AG Köln verurteilt beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 27.04.2010 (262 C 87/09) hat das AG Köln die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 598,88 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Für das Gericht gilt die Schwacke-Liste, keine Anwendung findet die Fraunhofer Tabelle und die Zinn-Erhebung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist in Höhe von 598,88 € begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht gemäß. §§ 7, 17. 18 StVG. § 3 Nr. 1 und 3 PflVG a.F. (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG n.F.). 249 BGB wei­tere Mietwagenkosten in der zugesprochenen Höhe verlangen.

Mietwagenkosten gehören grundsätzlich zum Herstellungsaufwand, den ein Schädi­ger oder dessen Haftpflichtversicherung gemäß § 249 BGB dem Geschädigten nach einem Unfall zu ersetzen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind als erforderlicher Aufwand nur diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschä­digten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.

Der Geschädigte ist dabei eben­so wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkos­ten, dass er von mehreren auf dem örtlichen relevanten Markt – nicht nur für Unfall­geschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann.

Bei der Frage der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten hält das Gericht den in der Tabelle des Schwacke-Automietpreisspiegeles (2006) enthaltenen Moduswert bzw. das arithmetische Mittel für die jeweiligen Postleitzahlengebiete (Wohnsitz der Ge­schädigten beziehungsweise Anmietstation) für eine angemessene Vergleichs- und Schätzungsgrundlage. Die Werte erscheinen als taugliche Anknüpfungsgrundlage.

Soweit die Beklagte dem entgegentritt, konnte ihr nicht gefolgt werden. Die Tauglich­keit als Anknüpfungsgrundlage war für den vorangegangenen Automietpreisspiegel 2003 insbesondere auch vom Bundesgerichtshof anerkannt. Für die Erhebungen 2006 und 2007 kann nichts anderes gelten. Das dagegen gerichtete Vorbringen der Beklagten überzeugt nicht; zum jetzigen Zeitpunkt sieht das Gericht keine ausrei­chenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die im Mietpreisspiegel 2006 enthaltenen preislichen Veränderungen nicht im Rahmen der allgemeinen Preis- und Marktent­wicklung halten.

Bei der Bildung der gewichteten Mittelwerte bzw. Moduswerte hat sich der Schwacke-Auto-Mietpreisspiegel an den tatsächlichen Marktverhältnissen orientiert. Die Schwacke-Organisation tritt dabei als neutrale Sachverständigenorganisation auf. Zwar werden hierfür lediglich die häufigsten Nennungen herangezogen und nicht, wie man denken könnte, ein Mittelwert aus allen Nennungen gebildet. Jedoch ergibt sich hieraus keine völlige Ungeeignetheit der Schwacke-Liste. Warum es nicht reprä­sentativ sein soll, wenn die Schwacke-Liste nur einen Teil der Mietwagenfirmen be­fragt oder die häufigsten Preisnennungen zugrunde legt, ist nicht verständlich. Schwacke hat allein im Jahr 2007 mehr als 6.300 Vermietstationen befragt und pro Vermietstation mehr als 600 Einzelinformationen in die Datenbank eingestellt; für die Vorjahre gilt ähnliches. Hierzu hätte die Beklagte konkret darlegen müssen, dass die befragten Mietwagenunternehmen völlig aus dem üblichen Preisrahmen herausfal­len. Dies hat sie jedoch nicht getan.

In einer jüngeren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 11.3.2008; Aktenzeichen VI ZR 164/07) gegen die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 keine Bedenken erhoben, sondern ausdrücklich ausgeführt, dass sich die Ermittlung des „Normaltarifs“ auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 im Rahmen de9 tatrichterlichen Ermessens halte. Auch in weiteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof daran festgehalten und die He­ranziehung der Schwacke-Liste nicht beanstandet (vgl. Entscheidungen vom 18.3.2008, 24.6.2008, 14.10.2008 und 13.01.2009). Der Verweis der Beklagten auf den Mietwagen-Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts gibt nach Ansicht des Ge­richts keinen Anlass, von der Meinung abzuweichen, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 eine geeignete Schätzungsgrundlage darstellt. Die genannten Erhebungen sind nicht aufgrund vergleichbarer Grundlagen erfolgt. Darauf braucht sich der Kläger nach Ansicht des Gerichts nicht verweisen zu lassen.

Bei der Bewertung der Schätzungsgrundlagen verkennt das Gericht nicht, dass ge­gen den Schwacke-Mietpreisspiegel teilweise methodische Bedenken vorgebracht worden sind. Darauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen. Andererseits sind aber auch ebenso berechtigte Bedenken gegen die Erhebungen des Fraunhofer Miet­preisspiegels gegeben.

Die von der Beklagten angeführte Studie des Fraunhofer Instituts sowie die Preiser­hebung von Zinn sieht das Gericht nicht als vorzugswürdig gegenüber der Schwa­cke-Liste an. Das Fraunhofer Institut hat mit der nicht belegten Begründung, dass der Anmietzeitraum nur in äußerst seltenen Fällen Einfluss auf den Preis habe, einen Anmietzeitpunkt gewählt, der zwischen Donnerstag 14 Uhr und Montag 9 Uhr lag. Eventuelle Ferieneinflüsse, Sondertarife u.a. wurden nicht berücksichtigt und flössen auch nicht in Durchschnittspreise ein. Es wurde außerdem jeweils ein etwa eine Wo­che in der Zukunft liegender Anmietzeitpunkt ausgewählt. Die Erhebung auf Internet­basis, die 88% der Daten ausmacht, umfasste 1.529 Anmietstationen, die auf nur sechs verschiedene überregionale Anbieter entfallen. Ferner wurden für das zu mie­tende Fahrzeug fast immer nur Beispielfahrzeuge angegeben; eine Zusicherung für ein bestimmtes Fahrzeugmodell wurde nicht abgegeben. Die Postleitzahlengebiete sind außerdem derart groß gewählt, dass ein Vergleich mit den kleineren Gebieten der Schwacke-Liste kaum möglich ist. Da ein Geschädigter grundsätzlich eine Anmietung in Wohnort- oder Werkstattnähe vornimmt, können weiter entfernte Mietwa­genanbieter in einem groß gewählten Gebiet die Preise erheblich verzerren.

In der zur Zeit vorherrschenden Meinungsvielfalt zur Frage der Schätzungsgrundlage für die Erforderlichkeit von Mietwagenkosten sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum hält sich das Gericht an den vom Bundesgerichtshof als taugliche An­knüpfungsgrundlage angesehenen oder jedenfalls nicht beanstandeten Schwacke-Mietpreisspiegel. Der Vortrag der Beklagten über die Vorzüge der Erhebungen des Fraunhofer Instituts überzeugt das Gericht nicht davon, dass ihr gegenüber der Schwackeliste 2006 der Vorzug zu geben Ist. Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Schätzungsgrundlagen wird auch auf die Ausführungen der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln im Urteil vom 19.11.2008 (Aktenzeichen 9 S 171/08) und der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln im Urteil vom 06.01.2009 (Aktenzeichen 29 O 97/08) hingewiesen, die das Gericht jedenfalls zur Frage der Schätzungsgrundlagen teilt. Aus Vorstehendem ergibt sich, dass die Berechnungen der Klägerin auf der Basis des Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 grundsätzlich nicht zu beanstanden sind.

Auch die vorgelegten Angebote der X GmbH sowie der übrigen Autover­mieter sind nicht ausreichend. Diese betreffen bereits nicht denselben Zeitraum. Dass diese auch im Unfallzeitpunkt entsprechend verfügbar waren, ist lediglich pau­schal behauptet, aber nicht näher ausgeführt. Zudem handelt es sich um Internetan­gebote. Ob ein Geschädigter hierauf verwiesen werden kann, erscheint zumindest zweifelhaft.

Die dem Mietwagenspiegel 2006 zu entnehmenden Mietpreise (nicht auch die für die Haftungsreduzierung, wie die Klägerin meint) sind nach den Umständen des Streitfal­les um einen pauschalen Aufschlag von 20 % zu erhöhen. Spezifische Leistungen des Mietwagenunternehmens bei der Vermietung an Unfallgeschädigte (wie die Vor­finanzierung des Mietfahrzeugs oder das Ausfallrisiko wegen falscher Bewertung der Haftungsquote) können im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO einen pauschalen prozentualen Aufschlag auf den „Normaltarif“ rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008 NJW 2008, 1519). Der Höhe nach hält das Gericht einen Zu­schlag von 20 % für angemessen, aber auch ausreichend. Mangels entgegenste­hender Anhaltspunkte kann der Anfall unfallbedingter Mehrleistungen unterstellt wer­den, wo die Anmietung des Ersatzfahrzeugs innerhalb von zwei Tagen nach dem Unfall erfolgte (siehe hierzu: OLG Köln. Schaden-Praxis 2010. 17). Dies ist vorlie­gend der Fall, da die Anmietung einen Tag nach dem Unfallereignis erfolgte.

Hinzu kommen die Kosten für die Haftungsbefreiung sowie die Kosten für die Zustel­lung und Abholung und die für einen Zusatzfahrer, die ausweislich der Rechnung tatsächlich angefallen sind. Es hat auch keine Vorteilsanrechnung zu erfolgen, da grundsätzlich die Benutzung eines Mietwagens mit einem erheblichen Schädigungs­risiko verbunden ist, so dass unabhängig von der Frage, ob das klägerische Fahr­zeug selbst vollkaskoversichert war, ein Anspruch auf Ersatz dieser Kosten besteht.

Unter Berücksichtigung der genannten Umstände (PLZ 415, Gruppe 4 für 1 Woche und 2 x 1Tag) errechnen sich folgende erforderliche Mietwagenkosten:

1 x Wochenpreis    477,00 €
2 x Einzeltage    164,00 €
Aufschlag 20%    128,20 €
Vollkasko    189,00 €
Zustellung/Abholung      50,00 €
Zusatzfahrer    135,00 €
insgesamt 1.143,20 €

Die Klägerin musste sich jedoch einen Abzug für ersparte Eigenaufwendungen von 10% gefallen lassen, da kein klassentieferes Fahrzeug angemietet wurde, so dass ein Betrag in Höhe von 1.028,88 € verbleibt. Das Gericht folgt nicht der teilweise ver­tretenen Auffassung, dass ein Abzug nicht vorzunehmen sei, wenn die zurück geleg­te Fahrleistung unter 1.000,00 km liegt. Abzüglich der geleisteten Zahlung von 430,00 € verbleibt ein Anspruch auf Zahlung von 598.88 €.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Rechtsan­waltsgebühren nach einem Gegenstandswert von bis zu 900.00 €. Die zugesproche­nen Zinsen sind gemäß §§ 288 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1, 187 analog BGB gerechtfer­tigt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Soweit das AG Köln.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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