LG Dortmund gibt der Berufung der R + V Versicherung gegen die Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten statt, jedoch nur hinsichtlich der weiter zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (4 S 97/11 vom 01.03.2012)

Mit Berufungsurteil vom 01.03.2012 (4 S 97/11) hat das Landgericht Dortmund auf Antrag der R+V Versicherung das erstinstanzliche Urteil des AG Dortmund vom (420 C 2595/11) zwar geändert, nicht jedoch in der Hauptsache. Die Verpflichtung zur Zahlung von vorgerichtlichen RA-Kosten sah das LG im Gegensatz nicht. Einigkeit besteht jedoch insoweit, als dass bei der Schätzung des Normaltarif von Mietwagenkosten die Schwacke-Liste gilt. Dies wurde in der Berufung bestätigt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Berufung ist zulässig, aber lediglich hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfalls vom xx.xx.2010 in Dortmund gemäß §§ 7, 17 StVG, 823, 398 BGB, 115, 116 VVG einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz für weitere angefallene Mietwagenkosten im vom Amtsgericht zuerkannten Umfang.

1.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin Mietwagenkosten, die durch die Anmietung eines Fahrzeuges durch die Geschädigte A. in der Zeit vom 08.10.20xx bis zum 15.10.20xx im Haus der Klägerin entstanden sind. Die Klägerin geht aus abgetretenem Recht vor und ist aktivlegitimiert. Am 08.10.20xx hat die Geschädigte ihre Ansprüche gegen die Beklagte erfüllungshalber an die Klägerin abgetreten. Die Abtretung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes gemäß § 134 BGB nichtig. Es fehlt bereits sowohl an der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG als auch an einem geschäftsmäßigem Inkasso gemäß § 2 Abs. 2 RDG. Die Kammer verbleibt bei ihrer zur Abtretung von Mietwagenkosten vertretenen Rechtsauffassung (vgl. Kammer Urteil vom 24.11.2011 BeckRS 2012, 0237 m,w.N.). Dass die Kammerrechtsprechung in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht, ergibt sich aus dem – noch nicht im Wortlaut veröffentlichten – Urteil des BGH vom 31.01.2012 – VI ZR 143/11 (vgl. Pressemitteilung vom 31.01.2012, FD-VersR 2012, 328172), in dem der BGH eine Abtretung von Mietwagenkosten erfüllungshalber für zulässig erachtet hat.

Es kann damit dahinstehen, dass die Beklagte in widersprüchlicher Weise die Aktivlegitimation der Klägerin bestreitet.

2.

Die Berufung ist hinsichtlich der Hauptforderung unbegründet, weil das Amtsgericht zu Recht der Klage stattgegeben hat.

Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Die Kammer hat den erforderlichen Aufwand gemäß § 287 ZPO geschätzt. Zur Ermittlung dieser Kosten stellen der sogenannte gewichtete Normaltarif und auch das von der Kammer zugrunde gelegte arithmetische Mittel nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten einen geeigneten Anknüpfungspunkt dar.

Die Kammer hat keine Zweifel, dass diese Schätzung von dem ihr zustehenden Ermessensspielraum gedeckt ist. Der Bundesgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt, dass dem Tatrichter ein weites Ermessen bei der Schätzung zusteht. Dies zwingt ihn nicht zur Verwendung von Tabellen. Die Verwendung einer geeigneten Tabelle macht lediglich die Schätzgrundlage transparenter. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof vielfach ausgeführt, dass die Schätzung auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels nicht zu beanstanden ist (vgl. BGH Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07, NJW 2008, 1519; Urteil vom 19. Januar 2010 – VI ZR 112/09, VersR 2010, 494 ; Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 139/08, VersR 2010, 545 und – VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 , Urteil vom 22. Februar 2011 – VI ZR 353/09, NJW-RR 2011, 823; Urteil vom 17. Mai .2011 – VI ZR 142/10 – NJW-RR 2011, 1109).

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nicht alle Gerichte den Schwacke-Automietpreisspiegel als Schätzgrundlage anwenden, sondern dass sich andere Gerichte auf die Schätzung der Mietpreisermittlung durch das Fraunhofer IAO stützen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist auch die Anwendung der Tabelle des Fraunhofer IAO nicht als grundsätzlich fehlerhaft anzusehen (vgl. BGH Urteil vom 17.05.2011 a.a.O.). Die Vorzugswürdigkeit dieser Schätzgrundlage ergibt hieraus aber nicht. Die Kammer hat sich in der Vergangenheit schon wiederholt mit den beiden Schätzgrundlagen auseinandergesetzt und verbleibt dabei, dass der Schätzung nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel für das Gebiet des Dortmunder Landgerichtsbezirks und auch für den hier zu entscheidenden Anmietfall in Kaarst der Vorzug zu geben ist.

So bestehen hinsichtlich der Tabelle des Fraunhofer IAO Bedenken, ob nicht ein zu kleines Marktsegment abgefragt worden ist. Die Internetrecherche mit 75.000 Erhebungen ist bei den sechs größten Anbietern erfolgt. Die telefonische Erhebung mit 10.000 Befragungen erfolgte immerhin auch zu 54 % bei den größten Anbietern. Während Richter, seit 2000 Handlungsbevollmächtigter der beklagten Versicherung und Mitherausgeber diverser gemeinsam mit Zinn veröffentlichter Publikationen zu „Brennpunkten“ und „Herausforderungen“ bei der Bemessung und Regulierung von Kfz-Haftpflichtschäden, in seiner Stellungnahme in VersR 2009, 1438 dem keine besondere Bewandtnis beimisst, weil die großen Anbieter ohnehin 60% des Marktanteils stellen sollen, wird gerade diese Art der Art der Erhebung anderorts kritisiert (vgl. Prof. Neldhardt / Prof. Kremer, Schätzgrundlage des Mietwagen-Normaltarifs vom 6.11.2008 und beispielsweise Heinrichs, zfs 2009,187).

Die Kammer teilt diese Bedenken. Dabei geht es nicht nur um das Problem, ob vielleicht in ländlichen Regionen der Internetbuchung Grenzen gesetzt sind. Auch im Ballungsbereich Dortmund ist eine Preisabfrage und Buchung über das Internet in den von der Kammer verhandelten Fällen nicht üblich. Abgesehen davon, dass nicht allen Geschädigten ein Internetzugang offensteht, wird  dieser, selbst wenn vorhanden, oft nicht so selbstverständlich genutzt, wie die Tabellen dies glauben machen. In der Unfallsituation suchen die Geschädigten meistens die Autowerkstätten ihres Vertrauens auf und fragen dort nach der Möglichkeit einer Anmietung oder deren Vermittlung. Die Kammer ist deshalb vornehmlich mit verschiedenen mittelständigen Autovermietungsunternehmen oder Autowerkstätten, die eine Vermietung vornehmen, befasst. Dass diese mit anderen Preisen und Verfügbarkeiten kalkulieren müssen als bundesweit tätige Großanbieter, liegt auf der Hand. Gleichwohl können diese Preise angemessen sein. Die Kammer hat den Eindruck, dass die Tabelle des Fraunhofer IAO dem nicht ausreichend Rechnung trägt.

Die Mietwagenkosten werden auch nur nach zweistelligen anstatt nach dreistelligen Postleitzahlengebieten beurteilt, was zu Ungenauigkeiten bei der Erfassung von regionalen Preisen führt. Die Postleitzahlen „44″ umfassen die Städte Dortmund, Bochum, Lünen und Herne mit Insgesamt etwa 1,2 Millionen Einwohnern. Für diese enthält die Tabelle des Fraunhofer IAO sieben bis 24 Stationen, bei denen überhaupt nur Fahrzeuge zu bekommen sind. Nach Ansicht der Kammer ist dies eine zu geringe Abfragequote. Beispielsweise sind in dem halb so bevölkerungsreichen Einzugsgebiet Frankfurt (etwa 680.000 Einwohner) schon 23 Stationen vorhanden. Zudem kann die Kammer in ihrem Einzugsgebiet gerade auch bei dem Schwacke-Automietpreisspiegel deutliche Unterschiede zwischen den dreistelligen Postleitzahlengebieten feststellen, die in der Tabelle des Fraunhofer IAO unberücksichtigt sind.

Weiter wird bei der Tabelle des Fraunhofer IAO eine Vorbuchzeit von einer Woche vorausgesetzt, was der Unfallstation nicht gerecht wird. So räumt auch Richter (VersR a.a.O.) ein, dass bei zeitnaher Anmietung ein Aufschlag erforderlich ist. Schließlich wird die Kammer immer wieder damit konfrontiert, dass schlicht die Preise der Fraunhofer Tabelle mit der Endkalkulation verglichen werden, die die Kammer nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel zuzüglich der dort aufgeführten Nebenkosten vornimmt. Dabei sind von dem Fraunhofer IAO die Preise für Aufschläge und Zuschläge nicht erhoben worden und wären ebenfalls zu berücksichtigen. Lediglich die Vollkasko-Versicherung ist mit einem ganz erheblichen Selbstbehalt (750,00 € bis 950,00 €) einkalkuliert.

Auch der Vorwurf, die Anbieter hätten zur Erstellung des Schwacke-Automietpreisspiegels bewusst falsche Angaben getätigt, ist durch keinerlei Tatsachen untermauert.

Die Kammer sieht daher keinen Grund, in Abweichung ihrer bisherigen Rechtsprechung als Vergleichsgrundlage den Schwacke-Automietpreisspiegel nicht mehr anzuwenden. Die Kammer hat verschiedene Gesichtspunkte aufgezeigt, warum es sachgerecht ist, gerade nicht auf die vornehmlich im Internet ermittelten Preise zurückzugreifen. Nach Ansicht der Kammer ist es auch nicht geboten, nunmehr eine dritte Schätzbasis in Höhe etwa des Mittelwertes zwischen dem Schwacke-Automietpreisspiegel und der Tabelle des Fraunhofer IAO einzuführen. Da die Tabelle des Fraunhofer IAO nur einen kleinen Teil der Anbieter abdeckt, könnten deren Ermittlungen zum Marktpreis allenfalls prozentual zur Anzahl der Anbieter berücksichtigt werden. Das schlichte Zusammenzählen und Teilen verbietet sich, weil man dann die Stationsdichte und den Marktanteil nicht berücksichtigen würde. Die Kammer bleibt daher dabei, dass der Mittelwert des Schwacke-Automietpreisspiegels, der eine große Bandbreite abdeckt, eine geeignete Schätzgrundlage darstellt (vgl. Kammer Urteil vom 24.11.2011 BeckRS2012, 02337)

Auch im vorliegenden Verfahren werden keine konkreten Tatsachen aufgezeigt, die auf Mängel der Schätzgrundlage hinweisen, die sich in erheblichen Umfang auswirken könnten, sodass die von der Kammer angewandte Schätzmethode ungeeignet wäre.

Insbesondere genügt es nicht, die Unterschiede aus verschiedensten Regionen der Bundesrepublik zwischen dem Schwacke-Automietpreisspiegel und der Tabelle des Fraunhofer IAO aufzuzeigen oder auf angebliche eingeholte Sachverständigengutachten in anderen Regionen Bezug zu nehmen. Dass zwischen den Preisermittlungen Unterschiede bestehen, ist schließlich bekannt. Die Kammer hat sich bereits damit auseinandergesetzt, dass die niedrigeren Preise der Tabelle des Fraunhofer IAO nicht überzeugend sind.

Auch die angeblich im Internet recherchierten Angebote begründen keine Zweifel an der Rechtsprechung. Die Kammer legt bei ihrer Schätzung das arithmetische Mittel zugrunde. Dies beinhaltet zwangsläufig, dass es auch günstigere Preise geben kann. Der Schwacke-Automietpreisspiegel deckt eine erhebliche Bandbreite an unterschiedlichen Preisen ab, unter anderem auch sehr niedrige Preise.

Hinsichtlich der günstigen Online-Angebote ist auch zu berücksichtigen, dass diese zumeist den Stand eines erst weit nach dem Verkehrsunfall recherchierten Angebots wiedergeben und nicht eingeschätzt werden kann, ob im Einzelfall an dem betreffenden Tag Restfahrzeuge besonders günstig angeboten worden sind, die am Unfalltag zu diesem Preis nicht zu erhalten gewesen wären. Die Schlussfolgerung, dass dann in der Vergangenheit die Preise noch günstiger oder gleich gewesen sein müssten, ist möglich, aber nicht zwingend. Es kann auch sein, dass die Preise aus verschiedenen Gründen variieren.

So kann auch aus dem vorliegend eingereichten Angeboten nicht gefolgert werden, dass diese der Geschädigten am Anmiettag in Kaarst zur Verfügung gestanden hätten und erst recht nicht, dass der Schwacke-Automietpreisspiegel aus diesem Grund für den betreffenden Fall falsch und nicht anwendbar sei. Es ist dabei auch zu beachten, dass der Kunde nicht den günstigsten Preis, sondern einen angemessenen Mietpreis wählen muss.

Das Fahrzeug der Geschädigten ist der Schwacke-Gruppe 6 zuzuordnen. Vermietet wurde ein Fahrzeug einer niedrigeren Gruppe. Der Schwacke-Automietpreisspiegel deckt im Jahr 2010 für die dann maßgebliche niedrigere Fahrzeuggruppe 5, die Postleitzahl 415 und eine Anmietzeit von acht Tagen eine Preisbandbreite von 358 € bis 747 € ab.

Die Beklagte behauptet – anhand der üblichen Collage von Screenshots, die hier zeitnah zur Fertigung der Klageerwiderung gefertigt wurde -, es sei ein Preis von 192,93 € bis 251,60 € erreichbar gewesen. Hierbei legt die Beklagte allerdings aus nicht von ihr dargelegten Gründen nur die Fahrzeugklasse 4, und damit eine noch niedrigere zugrunde, als die Geschädigte zur Schadensminderung abzumieten verpflichtet gewesen wäre. Bereits daran leidet die Vergleichbarkeit.

Die Kammer ist zudem der Ansicht, dass es sich bei den Angeboten nicht um konkreten Sachvortrag handeln kann. Die Beklagtenvertreter, die neben der Beklagten auch einen weiteren Versicherungskonzern vertreten, tragen in all diesen Verfahren wortgleich mit Hilfe textbausteingenerierter Schriftsätze Ihre Rechtsauffassung vermeintlich stützende Entscheidungen vor. Die Vorlage der als „Angebote“ bezeichneten Ausdrucke von Internetseitenausschnitten diverser Autovermieter verbunden mit der Behauptung, die dort genannten Mietpreise seien erzielbar gewesen, ersetzt keinen Sachvortrag. Es handelt sich hierbei lediglich um anlässlich der Klageerwiderung gefertigte Momentaufnahmen der Onlineshop-Startseiten von drei großen Autovermietern. Bereits aus den Screenshots selbst ergibt sich, dass es sich nicht um „Angebote“ handelt, sondern um Auswahlfenster, die weiter bearbeitet werden können, bis der Interessent nach Anwahl weiterer Subseiten zu einem fertig konfigurierten Vorschlag des Autovermieters gelangt. Es ist allgemeinkundig, dass durch das Absenden einer Anfrage an den Vermieter nicht ein Angebot des Vermieters angenommen, sondern erst eines des Interessenten abgesandt wird. Wie regelmäßig in Online-Shops erfolgt auch bei Autovermietern erst eine Verfügbarkeitsanfrage, auf die der Interessent warten muss.

Welches „Angebot“ von welchem Autovermieter stammen soll, ist nicht erkennbar, weil die Unternehmensdaten nicht mit in die Collage kopiert wurden. Nur bei einem Angebot über 296,00 € ist überhaupt angegeben, dass eine Vollkaskoversicherung enthalten sein soll, wobei unklar bleibt, wie hoch die Selbstbeteiligung ist. Die zwei Sternchen hinter dem Preis lassen erkennen, dass bei weiterem Anklicken Neues zu beachten ist. Bei dem zweiten Angebot ist eine Vollkaskoversicherung nicht zu ersehen, dafür wird angezeigt, dass der Preis von 226,96 € auf 256,99 € steigen wird, wenn nicht eine Sofortzahlung, also Vorauskasse, erfolgt. Bei dem dritten Angebot schließlich bleibt offen, welches Fahrzeug wohl beim Weiterklicken konkret angeboten worden wäre.

Auch die tatsächliche Verfügbarkeit kann erst durch Weiterklicken überprüft werden. Keines der Fahrzeuge steht in K. – am Ort der von der Geschädigten gewählten Werkstatt – zur Verfügung. Bei einem Fahrzeug ist kein Anmietort zu ersehen, ein weiteres kann in Düsseldorf, das dritte in Neuss abgeholt werden. Erst bei vollständiger Durchführung des Buchungsvorgangs und der Dokumentation könnte nachvollzogen werden, ob ein solches Fahrzeug überhaupt zur Verfügung gestanden hätte. Ob ein Bringdienst, der regelmäßig mit Kosten verbunden ist, angeboten wird oder die Fahrzeuge an ortsnäheren Anmietstationen zu erlangen sind, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht zu erkennen. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass sich aus der vermeintlichen Verfügbarkeit an einer Anmietstation nicht ergibt, dass ein entsprechendes Fahrzeug am relevanten Ort in K. auch zum selben Preis anmietbar war. Im Internet zu besonders günstigen Preisen angebotene Fahrzeuge sind nicht selten auch nur an den großen Stationen der Anbieter an Flughäfen, Hauptbahnhöfen oder Innenstadtfilialen in großen Städten zu den Bedingungen anmietbar.

Der Kammer ist auch aus ihrer langjährigen Befassung mit dem Problemfeld der Mietwagenpreise im Verkehrsunfallschadenrecht aus eigenen Recherchen bekannt, dass die auf der Startseite eines Buchungsportals angegeben Preise keine Endpreise sind, sondern stets variierende Zusatzleistungen buchbar sind und sich die von den Vermietungsunternehmen als Extras angebotenen Leistungen deutlich unterscheiden. Es gibt große Anbieter, bei denen eine Vollkaskoversicherung mit hoher Selbstbeteiligung stets inbegriffen ist und Reduzierungen zubuchbar sind. Bei anderen großen Vermietern ist die Versicherung nie inbegriffen und muss immer zugebucht werden. Manchmal sind Winterreifen inbegriffen, manchmal als freiwillige, dann wieder bei Anmietungen im Winter auch als verpflichtende Option zubuchbar.

Zumeist müssen die Fahrzeuge im Voraus bezahlt werden und eine Kreditkarte ist in der Regel erforderlich. Zu diesen Umständen ist bei den mit der Screenshot-Collage benannten Anmietmöglichkeiten nichts vorgetragen. Selbst wenn pauschal vorgetragen worden wäre, dass diese Extras „Immer“ inbegriffen sind, wäre dieses Vorbringen in seiner Pauschalltät nach § 138 Abs. 1 ZPO unerheblich, weil es gerichtsbekannt nicht stimmt, sondern von Vermieter zu Vermieter stark variiert (so auch OLG Köln NZV 2011, 450 m.w.N.)

Die Darstellung zeigt, dass die Angebote in Wirklichkeit Überhaupt nicht konkret und nicht nachprüfbar sind und damit keine konkreten Tatsachen vorgetragen sind, die Mängel mit erheblicher Auswirkung auf den Schwacke-Automietpreisspiegel begründen könnten. Insbesondere sagt die um den 28.04.2011 gefertigte Preis-Collage nichts über Preise und Verfügbarkeiten am xx.xx.2010 aus. Wie dargelegt, kann die Schlussfolgerung, dass ein halbes Jahr zuvor dieselben Bedingungen gegolten haben müssen, nicht gezogen werden. Die Anbieter ändern ihre Preise nach Jahreszeit und – gerade im Internet – nach Auslastung der Fahrzeugflotte.

Die „Angebote“ leiden zudem darunter, dass sie lediglich wieder nur von drei Großanbietern stammen und damit die Mängel der Tabelle des Fraunhofer IAO fortgeschrieben werden. Die Beklagte versucht auf diesem Wege durch den vermeintlichen Vortrag eines konkret günstigeren Angebotes tatsächlich die Verwendung der von ihr favorisierten Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage der Rechtsprechung zu erzwingen, obgleich der Tatrichter zur Verwendung irgendeiner Liste als Schätzgrundlage nicht verpflichtet ist, sondern die Verwendung einer solchen lediglich der schnellen und effektiven Herstellung von Rechtsfrieden in den Massenverfahren der Verkehrsunfallsachen dienen soll, wenngleich sich in der Realität durch die Existenz der beiden konkurrierenden Listen das Gegenteil ergeben hat und die Sachkunde auch seit langen Jahren im Verkehrsunfallschadensrecht tätiger Gerichte nicht mehr akzeptiert wird.

Die „konkreten Angebote“ der Beklagten stellen inhaltlich gleichsam einen Auszug aus der Fraunhofer-Liste dar, indem statt der Internetangebote von sechs Großanbietern diejenigen von dreien abgefragt werden. Wenn der Schwacke-Automietpreisspiegel erschüttert werden sollte, müsste auch ein Vortrag zu den Preisen mittelständischer Unternehmen erfolgen.

Abgesehen von seiner Unsubstantiiertheit ist der Vortrag auch einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich. Eine neue Markterhebung des Gerichts – nichts anderes bedeutet der Sachverständigenbeweis – im Rahmen der Massenverfahren mit kleinsten Streitwerten fordert auch der Bundesgerichtshof nicht, sondern hat gerade die Heranziehung von Schätzgrundlagen für rechtmäßig erklärt. Wenn man die Konkretheit und Substantiiertheit des Vortrages im Sinne von § 138 ZPO annehmen würde, müsste Zeugenbeweis angeboten werden. Nur der für den jeweils relevanten Anmietort auskunftsbefähigte Mitarbeiter des benannten Mietwagenunternehmens könnte Auskunft erteilen, dass ein Fahrzeug einer bestimmten Fahrzeugklasse am relevanten Anmiettag zu dem behaupteten Endpreis ohne Erfordernis einer Kreditkarten- oder Vorauszahlung, ohne Internetzugang und ohne Vorbuchzeit konkret verfügbar war. Aber auch dann wäre zur Erschütterung der Schätzgrundlage auch zu den Preisen der mittelständischen Unternehmen vorzutragen.

Zu bedenken wäre auch, dass die in einem Rechtsstreit gewonnene Markterhebung keine Bindungswirkung über diesen Rechtsstreit hinaus als Schätzgrundlage in anderen Verfahren entfalten würde, unterscheiden sie sich doch jeweils nach Zeitpunkt des Unfalls und Mietklasse des Anmiet-fahrzeuges. Auf diese Weise wird die Schadensschätzmöglichkeit des § 287 ZPO ad absurdum geführt.

d)

Die vorliegend geltend gemachten unfallbedingten Nebenleistungen hat die Klägerin pauschal geschätzt. Die Kammer hält weiterhin daran fest, dass zur Abgeltung der besonderen Unfallsituation ein Aufschlag von 20% auf den so ermittelten Normaltarif gerechtfertigt ist, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzgeschäfts im Vergleich zu einer normalen Autovermietung abdecken zu können.

Dieser Aufschlag kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte mitten des Nachts oder an einem Sonn- oder Feiertag in einen Unfall verwickelt wird. Dies sind die wenigstens Fälle. Für diese Fälle hätte es der Weiterentwicklung der umfangreichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bis hin zu dem gebilligten pauschalen Aufschlag nicht bedurft. Auch den in jüngster Zeit entschiedenen Fällen lagen keine derartigen „Notsituationen“ zugrunde. Die Kammer verweist auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.01.2001, AZ. VI ZR 112/09. Die Anmietung erfolgte fünf Tage nach dem Unfall. In dem Urteil vom 02.20.2010, AZ. VI ZR 7/09 erfolgte die Anmietung sogar elf Tage nach dem Unfall. Auch in diesen Urteilen wird gebilligt, dass auch die Vorfinanzierungssituation rechtfertigen kann, einen erhöhten Tarif in Anspruch zu nehmen. Der Geschädigte ist von sich aus nicht gehalten, zu seiner finanziellen Situation vorzutragen (BGH a.a.O.). Die Kammer hat in ihren Urteilen bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Geschädigten durch die Vorfinanzierung der Reparaturkosten oft finanziell stark belastet sind. Die Regulierung durch die Versicherer findet oft erst nach Wochen statt. Außerdem ist die Haftungsbeschränkung bei einem Fahrzeug zum Unfallersatztarif eine günstigere. Es ist nicht erforderlich, dass der Geschädigte nicht sämtliche Leistungen des erhöhten Tarifs in Anspruch genommen haben muss. Es genügt, dass spezifische Leistungen des Vermieters allgemein den Mehrpreis rechtfertigen und von dem Geschädigten einen Teil davon in Anspruch genommen werden durfte (BGH a.a.O.)

e)

Damit ergibt sich folgende Schadensschätzung nach § 287 ZPO:

Gruppe Unfallfahrzeug 6
Gruppe Mietfahrzeug 5
Mietdauer acht Tage
Mietjahr 2010
PLZ Anmietort 415

.                                                               Anzahl          Preis              Summe

Tarif Wochentarif                                      1                  520,22 €        520,22 €

Dreitagestarif                                           ./.                ./.                    ./.

Tagestarif                                                 1                   92,73 €           92,73 €

Insgesamt                                                                                          612,95 €

abzgl. 10 % Ersparte Eigenaufwendungen                                        ./.

zuzüglich 20% Risikoaufschlag                                                          122,59 €

Summe Grundpreis                                          735,54 €

.                                                               Anzahl          Preis              Summe

Vollkasko-Versicherung Wochentarif       1                   149,48 €        149,48 €

Dreitagestarif                                           ./.                ./.                    ./.

Tagestarif                                                 1                    22,62 €          22,62 €

Summe Kasko                                                                                    172,10 €

Gesamtanspruch                                                                                907,64 €

abzüglich vorgerichtliche Zahlung                                                      426,00 €

Restanspruch                                                                                     401,64 €

Da die Klägerin nur 471,43 € begehrt und Kürzungen nicht erbrachter Leistungen nicht vorzunehmen waren, hat das Amtsgericht die Klagaforderung zu Recht in vollem Umfang zugesprochen.

3.

Erfolg hat die Berufung jedoch hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist bestritten. Hierauf hat die Klägerin weder repliziert noch Beweis angeboten. Ein Anspruch auf weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten besteht demnach nicht.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Berufungserfolg der Beklagten hinsichtlich der Nebenforderung wirkt sich nicht auf die Kostenentscheidung aus. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

5.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Frage, ob die vorgelegten Angebote hinreichend bestimmt sind, um die Schätzgrundlage zu erschüttern, ist eine Tatrichterfrage.

Soweit das LG Dortmund.

Urteilsliste “Mitwagenkosten” zum Download >>>>>

Siehe auch: CH-Beitrag vom 08.01.2014

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