AG Karlsruhe verurteilt Württembergische zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (8 C 146/10 vom 08.06.2010)

Mit Urteil vom 08.06.2010 (8 C 146/10) hat das Amtsgericht Karlsruhe die Württembergische Versicherung AG  zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 380,66 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde, die Fraunhofer Tabelle wird nicht akzeptiert.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist zulässig und der Sache zum überwiegenden Teil auch begründet.

Der Kläger hat gegen die beklagte Versicherung, deren Einstandspflicht nach dem Ver­kehrsunfall vom xx.xx.2010 in S. zwischen den Parteien nicht in Streit steht, gem. § 7 I StVG i.V.m. § 115 VVG Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von noch 380,66 Euro.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Kläger hinsichtlich der Mietwagenkosten noch ein restlicher Zahlungsanspruch in Höhe von 380,66 Euro zu.

Der Umfang des Schadensersatzanspruches des Klägers bestimmt sich nach § 249 BGB. Demnach kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkos­ten verlangen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.

Der Geschädigte ist dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleite­ten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehrerem Möglichen den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er aus mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen die Anmietung eines ver­gleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt ver­langen kann.

Nach diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall zunächst der gem. § 249 BGB erforderli­che Normaltarif zu ermitteln. Zugrunde zu legen ist dabei nach Auffassung des Gerichts weiterhin der jeweils gültige Schwacke-Mietpreisspiegel zum Unfallzeitpunkt; dies ist die Schwackeliste aus dem Jahr 2008.

Soweit die Beklagte die Heranziehung des Schwacke-Automietpreis-Spiegels für die Bestimmung des ortsüblichen Normaltarifes als nicht geeignete Schätzungsgrundlage ansieht, kann dem nicht gefolgt werden. Der Bundesgerichtshof hat eine Schätzung auf dieser Grundlage wiederholt ausdrücklich gebilligt (BGH NJW 2009, Seite 58). Dies ent­spricht auch der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe (Versicherungs­recht 2008, Seite 92) sowie der Berufungskammer des Landgerichts Karlsruhe (Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28.01.2009, Az. 1 S 135/08).

Das Gericht hält entgegen der Auffassung der Beklagten den Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts nicht für eine vorzugswürdige Schätzgrundlage. Denn gegenüber dem Mietpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts bestehen vor allem dahingehend Beden­ken, dass Angebote von Mietwagenunternehmen berücksichtigt wurden, die nur über das Internet buchbar sind. Auf Angebote aus einem Sondermarkt wie im Internet muss sich ein Geschädigter aber nicht verweisen lassen. Im Übrigen wurden die Schätzgrund­lagen für den Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts telefonisch erhoben. Diese Datenerhebung ist nicht hinreichend ortsnah, denn die per Telefon erhobenen Daten be­ziehen sich auf einstellige Postleitzahlengebiete. Die Ermittlung der für die ortsüblichen Mietwagenpreise im Sinne des § 249 BGB ist aber am Preisniveau des Ortes der Fahrzeuganmietung zu orientieren (BGH NJW 2008, Seite 1915). Nach alledem ist bei der Ermittlung der Höhe der Mietwagenkosten auf den Normaltarif des Schwacke-Mietpreis-Spiegels für das Jahr 2008 zurückzugreifen zzgl. der zu erstattenden Nebenkosten. Un­ter Zugrundelegung des Schwacke-Automietpreis-Spiegels ergibt sich daher folgender Normaltarif:

Mietpreis für 12 Tage

1 x Wochenpauschale
Normaltarif im Mittel entsprechend Klasse 3 für 7 Tage    470,12 Euro
3-Tagespauschaie im Mittel    239,82 Euro
zzgl. 2 x Tagespauschale
Grundpreis Normaltarif im Mittel 2 x 80,93 Euro    161,86 Euro
Gesamtbetrag    871,80 Euro
abzgl. 5% Eigenersparnfs      43,59 Euro
Mietwagenkosten    828,21 Euro
zzgl. Haftungsbefreiung 1 x Wochenpauschale    126,34 Euro
zzgl. 3-Tagespauschale      57,43 Euro
zzgl. 2 x 1 -Tagespauschale je 19,34 Euro      38,68 Euro
Summe der Haftungsbefreiung    222,45 Euro
Gesamtbetrag Mietwagenkosten 1.050,66 Euro
abzgl. Zahlung der Beklagten    670,00 Euro
zu erstattende Mietwagenkosten    380,66 Euro

Der Eigenersparnisabzug ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Ge­richts mit 5% der Mietwagenkosten zu bemessen.

Darüber hinaus sind auch die in der Rechnung der Mietwagenfirma ausgewiesenen Kosten für die Haftungsbegrenzung nach den Tarifen der Schwackeliste in vollem Um­fang zu erstatten, da es nach der neuen Rechtsprechung nicht mehr darauf ankommt, ob der Geschädigte sein unfallgeschädigtes Fahrzeug ebenfalls Vollkasko versichert hat oder nicht

Zu den Kosten, die ein verständig wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Ge­schädigte für zweckmäßig und notwendig halten darf, fallen auch regelmäßig die Kosten einer Kaskoversicherung bei der Anmietung eines Mietfahrzeuges. Es ist hierbei zu be­rücksichtigen, dass jemand, der ein fremdes Fahrzeug anmietet, einem höheren Kosten­risiko ausgesetzt ist, als jemand, der sein eigenes Fahrzeug benutzt. Im Fall der Be­schädigung des Mietwagens ist unbedingt Schadensersatz zu leisten nach dem Auf­wand für eine vollständige und optimale Reparatur. Beim eigenen Fahrzeug kann der Betroffene hingegen die Schadensbeseitigungskosten häufig kontrollieren. Bei lediglich oberflächlichen Beschädigungen – Dellen oder Schrammen – kann er die Reparatur auf­schieben oder darauf ganz verzichten. Insofern kann der Betroffene sein Kostenrisiko steuern und unter Berücksichtigung seiner Möglichkeiten die Entscheidung treffen, ob er eine Vollkaskoversicherung für wirtschaftlich vernünftig hält oder nicht. Solche Möglich­keiten stehen demGeschädigten als Fahrzeugmieter nicht zur Verfügung. Deshalb wird er sich als verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch regelmäßig für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung entscheiden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Benutzung des Mietwagens für den Geschädigten regelmäßig ein besonderes Benutzungsrisiko darstellt, weil er mit dem Ersatzfahrzeug nicht so vertraut ist, wie mit seinem eigenen Wagen. Aus diesem Grunde sind die Kosten für die Vollkaskoversiche­rung in vollem Umfang zu erstatten, auch wenn der Geschädigte für das geschädigte Fahrzeug keine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat.

Darüber hinaus kann dem Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorge­worfen werden, dass er sich nicht nach günstigeren Tarifen erkundigt hat. Der Unfall ereignete sich freitags gegen 15.00 Uhr, sodass der Kläger aufgrund des Wochenendes vor der Anmietung des Ersatzfahrzeuges an dem folgenden Montag nicht umfangreiche Erkundigungen bei anderen Mietwagenunternehmen einholen musste. Entgegen der Auffassung ergab sich kein Anlass für eine Erkundigung aus der Höhe der zu erwarten­den Mietwagenkosten.

Aufgrund der Höhe des dem Geschädigten von der Firma Euromobil angebotenen Tarifs für ein Fahrzeug der Mietwagengruppe 3, der den nach dem Schwacke-Mietpreis-Spiegel 2008 ermittelten Normaltarif um lediglich ca. 9% übersteige, habe steh für den Kläger die Erforderlichkeit der Erkundigung nach günstigeren Tarifen ohne Weiteres nicht aufdrängen müssen. Aus diesen Gründen ist der Kläger nicht gehalten gewesen, zwei bis drei Vergleichsangebote nach Ablauf des Wochenendes unmittelbar vor der Anmietung des Fahrzeuges einzuholen.

Der Kläger war nach alledem berechtigt, bei dem Autohaus, bei dem er sein beschädigtes Fahrzeug zur Reparatur gegeben hat, auch ein Ersatzfahrzeug anzumieten, sodass nach alledem unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung in Höhe von 670,00 Euro die Beklagte noch verpflichtet ist, an den Kläger restliche Mietwagenkosten in Höhe von 380,66 Euro zu erstatten.

Des Weiteren ist die Beklagte auch verpflichtet, die geltend gemachten Zinsen sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 380,66 Euro mit insge­samt 83,54 Euro als Verzugsschaden zu erstatten.

Nachdem die Beklagte die Regulierung weiterer Mietwagenkosten ablehnte, befand sich die Beklagte in Verzug mit dem Ausgleich restlicher Mietwagenkosten, sodass auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu erstatten sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 IV ZPO nicht gegeben sind.

Soweit das AG Karlsruhe.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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