LG Frankenthal: Auch hier gilt die Schwacke-Liste, Fraunhofer ist nicht angesagt

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 02.11.2010 (2k C 110/10) hatte sowohl die Beklagte Versicherung, die zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 732,88 € verurteilt wurde, Berufung eingelegt, als auch der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Die Berufung der Versicherung wurde zurückgewiesen, der Anschlussberufung teilweise stattgegeben (2 S 405/10 vom 22.06.2011). Es gilt die Schwacke-Liste, nicht Fraunhofer.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beiden Rechtsmittel sind zulässig; in der Sache führt jedoch lediglich die Anschlussberufung teilweise zum Erfolg.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen kann auf das angefochtene Urteil Bezug genommen werden.

Die Beklagte schuldet vorliegend die Erstattung der Mietwagenkosten in Höhe von 732,88 EUR. Im Einzelnen gilt:

Für die Frage des erforderlichen Herstellungsaufwandes ist zunächst vom Normaltarif auszugehen. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (statt vieler BGH, Urt. v. 19.01.2010, VI ZR 112/09 m. w. N.) ist die Frage, ob die geltend gemachten Mietwagenkosten als zur Herstellung des früheren Zustandes erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB anzusehen sind, danach zu beantworten, ob sie sich im Rahmen des außerhalb des Unfallersatzgeschäfts im örtlichen Bereich des Geschädigten üblichen Mietwagentarif bewegen. Dies ist der Normaltarif und als solcher grundsätzlich als „erforderlich“ anzusehen.

Der bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter kann den Normaltarif auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 schätzen (BGH, Urt. v. 19.01.2010, VI ZR 112/09). Auf eine andere Schätzgrundlage, etwa Sachverständigengutachten oder andere Mietpreiserhebungen, braucht er sich nicht verweisen zu lassen. Soweit die Berufung darauf hinweist, dass es dem Tatrichter nicht verwehrt sei, sich Bedenken gegen diese Liste anzuschließen, so mag dies zutreffen. Der Tatrichter muss dies aber nicht. Es ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht die Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine bewährte Schätzgrundlage, wie dies der Schwacke-Mietpreisspiegel darstellt, nachzugehen. Die Eignung von Listen und Tabellen, die bei einer Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit fallbezogenen Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den konkret zu entscheidenden Fall auswirken. Letzteres ist dann nicht der Fall, soweit sich die gegen den Schwacke-Mietpreisspiegel vorgetragenen Bedenken mit der abweichenden Untersuchungsmethode anderer Mietpreiserhebungen, etwa solcher des Fraunhofer-Instituts, befassen. Dies besagt nichts darüber, dass die in der Schwacke-Liste aufgeführten Zahlen unrichtig sind. Auch bei der hier vorgetragenen Kostensteigerung zwischen den Schwacke-Mietpreiserhebungen 2003 und 2006 handelt es sich um allgemein gehaltene Bedenken, die einen konkreten Bezug zum hier entscheidenden Fall im örtlich relevanten Gebiet vermissen lassen.

Mietet der Geschädigte einen Ersatzwagen zum normalen Tarif (oder darunter) an, so hat er in aller Regel Anspruch auf die Erstattung der sich daraus ergebenden Mietwagenkosten.

Behauptet in einem solchen Fall der Schädiger, dass dem Geschädigten eine Anmietung zu einem günstigeren Preis möglich gewesen wäre, so hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte von einer solchen Möglichkeit Kenntnis hatte (arg. § 254 BGB). Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte in der nachfolgend dargestellten Situation darzulegen und nachzuweisen hat, dass ihm in seiner konkreten unfallbedingten Situation ein günstigerer Tarif als der in Anspruch genommene nicht zugänglich gewesen ist: Dort geht es um die vom Geschädigten im Rahmen des § 249 darzulegende und nachzuweisende Erforderlichkeit der Mietwagenkosten; hier hingegen steht die Erforderlichkeit bereits deshalb fest, weil die Mietwagenkosten den Normaltarif nicht übersteigen.

Mietet der Geschädigte einen Ersatzwagen zu einem über dem Normaltarif liegenden Preis an, so hat er auf diese übersteigenden Kosten grundsätzlich keinen Anspruch, da sich diese nicht mehr im Rahmen der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB bewegen.

Hierbei gelten folgende Ausnahmen, wobei eine Prüfungsreihenfolge nicht vorgegeben ist:

Der Geschädigte kann die Mehrkosten dann verlangen, wenn er darlegt und nachweist, dass ihm in seiner konkreten unfallbedingten Situation ein günstigerer Tarif als der in Anspruch genommene nicht zugänglich gewesen ist, mit anderen Worten, dass er in seiner damaligen Lage dringend und sofort auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen war und er keine andere Wahl hatte, als den Wagen zu dem betreffenden Tarif anzumieten (subjektbezogene Betrachtung): In diesem Falle sind nämlich die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten grundsätzlich in welcher Höhe auch immer als erforderlich nach § 249 BGB anzusehen.

Lag eine derartige Situation nicht vor, oder kann der Geschädigte sie nicht nachweisen, kann er aber auch den Ersatz der Mehrkosten beanspruchen, wenn er darlegt und ggf. nachweist, dass der von ihm in Anspruch genommene – gegenüber dem Tarif des Mietwagenunternehmens im Nichtunfallersatzgeschäft erhöhte – Tarif aufgrund von durch die Unfallsituation und den Unfallersatztarif bedingten konkreten Besonderheiten und Mehrleistungen des Vermieters gerechtfertigt ist. Auch dann stellen die Mehrkosten den nach § 249 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand dar.

Hierbei ist es allerdings nicht ausreichend, lediglich allgemeine Erwägungen vorzubringen, die ansonsten typischerweise beim Mietwagenunternehmen gegenüber dem Nichtunfallersatzgeschäft erhöhte Kosten verursachen. Vielmehr ist- in einem ersten Schritt – zu verlangen, dass konkreter Sachvortrag dazu erfolgt, dass und welche besonderen Leistungen oder (auch betriebsinternen) Mehraufwendungen des betreffenden Autovermieters im Unfallersatzgeschäft eine kalkulatorische Erhöhung seiner ansonsten im Nichtunfallersatzgeschäft geltenden Mietpreisen erfordern.

Ist dies der Fall, so ist – in einem zweiten Schritt – zu überprüfen, inwieweit diese Umstände einen Aufschlag rechtfertigen. Hierbei ist nach höchst richterlicher Rechtsprechung jedoch eine betriebswirtschaftliche Analyse nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 19.01.2010, VI ZR 112/09). Vielmehr kann dann die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung des nach § 249 BGB erforderlichen Aufwandes auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif vorgenommen werden, der nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer bis zu 25 % betragen kann.

Steht fest oder weist der Geschädigte nach, dass ihm in seiner konkreten unfallbedingten Situation die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu einem günstigeren als dem von ihm in Anspruch genommenen Tarif nicht zugänglich gewesen ist, oder dass durch die Unfallsituation und das Unfallersatzgeschäft bedingte konkrete Besonderheiten und Mehrleistungen des Vermieters einen über den im Nichtunfallersatzgeschäft geltenden Preisen liegenden Preis rechtfertigen, so kann dahinstehen, ob der in Anspruch genommene Tarif über dem Normaltarif lag.

Mietet der Geschädigte zu einem über dem Normaltarif liegenden Preis an und kann er nicht nachweisen, dass ihm in seiner konkreten unfallbedingten Situation die Anmietung eines Ersatzwagens zu einem günstigeren Tarif nicht möglich gewesen ist, oder dass durch die Unfallsituation und das Unfallersatzgeschäft bedingte konkrete Besonderheiten und Mehrleistungen des Vermieters einen über dessen im Nichtunfallersatzgeschäft geltenden Preisen liegenden Preis rechtfertigen, so hat er lediglich Anspruch auf Erstattung der nach dem Normaltarif zu berechnenden Mietwagenkosten.

Behauptet in einem solchen Fall der Schädiger, dass dem Geschädigten eine Anmietung zu einem noch günstigeren Preis möglich gewesen wäre, so hat wiederum er, der Schädiger, konkret darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte Kenntnis von einer solchen Möglichkeit hatte (arg. § 254 BGB).

Das bedeutet im hier zu entscheidenden Fall:

Nach der einschlägigen Schwacke-Mietpreisliste beträgt der für das hier angemietete und dem Unfallfahrzeug unstreitig gleichwertige Ersatzfahrzeug der Klasse 4 übliche Tagestarif 105,00 EUR. Somit errechnen sich nach Schwacke für die Mietdauer von 9 Tagen Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 945,00 EUR.

Eine Abrechnung teilweise nach Pauschalen ist nicht vorzunehmen, da nicht vorgetragen ist, dass bereits zu Beginn der Anmietung eine über die Dauer von 1 Woche hinausgehende Reparaturzeit absehbar war. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch die streitgegenständliche Mietwagenrechnung ungeachtet der dort aufgeführten Abrechnung nach einer Woche in der Sache keine Pauschale vorsieht, sondern es sich bei den in Ansatz gebrachten Kosten um den siebenfachen Betrag des Tagespreises handelt.

Von diesen Mietwagenkosten muss sich die Klägerin allerdings einen Abzug nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung deswegen gefallen lassen, weil sie infolge des unfallbedingten Ausfalls ihres Fahrzeugs während der Zeit der Anmietung des Ersatzfahrzeugs eigene Aufwendungen erspart hat. Zwar betrug die Fahrleistung des Mietfahrzeugs unstreitig weniger als 1.000 Kilometer. Jedoch gibt es keinen Erfahrungssatz, dass unterhalb dieser Grenze eine nennenswerte eigene Ersparnis nicht eintrete; die für die gegenteilige Ansicht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 1983 (NJW 1983, 2694 ff.) betrifft eine völlig andere Fallgestaltung. Dort ging es um die Beschädigung eines Neufahrzeugs, das zum Unfallzeitpunkt noch weniger als 1.000 Kilometer zurückgelegt hatte; dieser Fall ist auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht übertragbar. Die Höhe der ersparten Aufwendungen, welche die Klägerin gehabt hätte, wenn sie anstelle des Mietfahrzeugs ihr eigenes Fahrzeug im gleichen Umfange wie dieses genutzt hätte, schätzt die Kammer nach § 287 ZPO im Anschluss an die neuere Rechtsprechung zahlreicher Obergerichte (vgl. etwa die Nachweise bei Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Auflage, § 249 Rn. 36; MüKo/Oetker, BGB, 5. Auflage, § 249, Fsn. 35 zu Rn. 403) auf 5 % des Normaltarifs; in Anlehnung an Meinig (DAR 1993, 281 ff.) erscheint die Annahme eines höheren Eigenersparnisanteils angesichts der infolge des technischen Fortschritts gegenüber früher deutlich erhöhten „Lebensdauer“ von Kraftfahrzeugen nicht gerechtfertigt. Damit errechnet sich vorliegend ausgehend von den Mietwagenkosten in Höhe von 945,00 EUR unter Berücksichtigung des Eigenersparnisanteils Mietwagenkosten in Höhe von 897,75 EUR.

Hinzuzurechnen sind, dies rügt die Anschlussberufung zu Recht, die Kosten für die Winterbereifung. Diese Kosten wurden ausweislich der Mietwagenrechnung separat abgerechnet. In dem Normaltarif nach der Schwacke-Mietpreisliste sind die Kosten der Winterbereifung nicht berücksichtigt, sondern stellen ausweislich der Nebenkostentabelle nach Schwacke eine Zusatzposition dar, die nach der hier einschlägigen Liste mit 10,00 EUR im Modus in Ansatz zu bringen ist. Damit sind Kosten in Höhe von 90,00 EUR als erstattungsfähiger Schaden anzuerkennen.

Ebenfalls mit Erfolg macht die Anschlussberufung auch die Kosten für die Haftungsfreistellung geltend, da diese, wie in erster Instanz unstreitig vorgetragen, im Tarif der Mietwagenfirma enthalten waren. Auch diese Kosten sind nach der Schwacke-Mietpreisliste gesondert mit 21,00 EUR/Tag (insgesamt also 189,00 EUR) in Ansatz zu bringen.

Damit ergibt sich folgende Berechnung:

Mietwagenkosten abzüglich 5 % Eigenersparnis       897,75 EUR

Kosten Winterbereifung                                            90,00 EUR

Haftungsfreistellung                                            189,90 EUR

insgesamt                                                        1.176,75 EUR inkl. USt.

Damit liegen die in Rechnung gestellten Kosten über den nach Schwacke gerechtfertigten Mietwagenkosten.

Einen Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten in Höhe von 20 % hat die Klägerin vorliegend, entgegen der Ansicht des Amtsgerichts, allerdings nicht. Dass ihr in der konkreten unfallbedingten Situation ein günstigerer Tarif als der in Anspruch genommene nicht zugänglich gewesen sei, sie in ihrer damaligen Lage dringend und damit sofort auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen war, ist nicht dargelegt. Der Unfall ereignete sich vorliegend an einem Freitag, die Anmietung des Ersatzfahrzeugs erfolgte erst am darauffolgenden Montag, ausweislich der Mietwagenrechnung gegen Abend um 17.00 Uhr. Ein besonderes Eilbedürfnis, etwa dahingehend, dass die Klägerin dringend auf die sofortige Inanspruchnahme eines Fahrzeugs angewiesen gewesen wäre und es ihr im Hinblick darauf nicht möglich gewesen wäre, Vergleichsangebote einzuholen, ist nicht ersichtlich. Dies wäre zumindest am nachfolgenden Samstagmorgen oder auch noch im Laufe des Montags möglich gewesen.

Auch im Übrigen sind keine durch die Unfallsituation und das Unfallersatzgeschäft bedingte konkrete Besonderheiten und Mehrleistungen des Vermieters, welche einen über dessen im Nichtunfallgeschäft geltenden Preisen liegenden Tarif rechtfertigen könnten, dargelegt (s. o.). Derartige Mehrleistungen sind vorliegend nicht substantiiert vorgetragen. Es werden lediglich allgemeine betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen dargelegt, ohne jede Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt. Zwar wurde nach dem unstreitigen Sachverhalt des angefochtenen Urteils keine Kaution zur Sicherheit geleistet, der Restbetrag lediglich gestundet. Dass der Klägerin jedoch eine Vorleistung oder Absicherung mittels Kreditkarte nicht möglich war, ist nicht vorgetragen. Ein spezifisches Ausfallrisiko auf Seiten des Autovermieters ist im Hinblick darauf nicht nachvollziehbar dargelegt, so dass auch betriebsbedingte Mehraufwendungen nicht schlüssig dargetan sind.

Damit verbleibt es bei den oben ermittelten Mietwagenkosten in Höhe von 1.176,75 EUR. Nach Abzug der vorgerichtlich gezahlten 443,87 EUR ergibt sich somit der zuerkannte Betrag in Höhe von 732,88 EUR.

Zinsen schuldet die Beklagte unter Verzugsgesichtspunkten.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Soweit das LG Frankenthal.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu LG Frankenthal: Auch hier gilt die Schwacke-Liste, Fraunhofer ist nicht angesagt

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    hinsichtlich der Anwendbarkeit der Schwacke-Liste ein gut begründetes Berufungsurteil. Damit dürfte sich auch im LG-Bereich Frankenthal-Ludwigshafen Schwacke fest installiert haben.
    Von wann ist das Berufungsurteil? Leider hast Du das Verkündungsdatum nicht angegeben.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

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