Historisches: AG Bochum entscheidet gegen Frankfurter Vers. AG zu dem zweiten Fotosatz und zum Vergleich zum ZSEG ( Urt. v. 23.10.1997 -65 C 378/97- ).

Hallo verehrte Captain-HUK-Leser, in einem Kommentar zu einem der vorigen Urteile der Allianz-Versicherung wurde bereits auf ein Urteil des AG Bochum aus dem Jahre 1997 hingewiesen. Die Redaktion hat es sich nicht nehmen lassen und Zeit und Mühen aufgewandt, das damalige Urteil des Amtsrichters der 65. Zivilabteilung des AG Bochum aus dem umfangreichen Archiv von Captain-HUK herauszusuchen, um das Urteil hier einzustellen. Bereits 1997 hatte die Frankfurter Allianz-Vers. AG (Vorgängerin der heutigen Allianz) die Argumentation mit dem nicht erforderlichen 2. Fotosatz geführt und auch damals schon die – allerdings irrige – Ansicht vertreten, das Honorar des Sachverständigen müsse sich am ZSEG (dem heutigen JVEG) messen lassen. Hier nun das Bochumer Urteil aus 1997. Fällt denn der Allianz nicht Besseres mehr ein, als alte abgelutschte Themen von vor 14 Jahren wieder aufzutischen?  Und nun bitte ich um Eure Meinungen. Zu dem Urteil muss noch bemerkt werden, dass die Hervorhebungen im Urteilstext vom Autor herrühren.

65 C 378/97

Amtsgericht Bochum

Im Namen des Volkes

Urteil

In Sachen

Kfz-Sachverständiger

Kläger,

gegen

Frankfurter Versicherungs-AG, vertr.d.d. Vorstandsvorsitzenden Dr. Karl Ludwig Freiherr von Freyberg, Zweigniederlassung Nordrhein-Westfalen, Außenstelle Essen, Steeler Str. 37, 45127 Essen,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 1997
durch den Richter am Amtsgericht …
für R e c h t erkennt:

I. Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Zinsforderung verurteilt, an den Kläger 195,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18.08.1997 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 495 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten über die vorprozessuale Zahlung hinaus Erstattung seiner restlichen Sachverständigenkosten in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe verlangen.

Die diesen Anspruch rechtfertigende Abtretung der Schadensersatzansprüche des Unfallgeschädigten in Höhe der von dem Kläger in Rechnung gestellten Gutachterkosten ist nicht wegen Verstoßes gegen Artikel 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rechtsberatungsgesetz gem. § 134 BGB nichtig.

Im Gegensatz zu seiner früheren Handhabung, die auch vor dem erkennenden Gericht zu einer Abweisung der Honorarklagen des Klägers wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz geführt hatte, hat der Kläger nicht nur den Text der Abtretungserklärung den Anforderungen der Rechtsprechung angepaßt, er hat vielmehr auch versucht, den Betrag, den die Beklagte von seiner Honorarrechnung gekürzt hatte, von dem Unfallgeschädigten zu erlangen. Er hat diesen nämlich unter Fristsetzung zur Zahlung des noch offenen Restbetrages aufgefordert, ohne daß letztlich eine Zahlung erfolgt ist. Darüber hinaus ist dem erkennenden Gericht aus der eigenen Abteilung, aber auch aus weiteren Abteilungen des Amtsgerichts Bochum bekannt, daß teilweise die Unfallgeschädigten selbst die Honoraransprüche des Klägers in ihrem Namen geltend machen. Insgesamt kann daher nicht festgestellt werden, daß es dem Kläger darum geht, seinen Kunden die Schadensregulierung in Höhe der Gutachterkosten abzunehmen und ihnen die lästige Auseinandersetzung über die Berechtigung und Höhe dieser Kosten zu ersparen. Vielmehr steht der Sicherungszweck der Abtretung im Vordergrund, so daß der Kläger berechtigt ist, seine restliche Honorarforderung im eigenen Namen geltend zu machen.

Das erkennende Gericht ist nach wie vor – insoweit in Übereinstimmung mit der Beklagtenseite – der Auffassung, daß sich eine übliche, d.h. bei den beteiligten Kreisen allgemein gültige Vergütung im Sinne des § 632 BGB nicht feststellen läßt. Vielmehr ist die Höhe der Sachverständigenvergütung im Einzelfall gem. § 315 BGBB nach billigem Ermessen zu bestimmen. Insoweit hat der Sachverständige bei der Festsetzung seiner Gebühren einen Entscheidungsspielraum. Bei der Überprüfung ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen festzustellen, was billigem Ermessen entspricht.

Ist ein Entgeld festzusetzen, kommt es auf den Wert der zu vergütenden Leistung an, bei einem Gutachten auf die aufgewandte Arbeit und seine wirtschaftliche Bedeutung. Nach diesen Grundsätzen kann das Gericht nicht feststellen, daß der Kläger bei Bemessung seines Honorars diesen Entscheidungsspielraum unbillig überschritten hätte.

Der Kläger hat seine Rechnung hinreichend bestimmt und aufgegliedert. Entgegen der Ansicht der Beklagten bedurfte es insoweit einer weiteren Spezifizierung nicht. Denn Bemessungsgrundlage für das Grundhonor nach dem Gesagten ist nicht allein der angefallene Zeitaufwand, wovon die Beklagtenseite offenbar ausgeht.

Eine offenbare Unbilligkeit des in Rechnung gestellten Grundhonorars kann das Gericht nicht feststellen. Es ist insoweit nicht nachvollziehbar, weshalb die von der Beklagten für angemessen erachtete und vorprozessual gezahlte, nicht aber die von dem Kläger berechnete Vergütung der Billigkeit entsprechen soll. Auch hinsichtlich der in Ansatz gebrachten Gutachternebenkosten läßt sich eine offenbare Unbilligkeit weder hinsichtlich der einzelnen Positionen noch im Verhältnis zu den gesamten Gutachterkosten erkennen. Insoweit hält das Gericht sowohl die Fotokosten in Höhe von 4,50 DM als auch die Anfertigung eines zweiten Fotosatzes für gerechtfertigt. Dies gilt auch hinsichtlich der in Ansatz gebrachten Fahrtkosten, wobei zu berücksichtigen ist, daß weder das ZSEG noch die BRAGO als Vergleichsgrundlage herangezogen werden können. [Hervorhebungen durch den Autor!]
Es mag sein, daß das von dem Kläger in Rechnung gestellte Sachverständigenhonorar über dem liegt, was konkurierende Sachverständige „üblicherweise“ für ein vergleichbares Gutachten in Rechnung stellen. Solange jedoch eine Honorarordnung für freie Sachverständige nicht existiert und auch eine ortsübliche Vergütung für Sachverständige nicht festgestellt werden kann, steht im Rahmen des § 315 BGB dem einzelnen Sachverständigen und nicht der Versicherungswirtschaft ein Entscheidungsspielraum bei der Festsetzung der Vergütung zu. Bei der gebotenen Einzelfallprüfung vermag das Gericht aber noch nicht festzustellen, daß der Kläger diesen Entscheidungsspielraum offenbar unbillig überschritten hätte. Der Klage war daher hinsichtlich der Hauptforderung stattzugeben.

Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
Allerdings konnten Zinsen in gesetzlicher Höhe erst ab Rechtshängigkeit zuerkannt werden. Denn der Kläger hat weder einen vorherigen Verzugseintritt der Beklagten substantiiert dargelegt, noch die Höhe des geltend gemachten Zinssatzes bewiesen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 268 Nr. 11, 715 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Abtretung, Allianz Versicherung, Frankfurter Versicherung, Haftpflichtschaden, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Historisches: AG Bochum entscheidet gegen Frankfurter Vers. AG zu dem zweiten Fotosatz und zum Vergleich zum ZSEG ( Urt. v. 23.10.1997 -65 C 378/97- ).

  1. Axel Ammerland sagt:

    Hi Leute,
    ich find in dem historischhen Urteil den Satz: „Solange jedoch eine Honorarordnung für freie Sachverständige nicht existiert und auch eine ortsübliche Vergütung für Sachverständige nicht festgestellt werden kann, steht im Rahmen des § 315 BGB dem einzelnen Sachverständigen und nicht der Versicherungswirtschaft ein Entscheidungsspielraum bei der Festsetzung der Vergütung zu…“ gut. Der Richter hat gut erkannt, dass dem einzelnen Sachverständigen und nicht der Versicherungswirtschaft ein Entscheidungsspielraum bei der Festsetzung der Vergütung zusteht.

  2. Rüdiger Rodenfeld sagt:

    Hi Axel,
    die Frage, die sich stellt, ist doch die, warum kommt die Allianz mit den alten Möhren von annodunnemals jetzt wieder? Liegen finanzielle Zwänge speziell bei dieser Versicherung vor? Ist auch bei der Allianz das Krafthaftpflichtschadengeschäft defizitär?
    Dass man alte Kamellen manchmal wieder rausholt, kann ich noch verstehen. Dass aber das Ganze dann nach 15 Jahren wiederkommt, ist mir nicht verständlich. Damals war sie doch schon auf die Nase gefallen. Geht die Allianz davon aus, dass wir alten Sachverständigen nach 15 Jahren nicht mehr im Geschäft sind? Ich hätte also schon gerne gewußt, warum jetzt das alte Spielchen wieder kommt.

  3. Sir Toby sagt:

    Hi
    man testet immerwieder die Justiz!
    Es wurden damals kaum AG-Urteile veröffentlicht oder gar- wie hier- archiviert.
    Dieser Blog sollte für seinen unentgeltlichen Dienst am Verbraucher das Bundesverdienstkreuz erhalten.
    Heutzutage muss man leider feststellen,dass selbst namhafte Juristische Zeitschriften -absichtlich oder unabsichtlich-dazu beitragen,ihre Leser zu manipulieren.
    Aktuell wird eine LG-Entscheidung veröffentlicht mit einer Rechsmeinung,die der BGH in früherer mündlicher Verhandlung bereits verworfen hat. Der betroffene Versicherer hatte das BGH-Urteil durch Anerkenntnis verhindert.
    Das LG entschied also falsch,weil es die Rechtsauffassung des BGH nicht kannte und die Zeitschrift veröffentlicht Monate später ein falsches LG Urteil-warum wohl?
    Ein Schelm,der Böses dabei denkt?
    Die Arbeit dieses Blogs schafft Rechtssicherheit und leistet damit einen unschätzbaren Dienst!
    Skull!

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Sir Toby,
    wie ich aus gut informierter Quelle erfahren habe, hat das Archiv des Blogs noch einige Original-Urteile aus der Zeit ab 1996. So unter anderem auch das Urteil gegen die HUK-Coburg Haftpflichtunterstützungskasse, in dem sich das AG Dortmund genötigt sah, die beklagte Haftpflichtversicherung darauf hinzuweisen, dass für die Sachverständigenkosten eine Heranziehung des ZSEG (heute: JVEG!) ungeeignet ist und dass ein 2. Fotosatz erforderlich ist. So ähnlich hatte auch das AG Bochum 1997 entschieden. Viele dieser Urteile gegen HUK-Coburg, Westfälische Provinzial und Allianz liegen im Archiv.
    Austesten ist gut, aber immer wieder mit den bereits entschiedenen Punkten auch nach 15 Jahren wieder zu kommen, ist in meinen Augen ärmlich und zeugt nicht von einer einfaltsreichen Rechtsabteilung. Das musste nur mal so gesagt werden.
    Sicherlich ist festzustellen, dass verschiedene juristische Zeitschriften versicherungsorientiert Beiträge und auf Versicherungslinie liegende Urteile veröffentlichen. Warum wohl? Weil die Versicherungen ein Interesse daran haben, nur die ihnen genehmen Urteile veröffentlicht zu wissen. Selbst wenn gegen Urteile, die zu Gunsten der Versicherung ergangen sind, Rechtsmittel eingelegt wurden, wird nicht darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
    Um so wichtiger ist die Öffenlichkeitsarbeit dieses Blogs, Sir, da haben Sie recht. Allerdings müßten viel mehr Urteile der Redaktion übersandt werden, damit diese veröffentlicht werden können oder zumindest archiviert werden können. Deshalb kann nicht oft genug der Aufruf um Einsendung von Urteilen wiederholt werden. Leider fehlen aus dem Beitrittsgebiet noch Urteile, denn auch dort werden Unfälle geschehen und auch dort werden die Unfallopfer geprellt.
    Von der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes habe ich auch noch nicht gehört. Möglicherweise wissen die Sirs da mehr. Sir Toby, be welcome! Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Chef des Blogs im Auftrag des Bundespräsidenten durch den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg würde ich auch begrüßen.
    Lasst uns daher weiter machen.
    Mit herzlichen Grüßen, Sir,
    Dein Willi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert