LG Karlsruhe weist Berufung der beklagten Versicherung gegen Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten größtenteils zurück (9 S 510/07 vom 25.04.2008)

Mit Urteil vom 25.04.2008 (9 S 510/07) hat das LG Karlsruhe die Berufung der beteiligten Versicherung gegen das Urteil des AG Pforzheim vom 12.10.2007  (3 C 149/07), mit dem diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 980,00 € zzgl. Zinsen verurteilt wurde, zum größten Teil zurück gewiesen und die Versicherung zur Zahlung von 939,33 € zzgl. Zinsen verurteilt. Die Versicherung hatte die Kosten des Berufungsverfahrens in voller Höhe zu tragen. Auch das LG Karlsruhe wendet die Schwacke-Liste an.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht restliche Mietwagenkosten aus einem Un­fallgeschehen vom xx.xx.2006 geltend.

Der Geschädigte  hat vom 27.07.2006 bis 17.08.2006 bei der Klägerin ei­nen BMW (Fahrzeugklasse 8 ) angemietet. Die Klägerin berechnete EUR 2.910,62 net­to. Die Beklagte hat vorgerichtlich EUR 1.870,69 gezahlt.

Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme zur Dauer der Reparaturarbeiten in Höhe von EUR 980,00 in voller Höhe stattgegeben. Die Mietwagenkosten könnten vor­liegend nach dem Normaltarif des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 zuzüglich eines 25 %igen Aufschlags berechnet werden. Unfallbedingte Mehrleistungen seien wegen Kredi­tierung und eines höheren Beratungs-, Service- und Verwaltungsaufwand berechtigt und im vorliegenden Fall auch angefallen.

Abzurechnen sei die Fahrzeugklasse 8, der sowohl das beschädigte Fahrzeug als auch das angemietete Fahrzeug entsprechend einzustufen seien. Die Dauer der Reparatur sei durch die Aussage des Zeugen X. nachge­wiesen. Insgesamt sei ein Anspruch von EUR 2.914,33 begründet, wovon die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von EUR 1.870.69 in Abzug zu bringen sei. Dies ergebe sogar einen höheren Restbetrag, wie er mit vorliegender Klage geltend gemacht werde.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Zu Unrecht habe das Amtsgericht ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nicht beachtet. Es sei nämlich da­von auszugehen, dass die Reparatur bei der Firma Y. nicht zügig durchgeführt worden sei und sich damit zu Lasten der Beklagten die Mietdauer des Ersatzfahrzeugs verlängert habe. Der Beklagten stehe ein Zurückbehaltungsrecht dergestalt zu, dass sie allenfalls zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten Zug um Zug gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegenüber der Reparaturwerkstatt verpflichtet sei. Rechtsfehlerhaft habe das Amtsgericht verkannt, dass die Klage allenfalls in Höhe von EUR 939,33 schlüssig sei. Auch sei dem Geschädigten lediglich ein Normaltarif in Rechnung gestellt worden. Bereits daraus ergebe sich, dass dem Geschädigten ein Normaltarif zugänglich gewe­sen sei. Das Amtsgericht habe auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Geschädig­te nicht in der Lage gewesen wäre, die Mietwagenkosten vorzufinanzieren. Zudem sei nach dem Mietvertrag eine Kreditierung ohnehin nicht vereinbart gewesen. Der Geschädigte hätte ohne weiteres zu einem Tagespreis von EUR 98,00 anmieten können, so dass über die Zah­lung der Beklagten hinaus kein weitergehender Anspruch bestehe. Das Amtsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Klägerin lediglich ein Fahrzeug der Klasse 6 in Rechnung gestellt habe. Eine fiktive Schadensberechnung sei nicht vorzunehmen.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung Ihres Vortrags erster Instanz das amtsgerichtliche Urteil. Die Berechnung sei nach der Fahrzeugklasse 8 vorzunehmen, da der Geschädigte ein Fahrzeug dieser Klasse angemietet habe. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe der Beklagten bereits deshalb nicht zu, da eine schuldhafte Verzögerung der Reparatur nicht vorliege. Zudem sei die Werkstatt nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Die Berechnung der Mietwagenkosten durch das Amtsgericht sei nicht zu beanstanden.

Bezüglich des weiteren beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsät­ze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur in geringem Um­fang Erfolg, soweit nämlich im Urteil erster Instanz ein über EUR 939,33 hinausge­hender Betrag zugesprochen worden ist. Die Klagbegründung ist nur hinsichtlich dieses Betrages schlüssig. Nach der Berechnung der Klägerin aus Seite 3 der Klageschrift ergibt sich eine Restforderung von nur EUR 939,33 und nicht EUR 980,00 (Klagan­trag Ziffer 1). Die von der Klägerin berechneten Mietwagenkosten nach den zwischen ihr und dem Geschädigten  vereinbarten Preisen liegen unterhalb des nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 zu berechnenden Unfalltarifs (Normaltarif zu­züglich 20 %). Auf die Berechnung nachfolgend Ziffer 4 des Urteils wird Bezug ge­nommen.

Nach Auffassung der Kammer führt in den Fällen, in denen eine Autovermietung le­diglich einen Tarif anbietet dies nicht zwangsläufig dazu, diesen als „Normaltarif“ zu beurteilen; vielmehr ist auch hierzu prüfen, ob entsprechend den Grundsätzen des Bundesgerichtshofes die in Rechnung gestellten Mietwagenkosten dem nach § 249 6GB erforderlichen Herstellungsaufwand entsprechen.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verstößt ein Geschädigter nicht stets gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet (BGH, Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 32/05 -, NJW 2006, 1508). Dies gilt dann, wenn die Besonderheiten des Tarifs mit Rück­sicht auf die Unfallsituation (etwa Vorfinanzierung, Risiko des Ausfalls mit der Ersatz­forderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadens­behebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH, Urteil vom 20.03.2007 –VI ZR 254/05 -, NJW 2007 2122 ff). Unerheblich ist insoweit, ob der Autovermieter ledig­lich einen Tarif anbietet und nicht zwischen Unfallersatztarif und „Normaltarif“ unter­scheidet. Auch in diesem Fall ist zu prüfen, ob unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters oder sonstige mit der Unfallsituation verbundene besonderen Umstän­de diese Erhöhung rechtfertigen (BGH, Urteil vom 13.06.2006, – VI ZR 161/05 -, NJW 2006, 2621). Für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung des Unfallersatztarifs kommt es nicht auf die Kalkulation des konkreten Unternehmens an, vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschranken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umstanden auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 30.01.2007 –VI ZR 99/06, NJW 2007, 1124ff).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger dargelegt, dass Mehrleistungen, nämlich Kreditierung, erbracht worden sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Geschädigte die Mietwagenkosten an die Klägerin abgetreten hat. Darüber hinaus ist auch gerichtsbekannt, dass die Klägerin einen Bereitschaftsdienst eingerichtet und dies auch in den Preisen berücksichtigt hat. Damit besteht in Übereinstimmung mit den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts grund­sätzlich ein Anspruch auf Erstattung eines „Unfallersatztarif“. Erweist sich der Aufschlag auf den „Normaltarif“ wegen konkreter unfallbedingter Mehraufwen­dungen als objektiv erforderlich, kommt es auf de „Zugänglichkeit“ eines günstigeren Tarifs nicht mehr an (BGH, Urteil vom 14.02.2006-VI ZR 126/05).

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten hält das Gericht bei der Ermittlung des Normaltarifs den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 im vorliegenden Fall für an­wendbar (BGH Urteil vom 26.06.2007 –VI ZR 163/06 -). Zwar darf die Scha­denshöhe nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwä­gungen festgesetzt werden. Wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsa­chen dürfen nicht außer Acht bleiben. § 287 ZPO rechtfertigt es nicht, dass das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage uner­lässliche fachliche Kenntnisse verzichtet. Jedoch ist es nicht Aufgabe des Tat­richters lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzungsgrund­lage nachzugehen. Einwendungen sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Ta­bellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mW konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend ge­machte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu ent­scheidenden Fall auswirken (BGH, Urteil vom 11.03.2009 –VI ZR 164/07 -). Im Streitfall hat die Beklagte lediglich allgemeine Anwendungen gegen den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 erhoben. Diese sind daher im vorliegenden Fall unerheblich.

3. Der Kläger hat bei Anmietung das Mietfahrzeugs nicht gegen seine Schadenminde­rungspflicht verstoßen. Ein Geschädigter hat nämlich unabhängig von der Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB gerechtfertigt ist, keinen Anspruch auf Erstattung eines Unfaller­satztarifs, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Situation bekannt und ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der (hm gemäß § 254 BGB ob­liegenden Schadenminderungspflicht zugemutet werden kann (BGH Urteil vorn 23.01.2007 –VI ZR 18/06 -, NJW 2007, 1123 ff)). Hierbei ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Ob dem Geschädigten ein günstigerer Tarif bekannt und zugänglich war, hängt insbesondere von der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede ab. Ob nämlich ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschä­digter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach ei­nem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarife haben muss, die sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundi­gen und gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen (BGH Ur­teil vom 20.03.2007 – VI ZR 254/05 -, NJW 2007, 2122 ff). Im vorliegenden Fall sind nach Auffassung der Kammer für den Geschädigten keine Anhaltepunkte vorhanden gewesen, die Angemessenheft der ihm angebotenen Preise in Zweifel zu ziehen. Nach Schwacke 2006 betragt bei der Fahrzeugklasse 8 im Modus der Tagespreis EUR 126,00 (Wochenpreis EUR 736,00) zuzüglich EUR 25,00 für Vollkasko (Wochenpreis EUR 178,00) im Vergleich zu einem Wochenpreis von EUR 900,00, jedoch inklusive Vollkaskoversicherung. Selbst wenn aus der Schwackepreisliste vorliegend die Mehrwertsteuer herauszurechnen ist, ergibt sich keine wesentliche Erhöhung der vertraglichen Preise der Klägerin gegenüber einem „Normaltarif“.

Unabhängig davon, ob der Geschädigte zu einer Nachfrage nach einem günstige­ren Tarif überhaupt gehalten gewesen wäre, hat die Beklagte weder dargelegt noch bewiesen, dass dem Geschädigten ein Normaltarif überhaupt zugänglich ge­wesen wäre. Es ist gerichtsbekannt, dass die Zugänglichkeit eines Normaltarifs voraussetzt, dass dem Geschädigten entweder eine Barzahlung möglich ist oder ihm zumindest eine Kreditkarte zur Verfügung steht. Dies wird von Beklagtenseite nicht konkret behauptet. Die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Scha­denminderungspflicht liegt beim Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer, wobei jedoch den Ge­schädigten bei entsprechendem Vortrag eine sekundäre Beweislast trifft (BGH, Ur­teil vom 06.03.2007 –VI ZR 36/06 -; BGHZ163, 1926).

4. Die Berechnung des Amtsgerichts nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 ist mit Ausnahme, dass die Kammer lediglich einen pauschalen Aufschlag von 20 % be­jaht, nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Amtsgericht die Fahrzeug­klasse 8 nach der Schwacke-Liste herangezogen hat. Ob das Mietwagenunter­nehmen eine niedrigere Fahrzeugklasse in Rechnung gestellt hat, ist dann un­beachtlich, wenn sowohl das beschädigte Fahrzeug als auch das angemietete Fahrzeug sich entsprechen. Davon ist vorliegend auszugehen.

Danach ergäbe sich, berechnet nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006, PLZ XXXX, Fahrzeugklasse 8, folgender erstattungsfähiger Schaden:

3 x Wochenpreis EUR 736,00

EUR 2.208,00

1 X Tagespreis EUR 126,00

EUR    126,00

gesamt brutto EUR

EUR 2.334,00

netto

EUR 2.012,07

zuzügl. Aufschlag 20%

EUR    402,41

abzgl. Eigenersparnis 5 %

EUR    120,72

EUR 2.293,76

3 x Vollkasko-Wochenpreis EUR 178,00

EUR    534,00

1 x Vollkasko-Tagespreis EUR 25,00

EUR      25,00

Zubringungskosten 2 x EUR 25,00

EUR      50,00

EUR    609,00

EUR    525,00 netto

Gesamtkosten

EUR 2.818,76

abzgl. vorgerichtliche Zahlung

EUR 1.870,69

EUR    948,07

5. Ein Zurückbehaftungsrecht wegen eventueller Schadenersatzansprüche gegen die Reparaturwerkstatt ist gegenüber der Klägerin nicht gegeben.

Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht. Zwar kann ein Schuldner gemäß § 404 BGB dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Unter Einwendungen gemäß § 404 BGB fallen auch Zurückbehaltungsrechte nach §§ 273, 320 BGB (Palandt, BGB, 67. Auflage, § 404 Rn. 2). Ein Zurückbehaltungsrecht kann dem Zessionar zugestanden werden, wenn die Gegenforderung zur Zeit der Abtretung fällig war (BGH NJW 66, 257). Wird die Forderung erst später fällig, findet § 406 BGB entsprechende Anwendung, d.h. ein Schuldner darf  dann zurückbehalten, wenn sein Gegenanspruch spätestens mit der abgetre­tenen Forderung fällig wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht ge­geben. Zum Zeitpunkt der Sicherungsabtretung im Rahmen der Anmietung ist ein eventueller Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegen die Reparaturwerkstatt, dessen Abtretung die Beklagte nunmehr geltend macht weder im Schuldverhältnis angelegt noch entstanden gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.2 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs.2 ZPO).

Soweit das LG Karlsruhe.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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