LG Hamburg entscheidet einstimmig gegen Helvetia-Versicherung durch Beschluss vom 23.1.2014 – 306 S 81/13 – .

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

zum Thema „fiktive Schadensabrechnung nach Verkehrsunfall“ geben wir Euch heute einen Beschluss der Zivilkammer 6 des LG Hamburg bekannt. Da die Helvetia Versicherung nicht regelgerecht den Schadensersatzanspruch des Geschädigten regulierte, musste das Unfallopfer zur berechtigten Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Vor dem Amtsgericht Hamburg erhielt das Unfallopfer bereits in vollem Umfang Recht. Die beklagte Helvetia-Versicherung wollte oder konnte sich nicht mit dem amtsgereichtlichen negativen Urteil zufrieden geben. Es wurde Berufung eingelegt. Die Berufungskammer des Hamburger Landgerichts hat offensichtlich den nötigen Durchblick und wies – einstimmig – die regulierungspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung darauf hin, dass die eingelegte Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Bschluss wurde der Redaktion eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus 22022 Hamburg. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab. 

Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker

Landgericht Hamburg

Az.: 306 S 81/13
55 C 33/13
AG Hamburg

Beschluss

In der Sache

beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 6 – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht … , den Richter am Landgericht … und den Richter am Landgericht … am 23.01.2014:

1. Die Kammer beabsichtigt die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 24.10.2013, Aktenzeichen 55 C 33/13, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Beklagten können hierzu binnen 2 Wochen Stellung nehmen.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht vollen Umfangs stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufungsbegründung bietet keinen Anlass zu einer anderweitigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

1.)
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagten im konkreten Fall nach Abwägung der gegenseitigen Betriebsgefahren und Verursachungsbeitrage gemäß § 17 StVG, bei der nur feststehende (d.h. entweder unstreitige oder bewiesene) Tatsachen zugrunde zu legen sind, dem Grunde nach zu 100 % für den Unfallschaden haften.

Ob das Wendemanöver der Beklagten zu 2) bereits mit dem (unvollständigen) Einfahren in die neben der gegenüberliegenden Fahrbahnseite befindlichen Parkbucht abgeschlossen gewesen ist, kann letztendlich dahin gestellt bleiben. Denn die Beklagte zu 2) hat nicht nur bei dem Wendemanöver die nach § 9 Abs. 5 StVO erforderliche besondere Sorgfalt zu beachten gehabt, sondern auch bei dem Einfahrvorgang in die Parkbucht und dem anschließenden Rangiermanöver, bei dem es zu einer Kollision der unfallbeteiligten Fahrzeuge gekommen ist Sie hätte daher insbesondere ihr Fahrzeug bei dem Rangiermanöver nur dann zurücksetzen dürfen, wenn hierbei eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Dass die Beklagte zu 2) dieser besonderen Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren nicht hinreichend nachgekommen ist, wird nicht nur durch den Eintritt des streitgegenständlichen Unfallereignisses belegt, sondern auch dadurch, dass sie nach ihren eigenen Angaben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor der Kollision gar nicht wahrgenommen hat, „wo das andere Auto herkam“, das hinter ihr vorbeigefahren ist und gegen dessen rechte Seite gefahren ist Deutlicher kann ein Verstoß gegen die besondere Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die zugrunde liegende Unfallkonstellation überhaupt nicht eingeräumt werden.

In rechtlicher Hinsicht ist es unerheblich, ob der Kläger bei dem Vorbeifahren an dem schräg in der Parkbucht befindlichen Fahrzeug der Beklagten zu 2) die Gegenfahrbahn in Anspruch nehmen musste oder nicht. Ein Verkehrsverstoß des Klägers ist aus der Benutzung der Gegenfahrbahn jedenfalls nicht abzuleiten. In Betracht kommt hier allenfalls ein Verstoß des Klägers gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 2 StVO, sofern der Kläger in der konkreten Verkehrssituation mit einem Rückwärts rangieren des Fahrzeugs der Beklagten zu 2) hätte rechnen müssen. Diesbezüglich könnte der genauen Fahrzeugstellung des Fahrzeugs der Beklagten zu 2) möglicherweise eine gewisse Indizwirkung zukommen. Doch auch soweit in diesem Punkt der streitige Vortrag der Beklagten zur Stellung des Fahrzeugs als zutreffend zugrunde gelegt werden würde, kann sich die Kammer keine Überzeugung eines entsprechenden Verkehrsverstoßes des Klägers verschaffen. Denn nach eigenem Bekunden hat die Beklagte zu 2) zunächst einmal den Verkehr auf der Gegenfahrbahn vorbeigelassen, bevor sie mit dem Rangiermanöver begonnen hat Sie muss also schon eine gewisse Zeit in der von ihr angegebenen Schrägstellung in der Parkbucht gestanden und den hinter ihr vorbeifahrenden Fahrzeugverkehr abgewartet haben. Vor diesem Hintergrund durfte dann aber auch der im fließenden Verkehr befindliche und ihr gegenüber bevorrechtigte Kläger darauf vertrauen, dass die Beklagte zu 2) ihrer besonderen Sorgfaltspflicht gemäß § 9 Abs. 5 StVO, die sie auch ihm gegenüber zu beachten hatte, nachkommen würde.

2.)
Soweit die Beklagten Einwendungen zur Schadenshöhe aufgrund der Benennung von Verweisungswerkstätten erhoben haben, hat das Amtsgericht diese Einwendungen zutreffend als rechtlich unerheblich angesehen, weil es an einem konkreten Tatsachenvortrag zu der (streitigen) Gleichwertigkeit der Reparaturleistungen in den angegebenen Verweisungswerkstätten fehlt.

Die Ansicht der Beklagten, dass der Nachweis einer lückenlosen Wartung in einer markengebundenen Fachwerkstatt „zwingende Voraussetzung“ sei, um die Verrechnungssätze in einer markengebundenen Fachwerkstatt auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung beanspruchen zu können, ist rechtsirrig. Vielmehr genügt der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn er – wie hier – der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm beauftragter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt entwickelt hat. Es obliegt dem Schädiger die Darlegung und der Beweis, dass es eine anderweitigere günstigere Reparaturmöglichkeit gibt, die nicht nur mühelos und ohne weiteres zugänglich ist, sondern gegenüber einer markengebundenen Fachwerkstatt auch technisch gleichwertig ist. Genau dieses haben die Beklagten jedoch nicht getans weil sich ihr Vortrag zu den Verweisungs Werkstätten überhaupt nicht mit dem hier zugrunde liegenden Schadensbild an dem Fahrzeug des Klägers, sowie der Ausstattung der Verweisungswerkstätten und deren Erfahrungen mit entsprechenden Schäden beschäftigt. Die bloße Behauptung, dass die Verweisungsstätten „sehr wohl in der Lage sind, den behaupteten klägerischen Schaden sach- und fachgerecht wie eine markengebundene Fachwerkstatt zu reparieren“ enthält insoweit keinerlei Substanz. Sie ersetzt einen konkreten Vortrag zu den Erfahrungen, der Ausstattung und den Fähigkeiten der Verweisungswerkstätten nicht, worauf bereits das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat.

3.)
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu LG Hamburg entscheidet einstimmig gegen Helvetia-Versicherung durch Beschluss vom 23.1.2014 – 306 S 81/13 – .

  1. Babelfisch sagt:

    Hallo Hamburg,
    dieser Beschluss weckt Hoffnungen.
    Diese sind sowohl im Bundesligafussball als auch bei der bisherigen Rechtsprechung zum Schadensersatzrecht nötig.

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