AG Duisburg-Hamborn verurteilt VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (6 C 140/10 vom 30.08.2010)

Mit Urteil vom 30.08.2010 (6 C 140/10) hat das Amtsgericht Duisburg-Hamborn die VHV Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 179,45 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist zulässigg und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 179,45 € aus §§ 7, 17, 18 StVG i. V. m. § 115 VVG. Das Fahrzeug des Klägers wurde beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs beschädigt, wobei unstreitig eine Alleinhaftung der Beklagten gegeben ist. Als Schaden kann der Kläger von der Beklagten gemäß § 240 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Klägers für zweckmäßig und notwendig erachten darf.

Der Kläger ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaft-lichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt nicht nur für Unfallgeschädigte erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheilten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation ein gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vormieters beruhen, die durch besondere Unfallsituationen veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2008, Az: VI ZR 234/07 m.w.N). Das Gericht muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Falle nachvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt. Vorliegend handelt es sich bei dem Tarif, den die … Autovermietung X GmbH gegenüber dem Kläger abgerechnet hat, um einen Unfallersatztarif. Er ist zwar nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet. Der Vermieter kann sich aber nicht durch eine andere Bezeichnung der Beschränkung der Ersatzpflicht entziehen. Bereits die Begründung des Autohauses, nämlich, dass der Zuschlag für unfallbedingte Mehrleistungen erhoben werde, macht deutlich, dass es sich um einen Unfallersatztarif handelt. Dieser war jedoch vorliegend berechtigt. Denn der Kläger
hat dargelegt, dass die X GmbH nur im Falle von Unfallersatzwagen weder eine Kilometerbeschränkung noch eine Insolvenzprüfung vornimmt. Im Falle eines Unfallersatzwagens werden auch unstreitig sämtliche Fahrzaugkategorien vorgehalten und die Regulierung vorzögen sich häufig. Von der Beklagten nicht bestritten worden ist auch, dass für das Autohaus ein erhöhtes Ausfallrisiko besteht, da zur Zelt der Vermietung ungewiss war, ob der Gegner die Kosten der Fahrzeuganmietung tatsächlich ersetzen wird. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger den Unfallersatzwagen erst 25 Tage nach dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall angemietet hat. Denn die unfallbedingten Mehrleistungen fallen beim Vermieter unabhängig vom Anmietungszeitpunkt an.

Die Beklagten haben nicht konkret dargelegt, dass dem Kläger für den erforderlichen Leistungsumfang ein günstigerer Tarif ohne Weiteres zugänglich war. Allein die Behauptung der Beklagten, am Wohnort des Klägers könne „bei zahlreichen Vermietern auch als Unfallersatzwagen,ein Fahrzeug zum Normaltarif angemietet werden, reicht nicht aus. Die von der Beklagten in Bezug genommenen Angebote anderer Autovermieter beziehen sich nicht auf den Unfallzeitpunkt und können daher nicht als Beleg für die pauschale Behauptung der Beklagten herangezogen werden.

Den aufgrund der unfallbedingten Mehrleistungen zu gewährenden pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif schätzt das Gericht auf 20 %, § 287 ZPO.

Der Normaltarif ergibt sich auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels 2009″ im Postleitzahlengebiet des Klägers. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. In geeigneten Fällen können Listen oder Tabellen bei der Schadenssetzung durchaus Verwendung finden. In Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO darf der Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels ermittelt werden, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Durch die Bezugnahme auf „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ des Fraunhofer Instituts hat die Beklagte keine konkreten Fehler der Schwackeliste als Schätzungsgrundlage dargetan. Zwar liegen die Durchschnittspreise der Tarife dieser Studie unter den sich aus der Schwackeliste errechnenden Normaltarifen. Nicht zu verkennen ist auch, dass die Ergebnisse des Preisspiegels des Fraunhofer Instituts auf einer anonymen Befragung beruhen, während die Tarife der Schwackeliste aufgrund einer Selbstauskunft der Vermieter in Kenntnis dessen, dass alle Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden, zustande gekommen sind. Aber in der Studie des Fraunhofer Instituts stand ein geringeres Ausmaß der Datenerfassung gegenüber der Schwackeliste zugrunde, da insbesondere die Studie sich nur auf 6 große Autovermieter bezieht. Zudem muss sich der Kläger nicht auf Internetangebote unter der Voraussetzung der Kreditkartanzahlung verweisen lassen. Abgesehen von der Problematik des zweifelhaften Datenschutzes beinhaltet dies nämlich eine Vorauszahlungspflicht des Geschädigten, die nicht gefordert werden kann. Schließlich kann man im Falle einer Anmietung eines Fahrzeugs als Unfallersatzfahrzeug nicht eine Vorbuchungsfrist von einer Woche und eine Anmietzeit lediglich von 9-16 Uhr zugrunde legen. Der Schwacke-Mietpreisspiegel stellt daher nach Ansicht des Gerichts weiterhin eine geeignete Schätzungsgrundlage dar. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BGH vom 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07. Zwar ist es danach dem Tatrichter nicht verwehrt, sich den Bedenken gegen Schwackeliste als Schätzungsgrundlage anzuschließen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Schwackeliste als Schätzungsgrundlage grundsätzlich nicht geeignet ist. Das Gericht war auch nicht verpflichtet, die Bedenken der Beklagten gegen die Schwackeliste durch Sachverständige auf ihre Berechtigung überprüfen zu lassen.

Die im vorliegenden Fall erforderlichen Mietwagenkosten berechnen sich somit nach dem gewichteten Mittel (Modus) des Schwacke-Mietpreisspiegels unter Berücksichtigung der Tagespauschalen, jeweils bezogen auf das Postleitzahlengebiet, in welchem das Fahrzeug übernommen worden ist. Vorliegend ist der 3-Tages-Preis von 315 € anzusetzen.

Hiervon sind pauschal ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 10 % abzuziehen, weshalb sich ein Betrag von 283,50 € ergibt.

Da die Normaltarife der Schwackeliste keine Nebenkosten enthalten, werden diese hinzugerechnet, soweit sie tatsächlich angefallen sind. Berücksichtigungsfähig sind dabei zum einen Aufwendungen für die Kaskoversicherung. Wird für ein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Kraftfahrzeug ein Ersatzwagen angemietet und dabei Vollkaskoschutz vereinbart, sind die hierfür erforderlichen Mehraufwendungen als adäquate Schadensfolge anzusehen, weshalb den Mietwagenkosten zusätzlich Kosten für die Vollkaskoversicherung von 72 € netto hinzuzurechnen waren. Weiter hinzuzurechnen waren die unstreitig angefallen und auch ersatzfähigen Kosten für die Zustellung bzw. Abholung des Fahrzeugs in Höhe von 46 €. Als weitere Nebenkosten sind der Zuschlag für den 2. Fahrer (hier die Ehefrau des Klägers) in Höhe von 36 € und Winterreifen in Höhe von 30 € zu ersetzen. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass die Ehefrau des Klägers auch das verunfallte Fahrzeug regelmäßig mit benutzt hat und dass die Vermieterin für die Nutzung durch einen zweiten Fahrer einen Zuschlag verlangt. Die Anmietung erfolgte auch im Winter, so dass die Nutzung von Winterreifen erforderlich war. Die Beklagte hat auch nicht bestritten, dass die Vermieterin im vorliegenden Fall und Autovermieter generell hierfür ebenfalls einen Zuschlag verlangen.

Auf den reinen Mietpreis von 315 € ist – wie oben dargelegt – ein Zuschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen von 20 %, mithin 63 € zu gewähren.

Es ergibt sich daher insgesamt ein zu ersetzender Betrag in Höhe von 630,50 €. Nachdem die Beklagte bereits 351,05 € an den Kläger gezahlt hat, verbleibt ein Betrag von 179,45 €.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Soweit das AG Duisburg-Hamborn.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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