AG Gemünden a. Main verurteilt R + V Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (11 C 1055/07 vom 22.10.2008)

Am 22.10.2008 erließ das AG Gemünden a. Main ein Urteil, mit dem die R + V Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 703,81 € zzgl. Zinsen sowie weiterer RA-Kosten verpflichtet wurde (Gesch.-Nr.: 11 C 1055/07).

Die Parteien streiten um restliche Mietwagenkosten aus einem Unfall vom Dezember 2004, die Haftung der Beklagten vom Grunde her ist unstreitig. Der Kläger hat für die Reparaturzeit von 5 Tagen ein Mietfahrzeug der Mietwagenklasse 7 in Anspruch genommen zum Preis von 1.415,20 €, die Beklagte zahlte hierauf 621,90 €.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Begleichung von rest­lichen Mietzinsrückständen in Höhe von insgesamt 775,69 EUR. Die Schwacke-Liste sei geeigne­tes Mittel zur Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten. Jedenfalls sei der „Normaf-Tarif durch das eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten nunmehr mit 1.007,85 EUR {1.169,11 EUR inkl. 16% MwSt) angenommen worden, so dass sich unter Berücksichtigung der mitgebuchten Haftungsreduzierung von netto 135,- EUR ein Gesamtbetrag (inkl. 16% MwSt) von 1.325,70 EUR ergebe.

Abzüglich der bereits geleisteten Zahlung von 621,90 EUR, stehe so zu­mindest noch ein Betrag von 703,08 EUR zur Zahlung offen. Ersparte Eigenaufwendungen seien auf Grund der geringen Kilometerleistung von nur 372 km nicht messbar und dürfte deswegen nicht in Abzug gebracht werden.

Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stünde der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Sie be­hauptet, der Kläger sei vor Vertragsschluss nicht über alternative Tarife informiert worden und nicht darüber, dass die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners möglicherweise die Metwagen­rechnung nicht in vollem Umfang erstattet. Sie ist der Ansicht, diese Verletzung der Schadens­minderungspflicht führe dazu, dass der Kläger nicht zur Zahlung der in Rechnung gestellten über­höhten Mietwagenkosten verpflichtet sei. Der Geschädigte könne von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis ersetzt verlan­gen. Die Beklagte behauptet, dem Geschädigten sei hier ein günstiger Normaltarif zugänglich ge­wesen. Weiter behauptet die Beklagte, der Kläger hätte im Zusammenhang mit der Anmietung des Ersatzfahrzeuges keine unfallbedingten Mehrleistungen erhalten, die einen pauschalen Auf­schlag von 20 % auf den Mietpreis rechtfertigen würden. Die Beklagte ist der Ansicht, die Schwacke-Liste sei keine taugliche Schätzgrundlage. Wenn dieses möglich wäre, so müsste der Ver­mieter seine Preise nicht mehr kalkulieren und dem Wettbewerb aussetzen. Die Schwacke-Liste lasse die Gewichtung nach der Größe der Vermietsituation außer Acht. Zudem werde die Korrekt­heit des Antwortverhaltens der befragten Vermieter ungeprüft unterstellt. Die Schwacke-Liste sei ferner nicht nach den Regeln der wissenschaftlichen Marktforschung erhoben. Nach Ansicht der Beklagten müsse deshalb der nun vorliegende „Marktpreisspieget Mietwagen – Deutschland 2008“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO herangezogen werden, der die Marktsituation zutreffend wiederspiegle. Auch das zur Frage des „Normal-Tarifs“ eingeholte gerichtliche Gutachten spiegle die Marktsituation nur unzutreffend wieder.

Über die Frage des ortsüblichen Selbstzahlertarifs wurde mit Beschluss vom 25.02.2008 Beweis durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens und anschließender mündlicher Einvernahme des Sachverständigen Dipl.-ing. XY erhoben.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 7,18 StVG, § 823 BGB, § 3 PflVG in Verbindung mit § 249 BGB noch Restschadensersatz in Höhe von 703,08 EUR beanspruchen. Die weiterge­hende Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat für die Dauer der Reparatur seines Pkw (5 Tage) ein Ersatzfahrzeug gleicher Klasse (Mietwagenklasse 7) angemietet. Am Abschluss eines wirksamen Mietvertrages, der auch eine Einigung über den Mietpreis beinhaltet, bestehen seitens des Gerichts keine Zweifel.

Allerdings ist durch das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten vom 12.08.2008 unter Berücksichtigung des Rabatts für Sofort- und Barzahler, den der Kläger sich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB anrechnen lassen muss, ein Mittelwert für den Selbstzahlertarif von 1.169,11 EUR ermittelt worden. Das Gericht schließt sich insoweit den ausführlichen und nachvollziehbaren schriftlichen und in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2008 gemachten Ausführungen vollumfänglich an. Auch die Beschränkung der Erhebung auf das Postleitzahlengebiet 977 durch den Beweisbeschluss des Gerichts vom 25.02.2008 Ist durchaus gerechtfertigt, da der Wohnort des Klägers, B….., in der Nähe von Gemünden a. Main im Landkreis Main-Spessart um ein ländlich geprägtes Gebiet handelt, in dem es dem Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht zumutbar ist darüber hinausgehende Mietpreisrecherchen durchzuführen. Im Übrigen ist nach den Erläuterungen des Sachverständigen auch nicht von größeren Abweichungen dieses Mittelwertes bei Ausweitung des Erhebungsgebiets auszugehen, da die meisten Autovermietungen ihren Sitz in größeren Städten hätten und von einheitlichen Preisgestaltungen auszugehen sei.

Zu dem ermittelten Grundbetrag von 1.169,11 EUR sind noch die geltend gemachten Kosten für die auf Grund bestehender Vollkaskoversicherung berechtigter Weise mitgebuchte Haftungsbefreiung in Höhe von 156,60 EUR (135,- EUR netto) hinzurechnen, so dass sich ein Gesamtbetrag von 1.325,71 EUR ergibt.

Der grundsätzlich vorzunehmende Abzug der ersparten Eigenaufwendungen (vgl. Palandt, 67. Aufl. 2008, § 249 BGB Rn. 32) kann vorliegend unterbleiben, da bei einer Kilometerleistung von nur 372 km diese Ersparnisse nach Auffassung des Gerichts praktisch nicht messbar sind.

Abzüglich der bereits erfolgten Teilzahlung in Höhe von 621,90 EUR ergibt sich damit ein noch offener Seirag in Höhe von 703,81 EUR, so dass die Klage in dieser Höhe begründet ist.

Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 117,62 EUR sind als Verzugsschaden zu ersetzen und ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB

Auch das AG Gemünden a. Main meint: Schwacke-Liste yes; Fraunhofer Liste no!

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

Siehe auch: CH-Beitrag vom 08.01.2014

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7 Antworten zu AG Gemünden a. Main verurteilt R + V Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (11 C 1055/07 vom 22.10.2008)

  1. Buschtrommler sagt:

    Zitat:
    ..unter Berücksichtigung des Rabatts für Sofort- und Barzahler, den der Kläger sich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB anrechnen lassen muss,…

    Bedeutet dies, daß man als (Miet-)Kunde somit Bar-/Sofort-zahler sein sollte oder wie lässt sich dieser Satz interpretieren als Laie?

    Sollte dies bedeuten, daß man diese Rabatte „mitnehmen“ müsste,um der Schadensminderungspflicht nachzukommen, könnte es für manche (Miet-)Kunden nachteilig werden, da sie evtl. diese Summe NICHT sofort oder bar begleichen können (aus welchen Gründen auch immer…),bzw. mit Abtretungserklärung dies auch nicht machbar wäre.

    Gruss Buschtrommler

  2. Babelfisch sagt:

    Ich halte dieses Postulat ebenfalls für problematisch. Verhält es sich allerdings so, dass der Kunde nicht sofort zahlen kann, kann ihm dies auch nicht nachteilig zugerechnet werden, jedoch müßte er im Prozeß entsprechend vortragen.

  3. Brabec, Michael sagt:

    Diese Formulierung meint wahrscheinlich den sog. „Normaltarif“, der für Mieten außerhalb Unfallersatz für den „Selbstzahler“ gilt. Dort muss der Mieter idR Vorauskasse leisten und Sicherheiten hinterlegen. Das ist auch eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass im Unfallersatzgeschäft ein Aufschlag gerechtfertigt ist, wo an völlig Unbekannte nur mit einer Abtretung/Sicherungsabtretung im Hintergrund vermietet wird. Soweit ist das in Ordnung. Unterstellt man nun jedoch für dieses Urteil des AG Gemünden, dass durch die Klägerseite zu Mehraufwand und Risiken im Unfallersatzgeschäft vorgetragen wurde, stimmt es wirklich bedenklich, dass nun der Aufschlag fehlt. Häufig haben sowohl Anwälte der Klägerseite, als auch Instanzrechtsprechung hiermit noch arge Probleme. Es kommt sehr auf die Güte und Penetranz des Vortrages an, so die Theorie. Trotzdem positiv wegen Ablehnung Fraunhofer…

  4. Schwarzkittel sagt:

    Das Problem der Vortragsschwäche der Klägervertreter, die ja i.d.R. den Geschädigten vertreten, läßt sich doch mit einer Streitverkündung an den Autovermieter beseitigen. Der sollte dann vortragen können, jedenfalls wenn er seine Hausaufgaben gemacht hat, also betriebswirtschaftliche Erläuterung bzw. Rechtfertigung eine Aufschlages auf den eigenen (marktüblichen) Normaltarif.
    Geht, wenn man (Autovermieter) will…

    Mit entsprechendem Sachvortrag hat der Richter die Möglichkeit einer Zuschätzung an der Hand und kann es auch.

    Grüße aus der Suhle

    Schwarzkittel

  5. Willi Wacker sagt:

    Hallo Schwarzkittel,
    guter Gedanke. So könnte es in der Tat gehen: Dem Autovermieter den Streit verkünden mit dem Antrag, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beizutreten. Damit ist der Vermieter dann mit in den Prozess eingebunden und die Rechtswirkungen des Urteils gelten dann auch für den Streitverkündeten.
    Grüsse in die Suhle
    Willi Wacker

  6. SV sagt:

    Wie urteilte der BGH unter dem AZ: VIII ZR 138/08:

    “Das Unternehmen habe ein ”verfassungsrechtlich geschütztes Geheimhaltungsinteresse an Geschäftsdaten”,

    und muss deshalb die Kalkulation für das Zustandekommen seiner Gaspreise nicht offen legen.

    Was für Gasanbieter gilt, gilt auch für Sachverständige. Und was für Sachverständige gilt, gilt auch für Mietwagenfirmen und für Werkstätten und und und ….

    Sagt mal zu einem Versicherer, er soll seine Kalkulationen offenlegen – ich wette, dann antwortet dieser postwendend ebenfalls mit obigem BGH Urteil.

    Wenn also der Geschädigte in seiner Wahl der Schadenbeseitigung frei entscheiden kann und dies tut, indem er sich selbstständig an eine Mietwagenfirma, einen Sachverständigen und an seine Werkstatt wendet, dann hat der Versicherer die jeweiligen Kosten zu erstatten. Wenn der Versicherer hier das Risiko des eigenverantwortlichen Handelns von Unfallopfern – welches er sich ja vom Kunden hat bezahlen lassen – nicht tragen will?, dann sollte es ihm untersagt sein, Haftpflichtversicherungen zu verkaufen. Der positive Nebeneffekt – eine enorme Entlastung unserer Gerichte, finanziell und arbeitstechnisch.

    SV

  7. Buschtrommler sagt:

    Unfall vom Dezember 2004..Am 06.10.2008 erließ das AG Gemünden a. Main ein Urteil…
    Zitat Babelfisch:
    Verhält es sich allerdings so, dass der Kunde nicht sofort zahlen kann, kann ihm dies auch nicht nachteilig zugerechnet werden…

    Entweder stundet der Vermieter solange(was eher Ausnahme sein wird)oder der Mieter muß irgendwie „Kohle zusammenkratzen“(falls machbar..)
    Aus engerem Bekanntenkreis weiß ich,daß ein Vermieter klar aussagte(da die Huk involviert war?)der Wagen muß bezahlt werden und die Abtretungserklärung wurde vernichtet.Veständlicher Hintergrund war, daß der Vermieter nicht „ewig“ auf seine (evtl. gekürzte) Kohle warten wollte…nur erfahren viele nicht solche Tatsachen und wiegen sich in trügerischer Sicherheit.
    Deshalb auch immer mein Rat an Geschädigte:
    egal wie vermeintlich eindeutig auch ein Schaden aussieht,nehmt einen Anwalt dazu!
    Gruss Buschtrommler

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