Das Amtsgericht Nürnberg zum Restwert und zur Ersetzungsbefugnis gemäß § 249 BGB

Mit Urteil vom 19.08.2009 (21 C 2413/09) hat das Amtsgericht Nürnberg die DEVK Allgemeine Versicherungs AG verurteilt, weiteren Schadensersatz zu leisten. Nach den Ausführungen des Gerichts muss der  Geschädigte Herr der Schadensbehebung bleiben. Denn andernfalls würde die in § 249 Abs. 2 BGB eröffnete Möglichkeit zur Schadensbehebung in eigener Regie in mit dem Gesetz nicht vereinbarer Weise eingeschränkt. Er muss sich weder vor dem Verkauf seines unfallbeschädigten Fahrzeuges mit der Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners in Verbindung setzen, noch sich auf ein Restwertangebot aus einer Internetbörse verweisen lassen.

Aus den Gründen:

 Endurteil:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.579,67 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.1.2009 sowie EUR 229,55 vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.1.2009 zu bezahlen.

Die Beklagte trägt die  Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert beträgt EUR 1.579,67.

 Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Der Kläger ist Eigentümer des Pkw, amtliches Kennzeichen …….

Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des unfallgegnerischen Fahrzeugs.

Am 8.12.2008 gegen 16.30 Uhr erlitt die Ehefrau des Klägers mit dem oben genannten klägerischen Fahrzeug auf der Staatsstraße …… vor der Kreuzung Autobahnanschlussstelle ……… einen Verkehrsunfall. Infolge Unachtsamkeit war die Fahrerin des Peugeot des bei der Beklagten versicherten Herrn ……   von hinten auf den stehenden klägerischen Pkw aufgefahren. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Nachdem der Unfall der Beklagten gemeldet worden war, teilte diese mit Schreiben vom 10.12.2008 mit, dass der unfallbedingte Schaden reguliert werden würde. Dieses Schreiben enthielt darüber hinaus unter anderem die Bitte, mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen, falls das verunfallte Fahrzeug weiterverkauft werden sollte, da die Beklagte in der Lage sei, einen höheren Verkaufspreis für das Unfallfahrzeug au erzielen.

Der Kläger beauftragte zur Feststellung seines Fahrzeugschadens das Sachverständigenbüro … das mit Gutachten vom 16.12.2008 am klägerischen Fahrzeug einen Totalschaden mit einem Wiederbeschaffungswert von EUR 10.500,00 und einem Restwert von EUR 950,00 ermittelte.

 Am 17.12.2008 verkaufte der Kläger sodann seinen verunfallten Pkw zu dem gutachterlich festgestellten Restwert von für 550,00 an die Firma Auto … .

Am 29.12.2008 teilte die Beklagte mit, dass die Firma … ein verbindliches Kaufangebot für das total geschädigte Fahrzeug in Höhe von EUR  2.370,00 unterbreitet habe.

Auf der Basis dieses Restwerts von EUR 2.370,00 regulierte die Beklagte vorgerichtlich den klägerischen Fahrzeugschaden.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe seinen Pkw zum gutachterlich festgestellten Restwert weiterveräußern dürfen, ohne zuvor Rücksprache mit der Beklagten nehmen zu müssen. Insbesondere habe keinerlei Veranlassung bestanden, die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen anzuzweifeln. Ihm stehe daher die nicht regulierte Restwertdifferenz von EUR 1.420,00 zu.

Weiterhin trägt der Kläger vor, zum UnfallZeitpunkt habe sich im Kofferraum seines Fahrzeugs ein Navigationsgerät befunden, das noch einen Zeitwert von EUR 159,67 aufgewiesen habe. Infolge der erheblichen Unfallschaden am Fahrzeugheck sei dieses Gerät verloren gegangen und daher zu erstatten.

Der Klägervertreter beantragt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 1,579,67 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpukten über dem Basiszinssatz seit 21.1.2009 sowie EUR 229,55 vorgerichtlicher Kosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Frozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.1.2009 zu  bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Sie ist der Auffassung, der Kläger habe seine Schadensminderungspflicht verletzt, nachdem er trotz der Mitteilung vom 10.12.2008 sein Fahrzeug ohne Rücksprache mit der Beklagten weiterveräußert habe.

Im Übrigen bestreitet die Beklagte, dass ein Navigationsgerät unfallbedingt abhanden gekommen sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des beiderseitigen Partei-Vortrags wird auf ihre Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vorn 29.7.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gemäß §§ 7,   17 StVG i.V.m § 249 BGB der geltend gemachte Schadenersatzanspruch zu.

1. Der Kläger kann den Totalschaden an seinem Fahrzeug auf der Basis eines Restwerts von EUR 950,00 abrechnen.

–  Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Geschädigte grundsätzlich im Totalschadensfall sein Fahrzeug zu dem von einem Gutachter ermittelten Restwert, wie er am allgemeinen Markt zu erzielen ist, veräußern darf (siehe NJW 93, 1849; NJW 2007, 1674) .

Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie vorliegend, gegen die Richtigkeit der gutachterlichen Schätzung keine Bedenken bestehen. Der Umstand, dass die Beklagte schon vor Fertigung dieses Gutachtens darauf hingewiesen hat, dass sie einen höheren Verkaufserlös erzielen könne, begründet insoweit keinesfalls Zweifel daran, dass der Sachverständige den am Markt erzielbaren Restwert nicht sorgsam ermittelt habe.

Keinesfalls nämlich dürfen dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von einer Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden. Denn sonst würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen (siehe BGH NJW 2007, 1674).

– Lediglich ausnahmsweise, wenn dem Geschädigten rechtzeitig ein prüfbares höheres Restwertangebot unterbreitet worden ist, bevor er sein Fahrzeug selbst verwertet hat, könnte er im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gehalten sein, sich mit diesem Ankaufsangebot auseinanderzusetzen (siehe Versicherungsrecht 98, 518).

Ein solches konkretes Angebot ist dem Kläger jedoch jedenfalls vor dessen Verkauf am 17.12.2008 nicht unterbreitet worden.

– Dass der Kläger seine Pflicht nach § 254 BGB schon deshalb verletzt habe, weil er trotz Erhalt des Schreibens vom 10.12.208 vor der Weiterveräußerung nicht mit der Beklagten Kontakt aufnahm, kann nicht angenommen werden.

Zum einen muss der Geschädigte Herr der Schadensbehebung bleiben. Dies gilt insbesondere, als er auch ein Interesse daran hat, seinen Schaden durch zügigen Verkauf des Unfallfahrzeugs möglichst schnell zu regulieren. Diese Befugnis darf ihm nicht dadurch genommen werden, dass ihm die Versicherung durch ein allgemein gehaltenes Schreiben ohne jegliches konkretes Restwertangebot auffordert, weiteren Kontakt mit ihr zu suchen, um ein für die Versicherung günstigeres Restwertangebot zu eruieren.

Darüber hinaus bestand vorliegend an der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens kein Zweifel. Eine Rückfrage bei der Beklagten wegen eines höheren Verkaufserlöses hätte damit lediglich dem Zweck dienen können, der Versicherung die Möglichkeit zu geben, eine ihr günstigere Schadensberechnung auf der Grundlage der Preise professionelle Restwertaufkäufer aufzumachen. Auf einen solchen Sondermarkt muss sich der Geschädigte jedoch gerade nicht verweisen lassen {siehe BGH VersR 93, 769).

Denn andernfalls würde die in § 249 Abs. 2 BGB eröffnete Möglichkeit zur Schadensbehebung in eigener Regie in mit dem Gesetz nicht vereinbarer Weise eingeschränkt.

2. Die Beklagte hat weiterhin einen Betrag von EUR 159,67 für das unfallbedingt abhanden gekommene Navigationsgerät des Klägers zu ersetzen.

– Durch Vorlage der Rechnung der Firma Media Markt vom 19.1.2007 i.V.m. der Aussage der Zeugin steht für das Gericht fest, dass der Kläger im Besitz eines Navigationsgerätes war, dessen Zeitwert gemäß § 287 ZPO auf der Basis des Rechnungsbetrags mit noch EUR 159,67 geschätzt wird, wie dies der Kläger berechnet hat.

 – Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht auch davon überzeugt, dass dieses Navigationsgerät unfallbedingt abhanden gekommen ist.

Dies  ergeben die überzeugenden Angaben der Zeugin.

An der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin besteht kein Anlass zu zweifeln. Hierbei wird nicht übersehen, dass es sich bei dieser Zeugin um die Ehefrau des Klägers handelt. Die Zeugin hat jedoch ihre Wahrnehmungen detailliert und klar geschildert. Soweit sie ihre Bekundungen nicht auf eigene Feststellungen begründet hat, sondern auf Erklärungen Dritter, hat sie dies ohne Umschweife klargestellt. Die Zeugin machte insgesamt einen ehrlichen Eindruck.

Nach ihrer Aussage steht fest, dass das Navigationssystem vor dem Unfall – am Unfalltag – im Kofferraum des klägerischen Fahrzeugs verstaut war. Nach dem Unfall konnte der Kläger das Gerät im Fahrzeug nicht mehr finden.

Auch wenn letzteres von ihr selbst nicht wahrgenommen wurde, sondern letztlich auf der klägerischen Erklärung beruhte, hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass das Navigationssystem tatsächlich unfallbedingt abhanden gekommen ist.

Zum einen belegen die Lichtbilder des beschädigten klägerischen Fahrzeugs, dass dieses im Heckbereich erheblich beschädigt war, sodass ohne weiteres Gegenstände aus dem Kofferraum durch den Unfall auf die Straße fallen konnten. Zum anderen hat die Zeugin angegeben, dass ihr von dritter Seite mitgeteilt worden sei, dass andere Gegenstände, z.B. 2 Plüschtiere nach dem Unfall auf der Straße lagen. Aufgrund dieser Umstände ist das Gericht gem. § 287 ZPO auch davon überzeugt, dass das Navigationssystem tatsächlich unfallbedingt verloren gegangen ist.

 3. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 229,55 sind erstattungsfähige Schadensfolgekosten.

– Dass entsprechende Kosten entstanden sind, wird durch die vorgerichtlichen Schreiben des Klägervertreters belegt.

– Der Höhe nach wurden sie von Beklagtenseite nicht bestritten. Insbesondere wurde beklagtenseits nicht vorgetragen, dass vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zumindest teilweise schon reguliert wurden, so dass der geltend gemachte Betrag von EUR 229,55, ermittelt aus dem hiesigen Streitwert nach RVG nicht zu beanstanden ist.

4. Kosten: § 91 ZPO.

5. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

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