = MDR 2010, 622 m.w.N). Er hat auch die Schätzung auf der Grundlage des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ regelmäßig nicht als rechtsfehlerhaft erachtet (vgl. BGH, Urteile vom 11.03.2008 – VI ZR 164/07, NJW 2008, 1519, vom 19. Januar 2010 – VI ZR 112/09, NJW-RR 2010, 679 und vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09, NJW 2011, 1947). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Solche konkreten, für das Gericht überprüfbaren Tatsachen werden von der Beklagten nicht benannt. Die Nennung eines konkreten, erheblich günstigeren Angebots stellt die Schätzgrundlage nicht in Frage, weil diese vom arithmetischen Mittel ausgeht. Zudem ist nicht ersichtlich, inwiefern Zusatzkosten etwa durch die Verbringung hinzukommen bzw. auch für die Vollkaskoversicherung mit reduziertem Selbstbehalt hinzukämen und ob das Angebot so auch für den konkreten Zeitraum verfügbar gewesen wäre.

Ausweislich des Schwacke-Mietpreisspiegels ist auch die Geltendmachung von Nebenkosten für die Ausrüstung mit wintertauglicher Bereifung üblich. Auch hier ist die Höhe nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel angemessen. Ausweislich des Urteils des BGH vom 05.03.2013 VI ZR 245/11 ist das Zusatzentgelt für Winterreifen erstattungsfähig.

Die Kosten für eine Vollkaskoversicherung mit reduzierter Selbstbeteiligung sind ebenfalls erstattungsfähig. Dies ist angemessen, da die Entscheidung, ob die Reparatur eines möglichen Schadens durchgeführt wird, bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges gerade nicht bei dem Kläger, sondern bei der Mietwagenfirma liegt.

Die Zustell- und Abholkosten sind ausweislich der Rechnung, Anlage K2, angefallen und die Gründe für die Erforderlichkeit mit Schriftsatz vom 23.02.2016 im Einzelnen dargelegt und nicht bestritten worden. Demnach kam insbesondere eine Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs nicht in Betracht, da ein solcher dort am Wohnort des Klägers am Abend nicht existiert.

Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch war auch unter dem Gesichtspunkt der ersparten Eigenaufwendungen nicht weiter zu kürzen. Der Kläger hat bereits einen Abschlag in Höhe von 4 % der Mietwagenkosten für ersparte Eigenkosten vorgenommen. Dies entspricht der Rechtsprechung des OLG Stuttgart und des OLG München (OLG Stuttgart, NZV 94, 313; OLG Nürnberg, VersR 01, 208; OLG Köln, SP07, 13). Ausweislich des Urteils des BGH vom 05.03.2013 VI ZR 245/11 ist ein höherer Abschlag für ersparte Eigenaufwendungen nicht erforderlich.

Die Zinsen sind aus Verzugsgesichtspunkten geschuldet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 709,711 ZPO.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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