AG Leipzig weist mit prima Urteil vom 3.8.2016 – 113 C 9512/15 – die LVM Versicherung in ihre Schranken bezüglich der Restwertfeststellungen und hinsichtlich der erforderlichen Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

hier und heute veröffentlichen wir für Euch eine ausgezeichnete Entscheidung des AG Leipzig zum Restwert und zu den Sachverständigenkosten gegen die LVM Versicherung. Zu diesem Urteil des AG Leipzig sind für die Leserschaft noch einige Erläuterungen des Einsenders von Vorteil. Hier die Erläuterungen des Einsenders:

Erster Hauptstreitpunkt war die Ansetzung eines erheblich überhöhten Restwertangebots, selbstverständlich von Control€xpert im Auftrag der LVM ermittelt. Hier wollte die LVM-Versicherung bei erster Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten festgehalten wissen, dass man auf jeden Fall ein eigenes Restwertangebot abgeben will. Nach Vorlage des Gutachtens wurde das Fahrzeug jedoch zum gutachterlich ermittelten höchsten Restwert (3 Angebote lagen vor, so wie es der BGH verlangt) veräußert. Der Verkauf wurde der Versicherung mitgeteilt. Erst danach hat die Versicherung selbst die Einhaltung eigener Restwerte beauftragt! Dem hat das hiesige Amtsgericht einen Riegel vorgeschoben und dieser Praxis widersprochen. Zudem hat es den Geschädigten darin bestärkt, sich auf die Ausführungen des Gutachters verlassen zu dürfen. Den Sachverständigen selbst hat das Gericht insoweit in Schutz genommen, als dass dieser nicht selbst darlegen müsse, wie er die Restwerte ermittelt, wenn er die Bieter konkret benenne etc. Zweiter Streitpunkt waren die üblichen Kürzungen der Sachverständigenkosten. Auch hier hat das Gericht unmissverständlich klargestellt, dass dem Geschädigten nicht bekannt sein müsse, wie viele Gutachter es – in diesem Fall – in Leipzig gibt und zu welchen Sätzen der jeweilige Gutachter abrechnet.

Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 113 C 9512/15

Verkündet am: 03.08.2016

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a. G., Kolde-Ring 21, 48126 Münster,

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durchhat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2016 und dem nachgelassenen Schriftsatz am 03.08.2016

für Recht erkannt:

1.         Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.330,00 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2015 zu zahlen.

2.         Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Inanspruchnahme durch das Sachverständigenbüro … aus deren Rechnung-Nr. … für das angefertigte Schadengutachten vom 07.07.2015 aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 04.07.2015 durch Zahlung an das Sachverständigenbüro … in Höhe von brutto 21,42 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz spätestens seit 28.07.2015 freizustellen.

3.         Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Inanspruchnahme durch Rechtsanwalt … aus Rechnung-Nr. … vom … für die außergerichtliche Regulierung des Sachschadens aus dem Unfall vom 04.07.2015 durch Zahlung an Rechtsanwalt … auf dessen Honorarkonto bei der Sparkasse Leipzig, … in Höhe von netto 157,79 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2016 freizustellen.

4.         Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.         Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.330,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall vom 04.07.2015 auf der Adenauer Allee in Leipzig.

Die Beklagte ist zu 100 % einstandspflichtig für berechtigte Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfallereignis.

Das Fahrzeug des Klägers erlitt einen Totalschaden. Die Beklagte hat der Schadensberechnung einen Restwert in Höhe von 4.130,00 EUR zugrundegelegt. Auf die Gutachterkosten zahlte sie 903,21 EUR, und auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 571,44 EUR.

Der Kläger trug vor, dass der Sachverständige ausweislich des Gutachtens vom 07.07.2015 (Bl. 8 ff. d. A.) einen Restwert in Höhe von 2.800,00 EUR unter Benennung von drei möglichen Restwertkäufern ermittelt habe. Die Ausführungen dazu seien korrekt. Das von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegte Angebot sei reine Makulatur. Die Firma Controll €xpert hat das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt besichtigt, die willkürlichen Angaben, welche diese zur entsprechenden Angebotsabgabe online gestellt haben wollte, seien nicht einmal prüffähig. Der Kläger habe sein geschädigtes Fahrzeug am 10.07.2015 zum Restwert von 2.800,00 EUR verkauft. Mit Schreiben vom 22.07.2015, im Posteingang am 27.07.2015, hätte die Beklagte das Restwertangebot über 4.130,00 EUR übersandt. Aus dem Restwertangebot sei erkennbar, dass die Anfrage erst nach Bekanntgabe der Veräußerung des Pkw des Klägers  am 09.07.2015 geschaltet worden wäre. Der Kläger müsse sich nicht auf dieses Restwertangebot verweisen lassen.

Auch seien die Sachverständigenkosten ordnungsgemäß ermittelt und abgerechnet worden. Die Rechnungslegung des Sachverständigen erfolgte in Grundhonorar und den Nebenkosten immer auf der Basis der aktuellen BVSK-Honorar-Befragung, welche allgemein anerkannt und auch in den meisten Fällen zu einem sachgerechten Interessenausgleich führe. Der Kläger habe bei der Auswahl des Sachverständigen auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Durch die Tatsache, dass der Kläger ein qualifiziertes Sachverständigenbüro mit der Begutachtung beauftragt habe, sei er seiner Schadensminderungspflicht im vollen Umfang nachgekommen.

Die Erstattungsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten ergeben sich als Primärschadenersatzanspruch aus § 249 BGB. Infolge bestehender Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers ergebe sich die Schadensabrechnung bezüglich der unter Ziffer 3 geltend gemachten Nebenforderung. Darüber hinaus bestünde Anspruch auf Ersatz des Verzugschadens.

Im Übrigen wird Bezug genommen im vollen Umfang auf das umfangreiche schriftsätzliche Vorbringen.

Der Kläger stellte folgende Anträge:

1.         Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.330,00 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2015 zu zahlen.

2.        Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Inanspruchnahme durch das Sachverständigenbüro … aus deren Rechnung-Nr. … vom 07.07.2015 für das angefertigte
Schadengutachten … aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 04.07.2015 durch Zahlung an das Sachverständigenbüro … in Höhe von brutto 21,42 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz spätestens seit 28.07.2015 freizustellen.

3.         Die  Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Inanspruchnahme durch Rechtsanwalt … aus Rechnung-Nr. … vom … für die außergerichtliche Regulierung des Sachschadens aus dem Unfall vom 04.07.2015 durch Zahlung an Rechtsanwalt … auf dessen Honorarkonto bei der Sparkasse Leipzig, … in Höhe von netto 157,79
EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trug vor, dass der Restwert von 2.800,00 EUR, wie ihn der Sachverständige ausgewiesen habe, bestritten werden müsse. Es bestünden schon erhebliche Zweifel daran, dass der Sachverständige … den im Gutachten angegebenen Restwert ordnungsgemäß ermittelt hätte. Es sei nicht im mindesten dargelegt, wie der Sachverständige die Restwertkäufer kontaktiert habe. Konkret sei auch unbekannt, unter welchen Prämissen und Entscheidungskriterien der Sachverständige ausgerechnet die benannten Restwertaufkäufer ausgewählt habe. Die Ermittlung der angegebenen Restwertangebote sei also für die Beklagte nicht nachvollziehbar.

Wie sich aus den Restwertangeboten, vorgelegt von der Beklagtenseite, ergebe, sei die Schadensabrechnung unter Zugrundelegung eines Restwertes von 4.130,00 EUR durchzuführen. Da es an einem ordnungsgemäß ermittelten Restwert fehle, dürfte der Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH auf dieses nicht vertrauen, und das Risiko, das sich (wie hier) der Restwert später als zu niedrig herausstelle, verbleibe dann bei ihm. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der Kläger der Beklagten, trotz Hinweis, keine Gelegenheit gegeben habe, eigene Restwertangebote zu unterbreiten. Auch dieses müsse sich der Kläger entgegenhalten lassen. Die Beklagte habe den Kläger schon mit Schreiben vom 06.07.2015 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Fall eines Totalschadens, die Übersendung eines gegebenenfalls Firmenrestwertangebotes möglich wäre. Ein Verkauf des Fahrzeugs am 10.07.2015 würde mit Nichtwissen bestritten.
Die Sachverständigenkosten, insbesondere die Nebenkosten, seien überhöht und würden damit einen nicht ersatzfähigen Schaden darstellen. Es würde diesbezüglich auf das umfangreiche Vorbringen im Schriftsatz vom 10.02.2016 verwiesen.

In Ermangelung einer Hauptforderung bestünde weder ein Anspruch auf Verzugzins, der bestritten würde, noch auf Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwalts kosten. Selbst wenn der Kläger mit seiner Klage vollständig obsiege, würden sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von unter 7.000,00 EUR richten, so dass selbst dann nur weitere 78,90 EUR begründet wären.

Auch im Weiteren wird auf das umfangreiche schriftsätzliche Vorbringen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat noch weiteren Schadenersatzanspruch aus dem Verkehrsunfallereignis vom 04.07.2015 gemäß § 115 VVG gegenüber der Beklagten.

Unstreitig ist die Beklagte zu 100 % einstandspflichtig für berechtigte Schäden, die dem Kläger aus dem oben genannten Verkehrsunfallereignis entstanden sind.
Der Geschädigte leistet nach dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im allgemeinen Genüge, und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Ein Sachverständigengutachten zum Restwert kann einer Entscheidung nur dann zugrundegelegt werden, wenn der Sachverständige drei Angebote eingeholt hat, sich nicht auf Allgemeinplätze beschränkt, sondern seine Wertermittlung durch konkrete Angaben offenlegt. Diesen Anforderungen entspricht der Sachverständige in seinem Gutachten vom 07.07.2015 (Bl. 12 d. A.), indem er die konkreten Firmen angibt, die Angebote abgegeben haben, wie diese telefonisch erreichbar sind, und mit dem Hinweis, dass die Restwertangebote eine Gültigkeit von 14 Tagen haben. Der Sachverständige muss nicht darlegen, welchen Kontaktweg er dazu bestritten hat, und auch nicht den Umfang und die Qualität der übersandten Informationen benennen. Selbst wenn die vom Sachverständigen genannten Firmen nicht spezialisiert wären auf den Handel mit Unfallfahrzeugen, widerspricht es nicht den Anforderungen, die an das Sachverständigengutachten zur Restwertermittlung gestellt werden.

Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, die Haftpflichtversicherung des Schädigers von der beabsichtigten Veräußerung des Schrottfahrzeugs zu unterrichten (BGH, Urteil vom 12.07.2005 in zfs 12/2005, Seite 600 ff.). Die Beklagte hat auch nicht besondere Umstände unter Beweis gestellt, die im vorliegenden Fall vom Kläger zu berücksichtigen wären, um günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Die Darlegungen in dem Schreiben vom 06.07.2015 (Bl. 57 d. A.) stellen kein konkretes Restwertangebot dar, sondern beinhalten nur allgemeine Hinweise.

Aus oben genanntem ergibt sich, dass bei der Schadensabrechnung ein Restwert von 2.800,00 EUR zugrundezulegen war, und somit diesbezüglich eine Restforderung über 1.330,00 EUR besteht.

Der Kläger hat auch Anspruch darauf, dass ihn die Beklagte bezüglich der noch offenen Sachverständigenkosten freistellt. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot ein zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Dass dem Geschädigten ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung des Sachverständigen vorzuwerfen ist, ist weder aus dem Sachverhalt erkennbar, noch durch die Beklagte dargelegten und unter Beweis gestellt. Die Beklagte wäre für die Verletzung   der Schadensminderungspflicht beweispflichtig. Es ist davon auszugehen, dass der Geschädigte, andererseits ist nichts bekannt, zum erstenmal einen Unfall erlitten hat, so dass ihm üblicher Weise gar nicht bekannt ist, wieviele Sachverständigebüros es im Raum Leipzig überhaupt gibt, und zu welchen Tarifen diese jeweils arbeiten. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass insbesondere, wie von der Beklagtenseite dargelegt, überhöhte Nebenkosten abgerechnet werden, sind jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies für den Geschädigten erkennbar war.

Die Beklagte war dementsprechend zu verurteilen.

Ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers an die Beklagte vom 21.07.2015 wird ein vorläufiger Schaden von 7,033,01 EUR geltend gemacht. Eine 1,3 Geschäftsgebühr beträgt 592,80 EUR, und es ist noch die Pauschale über 20,00 EUR zu addieren, so dass der Bruttowert 729,31 EUR beträgt. Der Kläger hat somit auch Anspruch auf Freistellung bezüglich des Differenzbetrages über 157,79 EUR, wie ausgeurteilt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.07.2015 eine Abrechnung vorgenommen, so dass sie sich spätestens seit dem 28.07.2015 mit den Restforderungen in Verzug befindet. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht ein Anspruch auf Prozesszinsen gemäß der §§ 288, 291 BGB. Im Übrigen besteht der Anspruch auf Verzugschaden und Verzugzinsen entsprechend der §§ 280, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO entsprechend dem Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO und die Höhe des Streitwertes gemäß § 3 ZPO aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu AG Leipzig weist mit prima Urteil vom 3.8.2016 – 113 C 9512/15 – die LVM Versicherung in ihre Schranken bezüglich der Restwertfeststellungen und hinsichtlich der erforderlichen Sachverständigenkosten.

  1. Kfz-Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Guten Morgen, Willi Wacker,

    die rechtswidrige Honorarkürzungspraxis der LVM Versicherung aus Münster widerspricht eindeutig dem Grundsatz des Schadensersatzrechtes, wonach bei voller Haftung vollständiger Schadensersatz zu leisten ist (vgl. Steffen NZV 1991, 1 f.; ders. NJW 1995, 2057, 2062; BGH NJW 2014, 1947 Rdnr. 7).

    Die „Kürzungen“ erklären sich aus dem Umstand, dass die LVM Versicherung die BGH-Rechtsprechung offensichtlich für unbeachtlich hält, sich ex post nicht an einer Gesamtkostenbetrachtung orientiert, sondern den Nebenkostenbedarf pauschal nur bis maximal 100,00 € akzeptieren will. Selbst nach Ansicht des OLG München ist eine Gesamtbetrachtung der Rechnung vorzunehmen. Es können nicht etwa die Nebenkosten gesondert auf ihre (vermeintliche) Überhöhung überprüft werden, wie es die LVM-Versicherung praktiziert. Mit Urteil vom 08.05.2014 wurde durch das Saarländische Oberlandesgericht (4 U 61/13) im Berufungsverfahren entschieden, dass die Deckelung der Nebenkosten beim Sachverständigenhonorar auf maximal 100 Euro (analog LG Saarbrücken) mit schadensersatzrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Das Urteil des LG Saarbrücken wurde dahingehend aufgehoben. Explizit wurde hierbei auf die verfehlte Rechtsprechung der 13. Zivilkammer des LG Saarbrücken hingewiesen.
    Auch die von der Klägerseite geltend gemachten Nebenkosten sind in der Regel vertraglich vereinbart, so dass es hier auf einen Mittelwert nicht ankommt. Darüber hinaus hat der BGH in seiner Entscheidung VI ZR 225/13 die dort in Rede stehenden Nebenkosten anerkannt. Die Relation zum Grundhonorar darf als bekannt unterstellt werden, zeigt jedoch mehr als deutlich, dass die rechtfertigende Argumentation für solche Art von Kürzungen nicht erheblich ist. Die Vereinbarung der Parteien ist bindend, da Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Preisvereinbarung in der Regel nicht ersichtlich sind und auch substantiiert nicht verdeutlicht werden können.

    Ob diese Nebenkosten objektiv überhöht sind oder nicht, kann indes schon nach dem oben Gesagten dahinstehen, denn vor dem Hintergrund, dass der beauftragte Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist, darf aus den damit verbundenen Rechtsfolgen der Anspruch des Geschädigten nicht durch normative und willkürliche Zubilligung geschmälert werden.

    Wünsche gerade deshalb ein
    entspanntes Wochenende.

    Kfz.-Sachverständigenbüro
    Dipl.-Ing. Harald Rasche
    Bochum + Tangendorf

  2. Logopäde sagt:

    Hallo, Willi,

    „Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“

    Das ist auch so ein Satz, den man immer wieder nach allen Seiten breitklopfen kann. Woran soll das vergleichsweise denn gemessen werden ? Bei Auftragserteilung wissen weder der Geschädigte noch der beauftragte Sachverständige den Aufwand für das zu erbringende Beweissicherungs-Gutachten, die Schadenhöhe ist auch noch nicht bekannt und somit auch noch nicht der Kostenbedarf. Und was ist ein zur Verfügung stehender günstigerer Sachverständiger? Einer, der zu Sonderkonditionen gegenüber der Versicherung abrechnet ? Oder etwa einer, der seine 10 Gutachten im Monat ohne großen Büroaufwand am Küchentisch erstellen kann ? Wer garantiert denn dafür, dass dieser Sachverständige gleichermaßen unabhängig und qualifiziert arbeitet und zu gleichen Ergebnissen findet ? Ich möchte einmal die Väter dieser ausformulierten Überlegung in der Praxis beobachten, wie sie denn selbst dieser kreierten vermeitlichen Obliegenheit entsprechen würden, zumal unter der inzwischen hinlänglich bekannten Tatsache, dass es nach der BGH-Definition der „Üblichkeit“ eine solche gerade nicht gibt. Fazit: Spökenkiekerei.-

    Logopäde

  3. Münsteraner Stadttaube sagt:

    Das AG Leipzig verurteilte die LVM-Versicherung aus Münster bereits mit Urteil vom 7.2.2014 – 118 C 8692/13 und führte u.a. zutreffend in den Entscheidungsgründen aus:

    „Ob die Sachverständigenkosten der Klägerin überhöht waren, kann dahinstehen, da dies der Erstattungspflicht der Beklagten grundsätzlich nicht entgegensteht. Sachverständigenkosten sind vielmehr auch dann zu erstatten, wenn die vom Sachverständigen geltend gemachten Kosten objektiv überhöht sind und das Gutachten unbrauchbar ist.“

    „Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass, und hier unterscheiden sich Sachverständigenkostenfälle von Mietwagenkostenfällen, der Normalbürger nicht die geringste Vorstellung davon haben wird, was ein Gutachter, der einen Schadensfall an einem Pkw zu begutachten hat, üblicherweise für Honorare vereinbart.“

    Willi Wacker merkte zu diesem Urteil u.a. zutreffend an:

    „Das Urteil erging noch vor dem Urteil des VI. Zivilsenates des BGH vom 11.2.2014 – (= BGH VI ZR 225/13 DS 2014, 90). Der erkennende Amtsrichter der 118. Zivilabteilung des AG Leipzig benötigte in seiner Urteilsbegründung kein Wort von Angemessenheit und kein Wort zum BVSK.“

    Münsteraner Stadttaube

  4. Heinrich aus Billerbeck sagt:

    Hallo, W.W.,
    Du erinnerst Dich?
    In einem Rechtsstreit vor dem AG Vaihingen wegen rechtswidrig gekürzter Gutachterkosten in Höhe von 4,17 € (!) hat die beklagte LVM Versicherung u.a. sogar behauptet, dass die abgerechneten Nebenkosten unangemessen hoch seien, da sie 38 % des Grundhonorars ausmachten.
    In den dort abgerechneten Positionen befänden sich unzulässiger Weise auch Gewinnanteile, dies beeinträchtige die Transparenz der Rechnung, sie sei nicht mehr prüfbar.
    Die AG-Direktorin persönlich hat jedoch die Rechtsvorstellungen der LVM-Versicherung in die Schranken verwiesen und dazu u.a. ausgeführt:

    „Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargetan, weshalb die Rechnung bezüglich der Nebenkosten i.H.v. 4,17 € überhöht sein soll. Sie hat vielmehr sämtliche Nebenkostenpositionen in voller Höhe als überhöht bestritten. Gleichwohl hat sie von den auf die Nebenkosten entfallenden 123,17 € den ganz überwiegenden Anteil, nämlich 119 €, gezahlt.

    Zwar verbleibt dem Schädiger die Möglichkeit, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 254 II BGB verstoßen hat, indem er jenseits des “Erforderlichen” überhöhte Sachverständigenkosten akzeptiert hat.
    Die Beklagte hat jedoch nicht dargetan, wie die Geschädigte hätte erkennen sollen, dass die Rechnung des Klägers gerade um 0,85 %, nämlich die streitigen 4,17 €, überhöht sein soll.
    Eine Pflichtverletzung erfordert regelmäßig Verschulden im Sinne von § 276 II BGB, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Angesichts der behaupteten, nur marginalen Überhöhung der Rechnung lässt sich eine Sorgfaltspflichtverletzung der Geschädigten nicht feststellen.“

    Und auch das AG München hat versucht, der LVM Versicherung aus Münster ihre gesetzliche Schadenersatzverpflichtung aufzuzeigen und insoweit u.a. ausgeführt:

    „Solange der Geschädigte also den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt, sind weder der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen.
    Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. LG München 1, 17 S 24136/10 vom 13.1.2012 m. w. N.).

    Da vorliegend der Geschädigte den Sachverständigen beauftragt hat, war im Übrigen nicht danach zu differenzieren, ob die Rechnung bereits bezahlt wurde oder nicht. Die Beurteilung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten erfolgt subjektbezogen und unabhängig von der Frage der Bezahlung der Rechnung.

    Insbesondere ist das Gericht auch nicht berechtigt, anhand einer Honorarumfrage
    eines Sachverständigenverbandes die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten zu kürzen (BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13 und OLG München, 10 U 579/15)).

    Nach Ansicht des Gerichtes können die Nebenkosten nicht isoliert vom Grundhonorar betrachtet werden. Auch hält es das Gericht für unzulässig, einzelne Nebenkosten dahingehend zu überprüfen, ob diese eventuell überhöht sind. Der BGH stellt in seinem Urteil vom 11. Februar 2014 explizit auf die Erkennbarkeit des Unfallgeschädigten ab.
    Es kann im Ergebnis nicht darauf ankommen, ob eine einzelne Nebenkostenpositionen erkennbar überteuert ist oder nicht, sondern nur ob die gesamte Rechnungssumme für den Laien erkennbar überhöht war.“

    Heinrich aus Billerbeck

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