AG Völklingen (Saarland) verurteilt mit beachtenswertem Urteil die VN der LVM Versicherung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 14.1.2015 – 5 C 348/14 (14) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

hier und heute veröffentlichen wir ein umfangreich begründetes Urteil aus Völklingen zu den Sachverständigenkosten gegen die Versicherungsnehmerin der LVM Versicherung. Geklagt hatte der Geschädigte gegen die Unfallgegnerin. Nachdem es im Saarland – Völklingen liegt bekanntlich im Saarland -, durch die Berufungskammer des LG Saarbrücken bedingt, eine mehr oder weniger kritisch zu betrachtende Rechtsprechung im Schadensersatzrecht nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall gibt, hat das Unfallopfer nicht mehr die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, die LVM Versicherung, wegen des restlichen Schadensersatzes verklagt, sondern – zu Recht – den Unfallverursacher persönlich. Der zuständige Amtsrichter hat mit seiner saarländischen Entscheidung sich bewußt von der Rechtsprechung der Berufungskammer des LG Saarbrücken abgegrenzt. Leider benutzt auch dieser Amtsrichter den falschen Begriff der „Gebühren“, obwohl es solche nicht gibt. Insgesamt handelt es sich aber um eine erfreuliche Entscheidung aus dem Saarland, mit der der „Freymannschen Rechtsprechung“ die Leviten gelesen werden. Das Urteil enthält erfreulicherweise auch einen Hinweis zum Forderungsausgleich. An dieser Argumentation hapert es noch bei den meisten Geschädigtenanwälten. Erfreulich, dass dem Geschädigten ein qualifizierter Schadensersartzrechtler zur Seite stand. Interessant sind auch die Ausführungen zur „bezahlten Rechnung“. Das Urteil wurde dem Autor zur Veröffentlichung durch die Rechtsanwälte Imhof und Partner, Roßmarkt 23 – 29, Aschaffenburg zugesandt. Lest selbt und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und noch eine schöne Woche
Willi Wacker

5 C 348/14 (14)                                                                        Verkündet am 14.01.2015

Amtsgericht Völklingen

U r t e i l

I m   N a m e n   de s  V o l k e s

In dem Rechtsstreit

des Herrn A. P. aus V.

Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte  I. & P. aus A.

gegen

Frau G. W., aus V. ( VN der LVM Versicherung )

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte H. u. H.aus H.

hat das Amtsgericht Völklingen
durch den Richter am Amtsgericht F.
im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 17.12.2014
am 07.01.2015 für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 157,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2013 zu zahlen.

2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Absatz 1, Satz 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG.

Die alleinige Haftung der Beklagten für die aus dem Unfall vom 10.07.2013 folgenden Ansprüche des Klägers ist unstreitig.

Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch des Klägers nicht nur auf den von der Beklagten bereits regulierten Betrag.

Der Kläger hat ;gegen die Beklage vielmehr einen Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 911,90 €. Unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung der Beklagten auf die Sachverständigenkosten in Höhe von 754,46 € war daher noch ein weiterer Betrag in Höhe von 157,44 € zuzusprechen.

Grundsätzlich kann ein Unfallgeschädigter einen Sachverständigen mit der Schätzung des Schadens an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsautwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).
Dabei sind als erforderlich diejenigen Autwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).

Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).

Bei der Prüfung der Frage, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).

Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).

Es muss jedoch nach der Auffassung des Gerichts festgestellt werden, dass es dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls schlicht und einfach nicht möglich ist, sich über die entstehenden Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens vorab ausreichend zu informieren.

Selbst wenn der Geschädigte zwei oder drei Sachverständige anrufen würde, würde es ihm nicht gelingen, ausreichende Angaben und insbesondere aussagekräftige Angebote bezüglich der entstehenden Kosten zu erhalten.

Die Sachverständigengebühren werden von vielen Sachverständigen anhand der Höhe des Schadens pauschal berechnet. Da aber die Höhe des Schadens zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen  noch nicht feststeht, ist eine Feststellung der voraussichtlich entstehenden Gebühren des Sachverständigen praktisch ausgeschlossen. Dies gilt auch bezüglich der Sachverständigen, die nicht pauschal nach der Höhe des Schadens abrechnen. Auch der Zeitaufwand, nach dem diese Sachverständigen abrechnen, steht nämlich bei der Beauftragung des Sachverständigen nicht fest. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann regelmäßig nicht selbst schätzen, welchen Zeitaufwand der Sachverständige für die Erstellung des Gutachtens benötigt. Auch der Sachverständige selbst kann vor der Besichtigung des Wagens den wahrscheinlichen Zeitaufwand nicht angeben, weil sich erst bei der Besichtigung des Wagens der tatsächliche Umfang des Schadens zeigt.

Es ist einem  Geschädigten  auch  nicht zuzumuten, vor der Beauftragung  eines Sachverständigen mit dem Fahrzeug eine Werkstatt aufzusuchen, um dort die ungefähre Schadenshöhe in Erfahrung zu bringen. Unabhängig davon, dass ungefähre Angaben einer Werkstatt auch nicht wirklich weiterhelfen würden, würde der Geschädigte mit einer solchen Vorgehensweise auch Gefahr laufen, weitere Kosten zu verursachen. Die meisten Werkstätten werden nämlich kaum bereit sein, eine Kostenschätzung ohne entsprechende Bezahlung zu erstellen. Immerhin ist eine derartige Schätzung für eine Werkstatt mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, weil vor einer Schätzung der Schadenshöhe erst der Umfang der Beschädigungen festgestellt werden müsste.

Es kann auch nicht unterstellt werden, dass der Geschädigte vor der Beauftragung eines Sachverständigen ohnehin eine Werkstatt aufsucht. Vielmehr ist es so, dass viele Geschädigte nach einem Unfall zunächst einen Rechtsanwalt aufsuchen, der dann darauf hinweist, dass der Schadensumfang durch einen Sachverständigen festgestellt werden muss.

Im Ergebnis hat ein Geschädigter regelmäßig praktisch keine Möglichkeiten, die tatsächlich entstehenden Sachverständigengebühren vor der Beauftragung des Sachverständigen zu ermitteln.

Vor diesem Hintergrund ist dem Geschädigten aber auch ein Vergleich mit den Gebühren anderer Sachverständiger nicht möglich.

Der Geschädigte könnte lediglich in Erfahrung bringen, ob von dem jeweiligen Sachverständigen die Gebühren pauschal oder nach dem Zeitaufwand berechnet werden. Aus diesen Feststellungen können jedoch keine Rückschlüsse auf die Höhe der späteren Rechnung gezogen werden.

Unter Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten ist nach der Auffassung des Gerichts der von dem Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag jedenfalls im Verhältnis zum Kläger als erforderlicher Herstellungsaufwand anzusehen.

Ob die streitgegenständlichen Sachverständigengebühren objektiv überhöht sind oder nicht, kann daher nach dem oben Gesagten dahinstehen.

Wie oben dargelegt konnte der Kläger im vornherein nicht erkennen, dass der Sachverständige evtl. überhöhte Kosten abrechnen würde.

Auch nach der Vorlage der Rechnung des Sachverständigen musste der Kläger keine Bedenken bezüglich der Höhe der Rechnung des Sachverständigen haben.

Dem Kläger kann nämlich nicht vorgeworfen werden, dass er nicht über umfangreiche rechtliche Kenntnisse bezüglich der Abrechnung von Sachverständigengebühren verfügt. Über ein derartiges Spezialwissen (verschiedene Abrechnungsmöglichkeiten, Konsequenzen der BVSK-Honorarbefragung) verfügen praktisch nur in diesem Bereich tätige Juristen und Sachverständige. Es muss nicht weiter erörtert werden, dass bei einem „Normalbürger“, es muss auf den verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten und nicht auf Juristen abgestellt werden, derartige Kenntnisse nicht ansatzweise vorhanden sind.

Dem Schädiger verbleibt in jedem Falle die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Kosten evtl. zu hoch sind, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings nicht (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).

An den vorgenannten Feststellungen ändert entgegen der Auffassung der Beklagten auch der Umstand nichts, dass der Kläger die streitgegenständliche Rechnung des Sachverständigen … noch nicht ausgeglichen hat.

Der Kläger könnte zwar gegenüber dem Sachverständigen den vollständigen Ausgleich der nach der Auffassung- der Beklagten zu hohen Rechnung des Sachverständigen verweigern. Mit einer derartigen Weigerung würde der Kläger jedoch die erhebliche Gefahr eingehen, von dem Sachverständigen auf Zahlung des Restbetrages verklagt zu werden.

Insoweit muss aber berücksichtigt werden, dass in der Rechtsprechung weiterhin erhebliche Differenzen bezüglich der Frage bestehen, unter welchen Umständen eine Sachverständigenvergütung überhöht ist oder nicht.

Mit einer derartigen Klage würde sich also der Kläger auf ganz erhebliche Kostenrisiken einlassen. Hierzu ist der Kläger als Geschädigte des Verkehrsunfalls jedoch nach der Auffassung des Gerichts nicht verpflichtet. Vielmehr kann der Kläger zur Vermeidung des Kostenrisikos die Forderung des Sachverständigen in voller Höhe ausgleichen.

Im Ergebnis ist der Kläger daher im vorliegenden Fall jedenfalls mit der Forderung des Sachverständigen aus der streitgegenständlichen Rechnung belastet. Diese Belastung kann der Kläger durch die vollständige Zahlung des Betrages abwenden, weshalb der Kläger vor der Beklagten den Ausgleich des vollen Rechnungsbetrages fordern kann.

Insoweit muss nach der Auffassung des Gerichts auch berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits mit seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 24.07.2013 gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten angeboten hat, dass vom Kläger Ansprüche wegen etwaiger Gutachterkostenüberhöhung zum Vorteilsausgleich an die Haftpflichtversicherung abgetreten werden.

Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Die Zinsen waren ab dem vom Kläger geforderten Zeitpunkt zuzusprechen, weil die Versicherung der Beklagten mit Schriftsatz vom 24.07.2013 ab diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß in Verzug gesetzt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 1. Alt, 713 ZPO.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 157,44 € festgesetzt.

Die Berufung gegen das Urteil war nicht zuzulassen, weil dies entgegen der Auffassung der Beklagten zur Fortbildung des Rechts nicht notwendig ist. Auch hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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