AG Stade erteilt dem Honorartableau der HUK-COBURG eine Abfuhr und verurteilt diese zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Hinweis auf den Vorteilsausgleich mit Urteil vom 2.12.2015 – 61 C 696/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

von Geestland ist es nicht weit bis Stade. Wir setzen die Urteilsreihe gegen die HUK-COBURG daher jetzt in Stade fort. Nachstehend veröffentlichen wir hier ein Urteil des Amtsgerichts Stade zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG. In diesem Fall war es die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., die eigenmächtig und ohne Anspruchsgrundlage die berechneten Sachverständigenkosten einfach kürzte, obwohl dies ein Indiz für die Erforderlichkeit der berechneten Sachverständigenkosten bildete. Gründe, die für den Geschädigten eine erkennbar erhebliche Überhöhung darstellen könnten, hat die HUK-COBURG letztlich nicht vorgetragen. Sie ist damit ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Der Hinweis auf das selbst gestrickte Honorartableau der HUK-COBURG vermag die gebotene Darlegungslasr nicht zu ersetzen. Zum einen muss der Geschädigte eine von einem Versicherer selbst gefertigte Honorarliste genauso wenig kennen, wie die Erhebungen des BVSK (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Es ist dem deutschen Recht fremd, dass ein Versicherer seinen nach § 249 II 1 BGB zu erbringenden Schadensersatz eigenmächtig selbst in einer vom ihm erstellten Liste bestimmt. Dieser Liste fehlt jegliche rechtliche Grundlage. Folgerichtig und absolut schlüssig hat daher das erkennende Gericht dem Honorartableau der HUK-COBURG eine Absage erteilt. Im Übrigen fällt auf, dass die Anwälte hinsichtlich der Darlegungslast der beklagten HUK-COBURG wenig vorgetragen haben. Schon von daher hätte das erkennende Gericht den Vortrag der HUK-COBURG als unerheblich betrachten können. Aber selbst wenn man einen schlüssigen Vortrag der HUK-COBURG unterstellt, so hat das erkennende Gericht zutreffend darauf verwiesen, dass die HUK-COBURG verpflichtet ist, auch eventuell überhöhte Sachverständdigenkosten zu erstatten, allerdings kann sie, wie hier im Blog bereits mehrfach angegeben, den Vorteilsausgleich suchen (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.). Dem ist Nichts mehr hinzuzufügen. Lest selbst und kommentiert in sachlicher Weise dieses Urteil des AG Stade. 

Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker

Amtsgericht
Stade

61 C 696/15                                                                                       Verkündet am 02.12.2015

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G., v.d.d. Vorstand Dr. W. Weiler, W. Flaßhoff, S. Gronbach, K-J. Heitmann, Dr. H. O. Heroy, S. Rössler, J. Sandig, Bahnhofsplatz 1, 96450 Coburg

Beklagte

hat das Amtsgericht Stade auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2015 durch die Richterin am Amtsgericht S.-A. für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 115,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2015 zu zahlen.

2.    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.    Der Streitwert wird auf 115,33 € festgesetzt.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist vollen Umfangs begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 249 BGB restliche 115,33 € aus der Kostennote des Sachverständigenbüros … vom 25.03.2014, Anlage K 2, Bl. 26 d. A., sowie aus § 291 BGB die zugesprochenen Zinsen (Rechtshängigkeitszinsen) verlangen.

Die streitgegenständliche Kostennote über insgesamt 635,33 € ist vollen Umfangs als Schaden der Geschädigten i. S. des § 249 BGB ansetzbar. Da unstreitig von der Beklagten auf den Gesamtbetrag von 635,33 € lediglich 520,00 € gezahlt wurden, ist sie bezüglich der Differenz von 115,33 € ausgleichspflichtig.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Nach dem die Klägerseite auf die Rüge der Beklagtenseite in der Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 21.10.2015 dargetan hat, die Klägerin sei Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs gewesen und es sei schließlich die Beklagte gewesen, die sämtliche anderen Schadenpositionen aus dem Verkehrsunfallgeschehen an die Klägerin beglichen hat, ist die Beklagtenseite der Aktivlegitimation nicht mehr entgegengetreten mit der Folge, dass die Aktivlegitimation gegeben ist.

Die nicht ausgeglichene geltend gemachte Differenz von 115,33 € steht der Klägerin auch als Schadenersatz zu, nämlich vollen Umfangs als erforderliche Rechtsverfolgungskosten i. S. des § 249 BGB, ohne dass sich die Klägerin ein Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen müsste.

Zwar hat die Beklagte unwidersprochen dargetan, dem Ehemann der Beklagten noch vor Beauftragung der Sachverständigen ein Hinweisschreiben vom 19.03.2014 (Anlage B 1, Bl. 35 ff. d. A.) zugeleitet zu haben, in dem auf das „Honorartableau“ der Beklagtenseite Bezug genommen wird mit dem weiteren Hinweis, in dieser Höhe würden Honorarrechnungen der Sachverständigen akzeptiert, bei höheren Werten würde die Beklagte auf eine nachvollziehbare und nachprüfbare Darlegung bestehen, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet werde.

Es kann nun dahinstehen, ob dieses Anschreiben an den Ehemann der Klägerin dieser rechtlich zugerechnet werden kann. Auch wenn dies der Fall wäre bzw. wenn die Klägerin als Geschädigte dieses Schreiben direkt von der Beklagten erhalten hätte, wäre der Klägerin aus der Nichtbeachtung dieses Schreibens kein Mitverschulden nach § 254 BGB anzurechnen.

Es war nämlich nicht Pflicht der Klägerin als Geschädigter gegenüber der Beklagten, sich mit dem Sachverständigen auf maximal die Beträge aus dem Honorartableau der Beklagten zu einigen. Konkrete Limitierungen zur Übernahme von Sachverständigenkosten kann die Beklagte nämlich nicht aussprechen.

Im Gegenteil darf der Geschädigte im Rahmen des § 249 BGB grundsätzlich Sachverständigenkosten ersetzt verlangen, die für die Erstattung des Gutachtens anfallen – in voller Höhe der in Rechnung gestellten Kosten.

Es ist nun nach Auffassung des Gerichts nicht Sache des Geschädigten, mit dem Sachverständigen über ein bestimmtes Sachverständigenhonorar zu verhandeln, welches den Vorstellungen der Beklagten entspricht, soweit diese noch nicht einmal nachvollziehbar dargelegt hat, dass im Bereich des Wohnsitzes der Klägerin als Geschädigter überhaupt qualifizierte Sachverständige bereit sind, brauchbare Gutachten nach der Preisvorgabe der Beklagten zu erstellen. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte nach Auffassung des Gerichts unter Umständen eine entsprechende Verhandlungsdiskussion des Geschädigten mit dem Sachverständigen im Rahmen der Schadenminderungspflicht bestehen.

Dass aber im Zeitpunkt der Beauftragung im Bereich des Wohnsitzes der Klägerin überhaupt ein qualifizierter Sachverständiger Willens und in der Lage gewesen wäre, ein brauchbares Schadengutachten zu erstellen, trägt die Beklagte selbst nicht vor.

Sicherlich ist es aber nicht Sache des Geschädigten, wie es im Schreiben der Beklagtenseite vom 19.03.2015 auf Seite 2 unten (Bl. 37 d. A.) anklingt, nachvollziehbar und nachprüfbar darzulegen, dass sie das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet hat. Die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 254 BGB liegt vollen Umfangs auf Beklagtenseite.

Schon gar nicht ist es Aufgabe des Geschädigten, vor Inauftraggabe eines Gutachtens sich auf die Suche nach einem möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu begeben.

Letztlich sei aber auch noch darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Gerichts ein Mitverschulden nach § 254 BGB in Betracht zu ziehen gewesen wäre, wenn die Klägerin mit dem Sachverständigen ein Sachverständigenhonorar vereinbart hätte, welches in einem auffälligen Missverhältnis zu üblichen und angemessenen Honoraren gestanden hätte. Dabei käme aus Sicht des Gerichts unter Umständen ein Unterlassen einer Preisvereinbarung auch einer überhöhten Preisvereinbarung gleich.

Auch davon kann aber nicht ausgegangen werden, da die Beklagte nicht ansatzweise vorgetragen hat, wie bereits ausgeführt, dass im Bereich des Wohnsitzes der Beklagten bestimmte deutlich geringere Gebührensätze von qualifizierten Sachverständigen verlangt worden wären. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Rechnungen des Sachverständigenbüros … von 635,33 € lediglich um 22,18 % von dem „Honorartableau“ der Beklagten abweicht, was das Gericht noch nicht als unangemessen hoch/unverhältnismäßig ansieht.

Schließlich weist die Klägerseite zu Recht darauf hin, dass die Beklagte nicht rechtlos gestellt ist, da sie sich von der Geschädigten analog § 255 BGB deren Schadenersatzansprüche gegen den Sachverständigen abtreten lassen kann, sollte die Beklagte darauf bestehen, dass die vom Sachverständigenbüro verlangte Vergütung gemessen an § 632 BGB nicht angemessen und ortsüblich ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Berufung bestand kein Anlass.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Stade erteilt dem Honorartableau der HUK-COBURG eine Abfuhr und verurteilt diese zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Hinweis auf den Vorteilsausgleich mit Urteil vom 2.12.2015 – 61 C 696/15 -.

  1. Salvatorbruder sagt:

    Die Urteile des AG Stade und des AG Geestland in allen Ehren, aber da greifen schon wieder am OLG München neue Überlegungen zu einem Honorardiktat Platz, über die man sich nur noch wundern kann und siehe da, der GF des BVSK sieht darin sogar eine Stärkung der Position der qualifizierten Kfz.-Sachverständigen. Soviel geheuchelte Zukunftsgläubigkeit ist derart deplaziert, das man schon um den besorgniserregenden Realitätsverlust dieser zweifelsohne schillernden Person fürchten muss. Die verantwortlichen Richter am OLG München versuchen nun von einer ganz anderen Seite den Interessen der Versicherungswirtschaft und des BVSK zum Durchbruch zu verhelfen ohne einen gesetzlich bestimmten Auftrag dafür zu haben. Haben wir es hier vielleicht mit einem neuen Syndikat zu tun, für das sich das Bundeskartellamt und die Staatsanwaltschaft interessieren dürfte?
    Lest einmal nachfolgend die zweifellos interessante Interpretation des BVSK-GF ELMAR FUCHS zu diesem Hinweisbeschluss des OLG München nach zwischenzeitlicher Umbesetzung des Senats:

    OLG-Leitfaden für Sachverständigenkosten Münchener Gericht erlässt Hinweisbeschluss20.01.16 | Autor: autorechtaktuell.de

    Salvatorbruder

  2. Voraussager sagt:

    Salvatorbruder says:
    30. Januar 2016 at 15:28

    Liebe Redaktion,
    stellt doch endlich den neuesten Hinweisbeschluss des OLG München ein, welchen ich Euch schon vor Wochen zugemailt habe.
    Garantiert an Willkür u. Schlechtstellung des SV nicht zu überbieten.

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