Weiteres Sachverständigenhonorarurteil gegen HUK-Coburg (AG Frankfurt am Main – 32 C 2716/07 – 18 vom 21.12.2007)

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 21.12.2007 (32 C 2716/07 – 18) im schriftlichen Verfahren für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 112,81 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten in Höhe von 112,81 € gem. §§ 7, 17, 18 StVG, 3 PflVersG. Die der Klägerin entstandenen Gutachterkosten in Höhe von insgesamt 478,92 € sind von der Beklagten vollständig zu ersetzen.

Nachdem die Beklagte vorprozessual bereits einen Teilbetrag in Höhe von. 366,11 € auf die Gutachterkosten entrichtet hat, ist der ursprüngliche klägerische Anspruch in dieser Höhe infolge teilweiser Erfüllung erloschen. Der restliche Anspruch in Höhe von 112,81 €, wie er mit der Klageforderung geltend gemacht wird, steht der Klägerin zu, da die geltend gemachten Kosten für das von der Klägerin bei dem Sachverständigen Dipl.-Ing…, einem qualifizierten
Kfz-Sachverständigen, für Beweissicherungszwecke in Auftrag gegebene Unfallschadengutachten als Schadensersatz im Haftpflichtschadenfall ohne weiteres erstattungsfähig gem. § 249 Abs. 1 BGB sind: Die Unfallfahrzeugbegutachtung dient der Wiederherstellung des Fahrzeugs, welche der Geschädigte verlangen kann. Dies ist ständige Rechtsprechung des BGH (z.B. BGH, NJW-RR 1989, 956; BGH, NJW 1974, 35) und soweit ersichtlich auch aller Instanzgerichte.

Die Sachverständigenkosten sind nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise dann nicht erstattungspflichtig, wenn ein sog. ‚Bagatellschadenfall“ vorliegt oder wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden bezüglich des Kfz-Sachverständigen trifft oder wenn der Geschädigte die Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens selbst herbeigeführt hat. Um eine derartige Fallkonstellation handelt es sich vorliegend aber nicht.

In Anbetracht des unstreitigen Fahrzeugschadens in Höhe von netto 1957,77 € liegt kein so genannter „Bagatellschaden“, vor. Die „Bagatellgrenze“ dürfte im Regelfall im Bereich geringfügiger Schäden zwischen 500,00 € bis 600,00 € liegen. Einwendungen gegen die Richtigkeit des Gutachtens wurden von der Beklagtenseite nicht erhoben. Die Höhe der vom Sachverständigen für sein Gutachten in Rechnung gestellten Vergütung allein kann grundsätzlich kein Auswahlverschulden der Klägerin begründen, weil die Höhe der Sachverständigenvergütung der Sache nach ungeeignet ist, als Qualitätsmaßstab für das Gutachten und damit für den Gutachter zu dienen, zumal der Geschädigte grundsätzlich berechtigt ist, den Gutachter seines Vertrauens hinzu zu ziehen.

Im Einklang mit dem schadensrechtlichen Grundsatz, wonach die Art und Weise der Schadensbeseitigung grundsätzlich in der Dispositionshoheit des Geschädigten liegen, ist es herrschende Rechtsprechung, dass der Schädiger dem Geschädigten die Kosten des
Kfz-Sachverständigengutachtens selbst dann in voller Höhe erstatten muss, wenn sie überhöht sind. Der nach einem Unfall hinzugezogene Sachverständige ist nämlich nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten (OLG Hamm, Urteil vom 05.03.1997 – 13 U 185/96, DAR 1997, 275).

Etwas anderes kommt nur bei Auswahlverschulden oder offenkundiger Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Rechnung in Betracht, für die hier aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Im Verhältnis zum Schädiger ist es nicht Aufgabe des Geschädigten, Preisvergleiche anzustellen und den billigsten Sachverständigen zu ermitteln (LG Hagen, Urt. v. 28.2.2003 Az. 1 S 3/03; NZV 2003, 337; AG Bochum, DAR 1996, 97; AG Schwerin, Urt. v. 8.12.1998 (10 C 3484/97)). Das Risiko eines überteuerten Gutachtens tragen der Schädiger und dessen Versicherung, nicht der Geschädigte
(AG Berlin-Mitte, DAR 2002, 459; AG Wetzlar, SP 2000, 178; AG Frankfurt a. M., ZfS 2001, 165). Der Geschädigte muss sich gerade nicht auf Auseinandersetzungen mit dem Gutachter über die Gutachterkosten einlassen. Der Schädiger muss sogar die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten „unvertretbar objektiv mangelhaften oder unbrauchbaren Gutachtens“ erstatten, wenn den Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft (OLG Hamm, NZV 2001, 433; LG Düsseldorf, ZfS 2000, 538).

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die berechneten Gutachterkosten so hoch sind, dass auch bei einer unerfahrenen Geschädigten wie der Klägerin vernünftiger Weise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung aufkommen mussten, so dass es keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob in einer solchen Fallkonstellation ausnahmsweise im Hinblick auf die dem Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht gern § 254 BGB eine Anspruchstürzung in Betracht kommt. Der hier verfahrensgegenständliche Rechnungsendbetrag in Höhe von 478,92 € fällt jedenfalls nicht in evidenter Weise aus dem Rahmen. Deshalb war – mangels Entscheidungserheblichkeit –  auch kein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob das hier streitgegenständliche Sachverständigenhonorar üblich, angemessen und erforderlich ist

Sofern die Beklagte die fehlende Prüffähigkeit der verfahrensgegenständlichen Gutachterrechnung beanstandet, ist dieser Einwand im Hinblick darauf, dass die Beklagte sich substantiiert mit der Rechnung auseinandersetzt, nicht nachvollziehbar, da die Beklagte im Rahmen ihrer Klageerwiderung eine Überprüfung der Rechnung vornimmt, deren Unmöglichkeit sie zugleich aber beanstandet.

Sofern die Beklagte die mangelnde Prüffähigkeit der Rechnung im Zusammenhang damit moniert, dass der Gutachter nicht auf Stundenlohnbasis abgerechnet hat, sondern auf Grundlage von Pauschalbeträgen, die in Relation zur Schadenshöhe ermittelt wurden, greifen diese Einwände im Lichte des Urteils des BGH vom 23.01.2007, Aktenzeichen VI ZR 67/06, Schaden-Praxis 2007,
156-158, nicht durch, wonach der Geschädigte grundsätzlich verlangen kann, dass ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im
Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet wird. Das Gericht sieht keine Veranlassung, von der sowohl im Ergebnis als auch in der Herleitung überzeugenden Rechtsansicht des BGH abzuweichen:

„Die Frage, ob nach einem Verkehrsunfall ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BOB verlangt werden kann, wird van einer Vielzahl von Gerichten bejaht (vgl. etwa AG Altenkirchen ZfS 1994, 88; AG München DAR 1996, 298; AG Köln VersR 1988, 1251, 1252; AG Aachen  ZfS 1999, 396; AG Herne-Wanne NZV 1999, 256, 257; AG Halle-Saalkreis ZfS 1999, 337; AG Hattingen VersR 200, 1426, 1427; AG Darmstadt ZfS 2000, 65; AG Frankfurt a.M. ZfS 2001, 165; AG Wiesbaden SP 2002, 360; AG Westerburg ZfS 2000, 63, 64; AG Eltville SP 2002, 322; AG Bad Kreuznach SP 2002, 72; AG Hamm SP 2002, 322; AG Dresden DAR 2002, 459, 460; AG Siegburg ZfS 2003, 237, 238; AG Weinheim ZfS 2004, 18; AG Nürnberg ZfS 2004; 131; AG Berlin-Mitte SP 2005, 175; LG Halle ZfS 2006, 91; ebenso Roß, aaO; a.A. z.B. LG Köln SP 2002, 320; AG Leipzig SP 2002, 287; LG Leipzig, Urteil vom 23.05.2005 – 1 S 7099/04). Hiergegen bestehen aus schadensrechtlicher Sicht keine Bedenken.

Der Geschädigte ist  nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei (vgl. BGHZ 154 395, 398; BGHZ 155, 1, 4;BHZ 162, 161, 165 f.; BGH VersR 1989, 1056 f.) Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH VersR 2005, 558, 559), so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (Hörl NZV 2003, 305, 306 f.; Wortmann ZfS 1999 1, 2; ders. VersR 1998, 1204, 1210).

Der Geschädigte kann ‚jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen ( BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 160, 377, 383; BGHZ 162, 161, 165). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann…

Im Lichte dieser aktuellen Entscheidung des BGH reicht es für ein substantiiertes Bestreiten der Üblichkeit und Angemessenheit des gehend gemachten Honorars auch nicht aus, darauf zu verweisen, dass die übliche Berechnung nach Schadenaufwand erfolge, zumal der Beklagtenvortrag insoweit in sich auch widersprüchlich ist. Während auf S. 2 der Klageerwiderung behauptet wird, dass ein Teil der Sachverständigen-Organisation dazu übergegangen sei, ihre Vergütung nach dem zeitlichen Aufwand abzurechnen, wird auf  S. 3 der Klageerwiderung behauptet, eine Abrechnung nach Zeitaufwand sei üblich. Ebenfalls nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf das JVEG, da der BGH zutreffend dargelegt hat, dass eine Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger auf Privatgutachter nicht angebracht ist.

So das im Wesentlichen auf das Urteil des 6. Zivilsenates des BGH gestützte Urteil des AG Frankfurt a. M. Die Richterin des AG Frankfurt a. M. hat sich die mühsame Arbeit gemacht, das Urteil des 6. Zivilsenats des BGH vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06 – (abgedruckt in Der Sachverständige 2007, 144 m. A. Wortmann), das auch hier im Blog eingestellt war, genau auf die von ihr zu entscheidende Fallkonstruktion zu übertragen. Die BGH-Grundsätze sind in schulmäßiger Form übernommen worden. Damit ist einmal mehr der HUK-Coburg ins Versicherungsbuch geschrieben worden, dass dem Geschädigten das volle Sachverständigenhonorar als Schadensersatz zuzusprechen ist. Ein Verweis auf Stundensätze ist nicht möglich. Ebenso ist ein Verweis auf JVEG nicht möglich.

Mit dem Urteil des AG Frankfurt hat dieses die bereits überwiegende Rechtsprechung der Untergerichte, die auch vom BGH im Einzelnen in seinem Urteil aufgeführt worden sind, bestätigt, so dass insoweit von absolut herrschender Rechtsprechung ausgegangen werden kann.

Urteilsliste „SV-Honorar“ zum Download >>>>>

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