Urteil des BGH zu Mietwagenkosten – VI ZR 112/09 vom 19.01.2010

Mit Urteil vom 19.01.2010 (VI ZR 112/09) hat der BGH auf die Revision des Klägers gegen ein Urteil des Landgerichts Gera vom 14.01.2009 dieses Urteil aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers – auch in Bezug auf die Kosten – entschieden wurde.  Danach braucht der Geschädigte zur Rechtfertigung des Anspruches auf Ersatz eines Unfallersatztarifs keine bezifferten Beträge bzw. konkrete prozentuale Aufschläge darlegen. Steht fest, dass ein Unfallersatztarif betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist, hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zugänglich war. Nach dem BGH ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht die Schwacke-Liste anwendet.

BUNDESGERICHTSHOF
 
IM NAMEN DES VOLKES
 
URTEIL

VI ZR 112/09                                                                           Verkündet am: 19. Januar 2010

in dem Rechtsstreit

BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 – VI ZR 112/09 – LG Gera
.                                                                              AG Gera

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 10. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 14. Januar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nächteil des Klägers entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Ver­handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions­verfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom xx.xx.2006. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger hat bei der Autovermietung H., die dem  Rechtsstreit als  Streithelferin auf Klägerseite beigetreten  ist (künftig: Streithelferin), für die Zeit der Reparatur des bei dem Unfall beschädigten Transporters Fiat Ducato als Ersatzwagen einen Transporter Hyundai H1 der Mietwagengruppe 6 zum Tagespreis von 172 € netto angemietet. Dabei ging der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger nach dem Reparaturablaufplan von ei­ner Reparaturdauer von fünf Tagen aus. Aufgrund der Lieferung falscher Türen verlängerte sich die Reparaturzeit um weitere vier Tage und dauerte von Mon­tag, dem xx. xx.2006, bis Mittwoch, den xx.xx.2006. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich 531 € für den Mietwagen und lehnte eine weitere Erstattung von Mietwagen kosten ab. Der Kläger macht mit der Klage unter Berücksichtigung einer 5 %-igen Eigenersparnis weitere Mietwagenkosten von 1.116,75 € gel­tend.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä­gers hat das Landgericht die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehen­den Berufung zur Zahlung von lediglich 284,55 € nebst Zinsen ab 19. August 2007 (Rechtshängigkeit) verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger gemäß §§ 7, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVersG, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ledig­lich weitere Mietwagenkosten in Höhe von 284,55 € nebst Zinsen ab Rechts­hängigkeit zu. Zwar habe die Beklagte wegen des bei ihr liegenden Werkstattri­sikos Mietkosten nicht nur für fünf, sondern für neun Tage zu erstatten. Die An­spruchshöhe bestimme sich allerdings nicht nach dem von der Streithelferin in Rechnung gestellten Unfallersatztarif, sondern nach dem Normaltarif, der an Hand der Schwacke-Mietpreisliste 2006 zu ermitteln sei. Der Kläger und die Streithelferin hätten nicht hinreichend dargelegt, dass der gegenüber dem Nor­maltarif höhere Tarif aufgrund konkreter aus Anlass der unfallbedingten Anmietung des Klägers gegebener Kostenfaktoren gerechtfertigt sei. Es fehle eine am Einzelfall orientierte Aufstellung der Kostenkalkulation. Nach der Rechtspre­chung des Bundesgerichtshofs würden zwar die Anforderungen an die Darle­gungslast des Geschädigten mit dem Erfordernis konkreter Angaben zur Kalku­lation des Unfallersatztarifes überspannt. Jedoch könne die Prüfung, ob spezifi­sche Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte einen Mehrpreis rechtfertigten – gegebenenfalls durch einen Aufschlag auf das gewichtete Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels – nur dann zu einem Ergebnis führen, wenn sich die unfallbedingten Leistungen in bezifferbare Beträge bzw. prozentuale Aufschläge fassen ließen. Ohne substantiierte Darlegung der im Einzelfall maßgebenden unfallspezifischen Kostenfaktoren fehle hingegen die Grundlage für eine fundierte Beratung durch den Sachverständigen, unter dessen Hinzu­ziehung erforderlichenfalls der Tatrichter die Höhe der erforderlichen Mietwa­genkosten zu schätzen habe. Der bei der Kammer übliche pauschale Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen könne nicht zugesprochen werden, weil substantiierter Vortrag des darlegungs-und beweisbelasteten Klägers dazu fehle, dass er zur Vorfinanzierung nicht imstande gewesen sei. Es sei gerichtsbekannt, dass zahlreiche namhafte Ver­mieter vor Ort für die Anmietung eines Fahrzeugs der unteren Mietwagenklas­sen 1 und 2 lediglich die Vorlage einer EC-Karte verlangten. Ferner hätte der Kläger sich mit der Beklagten in der Zeit zwischen Unfall und Anmietung in Ver­bindung setzen können, um eine Finanzierung der Mietwagenkosten sicherzu­stellen. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass ihm ein wesentlich günstigerer Tarif unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt nicht zugänglich gewesen sei. Er habe sich lediglich bei zwei Autovermietungen nach den entsprechenden Mietpreisen er­kundigt und dabei nur von einer eine Auskunft erhalten. Schon im Hinblick auf die Höhe des in Anspruch genommenen Tarifs hätten weitere Erkundigungen bei anderen Mietwagenanbietern nahe gelegen, um sich einen Überblick zu verschaffen, zumal eine Not- oder Eilsituation nicht vorgelegen habe. Der von der Streithelferin in Rechnung gestellte Preis von 175€ netto pro Tag sei um ein Vielfaches höher als der nach dem Modus der Schwacke-Liste 2006 übli­che. Danach sei ein Mietwagenpreis von 555 € brutto pro Woche angemessen und erforderlich. Daraus ergebe sich der Tagespreis von 79,29 € brutto bzw. für den vorsteuerabzugsberechtigten Kläger von 66,60 € netto. Dem Kläger stün­den daneben die Kosten für die Vollkaskoversicherung sowie für die Zustellung und Abholung des Fahrzeugs zu, nicht hingegen für Winterreifen, zu deren Vor­handensein Vortrag des Klägers fehle.

II.

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforder­lichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rah­men des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Er verstößt aber noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistun­gen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (ständige Rechtsprechung vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 160, 377, 383 f.; vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – VersR 2006, 133; vom 5. Juli 2005 – VI ZR 173/04 – VersR 2005, 1256, 1257; vom 19. April 2005 – VI ZR 37/04 – VersR 2005, 850; vom 15. Februar 2005 – VI ZR 160/04 – VersR 2005, 569, 570 und – VI ZR 74/04 – VersR 2005, 568 und vom 26. Oktober 2004 – VI ZR 300/03 -VersR 2005, 241, 243). Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensab­rechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – zu schätzen (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 – VI ZR 37/04 – und vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – jeweils aaO), wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den „Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschä­digten – gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung – ermitteln (vgl. Senat, Urteile vom 26. Juni 2007 – VI ZR 163/06 – VersR 2007, 1286, 1287; vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06 – VersR 2007, 1144, 1145; vom 30. Januar 2007 –VI ZR 99/06 – VersR 2007, 516, 517 und vom 9. Mai 2006 –VI ZR 117/05 – VersR 2006, 986 f.).

2. Danach ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den zur Frage der Erforderlichkeit der Mietwagen kosten vergleichsweise heranzuzie­henden „Normaltarif an Hand des „Schwacke-Mietpreisspiegel“ 2006 ermittelt hat. Insoweit hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 – VersR 2008, 699, 700 m.w.N.).  Doch überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers dadurch, dass es zur Rechtfertigung des der Schadensabrechung zugrunde liegenden höheren Unfallersatztarifs aus betriebswirtschaftlicher Sichtdie Darlegung bezifferbarer Beträge bzw. konkreter prozentualer Aufschläge für  unfallbedingte Leistungen verlangt. Nach ständiger Rechtsprecnung des ernennenden Senats ist es nicnt erforderlich, für die Frage der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifs die Kalkula­tion des konkreten Vermieters nachzuvollziehen, vielmehr hat sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Un­fallgeschädigte allgemein den Mehrpreis rechtfertigen (vgl. etwa Senatsurteile vom 30. Januar 2007 – VI ZR 99/06 – aaO; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 243/05 – VersR 2007, 514, 515; vom 4. April 2006 – VI ZR 338/04 – VersR 2006, 852, 854; vom 14. Februar 2006 –VI ZR 126/05 – VersR 2006, 669, 670 und – VI ZR 32/05 – VersR 2006, 564, 565). Der erkennende Senat vermag die Be­denken des Berufungsgerichts, wonach die Prüfung der Rechtfertigung eines Aufschlags nicht zu einem konkreten Ergebnis führen könne, wenn sich die spezifischen unfallbedingten Leistungen nicht in bezifferbare Beträge bzw. kon­krete prozentuale Aufschläge fassen ließen, nicht zu teilen. Die Beschränkung der Prüfung darauf, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, dient nicht nur dem Interes­se des Geschädigten, um für ihn bestehenden Darlegungs- und Beweisschwie­rigkeiten zu begegnen. Diese Art der Prüfung gewährleistet vielmehr auch, dass die erforderlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhand objektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die konkrete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermieters ankommt (Senatsurteil vom 24. Juni 2008 – VI ZR 234/07 – VersR 2008, 1370, 1371). Ob und in welchem Umfang sich die unfallspezifischen Fak­toren Kosten erhöhend auswirken, ist vom Tatrichter erforderlichenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen zu schätzen (§ 287 ZPO). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlen für eine solche Begutachtung ohne konkrete Zah­lenangaben nicht die Anknüpfungstatsachen. So hat der gerichtliche Sachver­ständige in dem Verfahren, das dem Senatsurteil vom 24. Juni 2008 (- VI ZR 234/07 – aaO) zugrunde liegt, aufgrund verschiedener in der Fachliteratur ver­tretener Ansichten und nach Überprüfung der Plausibilität der einzelnen Risiko­faktoren einen Aufschlag von 15,13 % wegen spezifischer Sonderleistungen für erforderlich erachtet.

Die Streithelferin hat allgemeine unfallspezifische Kostenfaktoren vorge­tragen, die einen höheren Mietpreis rechtfertigen können. Danach sei das an­gemietete Fahrzeug zur Werkstatt des Klägers gebracht und von dort zurück­geholt worden. Eine Vorreservierungszeit sei nicht erforderlich gewesen, ob­wohl es sich nicht um einen üblichen PKW, sondern um einen Transporter han­delte. Die voraussichtliche Mietzeit sei offen geblieben. Es seien keine Voraus­zahlung und keine Kaution für Fahrzeugschäden oder für die Betankung erho­ben worden. Auch seien keine Nutzungseinschränkungen vereinbart worden. Schließlich sei das Fahrzeug mit Winterreifen ausgerüstet gewesen. Zu mehr Angaben war der Kläger nicht verpflichtet.

Das Berufungsgericht durfte die Vorfinanzierung der Mietwagenkosten als unfallspezifischen Kostenfaktor nicht auch schon deshalb unberücksichtigt lassen, weil substantiierter Vortrag des Klägers dazu fehlte, dass er zur Vorfi­nanzierung nicht im Stande sei. Diese Frage betrifft   nicht die Erforderlichkeit der Herstellungskosten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB. Unter diesem Blickwinkel kommt es darauf an, ob dem Geschädigten die Vorfinanzierung, zu der auch der Ein­satz einer EC-Karte oder einer Kreditkarte gerechnet werden könnte, möglich und zumutbar ist. Das kann angesichts der heutigen Gepflogenheiten nicht ge­nerell ausgeschlossen werden, für den Streitfall aber auch nicht mangels hinrei­chender tatsächlicher Grundlagen bejaht werden, wobei zunächst im Rahmen des § 254 BGB nicht der Kläger darlegungs- und beweispflichtig ist, wenn sich auch je nach dem Vortrag der Beklagten für ihn eine sekundäre Darlegungs­und Beweislast ergeben kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 163, 19, 26; vom 20. März 2007 – VI ZR 254/05 – VersR 2008, 235, 237; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 32/05 – VersR 2006, 564, 565 und vom 29. September 1998 -VI ZR 296/97 – VersR 1998, 1428). Der Geschädigte ist im Rahmen des § 254 BGB auch unter Berücksichtigung seiner sekundären Darlegungs- und Beweislast jedenfalls nicht gehalten, von sich aus zu seiner finanziellen Situation vorzutra­gen.

Unter den Umständen des Streitfalls kann dem Kläger auch nicht vorge­worfen werden, dass er sich mit der Beklagten bis zur Anmietung des Fahr­zeugs nicht in Verbindung gesetzt habe. Dass die Beklagte zur Vorfinanzierung bereit gewesen wäre, behauptet diese selbst nicht. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vortrag der Streithelfe­rin in der ersten Instanz hierzu nicht gewürdigt hat, dass der Beklagten von der Streithelferin ein um 25 % günstigerer Tarif angeboten worden sei, wenn keiner­lei Haftungseinwände erfolgten und die Kostenübernahme erklärt würde, die Beklagte jedoch darauf nicht reagiert habe. Auch hätte das Berufungsgericht den beweisbewehrten Vortrag der Streithelferin berücksichtigen müssen und dass das Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war (§ 287 ZPO; Art 103 Abs. 1 GG).

3. Auf die Klärung der Erforderlichkeit des geltend gemachten Unfaller­satztarifs kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil nach den Umständen des Streitfalls feststünde, dass dem Kläger jedenfalls ein günstigerer „Normalta­rif“ in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine solche (kostengünstigere) Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs unter dem Blickwinkel der ihm gemäß §254 BGB obliegenden Schadensminde­rungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. Senat, Urteil vom 20. März 2007 – VI ZR 254/05 – VersR 2008, 235, 237 m.w.N.).

Wenn die „Erforderlichkeit“ des geltend gemachten Unfallersatztarifs nicht feststeht, trifft – anders als die Revision meint – den Kläger die Beweislast dafür, dass ihm ein wesentlich günstigerer Tarif nicht zugänglich war. Insoweit geht es nicht um die Verletzung der Schadensminderungspflicht, für die grund­sätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat (vgl. Se­natsurteile vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 308/07 – VersR 2008, 1706, 1707; vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 – VersR 2008, 699, 701; vom 9. Oktober 2007 – VI ZR 27/07 – VersR 2007, 1577, 1578; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – VersR 2006, 669, 671 und vom 19. April 2005 – VI ZR 37/04 – VersR 2005, 850, 851). Steht fest, dass der Unfallersatztarif betriebswirtschaftlich ge­rechtfertigt ist, sodass er grundsätzlich dem Geschädigten als unfallbedingter Herstellungsaufwand zu ersetzen wäre, möchte jedoch der Schädiger nach § 254 BGB nur einen niedrigeren Schadensersatz leisten, so hat er nach allge­meinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zugänglich war (Senatsurteil vom 24. Juni 2008 – VI ZR 234/07 – aaO, 1372).

Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht aus seiner Sicht zu­treffend dem Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür überbürdet, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkei­ten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Auch geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass es zur Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf ankommt, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre, wobei die Höhe des angebotenen Unfallersatztarifs eine maßgebende Rolle spielt, wenn sich daraus Bedenken gegen die Ange­messenheit ergeben können (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 163, 19, 24 f.; Urteile vom 30. Januar 2007 – VI ZR 99/06; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 243/05; vom 9. Mai 2006 –VI ZR 117/05; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – und vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – jeweils aaO). Liegt die Höhe des Mietprei­ses weit über den Vergleichspreisen und ist das Angebot des in Anspruch ge­nommenen Vermieters um ein Vielfaches überhöht, wird sich „ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten um eine preis­wertere Möglichkeit der Anmietung bemühen. Die Frage, welche Bemühungen dem Geschädigten um einen günstigeren Tarif zuzumuten sind, ist somit maß­geblich beeinflusst von der Höhe des Mietpreisangebots.

Hierzu rügt die Revision mit Recht, dass das Berufungsgericht aufgrund einer fehlerhaften Rechnung eine erhebliche Differenz zwischen Normaltarif und Unfallersatztarif angenommen hat, die den Kläger zu weiteren Erkundigun­gen hätte veranlassen müssen. Bei der vom Berufungsgericht vorgenommenen Berechnung des einheitlichen Tagestarifs aus dem siebten Teil des Wochenta­rifs bleibt außer Betracht, dass der Kläger bei Anmietung des Ersatzfahrzeugs nach dem Reparaturplan von einer Reparaturdauer von fünf Tagen ausgehen durfte und sich diese erst nach Lieferung der falschen Ersatztüren um vier Tage verlängerte. Ein Angebot zum Wochentarif kam, da der Kläger an einem Mon­tag das Ersatzfahrzeug mietete, somit vorerst für ihn nicht in Frage. Ob der Klä­ger auch schon aufgrund der Höhe des Tagespreises gehalten gewesen wäre, sich nach weiteren günstigeren Tarifen zu erkundigen, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen vom erkennenden Senat nicht beurteilt werden.

Der Kläger musste sich auch nicht schon aufgrund der Verlängerung der Mietzeit um einen günstigeren Tarif bemühen, selbst wenn ihm Vergleichsprei­se im Informationsschreiben der Beklagten vom 22. März 2006 genannt worden sind. Das Schreiben ist erst am 29. März 2006, mithin zwei Tage nach Abschluss des Mietvertrags, zugegangen. Die in Tabellenform dargestellten Miet­preise betreffen PKW und keinen Transporter. Sie beziehen sich auch nicht auf eine konkrete Vermieterfirma in der dem Kläger zugänglichen Region. Schon deshalb war der Kläger nicht verpflichtet, den Mietvertrag zu kündigen und ein Fahrzeug bei einem anderen günstigeren Anbieter anzumieten, zumal die Re­paraturzeit lediglich auf fünf Tage veranschlagt war (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2009 – VI ZR 134/08 – VersR 2009, 801, 802).

Hingegen liegt es im Ermessen des im Rahmen des § 287 ZPO beson­ders frei gestellten Tatrichters und begegnet die Auffassung des Berufungsge­richts keinen rechtlichen Bedenken, dass die Einholung eines einzigen Ver­gleichsangebotes durch den Kläger nicht genügt hätte, wenn aufgrund der Hö­he des Mietangebots der Streithelferin eine Erkundigungspflicht bestünde. Nachdem die Firma U. die Preisangabe verweigert hatte, lag lediglich ein einzi­ges Vergleichsangebot vor, das der Kläger schon deshalb hätte kritisch prüfen müssen, weil er die Telefonnummer dieser Firma vom Angestellten der Streit­helferin, mithin der Konkurrenz, aus dessen Telefonbuch erhalten hatte und der Anruf bei einem weiteren Vermieter von dem Angestellten abgewehrt worden ist, nachdem ein Anbieter die Auskunft verweigert hatte.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats die gebotenen Feststellungen zur Erforderlichkeit des Unfallersatztarifs im konkreten Fall und unter Umständen zur Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifs nachholen kann.

Galke                                                      Zoll                                             Diederichsen
.                              Pauge                                             von Pentz

Vorinstanzen:
AG Gera, Entscheidung vom 27.12.2007 – 7 C 957/07 –
LG Gera, Entscheidung vom 14.01.2009 -1 S 24/08 –

Siehe auch: kfz-betrieb Online vom 11.02.2010

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu Urteil des BGH zu Mietwagenkosten – VI ZR 112/09 vom 19.01.2010

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    „…Danach ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den zur Frage der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten vergleichsweise heranzuzie­henden “Normaltarif an Hand des “Schwacke-Mietpreisspiegel” 2006 ermittelt hat. Insoweit hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 – VersR 2008, 699, 700 m.w.N.)…“ So der BGH. Damit hat er bestätigt, dass Schwacke als Vergleichstabelle heranzuziehen ist. Nachdem nunmehr bekannt wurde, wie Fraunhofer sich den Versicherungen anbiedert, kann von einer unabhängigen Liste bei Fraunhofer nicht mehr ausgegangen werden. Wenn die Instanzrichter als Vergleichsmassstab Schwacke heranziehen, hält sich dies im nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Rahmen. Die Versicherungen sollten doch einsehen, dass Fraunhofer out ist. Auch das VW-Urteil vom 20.10.2009 gebietet, marktübliche Preise zugrunde zu legen. Irgendwelche Miet-Preise auf Grund von Sondervereinbarungen sind keine marktüblichen Preise und daher für den Geschädigten unzumutbar (vgl. Otting MRW 2010, 14). Im übrigen hat der BGH mit dem VW-Urteil auch die Dispositionsbefugnis der Geschädigten wieder in den Vordergrund gerückt. Danach ist der Geschädigte „Herr des Wiederherstellungsgeschehens“. Er kann bestimmen, z.B. wo repariert und wo angemietet werden soll, allerdings darf er die marktüblichen Preise nicht aus den Augen verlieren.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  2. BGH VI ZR 7/09 vom 2.2.10:
    Der BGH hat am 02.02.2010 ein weiteres Urteil (VI ZR 07/09) zu Mietwagenkosten gefällt.

    Darin erteilt der BGH den üblichen Ausdrucken aus dem Internet eine Absage, wie sie von der Versicherern verstärkt in den Klagerwiderungsschriftsätzen eingebracht sind, wenn diese Preisnennungen nicht den Markt abbilden. Der BGH bezeichnet diese Angebote als Sondermarkt, der „mit dem „allgemeinen“ regionalen Markt nicht vergleichbar sein muss“. Nach Auffassung des BAV kann das auch auf jeden Wert der Fraunhofer-Interneterhebung übertragen werden, das allein sollte Fraunhofer mehr als erschüttern. Deshalb ist auf diesen Teil des Urteils (Randnummer 21) an dieser Stelle besonders hinzuweisen. Ob der Vortrag der Beklagten neben unerheblichen Internetausdrucken in diesem konkreten Fall auch eine Erschütterung der verwendeten Schätzgrundlage enthält, hat das Landgericht nun noch einmal zu klären, da es sich dazu nicht speziell geäußert hatte. Das Urteil sende ich an die Redaktion.

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