AG Leipzig verurteilt HUK Coburg zur Erstattung der außergerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 27.03.2017 (104 C 6826/16)

Mit Entscheidung vom 27.03.2017 (104 C 6826/16) wurde die HUK COBURG Allgemeine Versicherung AG durch das Amtsgericht Leipzig zum Ausgleich der außergerichtlich (rechtswidrig und willkürlich) durch die HUK gekürzten Sachverständigenkosten verurteilt. Geklagt hatte der Sachverständige aus abgetretenem Recht. Im Ergebnis ist das Urteil zwar richtig, in der Begründung jedoch fehlerhaft, da die Angemessenheit der SV-Kosten auf Grundlage der BVSK-Honorabefragung sowie nach dem JVEG überprüft wurde. Die Überprüfung von Einzelpositionen einer konkreten Rechnung im Schadensersatzprozess = ein schadensersatzrechtlicher „Totalschaden“. Aus Leipzig gab es schon deutlich bessere Entscheidungen.

Unabhängig davon haben wir nun ein weiteres Urteil gegen die HUK Coburg für unsere Urteilsliste, das zeigt, dass die HUK völlig rechtswidrig kürzt und mehrere hundert Urteile, die bereits in Leipzig gegen die HUK ergangen sind, schlichtweg ignoriert.

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HUK COBURG Allgemeine Versicherung AG, Querstraße 16, 04103 Leipzig, vertreten durch d. Vorstand

– Beklagte –

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7.3.2017 am 27.3.2017

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 119,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.01.2016 zu zahlen.

2,        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 119,49 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Erstattung weiterer Gutachterkosten in Hohe von 119,49 Euro gegenüber der Beklagten gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

Auf Grund des Verkehrsunfalls vom 24.12.2015 ist die Beklagte gegenüber Herrn … zu 100 % einstandspflichtig. In Höhe der Gutachterkosten hat dieser seine Rechte an die Klägerin abgetreten. Dies steht auf Grund der Vorlage der Originalabtretungserklärung entsprechend Bl. 31 der Akte in der mündlichen Verhandlung fest.

Die Abtretungserklärung ist hinreichend bestimmt. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH Urteil vom 7.6.2011 VI ZR 260/10) wurden nicht die Ansprüche aus dem Unfall in Höhe der Sachverständigenkosten abgetreten, sondern die Sachverständigenkosten. Dies ist hinreichend konkret.

Es ist auch das vollständige Honorar geschuldet entsprechend der Vergütungsvereinbarung zwischen Herrn … und der Klägerin. Allerdings ist die Rechnung fehlerhaft gelegt. Die Grundgebühr beträgt nur 540,00 Euro. Dazu kommen noch 20 € für den Abruf bei der Restwertbörse bei Auto-Online und 20 € Abrufkosten, so dass sich insgesamt 580 Euro zzgl. der weiteren Nebenkosten ergeben. 20 € Abrufkosten und Gebühr Auto-online waren vereinbart (Bl. 38), da dies so in der Gebührentabelle aufgeführt ist. Auf den Nachweis des Anfalls der Kosten kam es daher in diesem Fall nicht an. Die Rechnung entspricht damit der Gebührentabelle der Klägerin, insbesondere die Abrufkosten waren mit jeweils 20 € vereinbart. Die Grundgebühren wurden auch zutreffend berechnet, aus dem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 4.400,00 Euro. Es handelte sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Die Reparaturkosten beliefen sich auf netto 10.316,24 Euro. Für die Ermittlung des Honorars war der Restwert nicht vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen.

Die Gebührentabelle war in den Vertrag einbezogen. Dies ergibt sich auf Grund der Abtretungserklärung. In dieser wird auf die Honorartabelle Bezug genommen. Unschädlich ist, dass nur ein Auszug der Honorartabelle umseitig abgedruckt wurde und der Beklagte die vollständige Honorartabelle nicht in Augenschein nehmen konnte. Für die Vereinbarung des Preises ist nicht erforderlich, dass der Vertragspartner die Preistabelle auch tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, es reicht aus, wenn im Vertrag auf die Tabelle Bezug genommen wird.

Auf die Vollmacht des Herrn … kommt es nicht an. Der Zedent hat durch Unterzeichnung der Abtretungserklärung, die auf die Gebührentabelle Bezug nimmt ein Angebot abgegeben, dieses ist jedenfalls durch Erstellung des Gutachtens angenommen worden.

Das Honorar ist auch nicht etwa deshalb zu kürzen, weil dieses nicht erforderlich wäre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn für den Geschädigten das Honorar deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegen würde. Dabei spielen Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten eine Rolle. Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Verkehrsunfallereignis ein für die allermeisten Verkehrsteilnehmer einmaliges Ereignis darstellt. Ein durchschnittlicher Geschädigter hat daher nicht ansatzweise eine Vorstellung davon, welche Kosten für die Erstattung eines Schadensgutachtens anfallen.

Das berechnete Honorar befindet sich unterhalb des Honorarkorridors der BVSK Befragung, der bis zu 588 Euro ausweist. Die Nebenkosten übersteigen insgesamt die üblichen bzw. angemessenen Kosten nicht signifikant.

Die Fahrtkosten würden sich entsprechend des Urteils des Bundesgerichtshof vom 26.04.2016, AZ: VI ZR 50/15 auf 0,70 Euro pro Kilometer schätzen lassen. Die Klägerseite behauptet ein Fahrtstrecke von 43 km, die Beklagtenseite gibt die Entfernung mit 5,7 km an, so dass sich eine Fahrtstrecke von 2 x 5,7, d.h. 11,4 km ergibt, da seitens der Klagepartei kein Beweisangebot für die Fahrtstrecke erfolgt ist, das entspricht 7,98 Euro. In Rechnung gestellt wurde eine Pauschale von 26,00 Euro. Die Fotokosten können mit 2,00 Euro pro Foto entsprechend dem JVEG berechnet werden. Dies entspricht den 24,00 Euro, die berechnet wurden. Die Anzahl der Lichtbilder ist nicht zu beanstanden. Der Sachverständige durfte vom Schaden Aufnahmen aus jeweils mehreren Perspektiven vornehmen. An Schreibkosten können entsprechend dem JVEG 1,40 Euro pro Seite angesetzt werden. Dies wären hier 22,40 Euro. Statt der angesetzten 35,20 Euro. Dafür hat die Klägerin nur 10,00 Euro für Porto und Telefon berechnet, statt der möglichen 15,00 Euro.

Damit würde sich ein angemessener Betrag von 657,38 € netto ergeben, gegenüber 675,20 Euro die berechnet wurden. Diese Abweichung von 2,7% vermag nicht die fehlende Erforderlichkeit zu begründen, da die Unangemessenheit für den Geschädigten nicht erkennbar war.

Dafür dass die Forderung bereits vom Zedenten erfüllt wurde und der Klägerin nicht mehr zusteht, ist die Beklagte darlegungs-und beweisbelastet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Leipzig verurteilt HUK Coburg zur Erstattung der außergerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 27.03.2017 (104 C 6826/16)

  1. HR sagt:

    @ Hans Dampf

    Deine Eingangskommentierung zu diesem Urteil des AG Leipzig trifft den Nagel auf den Kopf. Es geht nicht um werkvertraglich zugeordnete „Angemessenheit“.

    Die Rechnung ist trotz Honorarvereinbarung „fehlerhaft“ gelegt? Vielleicht deshalb, weil der Fahrzeitaufwand und die tatsächliche Höhe der zu berücksichtigenden Betriebskosten vom Sachverständigen nicht berücksichtigt wurden?

    Hat sich die hier verantwortliche Richterin nicht einmal gefragt, w a s die HUK-Coburg in Ansatz gebracht hat? DAS wäre nicht zu verifizieren gewesen, weil diese Versicherung rechtswidrig auf einer Pauschalpreisbasis kürzt unter Zugrundelegung angeblich bundesweit gültiger „Durchschnittswerte“ für „Routinegutachten“, was immer das sein soll. Die immer noch praktizierte Bezugnahme auf das hauseigene
    HUK-Coburg-Tableau sollte mit der behaupteten Nichterforderlichkeit genügen, die gebetsmühlenartig vorgetragen Einwendungen – wie beispielsweise schon vorbildhaft das AG Essen-Steelen – als n i c h t
    e r h e b l i c h abzustrafen, denn ein schadenersatzrechtlich tragfähiger und substantiierter Beweis für die erhobenen Einwendungen wird regelmäßig nicht erbracht. Ein Auswahlverschulden und ein damit zu unterstellender Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht dürften versicherungsseitig auch nicht ins Feld zu führen sein und das vom BGH postulierte Überprüfungsverbot macht eine Bezugnahme auf JVEG
    und die Honorarbefragung eines Berufsverbandes, die in Wirklichkeit eine solche nicht ist, überflüssig, weil die Frage der Erforderlichkeit ersichtlich nur auf die Berechtigung zur Einholung eines qualifizierten und versicherungsunabhängigen Gutachtens gerichtet ist.

    Der Umfang, in dem unter anderem Sachverständigenkosten erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie Aufwendung darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Es besteht insoweit zwar ein „Wirtschaftlichkeitsgebot“ dahingehend, dass „im Rahmen des Zumutbaren“ vom Geschädigten von mehreren möglichen Alternativen der wirtschaftlichere Weg der Schadensbeseitigung zu wählen ist, „soweit“ er dessen Kosten beeinflussen kann. Jedoch ist kein Sparen auf Kosten des Geschädigten geschuldet (vgl. BGHZ 132, 373).

    Dabei ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 aaO).

    Der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag umfasst auch die Kosten, welche der Ge­schädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 249 Rn. 58).

    Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Ge­schädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen. Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.

    Der dem Geschädigten „abzuverlangende Aufwand“ zur Schadensbeseitigung ist daher in vernünf­tigen Grenzen zu halten, wobei eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Er­kenntnis- und Einflussmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen ist (vgl. auch: BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13)

    Zu einer Markforschung ist der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet und aus der Inanspruchnahme eines qualifizierten sowie versicherungsunabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen ist auch kein Auswahlverschulden zu unterstellen.

    Das JVEG stellt keine Orientierungshilfe bei der Bemessung der Angemessenheit von Nebenko­sten bei privaten Sachverständigen dar (so auch BGH, Beschluss vom 04.12.2013 – Az. XII ZB 159/12, NJW2014, 1688; BGHZ 167, 139; Urt. v. 23.01.2007 – Az. VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 und v. 04.04.2008 – BGH X ZR 80/05, NZV 2007, 182, 184;). Gegen eine Übertragung der Grund­sätze des JVEG spricht dabei vor allem, dass das JVEG ungeachtet seiner Absicht, eine „lei­stungsgerechte“ Vergütung zu gewähren (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 2, 142), weder eine marktgerechte Vergütung abbilden, noch gar eine solche für den Privatsachverständigen verbindlich fest­legen soll (vgl, auch LG Saarbrücken, 10,02.2012 – 13 S 169/10).

    Einem Laien müssen auch Honorarerhebungen verschiedener Berufsverbände, die einen Honorarrahmen darstellen (z. B. BVSK, VKS/BVK), nicht bekannt sein. Aufgrund des Fehlens von Gebüh­renordnungen bzw. verlässlicher Größenordnungen ist es für den Geschädigten regelmäßig nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze die in der Branche üblichen Preise deutlich erkennbar überschreiten.

    Zudem ist in VI ZR 67/06 eindeutig aufgeführt, dass weder das Gericht noch der Schädiger im Schadensersatzprozess berechtigt sind, eine Preiskontrolle auch bei den Sachverständigenkosten durchzuführen, sofern der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt.

    Diesen Rahmen wahrt der Geschädigte, wenn er zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe beweissichernd einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzuzieht, denn er selbst ist regelmäßig nicht in der Lage, den Schadensumfang und die Schadenshöhe anzugeben und zu beweisen.

    Da der Geschädigte regelmäßig die Höhe der zu berechnenden Sachverständigenkosten nicht beeinflussen kann, sind grundsätzlich die berechneten Sachverständigenkosten ein nach § 249 I BGB zu ersetzender Vermögensnachteil, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallschaden steht, zudem die Kosten entstanden sind und nicht fiktiv abgerechnet werden sollen.

    Vor dem Hintergrund des § 249 S.1 BGB bedingt eine Haftung von 100 % folgerichtig auch 100 % Schadenersatz und nicht nach Belieben und eigenen Vorstellungen eines Haftpflichtversicherers auch nur einen Cent weniger.

    Die Grenzziehung bzw. den Auslöser für eine anzunehmende „Überhöhung“ hat der BGH in der Vergangenheit mit Beschluss vom 24.07.2003 (IX ZR 131/00) trefflich wie folgt umrissen:

    + „Honorarvereinbarungen dürfen im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne ausreichenden Sachgrund beschnitten werden.

    + Eine Honorarvereinbarung kann grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH Urteil vom 03.04.2003 aaO).

    + Die äußerste Grenze eines angemessenen Honorars ist überschritten, wenn der Auftragnehmer seinen Aufwand in grober Weise eigensüchtig aufbläht und das Wirtschaftlichkeitsgebot wissentlich außer Acht lässt.

    + Das ist der Fall, wenn die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um etwa das Doppelte überschritten wird.“

    Führt man sich im beurteilungsrelevanten Zusammenhang damit die tatsächliche Bedeutung der so oder so behaupteten „Überhöhungen“ realiter vor Augen, so müssten jeder Richter und jede Richterin von vornherein die Versuche, das Gesetz und die korrekte Schadenregulierung zu unterlaufen, qualifiziert strikt zurückweisen, denn tatsächlich gibt es diese behauptete Nichterforderlichkeit genau so wenig, wie die Behauptung einer exorbitanten Überhöhung.

    HR

  2. Die drei kleinen Schweinchen sagt:

    Hallo, Hans Dampf,
    da lesen wir in den Entscheidungsgründen: „Diese Abweichung von 2,7% vermag nicht die fehlende Erforderlichkeit zu begründen, da die Unangemessenheit für den Geschädigten nicht erkennbar war.“

    Eine beklagte Versicherung, die solche unnötigen Prozesse auf Kosten der Versichertengemeinschaft, aller Steuerzahler und auf Kosten der bekanntlich arbeitsüberlasteten Gerichte verantwortungslos provoziert, gehört empfindlichst abgestraft und dazu muss sich der Gesetzgeber deutlich sichtbar mehr bewegen als bisher nur in Duldung zu verharren.

    Die drei kleinen Schweinchen

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