LG Baden-Baden bestätigt in der Berufung das Urteil des AG Rastatt und verurteilt die beteiligte Versicherung zur Freistellung von weiteren Mietwagenkosten auf Schwacke-Basis (3 S 12/12 vom 06.09.2013)

Mit Datum vom 06.09.2013 (3 S 12/12) hat das Landgericht Baden-Baden das Urteil des AG Rastatt vom 27.01.2012 (20 C 159/11) in der Berufung bestätigt, mit dem die beteiligte Versicherung zur Freistellung von weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 610,44 € sowie zur Zahlung weiterer RA-Kosten verurteilt wurde. Das Gericht hat ausdrücklich die Anwendung der Schwacke-Liste bestätigt, keine Chance für Fraunhofer.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Kläger hat die Anschlussberufung zurückgenommen.

I.

Zutreffend hat das Amtsgericht die Beklagte zur Freistellung des Klägers von den restlichen Verbindlichkeiten dex X in Höhe von EUR 610,44 sowie zur Zahlung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten über EUR 57,24 jeweils nebst Zinsen verurteilt. Lediglich der Anspruch des Klägers auf Freistellung von den Kosten für einen Zweitfahrer in Höhe von brutto EUR 156,- ist nicht begründet. Wegen den der Entscheidung nach §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen wird, soweit sich nicht nachfolgend abweichendes ergibt, auf das Urteil des Amtsgerichts Rastatt Bezug genommen (AS. I. 201 – 217).

II.

1. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Geschädigter vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH NJW 2010, 1445; BGH VersR 2008, 1370).

2. Der vom Amtsgericht zuerkannte Normaltarif aus der Rechnung der Fa. X, der deutlich unter dem Normaltarif gemäß Schwacke-Mietpreisspiegel 2010 liegt, ist gerechtfertigt

a) Die Heranziehung des Normaltarifs anhand des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels 2010“ als Vergleichsrahmen für die Bemessung der Erforderlichkeit ist im Rahmen von § 287 ZPO nicht zu beanstanden. Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2010 stellt jedenfalls aufgrund der nur verhältnismäßigen geringen Abweichungen zu den höchstrichterlich gebilligten Vorjahreslisten (vgl. BGH NJW 2011, 1947) eine geeignete Schätzgrundlage für den Normaltarif dar (OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.2011 – 4 U 106/11 = Schaden-Praxis 2012, 181). Insofern kommt es darauf an, ob die Beklagte konkrete Mängel aufgezeigt hat, die sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang ausgewirkt haben (BGH NJW-RR 2011, 823; BGH NJW-RR 2010, 1261; OLG Karlsruhe, Schaden-Praxis 2012, 181). Demnach reicht etwa allein der Verweis auf geringere Mietpreise im Marktpreisspiegel Mietwagen des Fraunhofer Instituts nicht aus. Denn es lässt sich keine derart überlegene Methodik der Fraunhofer Erhebung feststellen, dass zugleich die Annahme einer mangelhaften Erhebung für den Schwacke Mietpreisspiegel gerechtfertigt ist (OLG Karlsruhe, Schaden-Praxis 2012,181).

Konkrete Zweifel an der Eignung eines bestimmten Tabellenwerks als Schadensschätzungsgrundlage können sich allenfalls dann ergeben, wenn belegt ist, dass ein dem jeweiligen konkreten Mietfahrzeug mit allen Kategorisierungsmerkmalen des Tabellenwerks vergleichbares Fahrzeug eines anderen Vermieters zu einem in erheblicher Weise niedrigeren Gesamtentgelt anzumieten gewesen wäre als dem Gesamtmietpreis, der sich nach dem Tabellenwerk ergibt (OLG Stuttgart, NZV 2011, 556).

b) Solche Zweifel hat die Beklagte in erster Instanz nicht aufgezeigt. Zu Recht hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung angeführt, dass der Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz solche konkrete Tatsachen nicht enthält, insbesondere die drei Vergleichspreise der Firmen Sixt, Europcar und Avis, die sich nicht auf 17 Tage, sondern auf zwei Wochen erstrecken, nicht erkennen lassen, welche Konditionen sie enthalten, also insbesondere zu etwaiger Vorlaufzeit, Vorkasse, Höhe der Selbstbeteiligung bei der Haftungsbeschränkung. Hinzu kommt jedoch, dass allein der Umstand, dass drei benannte Mietwagenunternehmen gegenüber dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2010 günstigere Konditionen anbieten, nicht hinreichend zu begründen vermag, dass das ermittelte Mietpreisniveau des Mietpreisspiegels Schwacke 2010 unzutreffend ermittelt und für die Schätzung der üblichen Mietwagenkosten ungeeignet ist.

Soweit sich die Beklagte ferner auf recherchierte Internet-Angebote der Firmen Sixt und Europcar vom Juli 2011 (Anlage B 1, AS. I 77 ff.) berufen hat, ist zu beachten, dass es sich beim Internetmarkt um einen Sondermarkt handelt, der mit dem allgemeinen regionalen Mietwagenmarkt nicht ohne weiteres vergleichbar sein muss (vgl. BGH MDR 2010, 622; OLG Karlsruhe Schaden-Praxis 2012, 181; OLG Karlsruhe NZV 2010, 472). So setzt die Internetanmietung regelmäßig eine Vorabreservierung voraus und die Anmietzeit ist von Anfang an zu befristen (OLG Karlsruhe Schaden-Praxis 2012, 181). Dass dem Kläger eine solche Anmietung möglich und zumutbar war, trägt die Beklagte nicht vor. Im Übrigen ermangelt der Sachvortrag der Beklagten der Konkretisierung, dass die recherchierten Internetangebote zu gleichen Konditionen mit allen Kategorisierungsmerkmalen des Tabellenwerks für ein vergleichbares Fahrzeug eines anderen Vermieters zu einem in erheblicher Weise niedrigeren Gesamtentgelt den ortsüblichen Normaltarif widerspiegelten. Zu Recht hat das Amtsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass die zeitliche Differenz von nahezu einem halben Jahr einer zutreffenden Abbildung des Mietpreisspiegels zum Zeitpunkt des Unfalls, der sich im Januar 2011 ereignete, entgegen steht. Das Angebot der Fa. Europcar lässt im Übrigen schon nicht erkennen, zu welchen Bedingungen, insbesondere hinsichtlich des Vollkaskoschutzes, die Anmietung erfolgt wäre (AS. 79), sondern verweist lediglich auf nicht näher bekannte „Details in den“ (nicht vorgelegten) „Bedingungen“. Die Preise differenzieren zwischen „später zahlen“ und „jetzt zahlen“, das Angebot für ein Fahrzeug Smart Fortwo und Audi A1 setzt jeweils eine Vorausbuchungsfrist von mindestens 48 Stunden voraus.

Im Hinblick darauf, dass den Parteien die gesamte Problematik bestens geläufig ist, wie die Bezugnahme auf die einschlägige obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung zeigt und der Beklagten die Einzelheiten der Anmietung des Mietfahrzeuges, insbesondere auch hinsichtlich des Mietvertrages vorgerichtlich bekannt waren, bedurfte es eines weitergehenden Hinweises des Amtsgerichts nicht (vgl. OLG Stuttgart, NZV 2011, 556). Der in der Berufung hierzu vorgebrachte neue Sachvortrag der Beklagten ist daher nach §§ 529, 531 ZPO ausgeschlossen.

3. Der Kläger kann auch den Aufschlag für die Vollkaskoversicherung verlangen. Die Aufwendungen für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung gehören bei Schwacke zu den sogenannten Nebenkosten, die neben dem Normaltarif zusätzlich anfallen (OLG Karlsruhe, Schaden-Praxis 2012, 181). Die Vollkaskoversicherung ist ausweislich des Mietvertrages und der Mietwagenrechnung auch als Zusatzleistung vereinbart worden. Hierfür ist auch eine gesonderte Vergütung verlangt worden.

4. Zu Recht macht die Beklagte mit der Berufung geltend, dass der Aufschlag für einen zweiten Fahrer in Höhe von EUR 156,00 brutto (Anlage K 2, AS. I 17) nicht berechtigt ist. Den Feststellungen des Amtsgerichts entgegen, hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin gerade nicht bestätigt, dass die Erweiterung der Mietwagennutzung auf einen Zweitfahrer erforderlich war, weil sie auf das Mietfahrzeug angewiesen gewesen sei. Vielmehr hat sie nur ausgesagt, dass ihr und dem Kläger zwei Fahrzeuge zur Verfügung standen und sie das Mietfahrzeug tatsächlich genutzt hat. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass dies auch erforderlich war. Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Für die insoweit dem Kläger in Rechnung gestellten EUR 156,- brutto ist der Freistellungsanspruch daher nicht begründet.

5. Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass im Hinblick auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Schädiger die Frage, ob zwischen dem Geschädigten und der Mietwagenfirma überhaupt ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen ist, nicht zu entlasten vermag (vgl. BGH NJW 2005, 1043; BGH NJW-RR 2009, 130). Darauf, welche konkreten Tarifvereinbarungen zwischen dem Kläger und der Mietwagenfirma zustande kamen, kommt es für die Frage der geschuldeten Herstellung des erforderlichen Geldbetrags nicht an. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht etwa daraus, dass der Kläger nicht Zahlung des Schadensersatzes, sondern Freistellung einer Verbindlichkeit geltend macht, begehrt der Kläger doch in beiden Fällen den zur Herstellung erforderlichen Aufwand.

6. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Erstattung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe nebst Zinsen zu. Die Kürzung des Anspruchs des Klägers um die Kosten des Zweitfahrers in Höhe von EUR 156,- löst keinen Gebührensprung aus und führt daher zu keiner Verminderung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 91 Abs. 1, 516 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

V.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist, §§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO. Die Einzelfallprägung des vorliegenden Falles steht einer Revisionszulassung zur Klärung der Frage hinreichender Substantiierung des Sachvortrages der Beklagten zu Vergleichspreisen entgegen.

Soweit das LG Baden-Baden.

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