Nach Urteil des AG Saarbrücken kann nachträglich Schaden nicht durch geringere Stundensätze geschmälert werden, um zu einem Bagatellschaden zu gelangen ( Urteil vom 29.6.2013 – 42 C 81/12 (10) -).

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachstehend geben wir Euch heute  ein Urteil der Amtsrichterin der 42. Zivilabteilung des AG Saarbrücken bekannt. Mit diesem Urteil zeigt sich, wie fragwürdig eine feste Bagatellschadensgrenze von rund 700,– € ist, die vom BGH revisionsrechtlich nicht beanstandet worden ist. Entscheidend ist, was der Sachverständige an Wiederherstellungsaufwand bzw. Schadenshöhe beschrieben  hat. Kürzungen der Stundensätze können den relevanten Schadensbetrag nicht im Nachhinein drücken. Der Versuch, aufgrund eines Prüfberichtes mit reduzierter Schadenshöhe sich auf einen Bagatellschaden zu berufen, um die SV-Kosten isngesamt in Frage zu stellen, ging zu Recht fehl. Die Versicherungen werden immer dreister, um sich vor der notwendigen Schadensersatzpflicht zu drücken. Da werden die Versicherungen tatsächlich zum Angstmacher, wie die Autorin Krüger ihr lesenswertes Buch überschrieben hat, auf das hier bereits mehrfach hingewiesen wurde. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und noch eine schöne Woche.
Willi Wacker

Amtsgericht Saarbrücken                                                     verkündet am 29.06.2012

Geschäfts-Nr.: 42 C 81/12 (10)

Urteil

Im Namen des Volkes

 In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Beklagte

hat das Amtsgericht Saarbrücken durch die Richterin am Amtsgericht … im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 22.08.2012 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 293,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.04.2012 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Auf die Abfassung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten gemäß §§ 7, 18 StVG, 249 BGB.
Die Haftung der Beklagte aus dem Unfall vom 16.08.2011 ist dem Grund nach unstreitig.

Sachverständigenkosten gehören grundsätzlich zu dem Aufwand, den ein Geschädigter gemäß § 249 BGB vom Schädiger verlangen kann. Der Höhe nach beschränkt sich dieser Anspruch auf den erforderlichen Geldbetrag, d. h. auf die Aufwendung, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zettpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH, NJW 2005, 3681).

Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt (vgl. BGH a. a. O.). Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere kostengünstigere Schätzungen wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs ausgereicht hätten (vgl. BGH a. a. O.).

Der durch den Sachverständigen ermittelte Schaden lag bei 952,73 € brutto und damit über der Grenze, die von der Rechtsprechung bei rund 700,00 € angesetzt wird (BGH, a.a.O.; Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, § 249 Rn. 58).

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der von der Haftpflichtversicherung anerkannte Schaden auf der Grundlage anderer Stundenverrechnungssätze bei 616,93 € lag. Der Kläger durfte auf die Schadensschätzung des Sachverständigen vertrauen und sich hierauf berufen.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass vorliegend für jeden Laien ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass tiefgreifendere Schäden durch den Unfall nicht verursacht worden sein können. Zutreffend hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Umfang des Schadens für einen technischen Laien immer schwerer abschätzbar ist. Es konnte aufgrund des Unfallhergangs und des auch durch den Sachverständigen festgestellten Schaden – „ Der Stoßfänger vorne ist beschädigt und eingedrückt“ – nicht ausgeschlossen werden, dass tiefer liegende Schäden an dem Fahrzeug des Klägers entstanden waren.

Das vom Sachverständigen berechnete Grundhonorar von 233,00 € liegt innerhalb der BVSK Honorarabfrage 2011, Korridor V. Die BVSK Honorarabfrage ist nach wie vor zur Schätzung heran zu ziehen (vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 10.02.2012, Az. 13 S 109/10). Auch die Art und Höhe der geltend gemachten Nebenkosten ist nicht zu beantstanden.

2.
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte wurde durch Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Fristsetzung zum 16.11.2011 zur Zahlung aufgefordert. Der geltend gemachte Zinssatz entspricht den gesetzlichen Verzugszinsen.

3.
Darüber hinaus kann der Kläger Erstattung der außergerichtlich angefallenen und nicht anrechenbaren Anwaltskosten verlangen. Für die außergerichtliche Vertretung in einer zivilrechtlichen Angelegenheit steht dem Rechtsanwalt nach Nr. 2300 W RVG i.V. mit §§ 13, 14 RVG eine Geschäftsgebühr in Höhe von 0,5 bis 2,5 des Gebührensatzes zu, wobei die – auch hier in Rechnung gestellte – Regelgebühr 1,3 beträgt.

Die außergerichtlich angefaltenen Anwaltsgebühren für die zugesprochene Klagesumme berechnen sich vorliegend wie folgt:

1,3 Geschäftsgebühr aus 293,50 €                 32,60 €
Pauschale für Post- und Telekommunikation     6,50 €
Summe                                                           39,00 €

Die Kostenentschetdtrrtg beruht auf § §1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Soweit die Amtsrichterin des AG Saarbrücken. Jetzt bitte Eure Kommentare.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu Nach Urteil des AG Saarbrücken kann nachträglich Schaden nicht durch geringere Stundensätze geschmälert werden, um zu einem Bagatellschaden zu gelangen ( Urteil vom 29.6.2013 – 42 C 81/12 (10) -).

  1. RA Schepers sagt:

    Zutreffend hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Umfang des Schadens für einen technischen Laien immer schwerer abschätzbar ist.

    Dem ist nichts entgegenzusetzen!

  2. RA Rheinland sagt:

    Deshalb ist die Idee der Amtsrichterin in dem Urteil des AG Köln vom 27.11.2012 gar nicht so von der Hand zu weisen, den sog. Bagatellschadensbetrag nicht starr zu sehen, sondern diesen in Anlehnung an die Berufungsfähigkeit von Urteile bei 600,00 Euro anzusiedeln. Dann sind auch Kleinschäden von der Möglichkeit der Begutachtung eingeschlossen. Der Gutachter kann dann auch bei diesen Schäden ein beweiskräftiges Gutachten fertigen, damit auch später der Geschädigte beweiskräftige Bilder und Unterlagen zur Hand hat. Also analog AG Köln Grenze auf 600,00 Euro reduzieren!!!
    Das ist doch mal verbraucherfreundliche Rechtsprechung!!

  3. Rudolf sagt:

    @ RA Rheinland
    Warum eigentlich „Grenzen“ setzen in dieser Frage ? Ist doch schon in der Vergangenheit bis zum Geht nicht mehr abgehandelt worden.
    Zur Erinnerung :
    AG Nürnberg zur Erstattung der Sachverständigenkosten auch bei geringen
    Schäden, wobei AG Nürnberg eine starre Bagatellschadengrenze verneint (AG
    Nürnberg Urt. v. 1.7.2011 -24 C 647/11-).

    Ich behaupte einfach mal, dass auch ein erst noch zu erkennender Schaden mit den DANACH geschätzten Reparaturkosten von 300,00 € durchaus eine beweissichernde Tatsachenfeststellung rechtfertigen kann. Wo ist denn da ein Problem ? Auch bei Gericht gibt es sogar Streitwerte aus Unfallschäden von unter 100,00 € und das Gericht sieht sich veranlaßt, Beweis zu erheben, denn wer einen Schadenersatzanspruch geltend machen will, muß diesen auch beweisen, nicht mehr und nicht weniger und dafür ist eben auch im Kleinstschadenbereich ein Kostenvoranschlag nicht geeignet, da er sich nur auf die Prognose der angedachten Reparaturaufwendungen beschränkt.-

    Rudolf

  4. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott Leute,
    bei dem Versuch der Versicherung, im nachhinein zu einem sog. Bagatellschaden zu gelangen, um geringeren Schadensersatz leisten zu müssen, ist das Vorgehen der Versicherung doch klar erkennbar. Den Geschädigten an allen möglichen Stellen über den Tisch ziehen. Das ist die Devise. Bei einem Bagatellschaden wäre dann ein Gutachten nicht erforderlich gewesen. Da der Geschädigte offenbar fiktiv abrechnet, wären dann auch noch fiktive Reparaturkosten eingespart worden. Allein bei diesem Unglücksfall wären rund 650,00 Euro erspart worden zugunsten der Versicherung, nicht der Versichertengemeinschaft, denn die erhält davon gar nichts. Nur der Geschädigte hätte dann rund 650,00 Euro in seinem Vermögen weniger. Es ist schon schlimm. Man könnte tatsächlich Angst kriegen bei diesen Versicherungen.
    Servus
    Aigner Alois

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