AG Neunkirchen (Saar) verurteilt HUK-COBURG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten, allerdings mit bedenklicher Begründung, mit Urteil vom 6.2.2014 – 13 C 74/11 (06) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachstehend geben wir Euch hier wieder ein in der Begründung bedenkliches Urteil zu den restlichen Sachverständigenkosten aus dem Saarland bekannt. Dieses Mal musste die zuständige Amtsrichterin des Amtsgerichts Neunkirchen an der Saar über restliche, nicht von der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung erstatteter Sachverständigenkosten entscheiden. Die HUK-COBURG hatte wieder willkürlich Sachverständigenkosten gekürzt. Die erkennende Amtsrichterin nahm sich das von der jetzigen Arbeitsministerin Nahles im Bundestag vorgetragene Lied zum Vorbild und schätzte nach § 287 ZPO „eine  Schadenswelt, wie sie mir gefällt“. Die Erwägungen des LG Saarbrücken lassen grüßen. An diesem Urteil kann man gut erkennen, wie Amtsrichter(innen) in blindem Gehorsam irgend einem Müll des Berufungsgerichtes folgen. Man muss allerdings betonen, dass zu diesem Zeitpunkt das BGH-Urteil VI ZR 225/13 gegen den VN der HUK-COBURG noch nicht veröffentlicht war. Mit diesem neuerlichen BGH-Urteil dürfte der Spuk der Nebenkostenbegrenzung vorbei sein. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße und einen schönen Freitag
Willi Wacker

13 C 74/11 (06)                                                        Verkündet am 06.02.2014

Amtsgericht Neunkirchen

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

HUK-Coburg-Vers.AG vertr.d.d.Vorstand, Großherzog-Friedrich-Str. 40, 66111 Saarbrücken

Beklagte

hat das Amtsgericht Neunkirchen durch die Richterin am Amtsgericht … im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 31.01.2014 am 06.02.2014 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 330,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2010 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 16 %, die Beklagte 84 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 392,45 € festgesetzt.

Tatbestand

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a I ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist großteils begründet.

I.
Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche ( Sachverständigenkosten ) aus einem Verkehrsunfallereignis geltend.

Ein solcher Restanspruch besteht auf Grundlage der §§ 7, 17 StVG, 823, 249 ff BGB, 115 VVG in Höhe von 330,34 €. Dieser Betrag ergibt sich durch Abzug des von der Beklagten bereits auf diese Position gezahlten Betrages in Höhe von 281,50 € vom insoweit erstattungsfähigen Betrag in Höhe von 611,84 € (brutto).

Zunächst ist aufgrund der unstreitigen Haftung der Beklagten für das dem Anspruch zugrunde liegende Verkehrsunfallereignis zu 100 % die Beklagte grundsätzlich zu einem Ersatz aller aus dem Verkehrsunfall entstandenen Schäden verpflichtet.

Die Sachverständigenkosten sind allerdings nur insoweit erstattungsfähig, als die geforderte Vergütung als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand im Sinne des § 249 BGB anzusehen fet.

Die Berechnung des Sachverständigenhonorars in Anlehnung an den Schadensbetrag ist nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung und insbesondere nach der bisherigen Rechtssprechung des Landgerichts Saarbrücken nicht zu beanstanden. Mehr noch : Das Gericht ist zu einer Preiskontrolle im Detail erst gar nicht berechtigt, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt (BGH VersR 2007, 560 f = DS 2007, 144).

Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen.

Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gem. §§ 249 ff BGB die Kosten erstattet verlangen, deren Aufwendung ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und notwendig erachten darf. Das aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit sich ergebende Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet hierbei, dass der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren in Betracht kommenden Wegen zur Schadensbehebung den wirtschaftlicheren wählt.

Jedoch ist der Geschädigte gerade nicht verpflichtet, sich bei anderen Sachverständigen nach deren Preisen zu erkundigen, bevor er einen Auftrag erteilt, denn der Geschädigte ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 07.05.1996, VI ZR 138/95;  Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06   = BGH DS 2007, 144 = NJW 2007, 1450 ff.) grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung möglich preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Bei der Beurteilung, welcher Wiederherstellungsaufwand erforderlich ist, ist auch Rücksicht „auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten“ Rücksicht zu nehmen. ( BGH a.a.O ) Da es jedoch für das KFZ-Sachverständigenhonorar gerade an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, mithin an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt, wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen.

Nur soweit für den Geschädigten als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen ( OLG Düsseldorf NJW Spezial 2008, 458; OLG Hamm NZV 2001, 433; DAR 1997, 275; OLG Nürnberg OLGR 2002, 471).

Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Geschädigten durch die Auswahl des Klägers bei Beauftragung des Sachverständigen vor. Auch steht die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe, dass der Geschädigten ein offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen. Insbesondere hält sich das veranschlagte Grundhonorar im Rahmen des Korridors HB III der BVSK-Honorarbefragung 2008, die zulässigerweise für die Beurteilung des Kriteriums der erkennbaren Überhöhung herangezogen werden kann (gefestigte Rechtsprechung des LG Saarbrücken, bspw. Urteil vom 08.06.2012, Az. 13 S 135/11 m.w.N.).

Es ist auch nicht grundsätzlich zu beanstanden, dass der Sachverständige ein pauschales Grundhonorar und daneben noch zusätzliche Nebenkosten geltend macht.

Keinesfalls ist zunächst dem bereits zitierten BGH-Urteil zu entnehmen, dass eine angemessene Pauschalierung des Honorars voraussetze, dass sämtliche Nebenkosten in der zugrunde gelegten Pauschale enthalten sein müssen. Auch das Landgericht Saarbrücken hat in seiner Entscheidung vom 10.02.2012 (13 S 109/10 ) festgestellt, dass neben der Pauschale grundsätzlich weitere Nebenkosten abgerechnet werden können, ohne dass im Ergebnis eine Erstattungsfähigkeit der Kosten grundsätzlich verneint werden kann. Die Ersatzpflicht kann vielmehr aus den oben genannten Gründen daher nur verneint werden, soweit aus Sicht des Klägers erkennbar überhöhte Beträge angerechnet werden.

Mit überzeugender Begründung hat das Berufungsgericht allerdings im Hinblick auf verschiedene Kosten festgestellt, dass es sich hierbei tatsächlich nicht um Nebenkosten handle, sondern um versteckte weitere Honorarteile. Es müsse bei einer pauschalierten Abrechnungsweise davon ausgegangen werden können, dass mit dem „Grundhonorar“ auch tatsächlich die eigentliche Ingenieurleistung abgegolten werde. Originäre Bestandteile dieser Ingenieurleistung dürften daher nicht als sogenannte Nebenkosten gesondert in die Berechnung einfließen. Separate Kosten für die Nutzung von Datenbanken zur Bewertung oder Kalkulation, Schreibkosten sowie Kosten für die Anfertigung von Lichtbilder seien aus diesem Grund neben dem Grundhonorar nicht erstattungsfähig. ( LG Saarbrücken, Schaden-Praxis, 2012, 335) Nach zutreffender Beurteilung des Berufungsgerichts ist eine solche Abrechnungsweise auch für den Laien ersichtlich unrichtig. Die vorliegende Rechnung vom 14.09.2010 war daher um die Position „Schreibgebühren“ zu kürzen.

Auch der Laie kann nämlich jedenfalls ohne weiteres erkennen, dass die separate Berechnung von Kosten, die eigentlich originärer Bestandteil der Ingenieurleistung wären einer pauschalen Abrechnungsweise orientiert an der Schadenshöhe im Regelfall widerspricht und damit die Rechnung als unrichtig erkennen.

Auch in Bezug auf die festgestellte Notwendigkeit einer Deckelung der Höhe der tatsächlich erstattungsfähigen Nebenkosten ist dem Urteil des Berufungsgerichts zu folgen. Bei den Nebenkosten wie Fahrtkosten, Porto- und Telefonkosten, Kosten für das Drucken, Vervielfältigen und Heften der Gutachtenausfertigungen ist auch der Laie ohne weiteres zu einer Prüfung der Angemessenheit der veranschlagten Kosten in der Lage, da es insoweit gerade nicht an Vergleichsmöglichkeiten am Markt fehlt.

Hinsichtlich der Schätzung in Bezug auf die üblichen Kosten der Herstellung von Gutachtenausfertigungen in ausreichender Anzahl inklusive der hierin eingebundenen Lichtbilder liegt im zitierten Urteil eine nachvollziehbare Berechnung für durchschnittliche Kosten in Höhe von bis zu 50,–  € vor. Hinzu kommen Kosten für Porto und Telefon in Höhe von bis zu 15,– €. Das Gericht schließt sich dieser Schätzung im Rahmen des § 287 ZPO an. Hieraus ergibt sich – dies hat das Berufungsgericht inzwischen klar gestellt – dass bis zu einer Gesamthöhe von 100,– € an vom Sachverständigen berechneten Nebenkosten ( soweit es sich tatsächlich um Nebenkosten handelt, vgl. oben ) der Geschädigte nicht davon ausgehen muss, dass überhöhte Nebenkosten abgerechnet werden. Eine Preiskontrolle hinsichtlich der Höhe einzelner grundsätzlich abrechenbarer einzelner Nebenkostenpositionen hingegen hat nicht stattzufinden ( Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 08.06.2012 Az. 13 S 135/11 sowie zuletzt Urteil vom 13.09.2013, Az. 13 S 87/13). Vorliegend rechnete der Sachverständige an solchen weiteren Nebenkosten insgesamt 47,15 € ab.

Es ergibt sich hiernach ein Gesamtnettobetrag in Höhe von 467,00 € + 47,15 € = 514,15 €. Inklusive Mehrwertsteuer ergeben sich 611,84 €. Gezahlt wurden von der Beklagten bislang 281,50 €. Damit stehen noch 330,34 € zur Zahlung offen.

II.
Aus Verzugsgesichtspunkten schuldet die Beklagte Verzinsung des Betrages aus §§ 286, 288 I BGB nach Ablauf der der Beklagten gesetzten Zahlungsfrist ( 30.09.2010). Damit ist der Zinsantrag des Klägers begründet.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.

IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

V.
Der Streitwert ist in Anwendung des § 3 ZPO entsprechend der bezifferten Hauptforderung festzusetzen.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Neunkirchen (Saar) verurteilt HUK-COBURG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten, allerdings mit bedenklicher Begründung, mit Urteil vom 6.2.2014 – 13 C 74/11 (06) -.

  1. Karle sagt:

    @Willi Wacker

    „Man muss allerdings betonen, dass zu diesem Zeitpunkt das BGH-Urteil VI ZR 225/13 gegen den VN der HUK-COBURG noch nicht veröffentlicht war.“

    Dafür aber BGH VI ZR 365/03, X ZR 80/05, X ZR 122/05, VI ZR 67/06, X ZR 42/06, VI ZR 471/12 und VI ZR 528/12. Die Versicherungsrichter lassen sich durch eine Lappalie wie das aktuelle BGH-Urteil VI ZR 225/13 bestimmt nicht beeindrucken. Im Gegenteil. Wie man so hört, wird die Sache nun nur noch weiter auf die Spitze getrieben.

    Da soll ein Richter aus einer Versicherungsstadt, nachdem er auf VI ZR 225/13 hingewiesen wurde, einen Beschluss erlassen haben, nachdem dem Sachverständigen des Geschädigten aufgetragen wurde, die Verhältnisse des Geschädigten offen zu legen, ob der möglicherweise Branchenkenntnisse habe und dadurch Ahnung von der Sachverständigenhonorarproblematik haben könnte (damit man ihm ggf. ein Auswahlverschulden oder ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht anlasten könne). Kein Witz!!

    Im neuen BGH-Urteil steht unmissverständlich, dass der Schädiger in der Beweispflicht steht. Dieser Richter kehrt die Beweislast nun kurzerhand um und verdonnert den Gutachter des Geschädigten zur Ausforschung seines Kunden. Geht´s noch besser?

    Einen Vorteil hat natürlich das neue BGH-Urteil und jedes andere das dazukommt. Gekaufte Richter werden immer mehr in die Enge getrieben und müssen nun die Maske fallen lassen.

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Karle,
    da sollte allerdings die Staatsanwaltschaft des Versicherungsortes einmal überlegen, ob nicht der Verdacht der Rechtsbeugung im Raume steht.

  3. Karle sagt:

    @ Willi Wacker

    „..ob nicht der Verdacht der Rechtsbeugung im Raume steht.“

    Hey Willi – der war echt gut !!

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