AG Dresden verurteilt VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (115 C 7377/09 vom 09.07.2010)

Mit Urteil vom 09.07.2010 (115 C 7377/09) hat das Amtsgericht Dresden die VHV AllgemeineVersicherungs AG  zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 771,41 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist in voller Höhe begründet.

Die Klägerin ist aufgrund der Abtretung aktivlegitimiert.

Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs. Die Beklagte haf­tet dem Geschädigten als Haftpflichtversicherer unmittelbar aus § 3 PflVG aF bzw § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Der Halter eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers ist gemäß § 1 PflVG verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer ein Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentli­chen Wegen oder Plätzen (§ 1 StVG) verwendet wird. Gemäß § 3 Nr. 1 PflVG aF bzw § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Geschädigte im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen der Nr. 4 – 6 seinen Anspruch auf Ersatz des Schadens auch gegen den Versicherer geltend ma­chen.

Der Versicherer hat den Schadenersatz in Geld zu leisten. Gemäß § 3 Nr. 2 PflVG aF bzw §§ 115 Abs. 1 Satz 4 116 VVG haften der Versicherer und der Versicherungsnehmer ais Gesamtschuldner. Dem Anspruch kann gemäß § 3 Nr. 4 PflVG aF bzw § 117 Abs. 1 VVG nicht entgegengehalten werden, dass der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer von der Leistung frei geworden ist. Der Versicherer haftet, wie der Halter sprich: Versicherungsnehmer haftet. Die Haftungsquote von 100% zu Lasten der Beklagten ist unstreitig.

Die Beklagte ist der Klägerin zum Ersatz des entstandenen Schadens in der tenorierten Höhe verpflichtet. Der Schaden ist zu ermitteln durch den Vergleich der Hypothetischen Güterlage ohne das schädigende Ereignis mit der tatsächlichen Lage nach Einbeziehung aller adäquat kausal zurechenbaren Vor- und Nachteile (Differenzmethode); die Verteilung der Verursa­chungsanteile ist zu berücksichtigen. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Berechnung ist die Geltendmachung des Schadens. Zu den Nachteilen bei einem Vergleich der realen und der hypo­thetischen Lage zahlen alle Nachteile an Rechten, Rechtsgütern, rechtlich geschütztem Ver­mögen die durch das schädigende Ereignis verursacht worden sind, es sei denn: nicht ad­äquat verursacht; nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst; der Schaden wäre ohnehin eingetreten, wie dies bei rechtmäßigem Alternatiwerhalten auch der Fall gewesen wäre. Vor­sorgekosten oder allgemeine Verwaltungskosten der Schadenfeststellung und -abwicklung. Vorteile die bei dem Vergleich der Vermögenslagen entstehen sind schadensmindernd anzu­rechnen: ersparte Aufwendungen, soweit sie adäquat kausal verursacht und nach dem Schutzzweck der Norm anrechenbar sind, bzw. pflichtwidrig unterlassene Schadensminde­rung des Erwerbs von Vorteilen.; durch pflichtgemäße Schadensminderung erzielte Vorteile; Erträge und Substanz aus einer Erbschaft nur dann, wenn und soweit sie nicht ohnehin später zugefallen wären, wobei Leistungen von Unfall- und Lebensversicherungen nicht anzurechnen sind; bei Schadenersatz „neu für alt“ Abzug des Mehrwerts der neuen Sache.

Der Schadenausgleich ist gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB als Naturalrestitution zu leisten. Statt der Wiederherstellung durch den Schädiger kann der Gläubiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache statt der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Inso­weit schafft die gesetzliche Regelung eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Hat der Gläu­biger einmal Geldersatz verlangt, ist er an diese Wahl gebunden (BGH NJW 1993, 727). An­dernfalls kann der Geschädigte dem Ersatzpflichtigen gemäß § 250 BGB zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Herstellung nach Ablauf der Frist ablehne. Nach Ablauf der Frist, ohne dass eine Herstellung erfolgt wäre, kann der Ge­schädigte nur noch Ersatz in Geld verlangen. Der Anspruch auf Herstellung ist gemäß § 250 Satz 2, 2. Halbsatz BGB ausgeschlossen. Der Versicherer haftet gemäß § 3 Nr. 1 Satz 2 PflVG aF bzw § 115 Abs. 1Satz 3 VVG stets nur auf Geld.

Die Mietwagenkosten sind Schaden in Höhe der von der Klägerin gestellten Rechnung. Mietwagenkosten sind dem Geschädigten zu erstatten, soweit sie erforderlich sind, d.h. die Auf­wendungen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Ge­schädigten machen würde (BGH NJW 1987, 50;  BGH NJW 2007,1124-1126; 2008, 2910-2912). Da nur der objektiv erforderliche Betrag zu ersetzen ist, muss der Geschädigte zum Preisvergleich zwei oder drei Angebote einholen (BGH NJW 1985, 2639; 05, 1933) und sich über die in Betracht kommenden Tarife informieren. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung, die nichts mit „Marktforschung“ zu tun hat, genügen wenige Telefonate. Sie besteht insbesondere, wenn höhere Kosten zu erwarten sind und je weiter die Anmietung des Fahrzeugs vom Unfall­zeitpunkt entfernt ist. Soweit der Geschädigte zum „Unfallersatztarif‘ angemietet hat ist dies nicht prima facie ein Mtverschulden bezüglich der Höhe des Miettarifs (BGH NJW 96, 1958; 05, 51; 05, 135; 05, 1933). Die Sätze des Unfallersatztarifs, die regelmäßig höher liegen als die so genannten Normaltarife können nicht ohne weiteres mit dem zur Schadenbeseitigung erforderlichen Aufwand gleichgesetzt werden. Der Unfallersatztarif ist nur zu ersetzen, wenn die Mehrforderung gegenüber dem Normaltarif auf Leistungen beruht, die auf die besondere Unfallsituation zurückzuführen sind (BGH NJW 05, 51; 05,135; 05,1041; 05,1043; 05,1933; 07,1124ff). Das Gericht ist bei der Schadenabrechnung nach § 287 ZPO besonders freige­stellt und die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit muss nicht die Kalkulation des konkreten Unternehmens nach sich ziehen (BGH NJW 2007, 1124ff). Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallge­schädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauscha­ler Aufschlag auf den „Normaltarif „in Betracht kommt. Normaltarif ist der Tarif, der einem Selbstzahler normalerweise angeboten und der unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (BGH NJW 2007, 1124ff). In Ausübung dieses Ermessens nach § 287 ZPO kann das Gericht den „Normaltarif“ auch auf Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlenbereich des Geschädigten ermitteln (BGH NJW 2008, 2910-2912). Auf allgemeine Angriffe gegen die Schätzgrundlage muss das Gericht nicht ein­gehen. Einwendungen gegen die konkrete Schadenbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb darf die Eignung von Listen und Tabellen die bei der Schadenschätzung verwendet werden nur dann der Klärung, wenn konkrete Tatsa­chen aufgezeigt werden, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzungs­grundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008, 2910-2912). Im geeigneten Einzelfall können auch andere als die genannten Mietpreisspiegel oder eine Inter­net-Recherche (OLG Dresden Schaden-Praxis 2006, 63-64) herangezogen werden. Das Ge­richt kann daher verschiedenste Quellen als Grundlage für seine Schätzung heranziehen und ist in keiner Weise gehalten, sich auf eine Erkenntnisquelle zu beschränken. Die entsprechenden Anknüpfungstatsachen sind vom Geschädigten im Einzelnen vorzutragen. Sollte der Miet­preis nach dieser Prüfung nicht im Rahmen des Erforderlichen liegen, ist er trotzdem zu er­setzen, wenn der günstigere „Normaltarif“ dem Geschädigten nicht bekannt (erkennbar) oder zugänglich war (BGH NJW 2007, 2758-2759). Der von der Klägerin in Rechnung gestellte Mietpreis liegt in der nach der Schwacke – Liste ermittelten Preisspanne. Das Gericht hat da­her keinen Anlass, in die Preisgestaltung einzugreifen. Die Rechtsprechung des 6. Zivilsena­tes des Bundesgerichtshofes richtet sich letztlich gegen die infolge seiner eigenen früheren Rechtsprechung entstandenen „Unfallersatztarife“, die ein Vielfaches des ansonsten üblichen Tarifes betrugen. Sind solch überhöhten Preise veranschlagt, hat das Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Es ist jedoch nicht der exakt günstigste Preis durch das Gericht zu schät­zen. Eine Schätzung ist nur dann erforderlich, wenn der Mietpreis außerhalb der allgemeinen Tarife liegt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Schwacke – Liste nach ständiger Recht­sprechung des Bundesgerichtshofes nach wie vor eine geeignete Schätzungsgrundlage dar­stellt. Die von der Beklagten eingeholten Alternativangebote sind bereits deshalb nicht ver­gleichbar, da zu einer anderen Jahreszeit eingeholt. Zudem handelt es sich um eine Buchung online mit einer Vorlauffrist von mindestens zwei Tagen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.

Die Nebenentscheidungen folgen den §§ 91, 709 ZPO.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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