Das AG Wuppertal verurteilt HUK Coburg Versicherung mit einem bemerkenswerten Urteil zur Erstattung des restlichen Schadensersatzes im Rahmen der fiktiven Abrechnung (34 C 492/09 vom 08.11.2010)

Mit Entscheidung vom 08.11.2010 (34 C 492/09) wurde die HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Wuppertal zur Erstattung des restlichen Schadensersatzes aus einer Fiktivabrechnung veurteilt. Die HUK hatte die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt durch die DEKRA kürzen lassen. Das Gericht ist der (richtigen) Auffassung, dass alleine der Verweis auf Werkstätten, die einen günstigeren Stundenverrechnungssatz anbieten, nicht ausreicht. Vielmehr habe die Versicherung ein konkretes (annahmefähiges) Gegenangebot für den gesamten Reparaturaufwand entsprechender gleichwertiger Werkstätten vorzulegen, wobei jedoch bei der Argumentation zur „Gleichwertigkeitsvermutung“, unter Betrachtung der Beweislast  des Schädigers, Bedenken angebracht sind. Aufgrund der restlichen Begründung trotzdem ein Musterurteil für die Urteilssammlung unter Berücksichtigung von VW & Co.

34 C 492/09

Amtsgericht Wuppertal

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägers,

gegen

die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Willi-Becker-Allee 11, 40227 Düsseldorf,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Wuppertal, Abteilung 34, im Verfahren nach § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 08.11.2010 durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger €426,82 (in Worten: Euro vierhundertsechsundzwanzig 82/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.08.2009 sowie nicht anrechenbare, vorgerichtliche Anwaltskosten von € 83,54 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.08.2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die erhobene Klage auf Zahlung restlichen Schadenersatzes aus dem Verkehrsunfall vom 19.05.2009 ist begründet. Gegen den klägerseits dem Grunde nach und der Höhe nach schlüssig dargelegten Klageanspruch werden beklagtenseits keine erheblichen Einwendungen erhoben.

Die. Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die unfallbedingten Schäden (§§ 7,17 StVG, 3 PflVG, 115 VVG) steht außer Streit.

Soweit sich die Beklagte wegen der Schadenshöhe unter Hinweis auf einen Prüfbericht der DEKRA und den lediglich namentlichen Verweis auf andere kostengünstigere Werkstätten – jedoch ohne konkretes, quasi „annahmefähiges“ Gegenangebot – darauf beruft, den Kläger als Geschädigten auf niedrigere Stundenverrechnungssätze verweisen zu können, bleibt dies im Ergebnis ohne Erfolg.

Grundsätzlich gilt (wie bereits im Hinweis vom 09.09.2010 mitgeteilt):

Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung in der Regel die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen.

Auf der Grundlage der BGH-Entscheidung vom 23.02.2010 (VI ZR 91/09, NJW 2010, 2118) braucht sich ein Geschädigter im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB nur dann auf eine anderweitige günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen zu lassen, wenn die Verweisung auf mindestens eine konkrete, namentlich und mit Anschrift benannte Werkstatt erfolgt, ein konkretes quasi annahmefähiges „Gegenangebot“ vorgelegt wird, dieses Angebot für den Geschädigten ohne weiteres mühelos zugänglich ist und der Reparaturstandard der einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.
Letztes Kriterium wird im Bereich des Amtsgericht Wuppertal in der Regel vermutet, insbesondere wenn es sich bei der im „Gegenangebot“ benannte Werkstatt um eine solche handelt, die von einer unabhängigen Kontrollorganisation zertifiziert ist (TÜV, DEKRA), von einem Meister geführt wird, Originalersatzteile verwendet, Herstellervorgaben arbeitet bzw. es sich um ein Mitgliedsbetrieb des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik handelt.
Dabei muss sich der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1BGB nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen (BGH, Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09).

In Anwendung dieser Grundsätze genügt die Beklagtenseite ihren (im Hinweis vom 09.09.2010 mitgeteilten) Darlegungspflichten nicht, wenn sie lediglich unter Hinweis auf einen Prüfbericht der DEKRA und den namentlichen Verweis auf zwei Werkstätten, jedoch ohne konkretes, quasi „annahmefähiges“ Gegenangebot, die Erstattung der Reparaturkosten auf der Basis von Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verweigert.

Das Gericht sieht auch keinen Anlass, die auch vom hiesigen erkennenden Gericht geteilten Rechtsausführungen des BGH zur Frage des unzulässigen Verweises auf Werkstätten mit „Sonderkonditionen“ in der Weise auf die Fragestellung der  Substantiierungslast der Beklagtenseite zu erweitern, dass auf das Erfordernis einer quasi konkreten Gegenrechnung hinsichtlich einer konkreten Werkstatt vollständig verzichtet werden könnte. Schon im Hinblick auf eine denkbare, sich anschließende Beweisaufnahme (gegebenenfalls durch Sachverständigen) bedarf es einer solchen „Gegenrechnung“, weil sonst die Frage der Vergleichbarkeit der genauen Arbeitsausführung und damit die Zumutbarkeit des Verweises nicht hinreichend überprüfbar wäre. Insoweit kommt es angesichts der unzureichenden Darlegungen der Beklagtenseite auf Überlegungen zur Frage, inwieweit im Rahmen einer – hier gerade nicht erforderlichen – Beweisaufnahme der Tatrichter im Rahmen des § 287 ZPO bei seinen Feststellungen besonders frei wäre, hier nicht an.

Sonstige ehebliche Einwendungen der Beklagtenseite sind nicht ersichtlich.

Nachdem das Gericht auf die Verfahrensart nach § 495a ZPO hingewiesen hat und die gerichtlich gesetzte Frist zur abschließenden Stellungnahme abgelaufen ist, ohne dass erhebliche Einwendungen erhoben wurden, war der Klage durch Urteil stattzugeben.

Anlass, die Berufung zuzulassen, besteht insoweit nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Nebenentscheidungen auf den §§ 286ff BGB, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Streitwert: €426,82

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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