LG Stuttgart: beteiligte Versicherung wird unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des AG Böblingen zur Zahlung von weiteren Mietwagenkosten verurteilt. Auch hier gilt Schwacke, nicht Fraunhofer

Mit Datum vom 21.07.2010 (4 S 43/10) hat das Landgericht Stuttgart das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 28.01.2010 (1 C 672/09) aufgehoben und die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 724,94 € zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde und schließt Fraunhofer aus.

Aus den Entscheidungsgründen:

I.

Die Parteien streiten um die Erstattung von restlichen Mietwagenkosten.

Am xx.xx.2008 ereignete sich ein Verkehrsunfall, der von der Versicherungsnehmerin der Beklagten allein schuldhaft verursacht worden ist.

Fünf Tage nach dem Unfall mietete die Klägerin vom 23. bis 30.10.2008 bei der A. GmbH und Co KG ein Ersatzfahrzeug an.

Hierüber erstellte die Autovermietern am 1.11.2008 eine Rechnung in Höhe von €1370,39. Die Beklagte bezahlte 579 €.

Mit der Klage wird der Restbetrag in Höhe von 724,94 € geltend gemacht.

Die Klägerin trägt vor, es handle sich um die erforderlichen Mietwagenkosten ausgehend vom Mietpreisspiegel Schwacke für das Jahr 2008.

Es sei der Normaltarif zugrundezulegen und ein Zuschlag von 20% für unfallbedingte Zusazleistungen, sowie Kosten für die Vollkaskoversicherung und Abholung hinzuzufügen.

Die Beklagte bestreitet den klägerischen Anspruch.

Sie trägt vor, nur der ortsüblichen Normaltarif sei erstattungsfähig. Sie legt Vergleichsangebote vor, die sich zwischen 447,76 € und 670 € bewegen. Der geltend gemachte Betrag sei überhöht, der Schwacke Mietpreisspiegel stelle keine geeignete Geschäftsgrundlage dar. Die Fraunhofer Tabelle sei zugrundezulegen, ein pauschaler Aufschlag von 20 % für unfallbedingte Aufwendungen sei nicht gerechtfertigt. Für Vorteilsausgleichung seien nicht nur 5% sondern 15% in Abzug zu bringen.

Das Amtsgericht hat den Schaden im Rahmen des § 287 ZPO geschätzt.

Es hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bei Zugrundelegung der Fraunhofer Tabelle sich ein Mietzins von 586,58 € ergebe. Darin seien bereits die Haftungsbefreiung (CWD) und die Steuern enthalten. Unter Hinzurechnung der Zustellungskosten in Höhe von 17,86 € und unter Abzug eines fünfprozentigen Vorteilsausgleiches ergebe sich mithin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt nur 575,11 €, der niedriger sei, als der bereits von der Beklagten regulierte Schadensbetrag in Höhe von 579 €. Ausführungen zum geltend gemachten Anspruch auf vorgerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren sind nicht erfolgt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsanspruch weiter. Im Wege der Klagerweiterung stellt sie den Antrag

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Böblingen vom 28.01.2010 (1 C 672/09) verurteilt, an die Klägerit 724,94 € zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.03.2009 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche anrechnungsfreie RA-Kosten in Höhe von € 120,67 zu bezahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurück zuweisen.

Zur Begründung macht die Klägerin geltend, die vom Amtsgericht durchgeführte Schätzung gemäß § 287 ZPO beruhe auf unzutreffenden Schätzungsgrundlagen.

a.) Die von der Beklagtenseite eingeholten Vergleichsangebote stammten aus dem Jahr 2010, der Verkehrsunfall habe sich jedoch im Jahr 2008 ereignet.

b.) Die vom Gericht selbst durchgeführten Internetrecherchen seien weder zulässig, noch nachvollziehbar dargelegt und stellten kein prozessordnungsmäßiges Beweismittel dar.

c.) Der geltend gemachte 20 % Aufschlag auf den Normaltarif sei gerechtfertigt, vergleiche BGH VI ZR 112/09.

d.) Die Klägerin hätte nur dann Vergleichsangebote einholen müssen, wenn der geltend gemachte Mietwagenpreis überhöht sei, was vorliegend nicht zutreffe.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in vollem Umfang begründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der angefallenen Mietwagenkosten in der geltend gemachte Höhe von insgesamt € 1.303,94 zu, so dass sie gem. § 249 BGB noch einen restlichen Erstattungsanspruch in Höhe von € 724,94 hat.

Gemäß § 249 BGB sind grundsätzlich alle zur Schadensbehebung erforderlichen Kosten zu erstatten. Hierzu gehören alle Kosten, die erforderlich sind, um den Zustand wieder herzustellen, der ohne schädigendes Ereignis bestehen würde. Zur Herstellung erforderlich sind dabei sämtliche Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist zugleich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, den ihm möglichen und zumutbaren wirtschaftlichsten Weg der Schadensbeseitigung zu wählen.

Der Berufungseinwand, wonach die von der Beklagtenseite vorgelegten Vergleichsangebote aus dem Jahr 2010 stammen und damit nicht als Vergleichsgrundlage für einen angemessenen Mietpreis heranzuziehen sind, greift durch.

Ebenso Erfolg hat der Einwand, dass die vom Amtsgericht selbst durchgeführte Internetrecherche nicht nachvollziehbar dargelegt ist und kein in der Prozessordnung vorgesehenes Beweismittel darstellt, zumal nicht dargetan ist, wie diese vom Amtsrichter vorgenommen Recherche in die mündliche Verhandlung eingeführt worden ist. Damit ist auch nicht nachvollziehbar, ob sie überhaupt zur Grundlage der Entscheidung werden konnte.

Auch die Erkenntnis des Tatrichters, dass „Kosten für Mietwagen mit Sicherheit keinen Schwankungen unterliegen, die die überaus erhebliche Diskrepanz zum Wert, der sich nach der Schwacke-Liste ergibt, rechtfertigen können“ ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote stammten teilweise vom 27. März 2009 und vom Januar 2010. Allesamt ließen aber nicht erkennen, inwiefern sie , mit dem von der Klägerin angemieteten Fahrzeug vergleichbare Bedingungen aufwiesen. Teilweise war eine Vorausbuchungsfrist von 48 Stunden (Anl. B2) oder eine Km-Beschränkung( Anl. B3a, B3b) vorgesehen, zudem bei einigen Vergleichsangeboten nur eine Buchung übers Internet möglich. Außerdem war eine Reservierung nur für die Fahrzeugklasse, nicht jedoch für ein bestimmtes Fahrzeug möglich( Anl. B3b). Derart pauschale angeblich günstigere Angebote sind nicht geeignet, als Vergleichsangebote herangezogen zu werden und die Schwacke-Liste 2008 als Bemessungsgrundlage für einen angemessenen Normaltarif als ungeeignet erscheinen zu lassen. Die Kammer ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht der Ansicht, dass die Schwacke Liste von vornherein eine ungeeignete Schätzgrundlage darstellt, wie sie dies bereits mit mehreren Urteilen ausgeführt hat. Insoweit wird die Rechtsauffassung der Kammer durch die neueste Rechtsprechung des BGH bestätigt, zuletzt mit Urteil vom 18.05.2010, VI ZR 293/08, mit weiteren Nachweisen, auf welches ausdrücklich verwiesen wird.

Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der dem Tatrichter obliegenden Schadensschätzung gem. § 287 ZPO Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.

Derartige konkrete, auf den vorliegenden Fall passende Umstände sind beklagtenseits gerade nicht in nachvollziehbarer Weise dargetan. Über pauschale, im einzelnen nicht einmal vergleichbare Angebote hinaus, sind keine Anknüpfungstatsachen dargetan, die geeignet gewesen wären bezogen auf den vorliegenden Fall die Angemessenheit der Schwacke-Liste in Frage zu stellen.

Deutlich günstigere Angebote anderer Anbieter zum vergleichbaren Zeitraum Oktober 2008 wurden von der Beklagten gerade nicht vorgelegt, die geeignet gewesen wären, die schlüssigen Darlegungen der Klägerin zu einem ihr zustehenden angemessenen Schadensersatzanspruch zu erschüttern.

Der von der Klägerin angesetzt 5 %ige Abzug für Vorteilsausgleichung ist angemessen, § 287 ZPO.

Der 20%ige Zuschlag für unfallbedingte Zusatzleistungen ist ebenfalls angemessen und als Schadensposten zu ersetzen. Hierzu hat die Klägerin nachvollziehbar und unbestritten dargetan, dass sie diese damit abgegoltenen Leistungen in Anspruch genommen hat, insbesondere, da sie finanziell nicht in der Lage war die Mietwagenrechnung mit Kreditkarte zu bezahlen, § 287 ZPO.

Die Kosten für die Vollkaskoversicherung (CDW) und die Kosten für die Zustellung sind auch nach Auffassung des Amtsgerichts zu erstatten und stehen nicht im Streit.

Nach alldem steht der Klägerin der geltend gemachte restliche Erstattungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Schadenswiedergutmachung als angemessener Schadensersatz gem. § 249 BGB zu.

Dementsprechend besteht auch der geltend gemachte Erstattungsanspruch bezüglich der nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 120,67.  Die Klagerweiterung war sachdienlich, § 533 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286, 288, 291 BGB.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war gem. § 543 Abs.2 ZPO nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Soweit das LG Stuttgart.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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