AG Fürstenfeldbruck verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 25.02.2011 (3 C 1695/10) hat das Amtsgericht Fürstenfeldbruck die beteiligte Versicherung  zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.356,70 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Eine Widerklage, mit der beantragt wurde, festzustellen, dass über die beantragte Forderung hinaus kein weiterer Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten besteht, wurde abgewiesen. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet, da dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zah­lung in Höhe von 1.356,70 Euro nebst der geltend gemachten Zinsen sowie die eingeklagten Ne­benforderungen zusteht. Hingegen war die Widerklage mangels erforderlichen Feststellungsinteresses als unzulässig abzuweisen.

1. Dem Kläger steht gemäß §§ 823 Absatz I, 249 Absatz II 1 BGB gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der noch offenen Metwagenkosten in Höhe von 1. 358,70 Euro zu.

1.1. Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite verstieß der Kläger mit der Anmietung eines Fahrzeuges für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeuges nicht gegen seine Scha­densminderungsobliegenheit. Mietwagenkosten sind grundsätzlich gemäß § 249, 2 BGB nur erstattungsfähig, wenn und soweit sie sich im Rahmen des Erforderlichen hal­ten. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist gemäß § 242 BGB auch der Rechtsgedan­ke des § 254 Absatz II 1 BGB zu berücksichtigen. Wenn der Geschädigte die Höhe der Kosten für die Schadensbeseitigung beeinflussen kann, ist er unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftli­cheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, bildet gleichsam eine immanente Schranke für die Höhe der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten. Die Entschädigungs­forderung kann deshalb im Einzelfall am Einwand des § 254 Absatz II BGB scheitern, der durchgreift, wenn der Geschädigte den Wagen nur für die Zurücklegung einer ganz kleinen Tagesstrecke benutzte und ihm nach den Umständen zugemutet werden kann, für die Zurücklegung dieser Strecke auch einmal einige Tage ein Taxi zu benutzen (vgl. OLG München NVZ1992, 362). Im vorliegenden Fall fuhr der Kläger mit dem Fahrzeug während der 19-tägigen Mietdauer 530 km, so dass von einer durchschnittlichen Stre­cke von 28 km / Tag auszugehen ist. Da die die Rechtssprechung insoweit von einer Grenze von 20 km ausgeht (vgl. Palandt /Heinrichs BGB 63. A. § 249 Rn. 31), die der Kläger im vorliegenden Fall bereits überschritten hat, scheidet bereits aus diesem Grund ein Verstoß gegen seine Schadensminderungsobliegenheit aus. Darüber hinaus sind auch die Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen. Der Kläger hat eine sechsköp­fige Familie, für die er neben den Fahrten zur Arbeit auch die erforderlichen Erledigungen tätigen musste. Diese Umstände spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, dass die Anmietung des Fahrzeuges nicht nur aus Bequemlichkeit oder Statusdenken erfolgte, sondern um den Alltag zumutbar zu bewältigen. Dem Kläger war insoweit nicht zumut­bar alle anfallenden Fahrten für eines sechsköpfige Familie mit dem Taxi durchzuführen.

1.2.  Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Ersatz der geltend gemachten Mietwagenkosten. Mietwagenkosten sind grundsätzlich gemäß § 249, 2 BGB nur erstattungsfä­hig, wenn und soweit sie sich im Rahmen des Erforderlichen halten. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denken­der Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Im vorliegenden Fall macht der Kläger jedoch gerade nicht die ihm tatsächlich seitens der Mietwagenfirrna in Rech­nung gestellten Mietwagenkosten geltend, sondern macht im Rahmen einer fiktiven Be­rechnung den Normaltarif zuzüglich eines 20 %igen unfallspezifischen Aufschlag gel­tend. Aufgrund dessen weist die Klageseite nach Ansicht des Gerichts zurecht darauf hin, dass im vorliegenden Fall der Kläger nicht darlegen und beweisen muss, dass ihm ein günstigerer Tarif nicht zumutbar zugänglich gewesen sei. Dies verlangt die Rechtsprechung lediglich in den Fällen, in denen die tatsächlich angefallenen Mietwagenkos­ten vom Schädiger ersetzt verlangt werden.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dem Kläger den Normaltarif der Mietwagenkosten zu ersetzen. Diesen Normaltarif schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO entsprechend der heranzuziehenden Schwacke-Liste auf 1.696,88 Euro. Die Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruches ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO beson­ders freigestellten Tatrichters. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht aufgrund falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden, insbesondere können in ge­eigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadenschätzung Verwendung finden. Le­diglich falls das Gericht berechtigte Zweifel an der Eignung der jeweiligen Liste im konkre­ten Fall hat, kann es die Heranziehung einer bestimmten Liste ablehnen (BGH v. 14.10.2008, VI ZR 308/07). Im vorliegenden Fall trägt die Beklagtenseite vor, dass die Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage nicht heranzuziehen sei, da diese an diver­sen Mängeln insbesondere in Hinblick auf die Datengewinnung leide und aufgrund des­sen von einigen Gerichten bereits nicht mehr angewandt werde. Es ist jedoch nicht Auf­gabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundla­ge nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass gel­tend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entschei­denden Fall auswirken (vgl. BGH v. 14.10.2008, VI ZR 308/07). Im Streitfall liegt ein sol­cher Tatsachenvortrag nicht vor, insbesondere ist ein Rückgriff auf die die Liste des Fraunhofer Instituts nicht behelflich, da diese Liste bereits aus dem Jahr 2008 stammt und nicht fortgeführt wird. Darüber hinaus weist die Klageseite auch zu recht darauf hin, dass die zweistelligePostleitzahleneinteilung einen zu großen Bereich erfasst, der der individuellen Preisstruktur nicht gerecht wird. Darüber hinaus wurden die Preise un­ter Zugrundelegung einer Vorreservierungsfrist berechnet, die bei Anmietung eines Fahrzeuges als Ersatz für ein verunfalltes Fahrzeug regelmäßig nicht möglich ist, da das Fahrzeug in aller Regel sofort benötigt wird. Schließlich sind die von der Beklagtenseite vorgetragenen Vergleichsangebote nicht geeignet, das Gericht von der Ungeeignetheit der Schwacke -Liste zu überzeugen. Die beiden Vergleichsangebote, die erst zwei Jah­re nach dem fraglichen Anmietzeitpunkt erholt wurden, beziehen sich auf Fahrzeuge, die lediglich für fünf Personen zugelassen sind. Der Kläger benötigte jedoch ein Mietfahr­zeug für sechs Personen. Aufgrund dessen handelt es sich um untaugliche Vergleichs­angebote, die die Geeignetheit der Schwacke -Liste nicht entkräften können. Schließlich hat auch der BGH in seiner Entscheidung vorn 02.02.2010 (VI ZR 139/08) in Kenntnis der Bedenken gegen die Schwacke-Liste, diese erneut zugrunde gelegt bzw. die Anwen­dung dieser Liste durch die Instanzgericht nicht beanstandet. Aufgrund dessen hält auch das hiesige Gericht an der Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage für den Nor­maltarif fest.

Darüber hinaus kann der Kläger auch einen 20%igen Aufschlag auf den Normaltarif er­setzt für unfallbedingte Mehraufwendungen ersetzt verlangen. Der Kläger hat insoweit dargelegt, dass der gegenüber dem Normaltarif höhere Tarif aufgrund konkreter aus Anlass der unfallbedingten Anmietung des Klagers gegebener Kostenfaktoren gerechtfer­tigt ist. Eine am Einzelfall orientierte Aufstellung der Kostenkalkulation ist insoweit nicht erforderlich, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Anforderungen an die Darlegungslast des Geschädigten mit dem Erfordernis konkreter Angaben zur Kalkulation des Unfallersatztarifes überspannt werden. Auch die Darlegung bezifferbarer Beträge bzw. konkreter prozentualer Aufschläge für unfallbedingte Leistungen kön­nen nicht verlangt werden. Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO beson­ders freie Tatrichter muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung ei­nes „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Fal­le nachvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfer­tigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Be­tracht kommt Die Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein den Mehrpreis rechtfertigen (vgl. BGH v. 19.01.2010 Az. VI ZR 112/09). Im vorliegenden Fall begründet der Kläger den un­fallspezifischen Zuschlag damit, dass die voraussichtliche Mietzeit bei der Anmietung noch nichtbekannt war und aufgrund dessen offen bleiben musste. Darüber hinaus musste der Kläger keine Kaution oder Vorauszahlung für Fahrzeugbeschädigung oder Betankung leisten. Schließlich war das Fahrzeug ohne Vorreservierung angemietet wor­den. Diese Punkte, die bei einer normalen Anmietung eines Fahrzeuges gerade nicht vorliegen, rechtfertigen nach Ansicht des Gerichts einen 20%igen unfallspezifischen Auf­schlag.

Schließlich sind dem Kläger auch die geltend gemachten Versicherungskosten zu erset­zen. Da der Kläger nicht die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten geltend macht, sondern die Mietwagenkosten fiktiv abrechnet, kann es dahinstehen, ob der Kläger eine Haftungsreduzierungsvereinbarung mit dem Mietwagenuntenehmen abgeschlossen hat. Die Kosten der Haftungsreduzierung sind dem Geschädigten entsprechend der Schwacke-Liste zu erstatten, da der Geschädigte berechtigt ist, das Risiko dem er durch die Nutzung eines zumeist höherwertigen Mietfahrzeuges ausgesetzt ist, durch die Vereinbarung einer Vollkaskoversicherung zu reduzieren.

Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sowie die Verzugszin­sen sind dem Kläger gemäß §§ 280, 286, 238 BGB zu erstatten.

Die Widerklage war mangels Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO als unzulässig zu­rückzuweisen. insbesondere lag für die Beklagte keine Unsicherheit vor, die durch die be­gehrte Festsstellung beseitigt wird. Der Kläger hat bereits vorgerichtlich als auch in der Klageschrift deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten ersetzt verlangt, sondern die geltend gemachten Mietwagenkosten ent­sprechend der Schwacke-Liste fiktiv berechnet hat. Die Vorlage der Mietwagenrechnung erfolgte indes als Nachweis für die Dauer und die Tatsache der Anmietung. Dem Kla­gevortrag ist jedoch ohne weiteres zu entnehmen, dass nur die fiktiven Mietwagenkosten und nicht die tatsächlich angefallenen Kosten geltend gemacht werden. Einer zusätzli­chen, vom Beklagten begehrten verbindlichen Erklärung, dass die tatsächlichen Mietwagenkosten nicht begehrt werden, bedurfte es nicht. Der Kläger hat hierzu keinerlei Anlass gegeben.

Kosten: § 91 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO

Soweit das AG Fürstenfeldbruck.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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