AG München verurteilt HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall mit Urteil vom 25.2.2014 – 343 C 29295/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachstehend geben wie Euch noch ein Urteil aus München zu den Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall  gegen die HUK-COBURG bekannt mit völlig korrekter Begründung, warum die Sachverständigenkosten  aus schadensersatzrechtlicher Sicht erstattet werden müssen. Am Ende gibt es dann aber noch einen unsubstantiierten (unnötigen), und insbesondere unqualifizierten Seitenhieb der ansonsten gewissenhaften Amtsrichterin gegen die Gutachter.

Zitat:

„Dass de facto die Rechtslage dazu führt, dass bei Haftpflichtgutachten Honorare verlangt werden, die möglicherweise deutlich über dem liegen, was auf dem einschlägigen Markt zu erzielen wäre, wenn nicht die Versicherungen letztendlich bezahlen müssten, liegt auf der Hand.“

Dabei hatte die erkennende Amtsrichterin der HUK-COBURG bereits in einer Vielzahl von Urteilen den Weg vorgezeigt, dass die beklagte Versicherung nicht rechtlos ist. Sie hat in vielzähligen Urteilen auf den Vorteilsausgleich verwiesen. Gleichwohl macht die HUK-COBURG hiervon keinen Gebrauch.

Die Gründe sind auch einsichtig. Weil der Regress regelmäßig keinen Erfolg bietet. Das rechtswidrige Kürzen ist da der bequemere Weg. Bedauerlicherweise scheinen bei manchen Richtern oder Richterinnen die schlichtweg unsinnigen Schriftsätze der Anwälte der HUK-COBURG jedoch bedenkliche Wirkung zu zeigen. Dies führt dann zu der Formulierung „liegt auf der Hand“. Das ist meiner Ansicht nach eine – unqualifizierte – Wertung der erkennenden Richterin. Das Gericht hat Recht zu sprechen und nicht zu werten! Lest selbst und gebt Eure  Meinungen bekannt.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

Amtsgericht München

Az.: 343 C 29295/13

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht … am 25.02.2014 auf Grund des Sachstands vom 12.02.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 449,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.04.2013 sowie weitere 30,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.11.2013 zu bezahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 449,82 € festgesetzt.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495 ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Parteien streiten hier nur noch über Sachverständigenkosten und restliche Anwaltskosten.

I.

Die Klage ist begründet.

Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte im Zusammenhang mit der Schadensregulierung die Kosten verlangen, die ein verständiger wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf.

Diese in der Rechtsprechung immer wieder fast wortgleich wiederholte Feststellung bedeutet, dass der Unfallgeschädigte nicht nur das verlangen kann, was objektiv erforderlich ist, sondern was er in seiner konkreten Situation für erforderlich halten darf. Demzufolge kommt es auch in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob das von dem Sachverständigen in Rechnung gestellte Honorar objektiv ortsüblich und angemessen ist, sondern ob der Klagepartei als Unfallgeschädigter der Vorwurf gemacht werden kann, sie habe bei der Beauftragung und der Auswahl des Sachverständigen im Hinblick auf das Honorar seine Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB verletzt.

1. Hier vertritt die Beklagte zunächst die Auffassung, der Kläger habe überhaupt keinen Sachverständigen beauftragen dürfen, weil der Sachschaden nach ihrer eigenen Berechnung nur einen Betrag von unter 1.000 € ausgemacht hat.

Richtig ist, dass die Rechtsprechung auf dem Standpunkt steht, dass bei einem erkennbaren Bagatellschaden und ansonsten unstrittiger Rechtslage der Unfallgeschädigte auf ein Sachverständigengutachten verzichten kann und es ausreicht einen Kostenvoranschlag einzureichen, um seine Ansprüche darzulegen.

Hier liegt aber nach Auffassung des erkennenden Gerichts kein solcher unschwer erkennbarer Bagatellschaden vor.

Zum einen hat der Sachverständige der Klägerin einen Reparaturschaden in Höhe von 911,25 € ausgerechnet. Vielfach wird die Bagatellgrenze, bis zu der ein Unfallgeschädigter noch kein Gutachten einholen soll, bei 750 € festgesetzt. Dieser Betrag ist hier bereits überschritten. Im Übrigen ist die hier der Schaden so nahe an der 1.000 € Grenze, die die Beklagte befürwortet, dass man von einem Geschädigten nicht erwarten kann, dass er auf den ersten Blick erkennt, dass die 1.000 € nicht erreicht werden.

Zum anderen ist aus den Lichtbildern des Sachverständigen auch ersichtlich, dass er bei seiner Begutachtung besonders auch darauf geachtet hat, ob sich eventuell der Stoßfänger verzogen hat. Hierzu wird besonders auf Bild 8 des Gutachtens verwiesen. Ein Laie kann oftmals nicht auf den ersten Blick erkennen, ob nur ein oberflächlicher Schaden entstanden ist (Kennzeichenhalterung gebrochen) oder ob sich nicht doch auch tragende Teile verzogen haben. Der Unfallgeschädigte darf bei der Regulierung seiner Ansprüche auf „Nummer sicher“ gehen. Im Zweifel darf er sich dafür entscheiden, doch einen Gutachter zu beauftragen.

Die Klägerin durfte mithin hier einen Gutachter beauftragen.

2. Die Beklagte hat auch Unrecht mit der Auffassung, dass sie das Honorar nicht vollständig bezahlen müsste, weil es zu hoch ist. Denn die Beklagtenseite hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Klägerin die nach Auffassung der Beklagtenseite mehr angemessenen Beträge bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen.

Es liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass sie sich wegen der Honorarfrage irgendwie schuldhaft nach § 254 BGB verhalten hat. Der Unfallgeschädigte kann nicht, wie in anderen Fällen, zuerst einen Kostenvoranschlag verschiedener Sachverständiger anfordern. Denn die Höhe der Sachverständigenkosten richtet sich i. d. R. nach dem entstandenen Sachschaden, der erst im Rahmen der Begutachtung festgestellt wird. Die Rechtsprechung, auch der höheren Instanzen, hat bereits mehrfach entschieden, dass von Unfallgeschädigten nicht erwartet werden kann, dass sie sich vor Erstellung des Gutachtens nach Preisen erkundigen. Es gibt, soweit ersichtlich, auch keine Entscheidung dazu, dass die Geschädigten verpflichtet wären, sich nach den Nebenkosten zu erkundigen.

2. Nach Erhalt einer Rechnung könnte ihm ein solcher Vorwurf nur dann gemacht werden, wenn die Rechnungshöhe auch für jeden Laien klar ersichtliche Fehler enthält.

Das ist hier aber nicht ersichtlich. Insbesondere kann von einem Laien nicht erwartet werden, dass er den zeitlichen Aufwand für ein derartiges Gutachten richtig einschätzen kann. Er kann auch nicht wissen, wie hoch die üblichen Betriebsausgaben eines Sachverständigen sind. Deshalb kann er weder die Angemessenheit des Grundhonorars noch der Nebenkosten beurteilen. Im Übrigen hat die erkennende Richterin genau zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten eingeholt, das zu dem Ergebnis kam, dass die Mehrheit der freiberuflichen Sachverständigen ihr Honorar getrennt nach Grundhonorar und nach Gebühren berechnet, wobei sich die Höhe dieser Gebühren tatsächlich nicht nach den reinen Material kosten oder den eigenen Auslagen richtet.

3. Die Beklagte verkennt hier, dass es bei der Frage, welche Schadensersatzpositionen nach § 249 BGB erforderlich sind, nicht darauf ankommt, was für den Sachverständigen erforderlich ist, sondern für den Geschädigten. Wenn alle Sachverständigen so abrechnen, wie der Sachverständige, der von der Klagepartei beauftragt wurde, dann muss der Geschädigte zwangsläufig die entsprechenden Aufwendungen tätigen, um ein Sachverständigengutachten zu erhalten. Würde man die Rechtslage anders sehen, würde dies bedeuten, dass einer Privatpartei zugemutet würde, von dem Sachverständigen auf sein restliches geltend gemachtes Honorar verklagt zu werden. Dieses Prozesskostenrisiko kann ihm nicht zugemutet werden. Es ist nicht zuletzt unstreitige Rechtsprechung, dass der Unfallgegner auch das so genannte „Werkstattrisiko“ zu tragen hat, d.h. gegebenenfalls auch für Fehler der mit der Reparatur beauftragten Werkstätte aufkommen muss.

Die erkennende Richterin hat bereits mehrfach in ihren Urteilen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Versicherungen der Unfallgegener die Möglichkeit haben, sich eventuelle Regressansprüche des Unfallgeschädigten gegen seinen Sachverständigen wegen eines irrtümlich zu viel gezahlten Honorars (Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB) abtreten zu lassen. Die Versicherungen könnten hiervon Gebrauch machen. Sie können viel besser, als der Unfallgeschädigte, beurteilen, ob das in Rechnung gestellte Sachverständigenhonorar angemessen ist. Schließlich finden derartige Rechtsstreitigkeiten immer wieder bezüglich derselben Beteiligten (Sachverständigen/Versicherungen) statt. Die Versicherungen könnten daher gezielt Klagen gegen einzelne Sachverständige führen, wenn sie dies für angemessen und erfolgreich halten. Es ist nicht angemessen und auch nicht mit den Schadensersatzregeln der §§ 249 BGB ff. in Einklang zu bringen, das Prozessrisiko auf den Unfallgeschädigten abzuwälzen. Dass de facto die Rechtslage dazu führt, dass bei Haftpflichtgutachten Honorare verlangt werden, die möglicherweise deutlich über dem liegen, was auf dem einschlägigen Markt zu erzielen wäre, wenn nicht die Versicherungen letztendlich bezahlen müssten, liegt auf der Hand. Es ist dies aber ein Problem des Gesetzgebers. Das Problem kann nicht auf Personen abgeschoben werden, die unverschuldet in einen Unfall geraten und von denen nicht erwartet werden kann, dass sie sich dieser Problematik bewusst sind.

Die Beklagte ist daher verpflichtet, das Sachverständigenhonorar zu bezahlen.

4. Die übrigen Rechtsanwaltskosten ergeben sich aus dem Streitwert.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG München verurteilt HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall mit Urteil vom 25.2.2014 – 343 C 29295/13 -.

  1. G.v.H. sagt:

    Der Sprachstil erinnert stark an dem der Frau Ilse Aigner, die sich oftmals als Ministerin auch nicht ausgewogen zu artikulieren verstand. Es ist ein ausgesprochener Fauxpas, sich verallgemeinernd so als Richterin des AG München zu artikulieren.

    G.v.H.

  2. Glöckchen sagt:

    Das ist es, was ich meine.
    Solchem Schrott gehört keine Plattform auf der man ihn auch noch präsentiert.
    Liebe Frau Richterin, wo leben Sie?
    In einer Welt, in der die Dispositionsfreiheit als Last oder als eine Ungerechtigkeit empfunden werden muss?
    Sie haben-verdammtnochmal-das geltende Recht anzuwenden.
    Es steht ihnen NICH zu, das Recht in Ihren Urteilen zu kritisieren.
    Wenn ihnen die Rechtskritik beliebt, dann werden Sie Politikerin!
    1.Sie haben von 249 II,1 BGB und von den Gesetzesmotiven, die zu dieser Regelung geführt haben, keine Ahnung!
    2.Sie wissen nicht, dass es dem Unfallopfer, also jedem beliebigen „Lieschen Müller“ –selbstverständlich–von rechtswegen gestattet ist, die Schadensabwicklung in die eigenen unprofessionellen Hände zu nehmen, einen Gutachter SEINER Wahl zu beauftragen und zuvor KEINE Marktforschung nach einem günstigen Sachverständigen zu betreiben.

    Wenn Sie diese Rechte des Unfallopfers nicht akzeptieren und nicht respektieren können, dann sind Sie an ihrem jetzigen Arbeitsplatz völlig falsch.
    In Ihrer kleinen Welt ist es offensichtlich ungerecht dass
    a.der Fiktivabrechner Sozialabgabenanteile in den Stundensätzen bekommt?
    b.Verbringungskosten abrechnen kann, obwohl er sie fiktiv garnicht ausgibt?
    c.merkantile Wertminderung erhält, obwohl er den Wagen garnicht verkauft, sondern behält?
    usw.usw.
    Was haben Sie im Studium gelernt?
    Das aktuelle BGH-Urteil zur ERFORDERLICHKEIT der Gutachterkosten übersteigt offenbar ihre Vorstellungskraft zu dem, was Recht und was nicht Recht ist.
    Klingelingelingelts?

  3. Karle sagt:

    Bis auf den von Willi Wacker beschriebenen (groben) Fauxpas gehört dieses Urteil zur Kategorie der besseren Qualität in der Instanzrechtsprechung. Sofern man Urteile dieser Art nicht mehr bereitstellen soll, dann darf man überhaupt keine mehr veröffentlichen. Ich kenne bestenfalls eine Handvoll Entscheidungen, die völlig fehlerfrei sind. Viele BGH-Entscheidungen gehören übrigens nicht dazu. Auch nicht VI ZR 67/06 oder die vielbejubelte neue BGH-Entscheidung VI ZR 225/13.

    Der Rest ergibt sich aus dem Kommentar vom 28.04.2014 23:11

    Anstatt hier permanent an engagierten Autoren herum zu kritisieren schlage ich vor, einen „Glöckchen-Blog“ zu gründen, auf dem nur streng selektierte und fehlerfrei Urteile angeboten werden. Weiße Seiten sind sicher ein durchschlagender Erfolg?

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