AG Dachau verurteilt HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse mit völlig verkorkster Begründung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 7.2.2016 – 2 C 1259/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum Wochenbeginn stellen wir Euch hier ein Urteil aus Dachau zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. vor. Im Ergebnis ist das Urteil des AG Dachau  zwar richtig, in der Begründung jedoch grottenfalsch. Es werden die Üblichkeit geprüft, Einzelposten der Rechnung auf ihre Angemessenheit überprüft, die BVSK-Liste herangezogen usw.. Fehler über Fehler. Im Schadensersatzprozess geht es einfach nur um die in § 249 BGB enthaltene Erforderlichkeit. Mit keinem Wort steht in § 249 etwas von Üblichkeit oder Angemessenheit. Das Urteil des AG Dachau ist einfach nur noch gruselig, wie wir finden. Alles Werkvertragliche wurde hier wild zusammengewürfelt, ohne dass es dabei um die einzug entscheidende Erforderlichkeit ging. Mit Schadensersatzrecht hat dieses Urteil jedenfalls nichts am Hut. Lest selbst und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker

Amtsgericht Dachau

Az.:     2 C 1259/15

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., vertreten durch d. Vorstand, Bahnhofsplatz, 96444 Coburg

– Beklagte –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Dachau durch die Richterin am Amtsgericht S.-H. am 07.01.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

  1.         Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 58,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 10.12.2015 zu bezahlen.

2.          Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.          Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 58,97 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung der weiteren Sachverständigenkosten in Hohe von 58,97 €.

Die Sachverständigenkosten zählen grundsätzlich zu den Rechtsverfolgungskosten, die im Rahmen des § 249 BGB zu ersetzen sind. Hierbei kommt es maßgeblich bei der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten darauf an, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden Schadens rechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (vergleiche BGH VI ZR 67/06). Gemäß § 249 Abs. 2 BGB können als erforderlicher Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangt werden, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen.

Die Sachverständigenkosten sind in der Höhe zu ersetzen, in der es sich um die üblichen und angemessenen Honorare für Kfz-Sachverständige handelt, § 632 Abs. 2 BGB.

Das Gericht ist insoweit nicht gezwungen, die übliche Vergütung im Rahmen des § 632 Abs. 2 BGB durch Sachverständigengutachten feststellen zu lassen, sondern ist berechtigt, die ansatzfähigen Sachverständigenkosten gemäß § 287 BGB zu schätzen.

Entgegen den Ausführungen der Beklagtenpartei hat der BGH in seiner Entscheidung vom 22.07.2014 (Az: VI ZR 357/13) gerade nicht bestätigt, dass die Ingenieurtätigkeit mit dem Grundgehalt abgegolten sei und überdies nur tatsächlich angefallene Nebenkosten geltend gemacht werden können. Der BGH hat insoweit nur ausgeführt, dass die vorinslanzlichen Auslegung des zugrundeliegenden Werkvertrag es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Auch hat der BGH nicht entschieden, dass Tabellen, wie die BSVK keine geeignete Schätzgrundlage seien. Er führte lediglich aus, dass die Nichtheranziehung der BSVK Befragung durch die Vorinstanz in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erfolgt sei. Dies bedeulet aber nicht, wie von der Beklagtenpartei ausgeführt, dass diese keine geeignete Schätzgrundlage ist.

Nach ständiger Rechtsprechung gebietet es das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot demnach nur, wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftrage. Insoweit hält es auch der Senat des OLG München für rechtsfehlerfrei, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Honorar, das sich im Bereich des BVSK-Korridors befindet, als branchenüblich angesehen wird. Dieser geht überzeugend soweit, dass ein einfaches Beslreiten der Sachverstndigenrechnung seitens des Schädigers nicht ausreicht. Der Schädiger, so der Senat, könne vortragen, dass die vorgelegte Sachverständigenrechnung die übliche Abrechnung der Branche deutlich übersteige und der Geschädigte dies hätte erkennen können. Voraussetzung hierfür sei weiter die Darlegung der üblichen Satze für die Nebenkosten, jedenfalls bezogen auf das nähere Umfeld und auf welchem Weg die Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein müsse (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.03.2015 – 10 U 579/15). Dem ist vorliegend zu folgen. Da der Geschädigte die Üblichkeit wesentlich geringerer Beträge vorliegend bereits nicht darlegen kann, kommt eine Kürzung nur dann in Betracht, wenn die Abrechnung des Sachverständigen so evident fehlerhaft ist, dass dies auch der Laie erkennen kann. Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen.

Sieht man als üblich solche Honorarsätze an, die durch eine Befragung ermittelt wurden, wie beispielsweise die Befragung der Sachverständigen durch die BSVK und überprüft den hiesigen Fall anhand der dort niedergelegten Werte, ergibt sich kein Mißverhältnis (vergleiche Urteil des Landgerichts München II vom 12.03.2013 – 8 S 4628/12). Insbesondere sind die Ergebnisse der BSVK-Befragung nach ständiger Rechtsprechung nicht als Obergrenze anzusetzen.

Entgegen den Ausführungen der Beklagtenpartei ist es nicht so, dass nach der BSVK-Honorarbefragung 2015 die gesonderte Abrechnung von Nebenkosten gar nicht mehr vorgesehen ist. Es wurde lediglich eine Nebenkostenerhebung nicht mehr durchgeführt, da diese wegen mangelnder Nachvollziehbarkeit und Transparenz aus Sicht des BGH angreifbar sei, und dafür ein üblicher Nebenkostenansatz vorgegeben. Aus der BSVK 2015 ergibt sich demnach nicht, dass keine Nebenkosten mehr anzusetzen sind. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an, da die BSVK zum nicht streng bindend ist, sondern nur Anhaltspunkte liefert und   deren alleinige Anwendbarkeit aufgrund des zeitlichen Moments fraglich erscheint.

1. Die geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 31,50 Euro sind erstattungsfähig. Ausweislich Google Maps betrug die Entfernung zwischen dem Sitz des Gutachters in W. und dem Besichtigungsort des beschädigten Fahrzeuges in D. tatsächlich 45 km. Eine derartige Entfernung kann aus Sicht des Geschädigten auch nicht als unangemessen angesehen werden. Auch der Ansatz von 0,7 Euro pro Kilometer ist aus Sicht des Geschädigten nicht unangemessen. Insoweit ist nicht auf den in einer Steuererklärung ansatzfähigen Betrag abzustellen.

2. Die geltend gemachten Fotokosten in Höhe von 2.40 € je Lichtbild, mithin insgesamt 28,80 Euro sind angemessen. In Rechtsprechung und Literatur wird die Anfertigung von Lichtbildsätzen in Höhe von 3,00 € für angemessen angesehen. Nach Auffassung des Landgerichts München II sei nicht ersichtlich, wenn in Literatur und Rechtsprechung ein derarti Satz anerkannt werde, dass der Geschädigte dies für unvertretbar hoch ansehen und erkennen musste (vergleiche Urteil des Landgerichts München II, a. a. O.). Dass tatsächlich 12 Fotos angefertigt wurden, ergibt sich aus dem Gutachten selbst.

3. Auch die Schreibgebühren in Höhe von 29,70 Euro halten sich im Rahmen und stehen nicht in einem auffälligen Mißverhältnis, so dass auch diese erstattungsfähig sind. Weiterhin sind auch Schreibgebühren ansatzfähig. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich hierbei auch nicht um die essentiale negotii. was sich bereits aus der Honorarbefragung ergibt.

4. Für die Kosten für Duplikate in Höhe von 15,30 Euro sind ersatzfähig. Insbesondere sind Duplikate zur Verfolgung der Rechte erforderlich.

5. Die Kosten für Porto und Telefonkosten in Höhe von 14.00 Euro halten sich im Bereich des Angemessenen. Insbesondere ist hierbei zu berücksichtigen, dass ein Telefonat sowie der Versand einer eMail zwar nur wenige Cent kostet, jedoch die Bereitstellung von Telefon und die Anschlüsse Grundgebühren unterliegen, die ebenfalls zu berücksichtigen sind.

6. Die Vereinbarung einer Pauschale für die Fremdleistung DAT in Höhe von 20,00 Euro für Datenbank-DAT Leistungen ist aus Sicht des Geschädigten als nicht unüblich anzusehen. Für die Bereitstellung und die laufende Aktualisierung der Systeme und der Hardware fallen nach der lebenserfahrung Kosten an, die bei pauschaler Umlegung grundsätzlich 20,00 Euro erreichen.

Die Beklagtenpartei kann mit ihren Einwänden nicht gehört worden. Der Klagepartei steht daher die Gesamtsumme aus dem Gutachten zu, so das sie noch einen Anspruch auf Zahlung weiterer 58,97 Euro hinsichtlich der Gutachtenskosten hat.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 285, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 1 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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1 Antwort zu AG Dachau verurteilt HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse mit völlig verkorkster Begründung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit Urteil vom 7.2.2016 – 2 C 1259/15 -.

  1. Ruth v. K. sagt:

    Hallo, Willi Wacker,

    hat vielleicht hat diese Richterin des AG Dachau hier Neuland betreten ?
    Sie hat jedoch in ihren Bemühungen, die gesetzlich geregelte Schadenersatzverpflichtung herauszuarbeiten und die rechtswidrige Honorarkürzung abzuweisen, einen wahren und auch praktikablen Satz berücksichtigt:

    „Die Beklagtenpartei kann mit ihren Einwänden nicht gehört worden.“

    Übersetzt bedeutet dies, dass den bekanntlich immer unsubstantiierten Einwendendungen der Beklagten eine Erheblichkeit nicht zuzugestehen war. Was aber nicht zuzugestehen ist, kann schadenersatzrechtlich auch nicht gewürdigt werden. Insoweit ist die Bezugnahme der Beklagten auf das hauseigene Honorartableau ebenfalls nicht erheblich, da diese Bezugnahme sich „vergleichend“ auf eine nicht verifizierbare Behauptung beschränkt, mit der ein Beweis nicht verbunden ist. Wäre es anders, würde die Beklagte die Möglichkeit mit Sicherheit nutzen und weil sie dies weiß, muss sie sich zum Abwürgen jedes weiteren Aufklärungsbegehrens eines nichtssagenden Textbausteins beziehen, der hinlänglich bekannt sein dürfte.

    Die Frage der Erheblichkeit, Auswahlverschulden, Verstoß gegen die Schadengeringhaltungspflicht und die Position des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers sollten jedoch im Zuge einer Klage immer im Mittelpunkt einer schadenersatzrechtlichen Erörterung stehen, wie auch die dem Unfallopfer zugestandenen „Erleichterungen“ für das Anspruchsbegehren. Hier sind jedoch die meist auffälligen Bemühungen erkennbar, diese schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevanten Randbedingungen nach Möglichkeit nicht anzusprechen. Ich kenne bisher kein Kürzungsschreiben eines Versicherers, aus dem sich auch nur ansatzweise ergeben könnte, in welcher Form die dem Unfallopfer zugestandenen „Erleichterungen“ berücksichtigt wurden.

    Wenn Geschäftsbedingungen und Vereinbarungen rechtsgültig sind, sollte zumindest die Überlegung im Raum stehen, ob Honorarkürzungen nicht auch hierzu im Widerspruch stehen. Und zu guter Letzt: Welche Richterin oder welcher Richter kann denn schon auf Grund von belastbaren Überlegungen eine verbindliche Beurteilung dahingehend ernsthaft vertreten, dass das Unfallopfer vor oder bei Auftragserteilung eine Nichterforderlichkeit oder deutliche Überhöhung hätte bemerken müssen?
    So hat denn auch das AG Saalouis u. a. zutreffend angemerkt, dass ein einfaches Bestreiten
    der Erforderlichkeit reiche vor diesem Hintergrund nicht ausreiche, um die die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen.

    Etwas anderes gelte nur, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergäben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die erforderlichen Aufwendungen nehmen würden.

    Hierzu genüge es aber nicht, wenn die Honorarrechnung die aus der BVSK-Honorarbefragung folgenden Höchstsätze überschreite. Denn dem Geschädigten müssten diese nicht bekannt sein.

    Aus

    Mit freundlichen Grüßen

    Ruth v. K.

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