AG Geestland verurteilt am 20.11.2015 – 3 C 94/14 (IV) – die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung der eigenmächtig gekürzten Sachverständigenkosten und erteilt dem Honorartableau der HUK-COBURG eine glatte Abfuhr.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

es geht weiter mit Urteilen gegen die HUK-COBURG. Nachfolgend veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil aus Geestland zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK Allgemeine Versicherung AG. Auch in der Schadensangelegenheit, die dem Urteil zugrunde lag, hatte die HUK-COBURG versucht, ihr „HUK-Honorartableau“ so darzustellen, als ob damit eine bundeseinheitliche Abrechnung der Sachverständigenkosten nebst Nebenkosten erreicht werden könnte. Dieses Ansinnen hatten auch bereits Anwälte der HUK-COBURG schriftsätzlich gegenüber Gerichten vorgetragen. Damit zielt die HUK-COBURG auf eine von ihr gestaltete bundeseinheitliche „Sachverständigenkostenordnung“ hin. Erstens fehlt ihr hierzu der gesetzgeberische Auftrag und zum anderen bestehen erhebliche kartellrechtliche Bedenken. Aber wir wissen ja, dass sich die HUK-COBURG über derartige juristische Bedenken hinwegsetzt. Nicht umsonst wird die Liste der gegen sie ergangenen Entscheidungen immer länger. Völlig zu Recht hat daher das erkennende Amtsgericht Gesstland in Niedersachsen der HUK-COBURG mit ihrem „Honorartableau“ eine knallende Abfuhr erteilt. Im Wesentlichen eine ordentliche Entscheidung mit einer weiteren Abfuhr für das „HUK-Honorartableau“. Auch hinsichtlich der abgerechneten Nebenkosten hat das erkennende Gericht zutreffend auf die Ausführungen dazu in dem Urteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 ( = BGH NJW 2014, 1947 ff = DS 2014, 90 ff) verwiesen. Dort waren die berechneten Nebenkosten, die ca. 60 % des Grundhonorares ausmachten, revisionsrechtlich nicht beanstandet worden. Insoweit sollten sich die Verantwortlichen in Coburg bei den Schadensregulierungen an den Grundsatzentscheidungen BGH VI ZR 67/06 und VI ZR 225/13 orientieren und nicht versuchen, gesetzeswidrig eine eigene „Sachverständigenhonorarordnung“ zu etablieren. Auch das JVEG hilft bei privat beaufragten Sachverständigen nicht weiter (siehe: BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Lest selbst das ordentliche Urteil aus Niedersachsen und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht
Geestland

3 C 94/14 (IV)

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

HUK Coburg Allgemeine Versicherungs-AG vertr. d.d. Vors. Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 95444 Bayreuth (müsste wohl Coburg sein, anm. der Redaktion!)

Beklagte

hat das Amtsgericht Geestland im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 19.11.2015 am 20.11.2015 durch den Richter O. für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 85,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2014 zu zahlen.

2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des

Tatbestandes

wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung (restlicher) Sachverständigenkosten in Höhe von 85,48 € infolge eines Verkehrsunfalles vom 04.11.2013 gem. §§ 7 Abs. 1, 17, 18StVG, § 115 Abs. 1 VVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

1.
Der Kläger ist aktivlegitimiert, nachdem ihm der Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten von dem Sachverständigenbüro …  (rück-)abgetreten wurde.

2.
Bezüglich der Erstattungsfähigkeit von durch den Geschädigten geltend gemachten Sachverständigengebühren gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes folgendes: Ein Unfallgeschädigter kann einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizieile Bedeutung für die Erforderiichkeit der Aufwendungen nehmen. Maßgebend insoweit ist die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung für den konkreten Einzelfall und die Lage des Geschädigten bei der Beauftragung eines Sachverständigen zu berücksichtigen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (zu diesen grundlegenden Voraussetzungen vgl. nur BGH, NJW 2007, 1450, BGH NJW 2014, 1947).

Nach alledem reicht im Prozess ein einfaches Bestreiten der Sachverständigenrechnung seitens des Schädigers oder seiner Versicherung grundsätzlich nicht aus. Der Schädiger kann vortragen, dass die vorgelegte Sachverständigenrechnung die übliche Abrechnung der Branche deutlich übersteigt und der Geschädigte dies erkennen hätte können. Kann der Schädiger dies beweisen, hätte der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn er bei Vereinbarung der Vergütung vor Auftragsvergabe dies nicht beanstandet (Auswahlverschulden) oder bei einer Abrechnung gemäß § 632 Abs. 2 BGB die Rechnung ungekürzt bezahlt. Voraussetzung für eine substantiierte Einwendung seitens des Schädigers oder der Versicherung ist daher die Darlegung

–     der üblichen Sätze für das Grundhonorar und ggf.
–     der üblichen Sätze für Nebenkosten,
–     jeweils bezogen auf das nähere örtliche Umfeld, und
–     auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein muss (vgl. zu den Darlegungsvoraussetzungen etwa OLG München, Beschluss vom 13.03.2015 – Az.: 10 U 579/15).

Diesen Anforderungen ist die Beklagte indes nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Dabei wendet sich die Beklagte letztlich einzig gegen die abgerechneten Nebenkosten und beanstandet diese gleichsam pauschal als „völlig übersetzt“. Vor diesem Hintergrund wird sodann unter Verweis auf ein „Honorartableau 2012-HUK-Coburg“ ein „angemessener Schätzmaßstab“ zugrunde gelegt und die Sachverständigenkosten auf 638,00 € gekürzt.

Zur Frage der generellen Zulässigkeit der Abrechnung von Nebenkosten neben dem Grundhonorar verweist das Gericht auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser hat ein solches Vorgehen in seiner Entscheidung vom 11.02.2014 (BGH, NJW 2014, 1947) ausdrücklich nicht beanstandet und aufgezeigt, dass selbst ein Sachverständigenhonorar, das die Hälfte der ausgewiesenen Reparaturkosten ausmacht und Nebenkosten, die die Hälfte des Gesamthonorars betragen, es nicht in jedem Fall rechtfertigt, die Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten zu verneinen.

Im Hinblick auf die sodann von der Beklagten vorgenommene Kürzung teilt die Beklagte nicht mit, inwiefern die von dem Sachverständigen berechneten Sätze gerade nicht ortsüblich und angemessen sind. Die Beklagte teilt auch nicht mit, wie sich die Kürzung konkret errechnet.

Vielmehr wird hier ein pauschaler Wert auf der Grundlage eines eigenen Tableaus angesetzt und die Rechnung des Klägers insoweit gekürzt. Für das Gericht ist so aber nicht ersichtlich, dass der Sachverständige zu überhöhten Preisen abgerechnet hätte. Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass ein Gutachter auch nicht dazu verpflichtet ist, Lichtbilder nach Discountpreisen abzurechnen, gleiches gilt für Fahrtkosten; auch EDV-Kosten können gesondert abgerechnet werden.

Hat die Beklagte damit aber schon nicht hinreichend dargelegt, dass der Sachverständige zu überhöhten Preisen abgerechnet hat, so kommt es auf die Frage einer etwaigen Erkennbarkeit von überhöhten Preisen für den Kläger nicht mehr an.

II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. G.v.H. sagt:

    Hallo, Willi Wacker,

    in den Entscheidungsgründen wird u.a. ausgeführt:

    „Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung „und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung“, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt.“

    Schadenersatzrechtlich noch deutlicher wäre wohl folgende Variante:

    „Ein richtungsweisendes Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber u.a. die Übereinstimmung des vom Geschädigen erbrachten bzw. noch zu erbringenden Kostenaufwandes nach der vorliegenden Rechnung für das Gutachten in Verbindung mit der ihrzugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht für den Geschädigten „deutlich erkennbar“ erheblich über den üblichen Preisen liegt, also um mindestens das Doppelte die Abrechnung übersteigt und/oder ersichtlich an der Wuchergrenze liegt.“

    Nur ist der Haken an der Geschichte, dass bei Auftragerteilung die Kostenentstehung noch unbekannt ist- auch dem beauftragten Sachverständigen- und nach Vorlage der Rechnung das Kind in den Brunnen gefallen ist, denn jedwede ex post Betrachtung ist unergiebig, zumal das Unfallopfer die entstehenden Kosten nicht ernsthaft beeinflussen konnte, zumindest dann nicht, wenn es einen versicherungsunabhängigen Sachverständigen beauftragt hat.-

    Die Folge: Es greift das Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers und das hat wohl auch der BGH in seiner ersten Entscheidung aus 2014 im Februar 2014 nicht anders gesehen, wenn er auch die Schadenersatzverpflichtung für konkret überhöhte Honorare angesprochen hat. Nur als überhöht behauptete Honorare kann er damit nicht ernsthaft gemeint haben, denn eine solche Behauptung ins Blaue hinein ist schadenersatzrechtlich bekanntlich nicht erheblich.

    Richterliche und sonstige Gegenmeinung ist willkommen.-

    G.v.H.

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