Amtsrichterin des AG Leipzig verurteilt mit überzeugender Begründung die HUK 24 AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 13.1.2015 – 103 C 5847/14 -.

Hallo verehrte Leserinnen und Leser des Captain-Huk-Blogs,

nach dem völlig verfehlten (Klientel-) Urteil aus Saarbrücken veröffentlichen wir hier nun ein positives Urteil aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK 24 AG. Im Gegensatz zu dem Urteil aus Saarbrücken handelt es sich hier um eine völlig korrekte Entscheidung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen. Völlig zutreffend hat das erkennende Gericht in diesem Fall darauf abgestellt, dass – solange die vereinbarten oder berechneten Preise für den Geschädigten nicht  e r k e n n b a r  erheblich über den üblichen Preisen liegen – die Sachverständigenkosten als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand zu ersetzen sind. Für den Geschädigten als Laien ist wohl kaum erkennbar, ob die vereinbarten oder berechneten Preise über den üblichen Preisen liegen, zumal den Geschädigten keine Erkundigungspflicht trifft (vgl. BGH DS 2007, 144 ff Rdnr. 17; BGH DS 2014, 90 Rdnr. 7). Der erkennende Amtsrichter hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Geschädigten kein Verstoß gegen § 254 II BGB vorzuwerfen ist. Grundsätzlich muss ohnehin gefragt werden, ob § 254 BGB im Schadensersatzrecht dogmatisch überhaupt anwendbar ist (vgl. dazu Wortmann ZfS 1999, 1 ff)? Denn eine  Anwendung würde bedeuten, dass der Geschädigte trotz voller Haftung des Schädigers einen Teil seines Schadens selbt tragen müsste. Das widerspricht eindeutig dem Grundsatz des Schadensersatzrechtes, wonach bei voller Haftung vollständiger Schadensersatz zu leisten ist (vgl. Steffen NZV 1991, 1 f.; ders. NJW 1995, 2057, 2062; BGH NJW 2014, 1947  Rdnr. 7).

Schon allein der Begriff der „Schadensminderung“ ist verfehlt. Denn ein einmal eingetretener Schaden kann nicht gemindert werden. Gemindert werden kann jedoch die Schadensausweitung. Insoweit sollte man von einer „Schadensgeringhaltungspflicht“ im Sinne des § 254 II BGB sprechen. Nur dann, wenn der Geschädigte die Höhe der Kosten für die Schadensbeseitigung beeinflussen kann, nur dann ist er verpflichtet, den Schaden im Rahmen seiner Möglichkeiten so gering wie nur möglich zu halten.(vgl. BGHZ 115, 364, 368 f; BGH NJW 2014, 1947 Rdnr. 7). Allerdings verlangt das Gebot der Schadensgeringhaltung nicht, zu Gunsten des Schädigers oder dessen Versicherung zu sparen (vgl. BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 154, 395, 398; BGH VersR. 1985, 1090; BGH VersR 1985, 1092; BGH DS 2014, 90 Rdnr. 7). Der Geschädigte kann grundsätzlich die Höhe der Sachverständigenkosten nicht beeinflussen, da sich diese nach der Schadenshöhe richten, und diese eben erst durch das Gutachten beweissicherungsmäßig festgestellt werden soll. Die Ergebnisse von Honorarumfragen von Sachverständigenverbänden muss der Geschädigte nicht kennen (BGH DS 2014, 90 ff Rdnr. 10). Insoweit hat die erkennende Amtsrichterin des AG Leipzig – im Gegensatz zu dem heute vormittag veröffentlichten Urteil des Amtsrichters H. des AG Saarbrücken – zutreffend entschieden. Lest selbst das Urteil aus Leipzig und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.        

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Leipig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 103 C 5847/14

Verkündet am: 13.01.2015

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK24 AG, Willi-Hussong-Straße 2, 96446 Coburg

– Beklagte –

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht D.
am 13.01.2015

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 93,43 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit 29.03.2013 sowie als Nebenforderung 3,00 EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.

2.        Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 93,43 EUR festgesetzt.

Tatbestand

(Auf die Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO verzichtet).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von restlichen 93,43 EUR gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, § 115 VVG, §§ 249, 398 BGB.

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 09.10.2012 in der Funkenburgstraße in Leipzig ist unstreitig. Zu den ersatzfähigen Kosten gehören auch diejenigen des Sachverständigengutachtens, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist.

Die Vergütung des Sachverständigen darf sich an der Schadenshöhe orientieren.

Hinsichtlich der Sachverständigenkosten hat die Geschädigte … mit der Klägerin
einen Werkvertrag geschlossen. In dem geschlossenen Werkvertrag wird Bezug genommen auf die Honorarliste der Klägerin. Die Abrechnung der Klägerseite entspricht der Vereinbarung der Geschädigten mit der Klägerin.

Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerseite hätte irriger Weise 37,00 EUR netto für das Grundhonorar zu viel verlangt, ist dies nicht richtig. Der Nettoschaden am Pkw betrug etwa 1.014,00 EUR. Dafür ist zwischen der Geschädigten und der Klägerin ein Grundnettohonorar von 285,00 EUR vereinbart gewesen und nicht von 258,00 EUR, wie die Beklagtenseite vorträgt.

Das Gericht hätte erst dann die Möglichkeit, die vereinbarten Preise für das Gutachten zu überprüfen, wenn diese die Grenzen der Sittenwidrigkeit übersteigen würden. Anhaltspunkte dafür, dass der geschlossene Werkvertrag eine sittenwidrige Preisvereinbarung enthält und somit nach § 138 BGB nichtig wäre, sind nicht ersichtlich. Auch die von der Klägerseite geltend gemachten Nebenkosten sind vertraglich vereinbart, so dass es hier auf einen Mittelwert nicht ankommt. Darüber hinaus hat der BGH in seiner Entscheidung VI ZR 225/13 die dort in Rede stehenden Nebenkosten anerkannt. Dort wurden geltend gemacht pro Lichtbild 2,80 EUR und pro gefahrenen Kilometer an Fahrtkosten 1,80 EUR. Im Vorliegenden sind die Fahrtkosten von der Klägerseite der Geschädigten gegenüber nur mit 1,31 EUR/km in Rechnung gestellt worden, die Fotokosten mit 2,79 EUR, jeweils also unter der vom BGH „durchgewinkten“ Nebenkosten.

Dass die Nebenkosten auf einen Pauschalbetrag zu kürzen sind oder auf 25 % des Sachverständigenhonorars, sieht das Gericht nicht.

Der Geschädigten darf kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB vorgeworfen werden. Dass sie hätte erkennen müssen, dass das Honorar der Klägerseite erhöht ist, ist nicht ersichtlich, zumal das Amtsgericht Leipzig in keiner der bisher bekannten Entscheidungen entsprechendes festgestellt hat. Soweit die Beklagtenseite vorträgt, dass nur 8 Fotos gefertigt wurden sind, ist dies nicht richtig. Der Akte ist zu entnehmen, dass sich dort 10 von der Klägerseite gemachte Fotos des Schadens finden lassen; dass die Höhe der weiteren Nebenkosten für die Geschädigte als zu hoch anzusehen sind, ist nicht feststellbar. Die Klägerseite macht ihren Anspruch zurecht aus abgetretenem Recht geltend. Die Abtretungserklärung vom 17.10.2012 wurde vorgelegt.

Die Nebenforderungen, wie 3,00 EUR Mahnkosten und Zinsen sind gemäß §§ 280, 286, 288 BGB zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 704» 709, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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5 Antworten zu Amtsrichterin des AG Leipzig verurteilt mit überzeugender Begründung die HUK 24 AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 13.1.2015 – 103 C 5847/14 -.

  1. Franz B. sagt:

    Nicht nur an den im Vorspann angesprochenen Punkten widerspricht das Gericht dem Anwalt der HUK 24 AG, sondern auch in dem Vortrag, die Nebenkosten müssten begrenzt werden oder dürften nur 25 % des Sachverständigenhonorars betragen. Dieser Vortrag der HUK-Coburg ist ganz bewußt gegen die BGH-Rechtsprechung ausgerichtet. So nach dem Motto, was interessiert mich der BGH? Ich mache mein Recht so, wie ich es will. Ich bestimme als Versicherer, was und in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten ist. Da klingt doch der nationalsozialistische Rechtsgedanke mit, wonach die Gemeinschaft Schäden mitzutragen hat, nicht unbedingt allein der Schädiger. Gott sei Dank ist diese Zeit mit ihren verschrobenen Gedankengängen vorbei. Aber offensichtlich geistern diese Gedanken immer noch in den Köpfen der Verantwortlichen der Versicherungen, wenn es um Schadensersatzleistungen geht?

  2. Franz B. sagt:

    Zwischen dem Urteil aus Saarbrücken und dem Urteil aus Leipzig liegen Welten.
    Vielleicht kann die Richterin aus Leipzig nach Saarbrücken abgeordnet werden, damit dann auch mal im Saarland ordentlich Recht gesprochen wird?

  3. F-W Wortmann sagt:

    Zu der sogenannten Schadensminderungspflicht und der Anwendung derselben im Schadensersatzrecht hat Prof. Dr. jur. Ernst Wolf, em. ord. Prof. an der Uni Marburg, in den Schriften zum Bürgerlichen Recht Bd. 88 auf Seiten 65 ff. bereits ausgeführt, dass es dogmatisch nicht begründbar ist, im Schaensersatzrecht von einer Schadensminderungspflicht zu sprechen. Der Grund für die Anwendbarkeit des § 254 II BGB im Schadensrecht mit einem anteiligen Haftungsausschluss liegt nämlich in einer Obliegenheit des Gläubigers, den ihm drohenden Schaden abzuwenden oder zu mindern. Von einer P f l i c h t des Gläubigers gegenüber dem Schuldner ist aber in § 254 II 1 BGB weder die Rede, noch ist eine solche dogmatisch möglich (Wolf, Die Unhaltbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Schadensersatz bei Totalschäden an Kraftfahrzeugen, 1984, Seite 65, 67). Denn der Gläubiger ist nicht Schuldner. Also ist der Geschädigte eines unverschuldeten Unfalls nur Gläubiger des Schadensersatzanspruchs. Er ist keinesfalls Schuldener einer einer irgendwie gearteten Pflicht zur Schadensminderung. Ein einmal eingetretener Schaden kann gar nicht mehr gemindert werden. Schon von daher ist der Begriff irritierend. Besser ist es daher von Schadensgeringhaltungspflicht zu sprechen.

    Auf den ursprünglich angerichteten Schaden kann, wie gesagt, gar nicht die „Schadensminderung“ angewandt werden, denn durch den Crash ist der Schaden in der Welt und nicht mehr zu mindern. Dies ist auch dogmatisch verständlich, weil § 254 BGB ein Vehältnis zwischen Gläubiger und Schuldner voraussetzt, in dem der Gläubiger es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen. Gering gehalten werden kann der durch den plötzlichen Crash entstandene Schaden schon deshalb nicht, weil kein § 254 BGB voraussetzendes Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner besteht. Der Unfallschaden ist ein plötzlich von außen einwirkendes Ereignis. Insoweit konnte der Gläubiger, also das Unfallopfer, auch nicht mehr den Schuldner, also den Schädiger, auf einen möglicherweise hohen Schaden hinweisen. Aber nur dann, wenn der Gläubiger es unterläßt, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, kann die Schadensersatzpflicht des Schuldner anteilig ausgeschlossen sein.

    Die Schadensgeringhaltungspflicht kann lediglich bei den Unfallfolgeschäden angewandt werden. Denn nun kann der Gläubiger den Schuldner auf die Gefahr ungewöhnlich hoher (Folge-) Schäden hinweisen. Und von nun an ist er obligationsmäßig auch verpflichtet, den Folgeschaden im Rahmen des Zumutbaren so gering wie nur wirtschaftlich aus seiner Sicht möglich zu halten. Erst jetzt gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 BGB. Und erst jetzt kann der Schädiger den Geschädigten auf die Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht verweisen (vgl. Wortmann ZfS 1999, 1 ff).

    Ob die Pflicht des Gläubigers zur „Schadensminderung“ im Sinne von § 254 II BGB allerdings auch in den Fällen der deliktischen Schädigung im Sinne von §§ 823 I, II ff., 254 I BGB überhaupt zu bejahen ist, ist mehr als umstritten. Eine nicht von der Hand zu weisende Ansicht verneint die Anwendung des § 254 II BGB mit der Begründung, dass ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis, wie es in § 254 BGB vorausgesetzt wird, vor dem Unfall gear nicht bestanden hat. Gläubiger und Schuldner kannten sich vor dem Unfall gar nicht. Erst durch das plötzlich eintretende Unfallereignis gerieten sich in das deliktische Schuldverhältnis von Schädiger und Geschädigtem.

    Daher sollte der für Schadensersatz nach Verkehrsunfällen zuständige VI. Zivilsenat auch mal überdenken, ob die von ihm so schnell und so leicht vorgenommene Anwendung der „Schadensminderungspflicht“ überhaupt dogmatisch möglich ist. Auch die von dem BGH vorgenommene Anwendbarkeit des § 254 BGB über § 242 BGB nach Treu und Glauben oder die Verkehrssitte erscheint unter diesem Gesichtspunkt fragwürdig.

    Vielleicht macht sich der VI. Zivilsenat des BGH in dem zur Zeit anhängigen Revisionsverfahren gegen das Urteil des LG saarbrücken vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – einmal diese Gedanken. Denn diese Gesichtspunkte gelten auch im Rahmen des Rechts auf Ersatz der vollständigen Sachverständigenkosten bei vollständiger Haftung des Schuldners. Haftet der Schuldner zu einhundert Prozent ist es ausgeschlossen, dass der Gläubiger auch nur einen Teil des Schadens trägt. Denn das Unfallopfer ist Gläubiger und der Unfallverursacher Schuldner. Das Unfallopfer ist nicht verpflichtet, irgend einen Teil seines Schadens bei voller Haftung des Unfallverursachers zu tragen.
    Klingelt es bei Euch?
    Noch einen schönen Sonntag.

  4. Glöckchen sagt:

    Hi Friedrich-W.
    seit wann schüttest du Wasser auf die Mühlen von Ri.W.?

  5. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Glöckchen,
    offenbar hast Du mich nicht verstanden? Lies Dir meinen Kommentar noch einmal genau durch und Du wirst feststellen, dass darin eine Kritik an der Rechtprechung des VI. Zivilsenates des BGH steckt. Nicht Wasser auf die Mühlen des Richter W, sondern Abgraben des Wassers.
    Der immer wieder vom BGH angewandte Begriff der Schadensminderung und seine Bedeutung und rechtlichen Folgen sollten überdacht werden.

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