EuGH urteilt zur Erstattung von Hinterbliebenenentschädigungen mit Urteil vom 24.10.2013 – C-22/12 – .

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

es kommt nicht oft vor, dass hier auch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bekannt gegeben werden. Im nachfolgenden Fall beanspruchten Hinterbliebene von Verkehrsunfallopfern Ersatz des immateriellen Schadens. In diesem Fall bat das Vorlagegericht aus der Slowakei den EuGH um Klärung der Frage, ob die obligatorische Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung immaterielle Schäden von Personen abdecken muss, die den Todesopfern eines Verkehrsunfalles nahe standen. Der EuGH hat entschieden, dass die obligatorische Kfz-Haftpflichtversicherung immaterielle Schäden naher Verwandter von Unfallopfern decken muss. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

24. Oktober 2013(*)

„Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinie 72/166/EWG – Art. 3 Abs. 1 – Richtlinie 90/232/EWG – Art. 1 – Verkehrsunfall – Tod eines Fahrzeuginsassen – Schadensersatzanspruch des Ehegatten und des minderjährigen Kindes – Immaterieller Schaden – Schadensersatz – Deckung durch die Pflichtversicherung“

In der Rechtssache C‑22/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský súd v Prešove (Slowakei) mit Entscheidung vom 8. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2012, in dem Verfahren

Katarína Ha.

gegen

Rastislav Pe. ,

Blanka Ho.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

– der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,

– der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2013

folgendes

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 103, S. 1, im Folgenden: Erste Richtlinie) und von Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung (ABl. L 129, S. 33, im Folgenden: Dritte Richtlinie).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Ha. , die im eigenen Namen und im Namen ihrer am 22. April 1999 geborenen minderjährigen Tochter Kristína Ha. handelt, einerseits und Herrn Pe. und Frau Ho. andererseits wegen des Ersatzes des durch den Tod von Herrn Ha. , dem Ehemann von Frau Ha. und dem Vater von Kristína Ha. , bei einem Verkehrsunfall im tschechischen Hoheitsgebiet entstandenen Schadens durch die beklagten Parteien im Rahmen der Kraftfahrzeug-Haftpflicht.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Privatrecht

Art. 3 des am 4. Mai 1971 in Den Haag unterzeichneten Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (im Folgenden: Haager Übereinkommen von 1971), das von der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie von bestimmten Drittländern ratifiziert wurde, sieht vor:

„Das anzuwendende Recht ist das innerstaatliche Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat.“

Art. 4 dieses Übereinkommens bestimmt:

„Vorbehaltlich des Artikels 5 wird in folgenden Fällen von Artikel 3 abgewichen:

a) Ist nur ein Fahrzeug an dem Unfall beteiligt und ist dieses Fahrzeug in einem anderen als dem Staat zugelassen, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, so ist das innerstaatliche Recht des Zulassungsstaates anzuwenden auf die Haftung

– gegenüber dem Fahrzeugführer, dem Halter, dem Eigentümer oder jeder anderen Person, die hinsichtlich des Fahrzeuges ein Recht hat, ohne Rücksicht auf ihren gewöhnlichen Aufenthalt;

– gegenüber einem Geschädigten, der Fahrgast war, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen als dem Staat hatte, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat;

– gegenüber einem Geschädigten, der sich am Unfallort außerhalb des Fahrzeuges befand, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zulassungsstaat hatte.

Im Falle mehrerer Geschädigter wird das anzuwendende Recht für jeden von ihnen gesondert bestimmt.

b) Sind mehrere Fahrzeuge an dem Unfall beteiligt, so ist Buchstabe a) nur anzuwenden, wenn alle Fahrzeuge im selben Staat zugelassen sind.

…“

In Art. 8 des Abkommens heißt es:

„Das anzuwendende Recht bestimmt insbesondere

1. die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung;

2. die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung und jede Aufteilung der Haftung;

3. das Vorhandensein und die Art zu ersetzender Schäden;

4. die Art und den Umfang des Ersatzes;

5. die Übertragbarkeit des Ersatzanspruchs;

6. die Personen, die Anspruch auf Ersatz des persönlich erlittenen Schadens haben;

7. die Haftung des Geschäftsherrn für seinen Gehilfen;

8. die Verjährung und den auf Zeitablauf beruhenden Rechtsverlust, einschließlich des Beginns der Unterbrechung und der Hemmung der Fristen.“

Unionsrecht

Art. 28 („Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen“) der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. L 199, S. 40, im Folgenden: Rom‑II-Verordnung) bestimmt:

„(1) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung internationaler Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten.

(2) Diese Verordnung hat jedoch in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang vor den ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkommen, soweit diese Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind.“

Art. 1 der Ersten Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie ist zu verstehen unter:

2. Geschädigter: jede Person, die ein Recht auf Ersatz eines von einem Fahrzeug verursachten Schadens hat;

…“

Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat trifft … alle zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt.“

Art. 1 Abs. 1 und 2 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17) in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 (ABl. L 149, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Zweite Richtlinie) lautet:

„(1) Die in Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Richtlinie] bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.

(2) Unbeschadet höherer Deckungssummen, die von den Mitgliedstaaten gegebenenfalls vorgeschrieben werden, schreibt jeder Mitgliedstaat die Pflichtversicherung mindestens für folgende Beträge vor:

a) für Personenschäden einen Mindestdeckungsbetrag von 1 000 000 [Euro] je Unfallopfer und von 5 000 000 [Euro] je Schadensfall, ungeachtet der Anzahl der Geschädigten;

b) für Sachschäden ungeachtet der Anzahl der Geschädigten 1 000 000 [Euro] je Schadensfall.

Falls erforderlich, können die Mitgliedstaaten eine Übergangszeit von bis zu fünf Jahren nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie [2005/14] festlegen, um ihre Mindestdeckungssummen an das in diesem Absatz geforderte Niveau anzupassen.

Die Mitgliedstaaten, die eine solche Übergangszeit festlegen, unterrichten die Kommission davon und geben die Dauer der Übergangszeit an.

Binnen 30 Monaten nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie [2005/14] heben die Mitgliedstaaten die Deckungssummen auf mindestens die Hälfte der in diesem Absatz vorgesehenen Beträge an.“

Art. 1 der Dritten Richtlinie sieht u. a. vor, dass „die in Artikel 3 Absatz 1 der [Ersten Richtlinie] genannte Versicherung die Haftpflicht für aus der Nutzung eines Fahrzeugs resultierende Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers“ deckt.

Nationales Recht

Slowakisches Recht

§ 11 des Gesetzes Nr. 40/1964, Bürgerliches Gesetzbuch (im Folgenden: slowakisches Bürgerliches Gesetzbuch), bestimmt:

„Die natürliche Person hat Anspruch auf Schutz der eigenen Person, insbesondere auf Schutz des Lebens und der Gesundheit, der Ehre und der Würde sowie der Vertraulichkeit, des Namens und der persönlichen Äußerungen.“

§ 13 des slowakischen Bürgerlichen Gesetzbuchs sieht vor:

„(1) Die natürliche Person hat insbesondere Anspruch darauf, dass rechtswidrige Verhaltensweisen, die gegen die Persönlichkeitsrechte verstoßen, unterbleiben, dass die Folgen dieser Verhaltensweisen beseitigt werden und dass der betreffenden Person ein angemessener Schadensersatz zuerkannt wird.

(2) Ist eine angemessene Erfüllung gemäß Abs. 1 nicht möglich, insbesondere weil die Würde einer natürlichen Person oder deren gesellschaftliches Ansehen erheblich verletzt wurde, kann diese auch Ersatz des Nichtvermögensschadens in Geld verlangen.

(3) Die Höhe des Schadensersatzes im Sinne des Abs. 2 bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Schwere des entstandenen Schadens sowie der die Rechtsverletzung begleitenden Umstände.“

§ 4 des Gesetzes Nr. 381/2001 über den Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsvertrag (im Folgenden: slowakisches Pflichtversicherungsgesetz) bestimmt:

„(1) Die Haftpflichtversicherung ist anwendbar auf jeden, der für einen durch den Gebrauch des im Versicherungsvertrag bezeichneten Kraftfahrzeugs verursachten Schaden haftet.

(2) Der Versicherungsnehmer kann aufgrund der Haftpflichtversicherung verlangen, dass der Versicherer für den Versicherungsnehmer die geltend gemachten und nachgewiesenen Ansprüche des Geschädigten auf

a) Ersatz des Schadens wegen Verletzung der Gesundheit und auf Erstattung der Kosten im Fall der Tötung,

b) Ersatz des Schadens, der durch Beschädigung, Zerstörung, Entziehung oder Verlust der Sache entstanden ist,

c) Ersatz der üblicherweise im Zusammenhang mit der Rechtsvertretung bei der Durchsetzung der Erstattungsansprüche gemäß Buchst. a, b und d entstandenen Kosten, sofern der Versicherer seinen Verpflichtungen nach § 11 Abs. 6 Buchst. a oder b nicht nachgekommen ist oder sich zu Unrecht geweigert hat, die Versicherungsleistung zu erbringen, oder die erbrachte Versicherungsleistung zu Unrecht gekürzt hat,

d) Ersatz für den Verdienstausfall,

durch Zahlung erfüllt.

(3) Der Versicherungsnehmer kann aufgrund der Haftpflichtversicherung verlangen, dass der Versicherer den Betroffenen die geltend gemachten, nachgewiesenen und geleisteten Aufwendungen für medizinische Versorgung, Krankengeld, Leistungen der sozialen Sicherheit, Entschädigungen bei Unfällen, Leistungen der Unfallversicherung, Versorgungsleistungen, Versorgungsleistungen für Militär- und Polizeiangehörige sowie Versorgungsleistungen aus Rentenfonds erstattet, sofern der Versicherungsnehmer den Betroffenen gegenüber zur Erstattung verpflichtet ist.“

Tschechisches Recht

14 § 11 des Gesetzes Nr. 40/1964, Bürgerliches Gesetzbuch (im Folgenden: tschechisches Bürgerliches Gesetzbuch), sieht vor:

„Die natürliche Person hat Anspruch auf Schutz der eigenen Person, insbesondere auf Schutz des Lebens und der Gesundheit, der Ehre und der Würde sowie der Vertraulichkeit, des Namens und der persönlichen Äußerungen.“

§ 13 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmt:

(1) Die natürliche Person hat insbesondere Anspruch darauf, dass rechtswidrige Verhaltensweisen, die gegen die Persönlichkeitsrechte verstoßen, unterbleiben, dass die Folgen dieser Verhaltensweisen beseitigt werden und dass der betreffenden Person ein angemessener Schadensersatz zuerkannt wird.

(2) Ist eine angemessene Erfüllung gemäß Abs. 1 nicht möglich, insbesondere weil die Würde einer natürlichen Person oder deren gesellschaftliches Ansehen erheblich verletzt wurde, kann diese auch Ersatz des Nichtvermögensschadens in Geld verlangen.

(3) Die Höhe des Schadensersatzes im Sinne des Abs. 2 bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Schwere des entstandenen Schadens sowie der die Rechtsverletzung begleitenden Umstände.“

In § 444 dieses Gesetzbuchs heißt es:

„(1) Bei Personenschäden ist für die Schmerzen des Geschädigten und den sozialen Schaden eine pauschale Entschädigung zu zahlen.

(3) Bei Tod haben die Hinterbliebenen Anspruch auf eine pauschale Entschädigung von

a) 240 000 [tschechischen Kronen (CZK)] bei Verlust des Ehegatten;

…“

§ 6 des Gesetzes Nr. 168/1999 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (im Folgenden: tschechisches Pflichtversicherungsgesetz) bestimmt:

„(1) Die Haftpflichtversicherung ist anwendbar auf jeden, der für einen durch den Gebrauch des im Versicherungsvertrag bezeichneten Kraftfahrzeugs verursachten Schaden haftet.

(2) Sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, ist das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer gegenüber verpflichtet, dem Geschädigten dem Umfang und der Höhe nach gemäß den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs für den Versicherungsnehmer die folgenden Schäden zu ersetzen:

a) den Schaden wegen Verletzung der Gesundheit oder den durch Tod verursachten Schaden,

b) den Schaden, der durch Beschädigung, Zerstörung oder Verlust der Sache entstanden ist, sowie den Schaden, der durch Entziehung der Sache entstanden ist, sofern die natürliche Person die Fähigkeit verloren hat, für die Sache zu sorgen,

c) den entgangenen Gewinn,

d) die Kosten, die im Zusammenhang mit der Rechtsvertretung bei der Durchsetzung der Erstattungsansprüche nach Buchst. a bis c tatsächlich entstanden sind; hinsichtlich des Schadens gemäß Buchst. b oder c jedoch nur, wenn die in § 9 Abs. 3 genannte Frist bereits abgelaufen ist oder wenn das Versicherungsunternehmen die Versicherungsleistung zu Unrecht verweigert oder gekürzt hat, sofern der Geschädigte seinen Anspruch geltend gemacht und belegt hat und das schädigende Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde und für das der Versicherungsnehmer haftet, in dem Zeitraum eingetreten ist, in dem die Haftpflichtversicherung in Kraft und nicht unterbrochen war.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen und den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts in Beantwortung eines Klarstellungsersuchens des Gerichtshofs nach Art. 101 seiner Verfahrensordnung ergibt sich, dass Herr Ha. am 7. August 2008 im tschechischen Hoheitsgebiet bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam; dieser wurde von Herr Pe. verursacht, der ein Frau Ho. gehörendes Personenkraftfahrzeug fuhr.

Das in der Slowakei zugelassene Fahrzeug von Frau Ho. , in dem Herr Ha. saß, stieß mit einem in der Tschechischen Republik zugelassenen Lastkraftwagen zusammen. Frau Ha. und ihre Tochter befanden sich zum Zeitpunkt des Unfalls in der Slowakei.

Mit Strafurteil des Okresný súd Vranov nad Topľou (Slowakei) wurde Herr Pe. des Totschlags und der Körperverletzung für schuldig befunden und zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Er wurde gemäß § 50 Abs. 2 und § 51 Abs. 4 Buchst. c des slowakischen Strafgesetzbuchs zum Ersatz des verursachten Schadens verurteilt, darunter eines Frau Ha. entstandenen Schadens in Höhe von 1 057,86 Euro.

Außerdem verklagten Frau Ha. und ihre Tochter Herrn Pe. und Frau Ho. gemäß § 13 Abs. 2 und 3 des slowakischen Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Ersatz des durch den Verlust ihres Ehemanns und Vaters entstandenen Nichtvermögensschadens. Im ersten Rechtszug wurden Herr Pe. und Frau Ho. verurteilt, Frau Ha. eine Entschädigung von 15 000 Euro zu zahlen. Alle Parteien haben gegen dieses Urteil Berufung beim Krajský súd v Prešove (Slowakei) eingelegt.

Dieses Gericht ist der Auffassung, dass in Anbetracht der tatsächlichen Umstände das tschechische materielle Recht anzuwenden sei, und zwar insbesondere § 444 Abs. 3 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach bei Tod dem Ehegatten und Rechtsnachfolger des Opfers eine pauschale Entschädigung von 240 000 CZK zustehe. Es stelle sich jedoch die Frage, ob diese Entschädigung angemessen sei, und damit, ob ein Anspruch auf eine ergänzende Entschädigung auf der Grundlage von § 11 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehe.

Die Rechte von Frau Ha. und ihrer Tochter leiteten sich von denen des Unfallopfers ab, und das Leben von Herrn Ha. sei durch § 11 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschützt gewesen. Die §§ 11 bis 16 des slowakischen und des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs gewährleisteten den Schutz der Person, der insbesondere den Schutz des Lebens, der Gesundheit, der bürgerlichen Ehre, der Menschenwürde, des Privatlebens, des Namens und der persönlichen Äußerungen gegen „Schäden“ umfasse, wobei dieser Begriff einen immateriellen Schaden bezeichne, der durch einen Eingriff in dieses Schutzrecht entstehe.

Nach dem slowakischen Pflichtversicherungsgesetz könne der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs verlangen, dass der Versicherer an seiner Stelle garantiere, dass einer Person, die durch einen seine Haftung auslösenden Unfall geschädigt worden sei, der nachgewiesene gegenwärtige Schaden in dem in diesem Gesetz und den Versicherungsbedingungen festgelegten Umfang ersetzt werde, d. h. der Personenschaden und die bei Tod anfallenden Kosten.

Im vorliegenden Fall habe Frau Ho. einen Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Allianz-Slovenská poisťovňa a.s. (im Folgenden: Allianz) geschlossen. Da sich der für den Schaden Haftende an den Versicherer wenden könne, damit dieser den Schaden, für den er aufkommen müsse, ersetze, sei es geboten, den Versicherer als Streithelfer am Schadensersatzprozess zu beteiligen, weil er ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe. Deshalb sei Allianz vom vorlegenden Gericht von Amts wegen als Streithelferin zum Verfahren zugelassen worden.

Allianz habe ein solches berechtigtes Interesse aber nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch von der Haftpflichtversicherung gedeckt sei. Wäre der im Ausgangsverfahren fragliche Nichtvermögensschaden nämlich nicht von der Pflichtversicherung gedeckt, wäre die Beteiligung von Allianz am Verfahren nicht gerechtfertigt.

Der Ersatz von Personenschäden betreffe teilweise auch einen Nichtvermögensschaden, nämlich Schmerzen und die Beeinträchtigung des Soziallebens. Der Begriff des vom Versicherungsvertrag gedeckten Schadens schließe daher auch Nichtvermögensschäden ein, insbesondere immaterielle, moralische oder emotionale Schäden.

Das vorlegende Gericht führt weiter aus, die Mitgliedstaaten seien nach der Ersten und der Dritten Richtlinie verpflichtet, alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Schäden, die von Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland verursacht würden, durch eine Versicherung gedeckt sei, um Versicherte und Unfallopfer zu schützen und dafür zu sorgen, dass alle von der Versicherungspflicht für die Fahrzeuginsassen erfassten Verluste oder Schäden ersetzt würden.

Allianz weigere sich aber, den entstandenen Nichtvermögensschaden zu ersetzen, weil dieser Schaden nach § 13 des slowakischen Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vom obligatorischen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrag gedeckt sei und der Anspruch auf Ersatz eines solchen Schadens nicht unter die im slowakischen und im tschechischen Pflichtversicherungsgesetz vorgesehene Deckung fallen.

Das vorlegende Gericht hält diese Frage für entscheidend, da auch der dem Rechtsnachfolger eines Verkehrsunfallopfers entstandene Nichtvermögensschaden zu ersetzen sei, der nach § 13 Abs. 2 und 3 des anwendbaren Bürgerlichen Gesetzbuchs ersetzbar sei und bei weiter Auslegung als Personenschaden im Sinne von § 4 Abs. 2 Buchst. a des slowakischen Pflichtversicherungsgesetzes anzusehen wäre. Infolgedessen würde der Versicherer aufgrund des Pflichtversicherungsvertrags für den Nichtvermögensschaden haften.

Unter diesen Umständen hat der Krajský súd v Prešove beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts (wie § 4 des slowakischen Pflichtversicherungsgesetzes und § 6 des tschechischen Pflichtversicherungsgesetzes) entgegensteht, wonach die Kraftfahrzeughaftpflicht nicht den – in Geld ausgedrückten – Nichtvermögensschaden deckt, den die Hinterbliebenen des Opfers eines durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursachten Verkehrsunfalls erlitten haben?

2. Falls die erste Frage dahin zu beantworten ist, dass die vorstehend genannte Vorschrift des innerstaatlichen Rechts nicht gegen das Unionsrecht verstößt: Sind die Bestimmungen des § 4 Abs. 1, 2 und 4 des slowakischen Pflichtversicherungsgesetzes und des § 6 Abs. 1 bis 3 des tschechischen Pflichtversicherungsgesetzes dahin auszulegen, dass sie es einem nationalen Gericht nicht verwehren, nach Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie den Hinterbliebenen des Opfers eines durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursachten Verkehrsunfalls als Geschädigten einen Anspruch auf Ersatz des Nichtvermögensschadens auch in Geld zuzuerkennen?

Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

Die slowakische Regierung und die Kommission haben Zweifel an der Zulässigkeit der Vorlagefragen, da die Vorlageentscheidung keinerlei Darstellung des Sachverhalts bezüglich des Verkehrsunfalls enthalte, obwohl diese für das Verständnis des Rechtsstreits unerlässlich sei. Die slowakische Regierung ist ferner der Ansicht, dass die Vorlagefragen für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich seien, da Allianz nicht Partei des Rechtsstreits sei und die vom vorlegenden Gericht in diesem Verfahren zu erlassende Entscheidung für das Versicherungsunternehmen nicht verbindlich sein werde.

Hierzu ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht in Beantwortung des Klarstellungsersuchens des Gerichtshofs nach Art. 101 seiner Verfahrensordnung zum einen Einzelheiten zu dem dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Verkehrsunfall angegeben und zum anderen festgestellt hat, dass die Antwort des Gerichtshofs für die Beurteilung der Beteiligung von Allianz am Ausgangsverfahren und damit der Verbindlichkeit des in diesem Verfahren zu erlassenden Urteils für dieses Unternehmen maßgeblich sei.

Unter diesen Umständen sind die Vorlagefragen als zulässig anzusehen.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie und Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung immaterielle Schäden von Personen decken muss, die den Todesopfern eines Verkehrsunfalls nahestanden.

Vorab ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht zum einen klargestellt hat, dass das auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbare Haftpflichtrecht nach den Art. 3 und 4 des Haager Übereinkommens von 1971 und Art. 28 der Rom‑II‑Verordnung das tschechische Recht sei, und zum anderen darauf hingewiesen hat, dass die vorgelegten Fragen nicht die im sechsten Teil des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelte Deckung durch die obligatorische Haftpflichtversicherung und damit die in § 444 dieses Gesetzbuchs vorgesehene pauschale Entschädigung beträfen. Die §§ 11 und 13 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, die sich auf den Schutz der Person bezögen, fänden nämlich unabhängig von diesen Haftpflichtvorschriften Anwendung, und die Vorlagefragen beträfen ausschließlich die Deckung von Nichtvermögensschäden, die auf der Grundlage der Vorschriften über den Schutz der Person zu ersetzen seien, durch die Pflichtversicherung.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit der Ersten und der Zweiten Richtlinie nach ihren Erwägungsgründen zum einen der freie Verkehr der Kraftfahrzeuge mit gewöhnlichem Standort im Gebiet der Europäischen Union sowie der Fahrzeuginsassen gewährleistet und zum anderen den Geschädigten der durch diese Fahrzeuge verursachten Unfälle unabhängig davon, an welchem Ort innerhalb der Union sich der Unfall ereignet hat, eine vergleichbare Behandlung garantiert werden soll (Urteil vom 23. Oktober 2012, Marques Almeida, C‑300/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die Erste Richtlinie in der durch die Zweite und die Dritte Richtlinie erläuterten und ergänzten Fassung schreibt somit den Mitgliedstaaten vor, sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Kraftfahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist, und gibt insbesondere an, welche Arten von Schäden diese Versicherung zu decken hat und welchen geschädigten Dritten sie Ersatz zu gewähren hat (Urteil Marques Almeida, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Jedoch ist zwischen der Pflicht der Haftpflichtversicherung zur Deckung von Schäden, die Dritten durch Kraftfahrzeuge entstehen, auf der einen und dem Umfang ihrer Entschädigung im Rahmen der Haftpflicht des Versicherten auf der anderen Seite zu unterscheiden. Erstere ist nämlich durch die Unionsregelung festgelegt und garantiert, Letzterer hingegen im Wesentlichen durch das nationale Recht geregelt (Urteil Marques Almeida, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits festgestellt, dass sich aus dem Zweck der Ersten, der Zweiten und der Dritten Richtlinie und aus ihrem Wortlaut ergibt, dass sie nicht die Haftpflichtregelungen der Mitgliedstaaten harmonisieren sollen und dass es diesen beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nach wie vor freisteht, die Haftpflicht für Schäden aus Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen selbst zu regeln (Urteil Marques Almeida, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Demnach steht es den Mitgliedstaaten in Anbetracht insbesondere des Art. 1 Nr. 2 der Ersten Richtlinie beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nach wie vor grundsätzlich frei, im Rahmen ihrer Haftpflichtvorschriften insbesondere zu regeln, welche von Kraftfahrzeugen verursachten Schäden zu ersetzen sind, welchen Umfang dieser Schadensersatz hat und welche Personen Anspruch darauf haben.

Der Gerichtshof hat jedoch hinzugefügt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse in diesem Bereich das Unionsrecht beachten müssen und dass die nationalen Vorschriften über den Ersatz von Verkehrsunfallschäden die Erste, die Zweite und die Dritte Richtlinie nicht ihrer praktischen Wirksamkeit berauben dürfen (Urteil Marques Almeida, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was die Deckung der nach nationalem Haftpflichtrecht zu ersetzenden Verkehrsunfallschäden durch die Pflichtversicherung angeht, so überließ Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Ersten Richtlinie zwar, wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, den Mitgliedstaaten die Bestimmung der Schadensdeckung und der Modalitäten der Pflichtversicherung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 1996, Ruiz Bernáldez, C‑129/94, Slg. 1996, I‑1829, Randnr. 15).

Um die bezüglich des Umfangs der Versicherungspflicht zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten fortbestehenden Unterschiede zu verringern, wurde jedoch durch Art. 1 der Zweiten Richtlinie auf dem Gebiet der Haftpflicht eine Deckungspflicht für Sach- und Personenschäden in bestimmter Höhe eingeführt. Durch Art. 1 der Dritten Richtlinie wurde diese Deckungspflicht auf Personenschäden der Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers erstreckt (Urteil Ruiz Bernáldez, Randnr. 16).

Daher müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die nach ihrem nationalen Recht zur Anwendung kommende Kraftfahrzeug-Haftpflicht durch eine Versicherung gedeckt ist, die mit den Bestimmungen der Ersten, der Zweiten und der Dritten Richtlinie im Einklang steht (Urteil Marques Almeida, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Daraus folgt, dass die Freiheit der Mitgliedstaaten zur Bestimmung der Schadensdeckung und der Modalitäten der Pflichtversicherung durch die Zweite und die Dritte Richtlinie insoweit beschränkt wurde, als mit ihnen die Deckung bestimmter Schäden in bestimmter Mindesthöhe vorgeschrieben wurde. Zu diesen unter die Deckungspflicht fallenden Schäden gehören nach Art. 1 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie u. a. Personenschäden.

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 68 bis 73 seiner Schlussanträge ausgeführt und der EFTA-Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. Juni 2008, Celina Nguyen/The Norwegian State (E‑8/07, EFTA Court Report, S. 224, Randnrn. 26 und 27), entschieden hat, ist in Anbetracht der verschiedenen Sprachfassungen von Art. 1 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie und Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie sowie des Schutzzwecks der drei genannten Richtlinien davon auszugehen, dass vom Begriff des Personenschadens jeder Schaden erfasst wird, dessen Ersatz aufgrund der Haftpflicht des Versicherten durch das auf den Rechtsstreit anwendbare nationale Recht vorgesehen ist und der aus einer Beeinträchtigung der Unversehrtheit der Person herrührt, was körperliche wie seelische Leiden umfasst

Nach ständiger Rechtsprechung müssen nämlich die Vorschriften des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Unionssprachen einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. insbesondere Urteil vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans, C‑280/04, Slg. 2005, I‑10683, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Da in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 1 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie im Wesentlichen Begriffe wie „Personenschaden“ oder „Gesundheitsschaden“ verwendet werden, ist auf die Systematik und den Zweck dieser Bestimmung und dieser Richtlinie abzustellen. Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die genannten Begriffe den Begriff des „Sachschadens“ ergänzen, und zum anderen daran zu erinnern, dass mit dieser Bestimmung und dieser Richtlinie vor allem die Geschädigten besser geschützt werden sollen. Unter diesen Umständen ist die in Randnr. 47 des vorliegenden Urteils angeführte weite Auslegung der genannten Begriffe heranzuziehen.

Folglich gehören zu den nach der Ersten, der Zweiten und der Dritten Richtlinie zu ersetzenden Schäden die immateriellen Schäden, deren Ersatz aufgrund der Haftpflicht des Versicherten durch das auf den Rechtsstreit anwendbare nationale Recht vorgesehen ist.

Zur Frage, welche Personen Anspruch auf Ersatz dieser immateriellen Schäden haben, ist zum einen festzustellen, dass sich nach Art. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Ersten Richtlinie der mit ihr sicherzustellende Schutz auf jede Person erstreckt, die nach dem nationalen Haftpflichtrecht ein Recht auf Ersatz eines von einem Kraftfahrzeug verursachten Schadens hat.

Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Dritte Richtlinie, wie der Generalanwalt in Nr. 78 der Schlussanträge ausgeführt hat, entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung den Kreis der geschützten Personen nicht eingeschränkt, sondern im Gegenteil die Deckung von Schäden, die bestimmten als besonders schutzbedürftig geltenden Personen entstanden sind, vorgeschrieben hat.

Zudem bestehen, da der Begriff des Schadens in Art. 1 Nr. 2 der Ersten Richtlinie nicht näher umschrieben ist, entgegen dem Vorbringen der estnischen Regierung keine Anhaltspunkte dafür, dass bestimmte Schäden wie immaterielle Schäden, soweit sie nach dem anwendbaren nationalen Haftpflichtrecht zu ersetzen sind, von diesem Begriff auszunehmen wären.

Die Erste, die Zweite und die Dritte Richtlinie enthalten nichts, was den Schluss zuließe, dass der Unionsgesetzgeber den durch diese Richtlinien gewährten Schutz allein auf Personen beschränken wollte, die an einem schädigenden Ereignis unmittelbar beteiligt waren.

Folglich müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der nach ihrem nationalen Haftpflichtrecht geschuldete Ersatz des immateriellen Schadens, den nahe Familienangehörige von Verkehrsunfallopfern erlitten haben, durch die Pflichtversicherung in Höhe der in Art. 1 Abs. 2 der Zweiten Richtlinie festgelegten Mindestbeträge gedeckt wird.

Ein solcher Fall dürfte hier vorliegen, da nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts Personen, die sich in der Lage von Frau Ha. und ihrer Tochter befinden, nach den §§ 11 und 13 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs Anspruch auf Ersatz des infolge des Todes ihres Ehegatten und Vaters erlittenen immateriellen Schadens haben.

Diese Beurteilung kann nicht durch den von der slowakischen Regierung angeführten Umstand in Frage gestellt werden, dass diese Vorschriften zu einem Teil des tschechischen und des slowakischen Bürgerlichen Gesetzbuchs gehörten, der Eingriffen in die Rechte der Person gewidmet und gegenüber dem Teil, der die eigentliche zivilrechtliche Haftung im Sinne dieser Gesetzbücher betreffe, selbständig sei.

Da die Haftung des Versicherten, die sich nach den Angaben des vorlegenden Gerichts im vorliegenden Fall aus den §§ 11 und 13 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt, nämlich auf einem Verkehrsunfall beruht und zivilrechtlicher Natur ist, spricht nichts für die Annahme, dass eine solche Haftung nicht unter das nationale materielle Haftpflichtrecht fällt, auf das die genannten Richtlinien verweisen.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie, Art. 1 Abs. 1 und 2 der Zweiten Richtlinie und Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung immaterielle Schäden von Personen, die den Todesopfern eines Verkehrsunfalls nahestanden, decken muss, soweit dieser Schadensersatz aufgrund der zivilrechtlichen Haftung des Versicherten in dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht vorgesehen ist.

Zur zweiten Frage

In Anbetracht der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, Art. 1 Abs. 1 und 2 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 geänderten Fassung und Art. 1 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung sind dahin auszulegen, dass die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung immaterielle Schäden von Personen, die den Todesopfern eines Verkehrsunfalls nahestanden, decken muss, soweit dieser Schadensersatz aufgrund der zivilrechtlichen Haftung des Versicherten in dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht vorgesehen ist.

Unterschriften

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