AG Solingen spricht bei fiktiver Abrechnung Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu

Das AG Solingen hat mit Urteil vom 19.05.2008 – 14 C 161/08 – dem Geschädigten auch bei fiktiver Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugesprochen und hierzu in seinem Urteil folgendes ausgeführt:

Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, der Kläger müsse sich auf die Möglichkeit einer Reparatur durch eine nicht markengebundene Werkstatt verweisen lassen. Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen (BGH, Urteil vom 29.04.2003, VI ZR 398/02). Soweit der BGH in der genannten Entscheidung vom Ansatz her anerkennt, dass ein Geschädigter sich auf eine ihm mühelos, ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Mit der Benennung der nicht markengebundenen Werkstätten haben die Beklagten dem Kläger keine ihm mühelos zugängliche, gleichwertige Alternative geboten.

Bei einer markengebundenen Werkstatt darf der Kläger als Geschädigter darauf vertrauen, dass die für eine Reparatur des Fahrzeugs notwendigen markentypischen Kenntnisse und Erfahrungen vorhanden sind. Bei einer nicht markengebundenen Werkstatt können solche Kenntnisse und Erfahrungen nicht ohne weiteres unterstellt werden. Angesichts der Vielzahl der am Markt erhältlichen Fahrzeugtypen ist kaum vorstellbar, dass eine Werkstatt, die sich nicht auf bestimmte Marken spezialisiert, einer markengebundenen Werkstatt gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen besitzt. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich nicht ausreichend entnehmen, dass für die von ihnen benannten Alternativwerkstätten etwas anderes gilt. Die Beklagten beschränken sich bei der Beschreibung der Werkstätten auf allgemeine Ausführungen, ohne darzulegen, woraus sich die spezifischen Erfahrungen der Werkstätten mit Fahrzeugen der Marke BMW konkret ergeben. Selbst wenn die benannten Werkstätten in der Lage sind, nach den Standards einer markengebundenen Werkstatt zu arbeiten, so ist dies für den Kläger aber nicht ohne weiteres nachprüfbar. Der Kläger müsste erst eigene Erkundigungen einholen, um eine verlässliche Auskunft über die Gleichwertigkeit der Reparatur zur erhalten. Die Angaben der Beklagten oder die Eigendarstellungen der benannten Werkstätten ersetzen diese eigenen Nachforschungen naturgemäß nicht, da sie keine unabhängigen Beurteilungen darstellen. Damit ist dem Kläger durch die von den Beklagten benannten Werkstätten keine mühelos zugängliche Alternative eröffnet. Der Geschädigte wird in seinem Recht, den Schaden in eigener Regie zu beheben, in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn ihm der Weg zu einer markengebundenen Werkstatt durch den Hinweis auf kostengünstigere Werkstätten verbaut würde. Der BGH weist in der von den Beklagten selbst zitierten Entscheidung vom 29.04.2003 ausdrücklich darauf hin, dass die Notwendigkeit eigener Nachforschungen durch den Geschädigten bei der Ermittlung der erforderlichen Reparaturkosten zu berücksichtigen ist.

Nach alledem waren die Beklagten daher zur Zahlung der nicht regulierten Differenz zu den im Gutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätzen der markengebundenen Fachwerkstatt zu verurteilen.

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