Richterin des AG Karlsruhe verurteilt Württembergische Versicherung AG zur Freistellung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.7.2013 – 5 C 180/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachdem dieser Blog hier und heute schon zwei besonders interessante Beiträge mit brisanten Themen veröffentlicht hat, verschwindet ein gewöhnliches, alltägliches Urteil gegen die Württembergische Versicherungs AG in der Bedeutungslosigkeit. Gleichwohl wollen wir Euch das Urteil der (jungen) Richterin der 5. Zivilabteilung des Amtsgerichts Karlsruhe nicht vorenthalten. Wieder wurde seitens der eintrittspflichtigen Kfz-Versicherung, hier: der Württembergischen Versicherungs AG, wider besseren Wissens vorgetragen, dass eine behauptete Überhöhung der Sachverständigenkosten zu einer berechtigten Kürzung durch den Schädiger bzw. dessen Versicherung führen könne. Diese Argumentation muss ein für allemal ins Reich der Fabel verwiesen werden. Maßgeblich ist die Erforderlichkeit. Wenn der Geschädigte nicht selbst in der Lage ist, den Schaden anzugeben und der Höhe nach zu beziffern, dann ist er berechtigt, einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadensgutachtens zu beauftragen. Darin liegt auch kein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht. Wenn der Schädiger dann meint, die aus der ex-ante Sicht des Geschädigten erforderlichen Kosten des Sachverständigen seien überhöht, so ist das Sache des Schädigers, denn der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist Erfüllungsgehilfe des Schädigers. Der Schädiger mag sich dann aufgrund der Drittwirkung des Sachverständigenvertrages unmittelbar an den Sachverständigen wenden.

Der Geschädigte hat vollen Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Sachverständigenkosten, ohne dass es im Schadensersatzprozess einer Kostenprüfung durch den Schädiger oder das Gericht bedarf. Aber ich befürchte, das verstehen die Versicherungen nicht bzw. wollen es nicht verstehen, denn der von mir aufgezeigte Weg ist beschwerlicher und kostenintensiver als die Kürzung der berechtigten Ansprüche des Geschädigten. Lest aber selbst das Sachverständigenkostenurteil gegen die Württembergische Vers. aus Karlsruhe vom 16.7.2013 und gebt bitte Eure Kommentare bekannt.

Viele Grüße
Willi Wacker

Aktenzeichen:
5 C 180/13

Verkündet am
16.07.2013

Amtsgericht Karlsruhe

Im Namen des Volkes

Urteil

in dem Rechtsstreit

-Kläger-

gegen

Württembergische Versicherung AG, vertreten durch d. Vorsitzenden Norbert Heinen, Hohenzollernstr. 46, 71038 Ludwigsburg

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Karlsruhe
durch die Richterin …
am 16.07.2013 nach dem Sach- und Streitstand vom 09.072013 ohne mündliche Verhandlung
gemäß § 495a ZPO

für Recht erkannt

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Forderungen der Firma Kfz-Sachverständigengesellschaft … aus der Rechnung Nr. … vom 11.12.2012 in Höhe von 145,35 freizustellen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2013.

2. Die Beklagte hat die Kosten das Rechtsstreis zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wind auf 145,35 € festgesetzt.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist insgesamt begründet.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG die Freistellung von Ansprüchen der Firma Kfz-Sachverständigengesellschaft … aus der Rechnung Nr. … vom 11.12.2012 in Höhe von 145,36 € verlangen.

Die vollumfängliche Haftung der Beklagten für Schäden, die dem Kläger infolge des Unfalls am 04.12.2012 in Neunkirchen entstanden sind, ist unstreitig. Die Beklagte hat daher nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Dazu zählen auch die zur Ermittlung des Schadensumfangs erforderlichen Kosten; somit auch die Sachverständigenkosten. Dies wurde von der Beklagten durch die vorgerichtliche Zahlung auch anerkannt.

Der Kläger durfte den Sachverständigen … mit der Begutachtung des entstandenen Schadens beauftragen. Der Geschädigte ist in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadenegutachtens zu beauftragen (BGH, Urt. v. 15.01.2005, VersR 2005, 558, 559). Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Anders als im Bereich der Mietwagenkosten gibt es bei Sachverständigen keinen vergleichbar umkämpften und andererseits auch transparenten Markt, bei dem einem Geschädigten die erheblichen Preisunterschiede zum Einen regelmäßig bewusst sind und er sich zum Anderen vor Abschluss eines Vertrages – etwa durch eine Internet-Recherche über angebotene Preise informieren kann. Der Einwand der Überhöhung des Sachverständigenhonorars führt nur dann zu einer Kürzung des Anspruchs des Geschädigten, wenn für diesen als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Naumburg, Urt. v. 20.01.2006, 4 U 49/05).

Keiner dieser Umstände ist bei der Beauftragung des Sachverständigen … ersichtlich. Eine willkürliche Honararfestsetzung durch den Sachverständigen liegt nicht vor. Der Sachverständige orientierte seine Honoraraorechnung an der Honorartabelle der BVSK 2010. Soweit die Vergütung in einzelnen Positionen den Rahmen überschritt, wurde dies durch Ansatz eines günstigeren Tarifes für andere Positionen kompensiert, wie eine Vergleichsberechnung zeigt, insbesondere ist der Ansatz einer Pauschale anhand das Schadensumfangs nicht zu beanstanden. Neben der Pauschale als Grundgebühr können weitere Forderungen als Nebenforderungen gelten gemacht wurden (BGH, Urt v. 04.04.2006, X ZR 122/05). Die angesetzten Nebenkosten halten sich im Rahmen der in der BVSK angegebenen Werte. Die Rechnung ist nicht wegen des Ansatzes von Fremdkosten für Audatex-Abrufe evident überhöht (AG Bonn, Urt. v. 12.06.2012, 106 C 80/12).

Dia Beklagtenseite hat femer nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger durch die Beauftragung des Sachverständigen … gegen seine Schadensminderungspflicht verstieß. Insbesondere ist nicht aufgrund der angesetzten Fahrtkosten für 34 km davon auszugehen, dass der Kläger den Sachverständigen … nicht beauftragen durfte. Des Sachverständigenbüro befindet sich nur rund 8 km vom Wohnort des Klägers entfernt.

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 264 BGB, der von Beklagtenseite darzulegen und zu beweisen wäre, ist nicht ersichtlich,

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.

Die Berufung wird nicht zugelassen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung das Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung das Berufungsgerichts, § 611 Abs. 4 ZPO.

Und jetzt bitte Eure Kommentare.

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3 Antworten zu Richterin des AG Karlsruhe verurteilt Württembergische Versicherung AG zur Freistellung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 16.7.2013 – 5 C 180/13 -.

  1. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott, Willi Wacker,
    die junge Richterin hat ja richtig angefangen mit der Urteilsbegründung. Zum Schluss fiel sie dann aber offensichtlich doch auf den Vortrag der Württembergischen herein, indem sie die Kosten an BVSK maß. Im Schadensersatzprozess ist aber eine Preiskontrolle nicht erlaubt, weder für den Schädiger noch für das Gericht. Immer wieder versuchen die Versicherungen die Richter und Richterinnen zu verunsichern und mit behaupteten Honorarüberhöhungen aufs Glatteis – trotz Hochsommers – zu führen.
    Servus
    Aigner Alois

  2. Rick sagt:

    Hej, Willi Wacker,
    warum sind einige Gerichte immer wieder ersichtlich bemüht, in den Entscheidungsgründen zum bekannten Thema das Rad neu zu erfinden ? Das ist in diesem Urteil nicht festzustellen. Die Richterin hat vielmehr schon bekannte grundsolide Entscheidungsgründe noch einmal komprimiert präsentiert, aber auch einige herauszustellende Überlegungen berücksichtigt, die man beachten sollte.

    „Die Rechnung ist nicht wegen des Ansatzes von Fremdkosten für Audatex-Abrufe evident überhöht (AG Bonn, Urt. v. 12.06.2012, 106 C 80/12).“

    Die Beklagtenseite hat femer nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger durch die Beauftragung des Sachverständigen … gegen seine Schadenminderungspflicht verstieß.“ (Auf solche Versäumnisse sollte man in der Begründung zur Klageabweisung vermehrt sein Augenmerk richten).

    „Insbesondere ist nicht aufgrund der angesetzten Fahrtkosten für 34 km davon auszugehen, dass der Kläger den Sachverständigen … nicht beauftragen durfte. Des Sachverständigenbüro befindet sich nur rund 8 km vom Wohnort des Klägers entfernt.“

    „Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB, der von Beklagtenseite darzulegen und zu beweisen wäre, ist nicht ersichtlich.“

    Unschön in den Entscheidungsgründen ist allerdings auch wieder die Verwendung des Begriffs „Gebühr“ und die Bezugnahme auf eine Honorartabelle, die nicht die Funktion einer „Gebührenordnung“ hat.

    Ersatzweise hätte es genügt, auf einen Satz in den Entscheidungsgründen abzustellen, der da lautet:

    „Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen.“

    In der Tragweite enthält dieser Hinweis fast alles, was schadenersatzrechtlich bedeutungsvoll ist und danach wäre ein „Vergleich“ mit jedweder Honorartabelle allein schon deshalb überflüssig, weil der Geschädigte sich am örtlichen Markt nicht ausreichend zuverlässig nach den erforderlichen Kosten eines qualifizierten, verkehrsfähigen und versicherungsunabhängigen Beweissicherungs-Gutachtens erkundigen kann. Das hat der BGH sehr wohl erkannt und deshalb auch eine Überprüfung ex post verboten, denn ansonsten wäre der Hinweis, dass selbst bei überhöhten Honoraren zunächst eine Regulierungsverpflichtung besteht, widersinnig und das betrifft damit auch die ganze vergleichende Nachrechnerei. Man sollte erkennen, dass unsere Gerichte nicht dazu da sind, sich auf eine Honorarfestsetzungsfunktion fixieren zu lassen, sondern dass es tatsächlich nur um Schadenersatzrecht im wahrsten Sinne des Wortes geht und alle abschweifenden, manipulativ konstruierten Erwägungen, die auf werkvertragliche Randbedingungen abstellen, Thema verfehlend sind, so dass hinreichend Anlaß besteht, diese auch in der gebotenen Deutlichkeit zurückzuweisen. Das kommt bisher in vielen Urteilen leider immer noch nicht zum Ausdruck.

    Rick

  3. Ra Imhof sagt:

    Wieso Freistellung?
    Der Anspruch auf Freistellung erlischt,wenn der Schädiger die Leistung von Schadensersatz ernsthaft verweigert,§250 S.2,HS 2 BGB.
    Der Freistellungsanspruch wandelt sich dann in einen Geldanspruch.
    BGH NJW RR 11,910 lesen!

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