OLG Frankfurt 22. Zivilsenat, AZ: 22 W 68/10 – Hemmung der Verjährung durch Anmeldung der Ansprüche beim Versicherer

Nachfolgend ein interessantes, bei  juris veröffentlichtes Urteil zur Hemmung der Verjährung:

 Leitsatz

1. An die Anmeldung des Schadensersatzanspruchs beim Kfz-Pflichtversicherer, die die Verjährung hemmt, sind inhaltlich nur geringe Anforderungen zu stellen. Es reicht auch aus, wenn nur ein Anspruch von mehreren geltend gemacht wird. Konkrete Regulierungsverhandlungen sind nicht erforderlich. Die Hemmung wirkt bis zum Eingang einer schriftlichen Entscheidung des Versicherers und wirkt auch für den Schädiger als Versicherungsnehmer.

2. Macht das Gericht die Bekanntgabe eines PKH-Antrags an die Gegenseite von weiteren Ausführungen des Antragstellers zum Streitwert oder der örtlichen Zuständigkeit abhängig, wirkt dieser Zeitverlust nicht zu Lasten des Antragstellers. Die entsprechende Aufklärung kann auch zugleich mit der Zuleitung des Antrags an die Gegenseite erfolgen. Deshalb kann die Erfolgsaussicht nicht damit verneint werden, der Antrag sei nicht im Sinne von § 204 Nr. 14 BGB demnächst bekannt gegeben worden.

Gericht: OLG Frankfurt 22. Zivilsenat

Entscheidungsdatum: 03.01.2011

Aktenzeichen: 22 W 68/10

Dokumenttyp: Beschluss

Normen: § 3 Nr 3 PflVG, § 115 Abs 2 VVG, § 204 Abs 1 Nr 14 BGB

Hemmung der Verjährung durch Anmeldung der Ansprüche beim Versicherer

 Leitsatz

1. An die Anmeldung des Schadensersatzanspruchs beim Kfz-Pflichtversicherer, die die Verjährung hemmt, sind inhaltlich nur geringe Anforderungen zu stellen. Es reicht auch aus, wenn nur ein Anspruch von mehreren geltend gemacht wird. Konkrete Regulierungsverhandlungen sind nicht erforderlich. Die Hemmung wirkt bis zum Eingang einer schriftlichen Entscheidung des Versicherers und wirkt auch für den Schädiger als Versicherungsnehmer.

2. Macht das Gericht die Bekanntgabe eines PKH-Antrags an die Gegenseite von weiteren Ausführungen des Antragstellers zum Streitwert oder der örtlichen Zuständigkeit abhängig, wirkt dieser Zeitverlust nicht zu Lasten des Antragstellers. Die entsprechende Aufklärung kann auch zugleich mit der Zuleitung des Antrags an die Gegenseite erfolgen. Deshalb kann die Erfolgsaussicht nicht damit verneint werden, der Antrag sei nicht im Sinne von § 204 Nr. 14 BGB demnächst bekannt gegeben worden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 27. Juli 2010 aufgehoben.

 

Das Landgericht wird angewiesen, die begehrte Prozesskostenhilfe nicht aus Gründen der Anspruchsverjährung zu verweigern.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 I.

Mit der beabsichtigten Klage verlangt der Antragsteller von den Antragsgegnern Schadensersatz und Schmerzensgeld aus Anlass eines Verkehrsunfalls vom … September 2003. Der Antragsteller wurde bei diesem Unfall schwer verletzt.

Am …. November 2003 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und unter dem 22. Februar 2006 zeigten die Rechtsanwälte … gegenüber der der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin an, dass sie den Antragsteller vertraten. Unter dem 3. März 2006 antwortete die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin und verlangte weitere Bescheinigungen, außerdem wandte sie bereits für die Frage der Haftung ein Mitverschulden des Antragstellers ein. Unter dem 6. März 2006 fragte die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin an, ob die Rechnung des Klinikums zunächst gänzlich durch sie ausgeglichen werden solle und hinsichtlich einer dadurch bedingten eventuellen Überzahlung angesichts der erhobenen Haftungseinwände eine Verrechnung mit den persönlichen Ansprüchen des Antragstellers erfolgen solle. Dies wurde unter dem 10. März 2006 durch die Vertreter des Antragstellers bejaht. Unter dem 15. März 2006 teilte die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin mit, dass sie die Krankenhausrechnung gänzlich ausgleichen werde; im Hinblick auf die Haftungseinwände erfolge die Überzahlung an die Klinik ausschließlich als Vorschuss an den Antragsteller. Unter dem 16. Juni 2006 forderten die Vertreter des Antragstellers die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin auf, einen Vorschuss auf das noch näher zu beziffernde Schmerzensgeld zu zahlen. Unter dem 30. Juni 2006 antwortete diese und teilte mit, dass das im Schreiben der Antragstellerseite erwähnte Schreiben vom 5. Mai 2006 nicht zur Akte gelangt sei, und bat dies nachzuholen. Eine Reaktion seitens der Antragstellerseite erfolgte darauf nicht.

Es kam weder im Jahr 2006 noch in den beiden Folgejahren zu weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien. Erst unter dem 28. Oktober 2009 forderten die jetzigen Vertreter des Antragstellers die Antragsgegnerin auf, ihnen Informationen über die Sache zu geben, da die vorherigen Vertreter des Antragstellers keine Reaktion zeigten. Nach Vorlage einer Vollmacht übersandte die Antragsgegnerin unter dem 15. Dezember 2009 den Antragstellervertretern Kopien aus der vorhandenen Schadensakte. Unter dem 28. Dezember 2009 forderten die Antragstellervertreter die Antragsgegnerin auf, bis zum 31. März 2010 auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Da dies nicht geschah, reichte der Antragsteller unter dem 31. Dezember 2009 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Klageentwurf beim Landgericht Darmstadt ein. Dieser wurde der Antragsgegnerin nicht sofort zur Kenntnis gebracht, sondern der Antragsteller wurde aufgefordert, Angaben zum Streitwert zu machen. Da keine Antwort einging, wurde der Antragsteller unter dem 8. März 2010 erneut hingewiesen. Unter dem 15. April 2010 konkretisierte dieser seine bisher lediglich als Feststellungsantrag formulierte Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung des Zukunftsschadens.

Die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Erwiderung bereits auf Verjährung der Ansprüche berufen.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 27. Juli 2010 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die bereits angekündigte Einrede der Verjährung werde Erfolg haben. Zwar sei die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren durch Verhandlungen gehemmt worden, dennoch sei die dreijährige Frist bereits bei Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags abgelaufen. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass Verjährung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2009 habe eintreten können, hätte die Einreichung des Antrags nicht für eine Hemmung ausgereicht, da die Bekanntgabe im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB nicht unverzüglich erfolgt sei. Dies habe daran gelegen, dass der Antragsteller auf die zweimalige Aufforderung des Gerichts zur Mitteilung von Streitwertangaben nicht reagiert habe.

Gegen diesen, dem Antragsteller nach eigenen Angaben am 22. September 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die unter dem 22. Oktober 2010 eingegangene Beschwerde, mit der dieser geltend macht, dass von Seiten der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin eine Ablehnung von Verhandlungen nicht erklärt worden sei, deshalb sei die Verjährungsfrist weiter durch Verhandlungen gehemmt gewesen. Im Übrigen sei die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfegesuchs auch demnächst erfolgt.

Ein gerichtliches Schreiben vom 7. Januar 2010 sei dem Antragsteller nicht zugegangen. Außerdem sei die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfeantrags auch unabhängig von der Angabe des Streitwerts möglich und erforderlich.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 II.

Die Beschwerde ist zulässig, sie ist auch begründet.

Die Ansprüche des Antragstellers aus dem Unfallereignis gemäß den §§ 7, 18 StVG, 3 Pflichtversicherungsgesetz i.d.F. bis zum 31.12.2007 sind noch nicht verjährt. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass vorliegend gemäß § 195 BGB die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt.

Diese Voraussetzungen sind unzweifelhaft im Jahre 2003 eingetreten. Mithin begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2003. Sie wurde gemäß § 203 BGB durch die Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Parteien beginnend mit dem Schreiben der Antragstellervertreter vom 22. Februar 2006 gehemmt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Antragsgegnerin ist die Hemmung der Verjährungsfrist seit dem 22. Februar 2006 nicht entfallen. Vorliegend maßgeblich ist nämlich der bis zum 31. Dezember 2007 geltende § 3 Nr. 3 Pflichtversicherungsgesetz (jetzt § 115 Abs. 2 VVG). Danach ist der Anspruch des Geschädigten, der beim Versicherer angemeldet worden ist, so lange gehemmt, bis die schriftliche Entscheidung des Versicherers bei dem Geschädigten eingeht.

An die Anmeldung des Schadensersatzanspruchs bei dem Versicherer sind inhaltlich nur geringe Anforderungen zu stellen. Es bedarf in der Folgezeit auch weder konkreter Regulierungsverhandlungen noch sonstiger Erklärungen des Versicherers (vgl. nur BGH, VersR 1985, 1141; NJW-RR 1987, 916). Es ist auch ausreichend, wenn lediglich ein Anspruch von mehreren geltend gemacht wird (BGH a.a.O.). Diesen Anforderungen entspricht das Schreiben der Antragstellervertreter vom 22. Februar 2006 in vollem Umfang, da darin sowohl Schadensersatz- als auch Schmerzensgeldansprüche sowie Ansprüche auf Grund von Erwerbsunfähigkeit geltend gemacht werden und die Bezifferung in einem gesonderten Schriftsatz erfolgen sollte. Auch die näheren Umstände des Unfalls, die Schadensersatzansprüche begründen, sind in diesem Schreiben erwähnt.

Die Hemmung gilt auch für den Antragsgegner zu 2) als Versicherungsnehmer (§§ 3 Nr. 3 S.4 PflVG a.F., 115 Abs. 2 S. 4 VVG n.F.).

Es kommt deshalb weder darauf an, ob mit Ablauf des 30. Juni 2006 die Hemmung von Verhandlungen geendet hat, noch darauf, ob der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers im Sinne von § 204 Nr. 14 BGB demnächst bekannt gegeben worden ist.

Der Senat weist allerdings darauf hin, dass das Verfahren des Landgerichts, die Bekanntgabe des Antrags von der Mitteilung über den Streitwert abhängig zu machen, Bedenken begegnet. Jedenfalls hält der Senat die Auffassung des Landgerichts, die Bekanntgabe sei deshalb nicht mehr demnächst erfolgt, für unzutreffend. Die Angabe des Streitwerts war zwar für die Frage der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts von Bedeutung. Dadurch war der Antrag nicht unzulässig, sondern es hätte ohne weiteres die Möglichkeit bestanden, dass sich die Gegenseite mit einer Zuständigkeit des Landgerichts einverstanden erklärt oder sich rügelos eingelassen hätte (§§ 38, 39 ZPO). Auch für die Entscheidung nach § 115 Abs. 4 ZPO, für die zur Errechnung der Kosten des Prozesses eine Streitwertangabe erforderlich ist, war die Klärung vor Bekanntgabe des Prozesskostenhilfeantrags nicht erforderlich. Diese Informationen hätten auch nach Bekanntgabe des Prozesskostenhilfeantrags im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Antrags angefordert werden können. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist für den Senat nicht möglich, da die näheren Umstände des Unfalls bisher nicht ausreichend dargelegt worden sind und auch zur Einschätzung des Schmerzensgeldes bisher zu wenig Angaben über die gesundheitliche und berufliche Situation des Antragstellers fehlen. E

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch die obersten Bundesgerichte erfolgt.

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