OLG Thüringen verurteilt beteiligte Versicherung in der Berufung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Urteil vom 05.10.2009 (9 U 646/08) hat das OLG Thüringen die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer 962,16 € verurteilt. Streitig war im konkreten Fall, ob die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast Genüge getan hat, nach der sie einen Unfallersatztarif geltend gemacht, da ihr ein günstigerer Mietwagentarif nicht zugänglich war.

Aus den Entscheidungsgründen:

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am  xx.xx.2004 auf der Ortsverbindungsstraße zwischen S. und P. ereignete. Die Klägerin ist Eigentümerin des Pkw Nissan Serena (amtliches Kennzeichen …..). Der Beklagte zu 1 ist Halter und Fahrer des am Unfall beteiligten Fahrzeugs Renault Clio (amtliches Kennzeichen ……), welches bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist.

Wegen des Unfallhergangs vom xx.xx.2004, der Einzelpositionen der Scha­densersatzforderung der Klägerin sowie deren Höhe und den von der Beklag­ten zu 2 darauf geleisteten Zahlungen sowie des sonstigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 21.04.2008 Beweis erhoben zur Behauptung der Klägerin, ihre finanzielle Lage habe es nicht zugelassen, die durch den Unfall verursachten Kosten durch eigene Mittel aufzubringen durch Vernehmung des Zeugen X, des getrennt lebenden Ehemanns
der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.04.2008 Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 03.07.2008, welches der Klägerin am 09.07.2008 zugestellt wurde, weitgehend stattgegeben und die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 4.649,11 € nebst 12 % Zinsen aus 4.482.3B € seit dem 01.06.2006 zu zahlen. Außerdem wur­den die Beklagten verurteilt, die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwalts­kosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Höhe von 276,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.09.2006 zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Das Landgericht hat die Unfalldarstellung der Klägerin als erwiesen und den Beklagten zu 1 als Unfallverursacher angesehen. Es hat sich bei der Verur­teilung des Beklagten zu 1 zur Schadensersatzzahlung auf  §§ 18 Absatz 1, 7 Absatz 1 StVG und hinsichtlich der Beklagten zu 2 auf § 3 Absatz 1 PflichtVG i. V. m. § 7 Absatz 1 StVG gestützt. Darüber hinaus hat das Landgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme nach Vernehmung des Zeugen X dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt nicht in der Lage gewesen  sei, wegen des Unfalls erforderlich werdende Kosten weder aus eigenen Mitteln noch durch einen Bankkredit vorzufinanzieren. Der Senat nimmt hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.

Das Landgericht hat die Klage teilweise abgewiesen, da es die Klägerin un­terlassen habe, Vergleichsangebote einzuholen, um überprüfen zu können ob sie auf einen günstigeren Tarif – einen Normaltarif – hätte zugreifen kön­nen als den von der Fa. Y GmbH angebotenen. Sie habe daher gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen, daher bestünde nur ein Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten auf der Basis des gewichteten Mittels des Normaltarifs des Schwacke-Mietpreisspiegels. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Über den Be­trag von 868,20 € hinaus seien die geltend gemachten Mietwagenkosten nicht mehr erstattungsfähig. Daher erfolgte die Abweisung mit einem Betrag von 962,16 €.

Als angemessene Unfallkostenpauschale sah das Landgericht den Betrag von 20,00 € an, die darüber hinausgehende Forderung von 10,00 wurde abgewie­sen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am xx.xx.2008 Berufung eingelegt und diese am xx.xx.2008 begründet.

Die Klägerin rügt Rechtsverletzungen durch das Landgericht, indem sie meint, es bestehe keine Kausalität zwischen ihrer Unterlassung, sich nach Vergleichsangeboten wegen eines Normaltarifs zu erkundigen und der Inan­spruchnahme eines etwas höher liegenden Tarifs der Fa. Y GmbH. Sie sei aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen, die Unfallkosten, insbesondere die Mietwagenkosten, aus eigenen oder fremden Mitteln vorzufinanzieren. Außerdem hätte kein Vermieter in der Region ein Fahrzeug zum Normaltarif herausgegeben, wenn nicht entweder der Mietzins für die gesamte voraussichtliche Dauer der Mietzeit vorausbezahlt worden wäre oder der Mieter eine Kreditkarte vorgelegt hätte; zu beidem sei sie nicht im Stande gewesen.

Weiter meint die Klägerin, es sei eine Unfallkostenpauschale von 30,00 € aufgrund des Anstiegs von Energiekosten und entstandener Fahrtkosten von H. nach H. wegen erforderlicher Besprechungen angemessen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verur­teilen, an die Klägerin unter Abänderung des angefochtenen Urteils weitere 972,16 € zu zah­len.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen im Grundsatz das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinslanzlichen Vorbringens. Die Be­klagten haben unstreitig gestellt, dass die Anmietung von Mietwagen zum sog. Normaltarif von den Mietwagenunternehmen entweder von der Vorlage einer Kreditkarte oder von einer Vorauszahlung mindestens in Höhe des vor­aussichtlichen Mietpreises abhängig gemacht wird. Sie bestreiten weiter, dass die Klägerin zur Vorauszahlung der Mietwagenkosten nicht in der Lage gewesen wäre.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und ordnungsgemäß begründete Beru­fung ist zulässig.

Sie hat in der Sache überwiegend Erfolg. Das landgerichtliche Urteil vom 03.07.2008 ist abzuändern (§§ 513, 546 ZPO). Die Forderung auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten ist begründet, diejenige wegen einer erhöhten Un­fallkostenpauschale ist unbegründet.

Der Senat ist zur Entscheidung aufgrund des Beschlusses des Präsidiums des Thüringer Oberlandesgerichts vom 16.09.2008 zur Regelung der Geschäftsvertailung zuständig. Zur Begründung wird auf das Hinweisschreiben des Senats vom 12.08.2009 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht dem Grunde nach zur gesamt­schuldnerischen Schadensersatzzahlung verurteilt. Nur in der Höhe war bei der Position der Mietwagenkosten die von der Klägerin beantragte Abände­rung vorzunehmen. Die Klägerin hat mit ihrem Vorbringen Erfolg, dass es für die Berechtigung zur Inanspruchnahme eines höheren Tarifs als des Normal­tarifs hier ausnahmsweise nicht darauf ankam, dass sie keine Erkundigungen nach einem derartigen Tarif bei dritten Unternehmen eingezogen hatte. Der unterlassenen Erkundigung fehlt die Kausalität für die Inanspruchnahme eines höheren Tarifs als den Normaltarif, da sie angesichts ihrer finanziellen Situation tatsächlich überhaupt nicht in der Lage war, einen Normaltarif von einem Mietwagenunternehmen zu erhalten. Der Klägerin ist der Nachweis gelungen, dass sie darauf angewiesen war, mehr als den im Grundsatz erfor­derlichen Herstellungsaufwand nach § 249 BGB zu beanspruchen. Im Hin­blick auf die gebotene subjektive Schadenbetrachtung war ihr ein günstigerer Mietwagentarif als der tatsächlich in Anspruch genommene – unter Berück­sichtigung ihrer individuellen Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für sie bestehenden Schwierigkeiten – unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in ihrer Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt nicht zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2007, VI ZR 99/06, Rn. 12 und BGH, Urteil vom 20.03.2007, VI ZR 254/05, Rn. 10, jeweils zitiert nach Juris). Sie hat ihre sekundäre Darlegungslast erfüllt, wonach es ihr oblag, die Umstände darzulegen, aus de­nen sich die Unzumutbarkeit schadensmindernder Maßnahmen ergab (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2007, VI ZR 36/06, Rn. 9 f. zitiert nach juris).

Der Senat konnte seiner Entscheidung ohne weitere Beweisaufnahme zu Grunde legen, dass die Klägerin nur dann Zugang zu einem Normaltarif hätte haben können, wenn sie in der Lage gewesen wäre, die zu erwartenden Mietwagenkosten aus eigenen oder fremden Mitteln vorzufinanzieren oder eine Kreditkarte zur Absicherung vorzulegen. Diese Marktbedingungen wur­den zwischen den Parteien, nunmehr unstreitig. Derartige Anforderungen zur Vorfinanzierung bzw. Vorlage einer Kreditkarte konnte die Klägerin nicht er­füllen. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen X und dessen Glaubwürdigkeit an. An beidem gab es keine nachvollziehbaren Zweifel. Da­mit steht fest, dass die Klägerin weder eine Kreditkarte hatte noch über ausreichende eigene finanzielle Mittel verfügte, um zu erwartende Miet­wagenkosten vorschießen zu können. Auch gab es keine Grundlage für den Erhalt eines Bankkredits, um nach Kreditgewährung in Vorlage treten zu kön­nen. Es bestand auch keine Vorschusspflicht des Zeugen X gegen­über der Klägerin. Dieser war nicht der Fahrzeughalter, es ging ausschließ­lich um Ansprüche im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten. Aus dem Familieneinkommen konnte die Klägerin die zu erwartenden Kosten im Rahmen des § 1360 a BGB ebenfalls nicht bestreiten, denn – wie der Zeu­ge X nachvollziehbar bekundete – war am jeweiligen Monatsende nach Bestreiten aller Kosten und Unterhaltspflichten kein Überschuss mehr vorhanden. Dies ist bei einem Nettoeinkommen von circa 2.500,00 € und letztlich sechs Unterhaltspflichten – der Klägerin, den gemeinsamen vier Kindern sowie einem weiteren  Kindgegenüber völlig realistisch und bedarf keinen weiteren Ausführungen.  

Somit waren die weiteren Mietwagenkosten, deren Höhe der Senat als angemessen ansieht (§ 287 ZPO), zuzusprechen, jedoch nicht die geforderten weiteren pauschalen Unfallnebenkosten. Der Senat hält daran fest, dass 20,00 € gerade angesichts sinkender Telekommunikationskosten angemessen sind. Über die Pauschale hinausgehende konkrete Kosten hat die Kläge­rin weder dargelegt noch unter Beweis gestellt. Fahrten zwischen H. und H. wurden nur angedeutet, dem war nicht weiter nachzugehen. 

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst,  da der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweicht, sondern diese anwendet; im übrigen geht es um Beweiswürdigung, insbesondere der Aussage des Zeugen X, im Einzelfall.

Soweit das OLG Thüringen.

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