Das AG Nürnberg verurteilt HUK Coburg zur Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten

Mit Entscheidung vom 12.03.2010 (23 C 439/10) wurde die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Nürnberg dazu verurteilt, das restliche Sachverständigenhonorar auszgleichen. Das Gericht hat die schadensrechtliche Übersicht und zeigt, wie es ohne BVSK-Liste geht.

Aus den Gründen:

Endurteil

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 255,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2009 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 36,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2010 zu bezahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 255,89 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Ent scheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von weiteren  255,89 EUR aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG zu.

Die der Klägerin vom Sachverständigenbüro … in Rechnung gestellten 424,80 EUR für die Erstellung eines privaten Sachverständigen-Gutachtens waren erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Auf die Frage, ob die Klägerin den in Rechnung gestellten Betrag bereits ausgeglichen hat, soll es nach der Rechtssprechung des BGH nicht ankommen. Dieser führt – dogmatisch im Hinblick auf §§ 249, 250 BGB nicht ganz unbedenklich – in seinem Urteil vom 23.01.2007 (BGH, NJW 2007, 1450 ff) aus, dass der Schädiger den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages zu befriedigen und nicht etwa, vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten  hat.

Maßgebliches Kriterium für den von der Beklagten an die Klägerin  zu  zahlenden Betrag  ist  das  Kriterium der Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Eine  Preiskontrolle im Sinne von  § 315 Abs. 1 BGB ist hingegen nicht durchzuführen, da streitgegenständlich nicht das Vertragsverhältnis  zwischen Klägerin und Sachverständigen, sondern ein Schadensersatzanspruch zwischen den Parteien ist. Damit kommt es darauf an, ob sich die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten. Der Geschädigte ist zunächst Herr des Restitutionsgeschehens und  in der Wahl  der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner  Sicht seinen Interessen am Besten zu entsprechen scheint. Daher darf er im Regelfall auch einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragen. Andererseits kann er aber nur die Kosten erstattet verlangen, die aus der Perspektive eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage der Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Im Rahmen des ihm Zumutbaren muss  er den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung wählen. Dabei ist auch Rücksicht auf  die spezielle  Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Kenntnis- und Einflußmöglichkeiten, zu nehmen. Eine Markterforschungspflicht trifft ihn grundsätzlich nicht. Die Grenzen des Erforderlichen werden noch nicht dadurch überschritten, dass das Honorar des Kraftfahrzeugsachverständigen pauschaliert ist. Eine Pauschalierung des Honorars trägt dem Umstand Rechnung, dass das Honorar des  Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist (vgl.  zum Ganzen BGH, NJW 2007, 1450  ff).

Im konkreten Fall erachtet das Gericht die vom Sachverständigenbüro … in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 424,80 EUR als erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Unter Berücksichtigung der vom Sachverständigenbüro …  errechneten Reparaturkosten und des Umfangs des Gutachtens von 9 Blättern mit 13 Blättern Anlagen sowie insbesondere des Inhaltes und der sachverständigenseits getroffenen Feststellungen, können nach § 287 ZPO die erforderlichen Kosten durchaus auf 424,80 EUR netto geschätzt werden. Die vom Sachverständigen in Ansatz gebrachten Preise für Lichtbilder, Kopien, Büromaterial und Schreibarbeiten sind zwar großzügig bemessen, liegen aber noch im Rahmen des Marktüblichen. Wie dem Gericht aus zahlreichen Verfahren in Verkehrsunfallsachen bekannt, liegt auch das Gesamthonorar von 424,80 EUR noch im Bereich dessen, was im Großraum Nürnberg von Verkehrssachverständigen bei gleichartigen und etwa gleich umfangreichen Begutachtungen verlangt wird. Zwar handelt es sich bei dem Sachverständigen … nicht um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass vom Gericht beauftragte, allgemein bestellte und beeidigte Sachverständige für vergleichbare Gutachten den zwei- bis dreifachen Betrag nach dem JVEG in Rechnung stellen.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind aus einem Streitwert in Höhe von 255,89 EUR aus §§ 2, 13 RVG in Verbindung mit Nr. 2300, 7002 WRVG in Höhe von 36,40 EUR netto erstattungsfähig.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288. Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “ SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu Das AG Nürnberg verurteilt HUK Coburg zur Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Hans Dampf,
    so oder so ähnlich muss ein Schadensersatzurteil bezüglich der Sachverständigenkosten aussehen. Zum ersten hat das erkennende Gericht sauber herausgearbeitet, dass eine Preiskontrolle nicht angezeigt ist und zum weiteren ist das Gericht – folgerichtig – ohne Bezug auf BVSK ausgekommen. Wenn nämlich eine Preiskontrolle gemäß BGH-Rechtsprechung untersagt ist (vgl. BGH NJW 2004, 3326 = VersR 2004, 1189, 1190; BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann), ist auch kein Vergleich mit irgendeiner Preistabelle anzustellen. Dies hat das Gericht durchaus richtig erkannt.
    Insgesamt ein schönes Urteil. Hans Dampf, stell mehr dieser Urteile ein!
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

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