AG Heinsberg verurteilt Provinzial Rheinland Versicherung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 1.4.2014 – 18 C 423/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachfolgend veröffentlichen wir hier ein Urteil aus Heinsberg zu den Sachverständigenkosten gegen die Provinzial Rheinland Versicherung aus April 2014. Auch hier handelt es sich wieder um eine gerichtlich durchgeführte Willkürkürzung, die dem Amtsgericht im Schadensersatzprozess laut BGH-Rechtsprechung (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) nicht zusteht. Im Übrigen ist die Begründung hierzu hanebüchen nach Gutsherren- bzw. „Gutsfrauenenart“. Lest selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

18 C 423/13

Amtsgericht Heinsberg

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Frau … ,

Klägerin,

Herr … ,

Streitverkündeter,

gegen

die Provinzial Rheinland Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstand, dieser
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden

Beklagte,

hat das Amtsgericht Heinsberg

im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 01.04.2014
durch die Richterin am Amtsgericht L.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen den Streitverkündeten aufgrund der überhöhten Kostennote vom 10.06.2013 weitere 189,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 15%, die Beklagte zu 85%. Die Kosten des Streithelfers trägt die Beklagte zu 85%, im Übrigen der Streithelfer selbst.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(ohne Tatbestand gemäß § 313a ZPO)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 189,28 € aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, 2 StVG in Verbindung mit § 115 VVG.

Unstreitig ist der klägerische Pkw bei einem durch einen Versicherungsnehmer der Beklagten allein schuldhaft verursachten Verkehrsunfall beschädigt worden.

Der Höhe nach besteht ein Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 189,28 €:

Von dem Schädiger sind die Kosten von Sachverständigengutachten zu erstatten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Vorliegend ist für die Klägerin die Einholung eines Gutachtens eines Kfz-Sachverständigen erforderlich gewesen, um die erforderlichen Reparaturkosten für ihr unfallbeschädigtes Kfz substantiiert beziffern zu können.

Die von dem Sachverständigen … abgerechneten Kosten von insgesamt 773,78 € brutto sind in Höhe von 738,08 € erstattungsfähig:

Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen. Es ist einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachterauftrags nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten kann daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.01.2006, Az. 4 U 49/05, zit. nach juris).

Vorliegend ist für die Klägerin bis auf die Position „Ermittlung von Vorschäden am Fahrzeug -EUR 120,- / Stunde-“ nicht erkennbar gewesen, dass der Sachverständige … sein Honorar willkürlich festsetzt oder Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen. Die Höhe des Grundhonorars hat die Beklagte nicht beanstandet. Sie hat allein Einwände gegen die zusätzlich abgerechneten Nebenkosten erhoben. Die von den Sachverständigen … bzgl. der Nebenkosten Lichtbilder für Original, Lichtbilder für Kopien, Fahrtkosten für gefahrene Kilometer, Schreibkosten je Seite für Original, Schreibkosten je Seite für Kopien und Pauschale für Porto-, Telefonkosten abgerechneten Beträge befinden sich innerhalb des HB-V Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2013, innerhalb dessen je nach Schadenhöhe zwischen 50% und 60% der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen, bzw. überschreiten diesen Korridor nur geringfügig. Aus diesem Vergleich ergibt sich, dass für die Klägerin bei der Beauftragung des Sachverständigen … nicht ersichtlich gewesen ist, dass er die o.g. Nebenkosten in willkürlicher Weise überhöht festsetzt.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung haben die Klägerin und der Sachverständige auch die Abrechnung von Nebenkosten vereinbart. Der von der Klägerin unterzeichnete Gutachtenauftrag beinhaltet die ausdrückliche Regelung, dass die AGB und die Honorartabelle des Sachverständigen als Vertragsgrundlage vereinbart werden.

Diese vertragliche Vereinbarung ist auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 305c BGB unwirksam. In Abweichung von dem der zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Lüdenscheid zugrunde liegenden Sachverhalt, beinhaltet vorliegend der Gutachtenauftrag keine Bezugnahme auf einen eindeutig bezeichneten Gebührenwert, sondern allgemein auf die Honorartabelle. Dass diese auch Nebenkosten mit beinhaltet ist nicht derart ungewöhnlich, dass die Klägerin mit einer solchen Abrechnung nicht hat rechnen müssen. Die Abrechnung von Nebenkosten ist vielmehr bei der Erstellung von Sachverständigengutachten im Verkehrsunfallwesen allgemein üblich.

Etwas anderes gilt allerdings bzgl. der Position „Ermittlung von Vorschäden am Fahrzeug -EUR 120,- / Stunde-„. Insoweit ist für die Klägerin bei Beauftragung des Sachverständigen … erkennbar gewesen, dass er in willkürlicher Weise zusätzliche Nebenkosten berechnet. Die Klägerin hat den Sachverständigen … mit der Ermittlung der Kosten für die Reparatur der unfallbedingten Schäden des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls vom 06.06.2013 beauftragt. Dieser Auftrag hat den Sachverständigen dazu verpflichtet, Schäden des klägerischen Pkw zu ermitteln, zu beurteilen, ob diese unfallbedingt entstanden sind, und die erforderlichen Reparaturkosten zu beziffern. Die Feststellung ob es sich bei von ihm festgestellten Schäden um unfallbedingte Schäden oder um Vorschäden handelt, ist daher bereits von dem ihm erteilten Gutachtenauftrag umfasst und mit dem Grundhonorar vergütet. Dies ist für die Klägerin auch als Laie erkennbar gewesen. Auch ein Laie weiß, dass der Sachverständige ein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall insgesamt überprüft und Feststellungen dazu trifft, ob festgestellte Schäden unfallbedingt sind. Dies ist zentraler Bestandteil des Gutachtenauftrags und keine zusätzliche Nebenleistung. Es ist daher für die Klägerin ersichtlich gewesen, dass die zusätzliche Berechnung von Kosten für die Ermittlung von Vorschäden als Nebenkosten willkürlich ist. Die Position ist daher nicht von der Beklagten an die Klägerin zu erstatten. Der abgerechnete Betrag von 30,00 € netto entspricht einem Betrag von 35,70 € brutto. Es verbleibt eine Forderung von 738,08 € und abzüglich von der Beklagten bereits erstatteter 548,80 € eine Restforderung von 189,28 €.

Die Zinsforderung beruht auf §§ 286, 288 BGB. Der Kläger hat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.06.2013 unter Fristsetzung bis zum 25.06.2013 erfolglos zur Zahlung aufgefordert.

Die Zug um Zug-Verurteilung beruht auf § 255 BGB analog.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: 224,98 €.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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