Das AG Nürnberg mit einem kuriosen Urteil zum Thema Sachverständigenhonorar/HUK-Coburg (23 C 440/10 vom 12.05.2010)

Mit Entscheidung vom 12.05.2010 (23 C 440/10) wurde die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Nürnberg zur Erstattung des restlichen Sachverständigenhonorars (netto) verurteilt. Die Mehrwertsteuer aus der Gutachtenrechnung wurde dem (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Geschädigten, unter Bezugnahme auf § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, nicht zugesprochen. Von der Begründung her eigentlich eine nette Posse, wenn man die Kostenverteilung außer Acht lässt? Interessant hierzu wäre noch die Information, ob sich der Richter aus eigener Kompetenz „vergaloppiert“ hat, oder ob er vom HUK-Anwalt „auf´s Glatteis“ geführt wurde? Ärgerlich ist auf alle Fälle die anteilige Kostenlast für den Geschädigten. So ein Urteil schreit geradezu nach Beschwerde/Berufung bzw. einer Verfassungsbeschwerde.

Aus den Gründen:

ENDURTEIL

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 95,63 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.8.2009 zu bezahlen.

II. Im ürigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss :

Der Streitwert wird auf 186,22 Euro festgesetzt.

Tatbestand :

Von der Abfassung wird gem. §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 495 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe :

I.

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch in Höhe von noch 95,63 Euro gem. §§ 823, 249 BGB, §§ 7, 18 StVG.

Gegenstand der Klage sind restliche Schadenersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 9.8.2009, für dessen Folgen die Beklagte zu 100 % eintrittspflichtig ist. Der Kläger ließ ein Sachverständigengutachten durch den Sachverständigen … erstellen, wofür der Sachverständige einen Betrag in Höhe von 567,39 Euro in Rechnung stellte. Der Sachverständige kalkulierte die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 2.124,19 Euro netto. Die Beklagte zahlte bezüglich des Sachverständigenhonorars einen Betrag von 381,17 Euro.

Die Beklagte hat dem Kläger einen Differenzbetrag in Höhe von 95,63 Euro zu erstatten. Dieser Differenzbetrag ergibt sich aus den Nettokosten für das genannte Sachverständigengutachten in Höhe von 476,80 Euro abzüglich den bereits von der Beklagten bezahlten 381,17 Euro.

Die Kosten für ein Sachverständigengutachten sind gem. § 249 BGB grundsätzlich erstattungsfähig. Dabei hat der Schädiger dem Geschädigten die Kosten für ein Sachverständigengutachten auch dann zu erstatten, wenn seine Kosten übersetzt sind (vgl. Palandt § 249 Rn. 40 m.w.N.). Der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn ein Auswahlverschulden oder eine offenkundige Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Rechnung vorliegt. Hierfür fehlt es jedoch an jeglichen Anhaltspunkten. Der Sachverständige hat bei einem Gesamtschaden von 2.124,19 Euro ein Grundhonorar in Höhe von 322,– Euro sowie diverse Auslagen und Kostenpositionen in Rechnung gestellt. Diese Beträge erscheinen nicht unangemessen überhöht. Insbesondere musste der Kläger insoweit keine Preisvergleiche anstellen oder gar den günstigsten Sachverständigen vor Auftragserteilung ermitteln. Das Risiko eines überteuerten Gutachtens tragen der Schädiger und dessen Versicherung, jedoch nicht der Geschädigte. Das Grundhonorar für die Erstellung des Schadensgutachtens hält sich im Honorarkorridor zwischen HB I und HB II der Honorarbefragung der BVSK 2008/2009. Im Rahmen eines Schadenersatzanspruches ist das Gericht auch nicht gehalten, eine Preiskontrolle durchzuführen. Insgesamt bestehen nach Ansicht des Gerichts keine Bedenken gegen die Angemessenheit der vorliegenden Berechnungshöhe.

Auch die geltend gemachten Nebenkostenpositionen waren zu erstatten. Weder pauschale Fahrtkosten in Höhe von 32,– Euro noch die angesetzten Schreibarbeiten erscheinen unangemessen hoch. Gleiches gilt für die Kosten der Digitalfotos. Dass diese Kostenpositionen tatsächlich angefallen sind, bestreitet die Beklagte nicht. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach seiner Ansicht es nicht darauf ankommt, in welcher Höhe diese Kosten normalerweise zu beziffern wären. Denn es geht hier bei der Frage, ob die Kosten vom Schädiger zu erstatten sind, allein darum, ob der Geschädigte vernünftigerweise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung hätte haben müssen. Dies wird selbst dann nicht der Fall sein, wenn die Kosten im Einzelfall überhöht erscheinen. Denn ein durchschnittlicher Geschädigter wird kaum Einblicke oder Erfahrungswerte in die Preisgestaltung und -kalkulation eines Sachverständigen haben.  Im übrigen ist es nach Auffassung des Gerichts einem Geschädigten nicht zumutbar, die Kosten eines von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens auch nur teilweise nicht zu begleichen und es insoweit auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen. Dies dürfte allenfalls bei eklatant überhöhten Sachverständigenhonoraren im Einzelfall in Frage kommen. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die Klage war jedoch abzuweisen, soweit der Kläger von der Beklagten auch die Zahlung der in der Rechnung für das Sachverständigengutachten aufgeführten 19 % Mehrwertsteuer in Höhe von 90,59 Euro beansprucht: Denn gem. § 249 Abs. 2 S, 2 BGB schließt bei Beschädigung einer Sache der für die Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur dann mit ein, wenn und soweit diese tatsächlich angefallen ist. Im Falle der Begleichung eines Sachverständigenhonorars ist dies nur dann der Fall, wenn der Geschädigte die Honorarkosten tatsächlich bezahlt hat. Dies steht im vorliegenden Fall nicht mit hinreichender Sicherheit zur Überzeugung des Gerichts, fest. Die Beklagte hat in der von ihrem Vertreter abgefassten Klageerwiderung bestritten, dass der Kläger das Sachverständigenhonorar bereits im geltend gemachten Umfang bezahlt hat. Der anwaltlich vertretene Kläger hat weder in der Klageschrift, noch in der auf die Klageerwiderung folgenden Replik dargelegt, dass das streitgegenständliche Sachverständigenhonorar von ihm bezahlt worden sei, geschweige denn Beweis hierfür angeboten. Da die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächliche Zahlung des Sachverständigenhonorars im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB den Kläger als Geschädigten trifft, muss das Gericht aufgrund dessen im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass das Honorar für das Sachverständigengutachten noch nicht gezahlt wurde.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 S. 1, 1. Alternative ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 7081 Nr. 11, 713 ZPO.

Anmerkung:

Bereits die Erstellung einer Sachverständigenrechnung gehört zur Kategorie „konkrete Abrechnung“, da Rechnungslegung für eine konkret erbrachte Leistung. Ob der Geschädigte die Rechnung – oder die MwSt – bereits bezahlt hat, spielt dabei keine Rolle, denn der Rechnungsbetrag ist zum Zeitpunkt der Rechnungslegung (auch steuerrechtlich) bereits fällig und der Geschädigte muss die MwSt tatsächlich (konkret) bezahlen. Es besteht – auch wenn nur teilweise oder noch nicht bezahlt – auf alle Fälle (wenn nicht vorsteuerabzugsberechtigt) ein Freistellungsanspruch für das gesamte Honorar einschl. MwSt.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Erfüllungsgehilfe, Haftpflichtschaden, HUK-Coburg Versicherung, Mehrwertsteuer, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Antworten zu Das AG Nürnberg mit einem kuriosen Urteil zum Thema Sachverständigenhonorar/HUK-Coburg (23 C 440/10 vom 12.05.2010)

  1. Heinrich sagt:

    Dass da bisher noch keiner drauf gekommen ist?
    Weiter gedacht würde diese Rechtsmeinung doch sämtliche Schadenspositionen betreffen.
    Die Mehrwertsteuer aus konkreter Reparaturrechnung, Mietwagenrechnung, Abschlepprechnung, Standgeld, Anwaltsrechnung usw. wird immer erst dann erstattet, wenn der Geschädigte deren tatsächliche Bezahlung nachweist?
    So weit so falsch!
    Wie sieht es dann aber mit der Steuer bei abgetretenen Forderungen aus? Da wird es richtig spassig. Muss dann der Geschädigte zuerst die Steuer bezahlen, damit der Sicherungsnehmer diese wiederum beim Unfallgegner realisieren kann? Danach wieder Kommando zurück, denn der Sicherungsnehmer hat ja nun 2 mal Steuer vereinnahmt. Wie wäre es mit der Versicherungsvariante? Muss der Unfallgegner vielleicht gar keine Steuer bezahlen, weil der Sicherungsnehmer diese ja schon beim Geschädigten vereinnahmt hat? Oder muss der Sicherungsnehmer nun nur den Nettobetrag eintreiben und der Geschädigte die bezahlte Mehrwertsteuer? Ergibt dann ggf. zwei unterschiedliche Gerichtsverfahren für eine Rechnung? Besonders steuerdelikat wird es dann, wenn eine Quotelung des Schadens vorliegt, die eine Rechung bereits bezahlt ist, die andere noch nicht und hier und da noch eine Abtretung vorliegt usw..

  2. Onkel Paul sagt:

    Heinrich, Heinrich, es graust vor dir.

  3. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Leute,
    das Schadensersatzrecht ist eben kein Reparaturkostenersatzrecht. Ersetzt werden muss, das, was für die (Wieder-)Herstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlich ist. Dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch die SV-Kosten als notwendige Rechtsverfolgungskosten.
    Dazu gehört auch die USt.. Im übrigen hat sich der Freistellungsanspruch incl. USt. auf Grund der Weigerung der beklagten Haftpflichtversicherung in einen Zahlungsanspruch incl. USt. umgewandelt.
    Das Urteil ist daher hinsichtlich der USt. falsch.
    Mit freundlichen Grüßen
    F-W Wortmann

  4. virus sagt:

    Die Unsinnigkeit der Ausführungen des Richters kann man daran festmachen, dass ja aus dem Netto-Zahlungseingang beim Sachverständigen immer ein Umsatzsteueranteil von 19 % gebucht wird. Wird dann, wie es bei Vorsteuerabzugsberechtigung durch den Anspruchsteller der Fall ist, der MwSt-Betrag direkt angewiesen, erfolgt auch hier die Aufteilung des Betrages wieder in Brutto und Netto.

  5. rgladel sagt:

    Das mit der Umsatzsteuer verstehen viele Richter nicht. Bei Pfändungen werden auch oft die kompletten Bruttozahlungseingänge gepfändet, obwohl die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten ist. Im Insolvenzverfahren kommt es dann oft vor, dass er zahlungsunfähige Empfänger einer Zahung sich der Steuerhinterziehung schuldig macht, weil er die in einer Zahlung enthaltene Mehrwertsteuer nicht an das Finanzamt abführt. Vielleicht sollten die Finanzämter Richter bezüglich des Steuerrechts schulen.

  6. Willi Wacker sagt:

    Hallo Frau Gladel,
    die Schulung der Richter durch Beamte des Finanzamtes ist problematisch, da umgekehrt bei den Finanzgerichten die Finanzämter eigentlich Schulungen bei den Richtern mitmachen müssten.
    Manchmal fällt auch gar keine MWSt. an und die Finanzämter wollen aber die gar nicht geflossene MWSt. haben.
    Mit freundlichen Grüßen
    ihr Willi Wacker

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert