AG Siegen verurteilt HDI Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 06.03.2009 (14 C 2890/08) hat das AG Siegen die HDI Direkt Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 525,18 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und lehnt sowohl die Erhebung von Zinn als auch die Fraunhofer Tabelle ab.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten zzgl. einer Unkostenpauschale in Höhe von 525,18 € gegenüber den Beklagten gemäß §§ 17 Abs. 1, 7 Abs, 1 StVG, § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz (alte Fassung).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten dem Grunde nach sämtlichen Schaden dem Kläger zu ersetzen haben, den dieser aufgrund des Verkehrsunfalles vom 30.05.2008 erlitten hat.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der angemessenen Mietwagenkosten gemäß §249 BGB.

Das Gericht sieht als notwendige und damit ersatzfähige Mietwagen kosten insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.293,88 € an.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten abgerechnet nach dem Normaltarif. Der Kläger kann nicht nach dem Unfallersatztarif abrechnen. Ein Geschädigter hat nur dann einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten abgerechnet nach dem Unfallersatztarif, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Mietwagenunternehmen besondere Leistungen erbracht hat, wie z. B. das kurzfristige Zurverfügungstellen des Mietwagens. Im vorliegenden Fall scheitert es zumindestens an dem kurzfristigen Zurverfügungstellen des Mietwagens. Der Verkehrsunfall hat am 30.05.2008 stattgefunden, wohingegen der Mietwagen erst am 04.06.2008 angemietet worden ist. Der Kläger kann nicht damit gehört werden, er sei zunächst davon ausgegangen, er könne über seine Reparaturwerkstatt einen Ersatzwagen bekommen und habe sich dementsprechend nicht mehr nach einem geeigneten Fahrzeug zum Normaltarif erkundigt und als er von seiner Werkstattfirma erfahren habe, dass doch kein Fahrzeug als Ersatzwagen zur Verfügung stünde, habe er dementsprechend kurzfristig einen Wagen zum Unfallersatztarif anmieten müssen.

Zum einen kann der Kläger nicht ein mögliches Versäumnis seiner Werkstatt zu Lasten der Beklagten dadurch abrechnen, dass er, weil seine Werkstatt keinen Mietwagen entgegen der zunächst gemachten Zusage zur Verfügung stellen konnte, nach dem Unfallersatztarif abrechnet. Wenn die Werkstattfirma entgegen der ursprünglichen Zusage tatsächlich nicht den Ersatzwagen zur Verfügung stellte und dies der Grund zum Anmieten eines Wagens zum Unfallersatztarif war, ist der Kläger gehalten, sich wegen der durch die Werkstatt begangenen Pflichtverletzung an diese zu wenden und einen Schadensersatzanspruch wegen nicht fristgerechter Zurverfügungstellung des Ersatzwagens in Höhe des Differenzbetrages zwischen Unfallersatz- und Normaltarif geltend zu machen.

Zum anderen geht das Gericht davon aus, dass die Erkundigungen nach einem Mietwagen zu dem Normaltarif auch von dem Kläger innerhalb eines Tages, somit noch am 03.06.2008 zu bewerkstelligen gewesen wären. Durch   Telefonanrufe bei mehreren Mietwagenunternehmen hätte der Kläger sich nach dem Normaltarif erkundigen können.

Der Kläger kann nicht damit gehört werden, er sei aufgrund des bestehenden guten Vertrauensverhältnisses zu der Mietwagenfirma davon ausgegangen, dass die ihm in Rechnung gestellten Mietwagenkosten zum Unfallersatztarif er gegenüber der Versicherung des Unfallverursachers vollumfänglich geltend machen kann. Diesem Vortrag des Klägers ist zu entnehmen, dass die Mietwagenfirma den Kläger nicht ausreichend über das Risiko der nicht vollständigen   Bezahlung der Mietwagenkosten, abgerechnet nach dem Unfailersatztarif übernehmen würde. Dementsprechend hätte der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Mietwagenfirma wegen Verletzung der Aufklärungspflicht in Höhe derjenigen Mietwagenkosten, die nicht von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners erstattet werden. Ergänzend ist hierzu auszuführen, dass eine Aufklärung des Klägers durch das Mietwagenunternehmen nicht in dem Zusatz auf dem Formular der Sicherungsabtretung (Blatt 10 der Akte, Anlage K3) gesehen werden kann. Allein der Satz : „Die Alternative der Privatanmietung mit Vorauszahlung ist mir bekannt.“ lässt keinerlei eindeutigen Rückschluss darauf zu, dass das Mietwagenunternehmen den Kläger konkret darauf hingewiesen hat, dass der Unfailersatztarif möglicherweise der Höhe nach nicht vollständig von der unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung bezahlt wird.

Das Gericht ermittelt die angemessenen   Kosten, abgerechnet nach dem Normaltarif anhand der Schwacke-Liste 2003. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund (Entscheidung vom 14.06.2007, Aktenzeichen 4 S 165/06 und Aktenzeichen 4 S 140/06) ist die Schwacke-Liste für das Jahr 2006 nicht als geeignete Bemessungsgrundlage heranzuziehen, weil die Preissteigerung bei den Tarifen von der Schwacke-Liste 2003 zur Schwacke-Liste 2006 teilweise 25 bis 30 % beträgt und diese Preissteigerung allein aufgrund des Zeitablaufs von 3 Jahren nicht zu erklären ist. Auch nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs ist die Heranziehung der Schwacke-Liste 2003 im Gegensatz zu der Schwacke-Liste 2006 als Schätzungsgrundlage von dem richterlichen Ermessen gedeckt (NJW 2009, 58 ff.).

Gegen die Anwendung der Schwacke-Liste 2003 spricht nicht die von Holger Zinn erstellte Studie „Der Stand der Mietwagenpreise im Sommer 2007“. Zwar ist der von Zinn vertretenen Auffassung zu folgen, dass eine Erhebung der Mietwagenpreise durch offene Übersendung eines Fragebogens, wie bei der Schwacke-Liste 2003 bzw. 2006 erfolgt, zumindestens nicht die Gefahr ausschließen kann, dass durch solch eine offene Preiserkundigung manche Autovermieter zu eigener Preisfindung und -festsetzung verleitet werden können, und dem gegenüber legendierte Anfragen per Telefon vorzuziehen sind.

Gegen die Heranziehung der von Zinn vorgelegten Studie spricht jedoch, dass erhebliche Bedenken gegen dessen Objektivität vorliegen. Entsprechend der eigenen Auskunft über sein Profil von Zinn im Internet (vergleiche „www.xing.com/profile/holger_zinn„) bietet Zinn unter anderem Gutachtertätigkeiten für Versicherungen an. Dadurch kann nicht ausgeschlossen werden, dass er in einem gewissen Näheverhältnis zur Versicherung steht und dadurch möglicherweise auch seine eigene Studie „Der Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007“ durch eine versicherungsfreundliche Untersuchungsmethode unzulässigerweise beeinflusst wurde. Gegen die Anwendung der Schwacke-Liste 2003 spricht nicht die Entscheidung des OLG München vom 25.07.2007 (Aktenzeichen: 10 O 2539/08, zitiert nach Juris). In dieser Entscheidung legt zwar das OLG München ausführlich dar, dass es die Schwacke-Liste deshalb nicht zur Ermittlung der zutreffenden Mietwagenpreise heranzieht, da diese nicht durch verdeckte Anfragen, sondern nur durch offene Anfragen an die Mietwagenunternehmer erstellt worden ist und bezieht sich demgegenüber auf ein Gutachten des Fraunhoferinstitutes. Da jedoch laut Internetauskunft (www.kfz-versicherung-online.org/) dieses von dem Fraunhoferinstitut erstellte Gutachten im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GdV) erstellt worden ist, können die dort ermittelten Tarife nicht als unparteiisch angesehen werden.

Unter Zugrundelegung des Normaltarifs anhand der Schwacke-Liste 2003 ergibt sich für eine Anmietzeit von 10Tagen folgende Berechnung:

Es ist aus der Fahrzeuggruppe 8 der mittlere Mietpreis für zunächst eine Woche in Höhe von 666,00 € und sodann der mittlere Mietpreis für 3 weitere Tage in Höhe von 419,00 € hinzuzurechnen. Zu diesem errechneten Gesamtmietpreis in Höhe von 1.085,00 € brutto war ein Aufschlag von jeweils 2 % als Inflationsausgleich für je 1 Jahr, d.h. insgesamt 10 % so wie ein Aufschlag von 3 % für die Erhöhung der Mehrwertsteuer hinzuzurechnen. Es ergibt sich somit ein Mietkostenbetrag in Höhe von 1.226,05 €. Ein Abzug für die Ersparnis eigener leistungsbezogener Betriebskosten oder einer ersparten Wertminderung seines eigenen Fahrzeuges entfällt auf Seiten Klägers, da er – von der Beklagten bislang nicht substantiiert bestritten – ein klassentieferes Fahrzeug, statt Fahrzeugklasse 9 nur Fahrzeugklasse 8 angemietet hat. Hinzu kommen die Abholungs- und Zustellungskosten in Höhe von jeweils 28,50 € zzgl. MwSt, d.h. 67,83 €.

Es ergibt sich somit ein zu zahlender Gesamtbetrag für die angemessenen Mietwagenkosten in Höhe von 1.293,88 €.

Eine Hinzurechnung für die Haftungsbeschränkung entfällt, da diese von dem Mietwagenunternehmen auch nicht in Ansatz gebracht worden ist.

Da die Beklagten vorprozessual einen Betrag in Höhe von 793,70 € an den Kläger gezahlt haben, verbleibt ein zu zahlender Restbetrag von 500,18 €.

Hinzuzurechnen war die Unkostenpauschale von 25,00 €.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten, jedoch nur abgerechnet nach einem Streitwert von bis zu 600,00 € und unter Zugrundelegung einer Mittelgebühr von 1,3 statt 1,8. Nach der Rechtssprechung des hiesigen Amtsgerichtes stellt die anwaltliche Tätigkeit in einem verkehrsrechtlichen Rechtsstreit eine durchschnittlich schwierige   Tätigkeit dar, so dass die Mittelgebühr von 1,3 ausreichend ist.

Soweit das AG Siegen.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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